Die neue Impfleitlinie für Schweine - Empfehlungen nach Altersgruppen - Deutsches Tierärzteblatt

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Die neue Impfleitlinie für Schweine - Empfehlungen nach Altersgruppen - Deutsches Tierärzteblatt
196 | Forum

Die neue Impfleitlinie für Schweine
Empfehlungen nach Altersgruppen
Elisabeth große Beilage, Rolf Bauerfeind, Uwe Truyen und Max Bastian

Nachdem im vergangenen Jahr die Impf-              baren Impfstoffen wurden den Webseiten des                 mation zu entnehmen. Neben Erkrankungen,
leitlinie für Wiederkäuer von der Ständigen        Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) bzw. der Europä-              für die zugelassene Impfstoffe zur Verfügung
Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo             ischen Arzneimittel-Agentur (EMA) entnommen.               stehen, werden in der Impfleitlinie für Schweine
Vet) vorgelegt wurde, steht mit der Impfleit-      Sie geben den Stand zum Zeitpunkt des Er-                  auch relevante Infektionserkrankungen bespro-
linie für Schweine nun die zweite Impfleit-        scheinens der jeweiligen Leitlinie wieder. Ände-           chen, für die keine oder ausschließlich
linie für landwirtschaftliche Nutztiere zur        rungen oder aktuelle Warnhinweise sind der                 bestandsspezifische Impfstoffe zur Verfügung
Verfügung.                                         jeweiligen Packungsbeilage/Gebrauchsinfor-                 stehen. Durch dieses Novum wird das Spek-
Die Impfleitlinie für Schweine folgt einem ähn-                                                               trum der relevanten Erkrankungen um-
lichen Konzept wie die für Wiederkäuer; auch                                                                  fassend dargestellt.
hier werden keine starren Impfschemata vorge-                                                                      In dem von der Homepage der StIKo Vet
geben. Ein eingängiges Ampelsystem soll viel-                                                                 herunterzuladenden PDF-Dokument der Leit-
mehr die schnelle Orientierung über die Rele-                                                                 linie sind die korrespondierenden Abschnitte
vanz der einzelnen Impfungen für Schweine der                                                                 der Impfempfehlungen über digitale Quer-
verschiedenen Altersgruppen ermöglichen. Den                                                                  verweise mit den Fachinformationen zu den
Impfampeln für die Sauenhaltung und Ferkel-                                                                   jeweiligen Erkrankungen und den dafür zuge-
aufzucht folgen jeweils kurze Erläuterungstexte                                                               lassenen Impfstoffen verknüpft. Zusätzlich
zu den einzelnen Impfempfehlungen. Daran                                                                      kann ein digitales Inhaltsverzeichnis eingeblen-
schließen sich Zusammenfassungen zu den                                                                       det werden. So ist eine schnelle Navigation
betreffenden Erkrankungen an, die durch Infor-                                                                innerhalb des Dokuments möglich. In gedruck-
mationen zu den in Deutschland verfügbaren                                                                    ter Form ist die Struktur des Dokuments in
Impfstoffen ergänzt werden. Letztere beschrei-                                                                gleicher Weise nutzbar, allerdings entfallen
ben in tabellarischer Form die Zusammenset-                                                                   dann natürlich die digitalen Querverweise.
zung der Impfstoffe und geben Hinweise zur                                                                         Ziel der vorliegenden Impfleitlinie ist, einen
Anwendung. Zudem geben sie den Wortlaut der                                                                   umfassenden Überblick über impfpräven-
Gebrauchsinformation zum Anwendungsgebiet                                                                     table Erkrankungen bei Schweinen zu geben
des Impfstoffs wieder.                                                                                        und Handlungsoptionen aufzuzeigen, die even-
     Mit diesem Abschnitt der Gebrauchsinfor-                                                                 tuell nicht immer präsent sind. Es wurde ver-
                                                                                                      © FLI

mation wird beschrieben, was der Impfstoff zu                                                                 sucht, die Leitlinie so zu strukturieren, dass die
leisten vermag. Während des Zulassungspro-                                                                    erforderliche Information schnell gefunden
zesses wird ein sehr genaues Augenmerk auf                                                                    werden kann. So soll die Leitlinie sowohl ange-
diesen Abschnitt gerichtet und es werden nur                                                                  henden Kolleginnen und Kollegen wie auch
Formulierungen akzeptiert, bei denen die Wirk-                                                                erfahrenen Praktikern Informationen in konden-
samkeit durch vorgelegte Studien tatsächlich                                                                  sierter Form und fachliche Anregungen bieten.
belegt ist. Aus diesen Informationen lässt sich                                                               Gleichzeitig kann sie, z. B. auf einem mobilen
erkennen, welchen Impfschutz der Impfstoff                                                                    Endgerät wie einem Tablet, hilfreich sein, um
vermittelt. Die Informationen zu den verfüg-                                                                  im Beratungsgespräch mit dem Betriebsleiter

Zu den Impfleitlinien der StIKo Vet
Die Impfleitlinien der StIKo Vet haben keinesfalls den Anspruch, klinische Erfahrung, Fachbücher oder tierärztliche Fort-
bildungsveranstaltungen zu einschlägigen Themen zu ersetzen. Sie können auch nicht detailliert alle möglichen Einzelfälle
abhandeln.
     Alle Leitlinien der StIKo Vet werden in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls ergänzt oder geändert. Außer
den Impfleitlinien werden von der StIKo Vet auch wissenschaftliche Stellungnahmen zur Impfung von Tieren auf der Homepage
der StIKo Vet veröffentlicht. Diese Stellungnahmen nehmen Bezug zu aktuellen Themen und liefern teilweise über die Leitlinien
hinausreichende Hintergrundinformationen. Allen Impfempfehlungen der StIKo Vet liegen die folgenden Grundsätze zugrunde:
1. Das einzelne Tier ist so häufig wie nötig zu impfen mit dem Ziel, einen Schutz des Einzeltieres, des Bestands und soweit möglich der Population zu
   erreichen.
2. Bestandsimpfungen oder vielmehr der Aufbau einer Herdenimmunität ist anzustreben, um Infektionsketten nach Möglichkeit zu unterbrechen. In
    Kombibetrieben ist das Impfregime an die jeweiligen Altersgruppen anzupassen.
3. Die regelmäßige Gesundheitsberatung und das Impfgespräch dienen der Ermittlung eines individuellen und bestandsorientierten Impfprogramms. Vor
   jeder Impfung ist sowohl die Impffähigkeit des Einzeltiers als auch die des Bestands durch eine Inaugenscheinnahme und ggf. klinische Untersuchung
   festzustellen.
4. Eine vollständige Grundimmunisierung ist Voraussetzung für einen optimalen Schutz des Einzeltieres.

Deutsches Tierärzteblatt | 2019; 67 (2)
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Abb. 1: Erläuterung des Farbcodes in den Impfampeln.

eine maßgeschneiderte Impfstrategie für den        verboten und nur nach behördlicher Anordnung      kann allerdings auch diese Altersgruppe
jeweiligen Betrieb zu entwerfen.                   möglich sind (rote Punkte) (Abb. 1 bis 3). Eine   betroffen sein. Das klinische Bild kann dann
     Neben der Impfung bilden die allgemeine       Aussage zur Qualität der Impfstoffe ist damit     von akuten, hochfieberhaften, durch Husten,
Betriebshygiene sowie die Optimierung des          nicht verbunden.                                  Dyspnoe und Leistungsdepression gekenn-
Managements, der Haltungsbedingungen, der                                                            zeichneten Verläufen bis zu chronischen
Fütterung und der Biosicherheit weitere Säulen                                                       Erkrankungen variieren. In klinischen Ver-
                                                   Erläuterung der Impfempfehlung
der Vorbeugung von Infektionskrankheiten. Da       am Beispiel der Sauenhaltung                      dachtsfällen ist die labordiagnostische Ab-
unterschiedliche Anforderungen an die Immun-                                                         klärung mit Erregerisolation und Serotypisie-
prophylaxe bei erwachsenen Schweinen, d. h.        Die Impfempfehlungen für Sauen und Jungtiere      rung anzustreben. Während in stabilen Be-
Sauen, und bei Jungtieren, also Ferkeln, ge-       unterscheiden sich teilweise deutlich voneinan-   ständen die Immunisierung der Absetzferkel
stellt werden, wurden die Impfempfehlungen         der (Abb. 2 und 3). Am Beispiel der Sauen-        i. d. R. ausreichend ist, wird in derartigen
im ersten Teil des vorliegenden Dokuments ent-     haltung sind die Empfehlungen der Leitlinie       Ausbruchsbeständen zu einer zweimaligen
sprechend für die Sauenhaltung und die Ferkel-     nachfolgend näher erläutert.                      Impfung aller Sauen (Grundimmunisierung)
aufzucht separat formuliert. Fachinformationen                                                       geraten. In den auf den Ausbruch folgenden
zu den einzelnen Erregern nebst Übersichts-        Actinobacillose/Pleuropneumonie                   2 Jahren sollten neu eingestallte Jungsauen
tabellen zu den in Deutschland zugelassenen        Der Erreger Actinobacillus (A.) pleuropneumo-     während der Quarantänephase ebenfalls eine
Impfstoffen finden sich, nach Erkrankung bzw.      niae ist in deutschen Schweinebeständen weit      Grundimmunisierung erhalten.
Symptomkomplex geordnet, im zweiten Teil der       verbreitet. Am häufigsten werden die Sero-
Impfleitlinie. Für jede Nutzungsrichtung sollen    typen 2, 3, 4, 5, 7 und 9 beobachtet. In den      Aujeszkysche Krankheit
Impfampeln, angelehnt an das Konzept der           Beständen bildet sich i. d. R. ein enzootisches   Deutschland ist auf der Grundlage des Art. 10
Core- und Non-Core-Vakzinierung, einen             Gleichgewicht aus, weshalb adulte Tiere (Sau-     der Richtlinie 64/432/EWG mit der Entschei-
schnellen Eindruck darüber vermitteln, ob bzw.     en) nur selten erkranken. Kommt es zum Neu-       dung 2008/185/EG als frei von der Aujeszky-
für welche Bestandssituation die Impfung emp-      eintrag des Erregers in zuvor freie Bestände      schen Krankheit anerkannt. Damit sind prophy-
fohlen wird (grüne Punkte) oder grundsätzlich      oder zum Auftreten eines neuen Serotyps,          laktische Impfungen im gesamten Bundes-

                                                                                                                          (2) 67; 2019 | Deutsches Tierärzteblatt
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Abb. 2: Impfampel Sauenhaltung.

Abb. 3: Impfampel Ferkelaufzucht.

gebiet verboten. Im Ausbruchsfall kann die zu-    ritis der Saugferkel sind toxinbildende C. per-     neun Inaktivatimpfstoffe zugelassen. In betrof-
ständige Behörde die Impfung empfänglicher        fringens-Stämme vom Typ C. Die klassische           fenen Beständen sollte großes Augenmerk auf
Tiere anordnen.                                   Form wird allerdings nur noch selten beobach-       die sorgfältige Erregerdifferenzierung gelegt
                                                  tet. Häufiger kommen heute Infektionen mit          und der Impfstoff auf den oder die ursäch-
Circovirus-Infektionen                            C. perfringens Typ A vor. C. perfringens-Bakte-     lichen ETEC-Virotypen (enterotoxigenic E. coli)
Das Porcine Circovirus, PCV-2, ist an einer       rien sind Teil der kommensalen intestinalen         ausgerichtet sein (s. Teil C Fachinformationen).
Reihe von multifaktoriellen Krankheitskomple-     Mikrobiota. Deshalb ist nur dann zur Impfung        Es kann ggf. erforderlich sein, einen bestands-
xen prädisponierend beteiligt. Die Impfung        zu raten, wenn die labordiagnostischen Befun-       spezifischen Impfstoff einzusetzen. Zur Grund-
gegen PCV-2 kann zu einer Vermeidung dieser       de C. perfringens-Bakterien der Typen A und/        immunisierung sind die Sauen zweimal wäh-
Faktorenkrankheiten beitragen oder zumindest      oder C als Ursache der vorhandenen Erkran-          rend der Trächtigkeit, zuletzt 2 bis 4 Wochen
deren Folgen vermindern. Es wird empfohlen,       kungen plausibel erscheinen lassen. Zur Immu-       vor dem Abferkeln zu immunisieren. Die Immu-
Jungsauen zur Einstallung in der Quarantäne-      nisierung der Saugferkel ist die Muttertiervak-     nität sollte gemäß der entsprechenden
phase zu impfen. Sofern die Tiere als Ferkel      zinierung zielführend. Hierfür steht eine Reihe     Gebrauchsinformation bei jeder erneuten
bereits grundimmunisiert wurden, wird eine        von Impfstoffen zur Verfügung, die die Toxoide      Trächtigkeit durch eine Impfung vor dem Abfer-
Boosterimmunisierung als ausreichend erach-       von C. perfringens Typ A und/oder C enthalten,      keln aufgefrischt werden. Für die Wirkung der
tet. Ansonsten sollten die Tiere eine Grund-      sowie verschiedene Kombinationsimpfstoffe, in       Muttertiervakzine ist nicht nur die Aufnahme
immunisierung entsprechend der Gebrauchs-         denen diese Impfantigene mit Escherichia coli-      einer ausreichenden Menge an Kolostrum in
information erhalten. In Herden, in denen Pro-    Antigenen gemischt sind.                            den ersten 2 bis 3 Lebenstagen entscheidend.
bleme mit PCV-2 bereits im Saugferkelalter                                                            Auch nach dem Schluss der Darmschranke
auftreten, wird die Muttertiervakzinierung emp-   Colidiarrhoe                                        können Antikörper der aufgenommenen Sau-
fohlen, die ca. 2 Wochen vor dem Abferkeln        Die Escherichia (E.) coli-Diarrhoe (Colidiarrhoe)   enmilch die Anheftung und Vermehrung patho-
abgeschlossen sein und in jeder Trächtigkeit      ist eine häufige und wirtschaftlich bedeutende      gener E. coli-Bakterien auf der Darmschleim-
wiederholt werden sollte.                         Erkrankung der Saug- und Absetzferkel. Gera-        haut der Saugferkel unterdrücken und/oder
                                                  de unter neugeborenen Ferkeln kann es zu            deren Enterotoxine neutralisieren.
Clostridiosen                                     schweren Verläufen und großen Verlusten
Die Toxovare A und C von Clostridium (C.) per-    kommen. Zur gezielten Immunisierung der             Enzootische Pneumonie
fringens können bei Ferkeln schwere, verlust-     Saugferkel gegen die Colidiarrhoe ist die           Der Erreger der Enzootischen Pneumonie, My-
reiche Durchfallerkrankungen verursachen. Die     Muttertierimpfung etabliert. Mit dieser Indika-     coplasma (M.) hyopneumoniae, ist in deut-
Erreger der klassischen Nekrotisierenden Ente-    tion sind in Deutschland derzeit insgesamt          schen Schweinebeständen sehr weit verbrei-

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tet. Reine M. hyopneumoniae-Infektionen ver-       Klassische Schweinepest                             mäßig beobachtet. Der Kausalzusammenhang
laufen i. d. R. weitgehend symptomlos. Durch       In der EU ist die prophylaktische Impfung ver-      zwischen einer Infektion mit L. intracellularis
Sekundärinfektionen oder Koinfektionen kann        boten. Im Seuchenfall kann allerdings die zu-       und entsprechenden Leistungseinbußen ist
es aber zu schweren klinischen Verläufen mit       ständige oberste Landesbehörde, vorbehalt-          durch den Erregernachweis in typischen patho-
ausgeprägtem Husten, Dyspnoe, Fieber und ei-       lich der Zustimmung durch die EU-Kommis-            histologischen Läsionen zu belegen. Ist ein
ner erhöhten Mortalität kommen. Es wird emp-       sion, die Impfung von Schweinen in Form             Bestandsproblem auf diese Weise nachgewie-
fohlen, Jungsauen, die in infizierte Bestände      einer Notimpfung anordnen. Beim Haus-               sen, kann es sinnvoll sein, Ferkel ab einem
eingestallt werden, zuvor mit einem der zuge-      schwein wurde von dieser Möglichkeit bisher         Alter von 3 Wochen mit dem zugelassenen
lassenen Inaktivatimpfstoffe zu immunisieren.      nur sehr eingeschränkt Gebrauch gemacht.            Lebendimpfstoff oral zu immunisieren.
Bei einem akuten Krankheitsgeschehen in            Bei Ausbrüchen in der Schwarzwildpopulation
einer Sauenherde sind ggf. auch nicht tragen-      ist in der Vergangenheit die Auslage von ora-       Leptospirose
de/nicht laktierende ältere Tiere mit den für      len Köderimpfstoffen, in Form einer dreima-         In Zuchtbeständen treten neben Nagetier-
alle Schweine zugelassenen Impfstoffen zu          ligen Doppelauslage pro Jahr, regelmäßig            assoziierten Serovaren der Spezies Leptospira
immunisieren.                                      praktiziert worden.                                 (L.) interrogans auch Serovare auf, bei denen
                                                                                                       das Schwein der Hauptwirt ist. Bei serologi-
Glässersche Krankheit                              Lawsonia intracellularis-Infektionen                schen Untersuchungen werden häufig Antikör-
Der Erreger der Glässerschen Krankheit, Hae-       Lawsonia (L.) intracellularis ist der Erreger der   pertiter gegen verschiedene Serovare nachge-
mophilus (H.) parasuis, lässt sich regelmäßig      Porcinen Intestinalen Adenomatose. Der Erre-        wiesen, deren Relevanz jedoch kontrovers be-
auf Schleimhäuten des oberen Respirations-         ger ist weltweit verbreitet. Antikörper werden      urteilt wird. Die beim Schwein meist inappa-
traktes klinisch gesunder Schweine nachwei-        auch bei klinisch gesunden Schweinen regel-         rent verlaufende Erkrankung führt nur in Ein-
sen. Nur ein Teil der Stämme ist tatsächlich vi-
rulent. In Beständen, in denen der Erreger durch
eine verlässliche Diagnostik sicher nachgewie-
sen wurde, z. B. nach der Sektion durch den
Nachweis des Erregers auf typisch veränderten
serösen Grenzflächen, und klinische Probleme
verursacht, ist es sinnvoll, Jungsauen beim Ein-
stellen während der Quarantäne mit einem der
zwei verfügbaren Inaktivatimpfstoffe entspre-
chend der Gebrauchsinformation zweimal im
Abstand von 2 bis 4 Wochen zu immunisieren.

Influenza
Die Influenza tritt beim Schwein ganzjährig in
allen Haltungssystemen auf. Die Infektionen
verlaufen v. a. in großen Beständen schlei-
chend-enzootisch. Obwohl die Morbidität
100 Prozent betragen kann, ist die Letalität
unkomplizierter Infektionen niedrig. Wechsel-
wirkungen mit viralen und bakteriellen Sekun-
därerregern können jedoch zu schweren Er-
krankungen und Todesfällen führen. Die Be-
deutung der Infektion wird aufgrund des kur-
zen Zeitfensters, in dem das Virus während
einer akuten Infektion nachweisbar ist, häufig
unterschätzt. Insbesondere in schweinedichten
Gebieten kann es zu einer seuchenhaften
Übertragung zwischen den Beständen kom-
men. Hinzu kommt, dass Influenzaviren des
Schweins auch auf den Menschen übertragbar
sind, und es bei Koinfektionen mit zwei
verschiedenen Influenzaviren zu Reassortie-
rungen kommen kann, wodurch für den Men-
schen potenziell hochpathogene Viren entste-
hen können. Die Impfung von Sauen wird da-
her grundsätzlich empfohlen. Zur Grundimmu-
nisierung sollten Jungsauen beim Einstallen im
Abstand von 3 Wochen zweimal geimpft wer-
den; zur Wiederholungsimpfung sollten Sauen
jeweils rechtzeitig vor dem Abferkeln erneut
immunisiert werden. Da mindestens vier unter-
schiedliche Subtypen des Schweineinfluenza-
virus kozirkulieren, ist der Einsatz von Kombi-
nationsimpfstoffen sinnvoll.

                                                                                                                             (2) 67; 2019 | Deutsches Tierärzteblatt
Die neue Impfleitlinie für Schweine - Empfehlungen nach Altersgruppen - Deutsches Tierärzteblatt
200 | Forum

      Zu den Autoren
      Prof. Dr. Elisabeth große Beilage ist stell-
      vertretende Leiterin der Außenstelle für Epi-
      demiologie in Bakum der Stiftung Tierärztli-
      che Hochschule (TiHo) Hannover. Sie ist Vor-
      sitzende des Arbeitskreises Schwein der StI-
      Ko Vet.
      Prof. Dr. Rolf Bauerfeind bekleidet die Pro-
      fessur für Tierseuchenbekämpfung und Zoo-
      nosen am Institut für Hygiene und Infekti-
      onskrankheiten der Tiere der Justus-Liebig-
      Universität, Gießen. In der StIKo Vet ist er Stellvertreter von Prof. Dr. große Beilage.
      Prof. Dr. Uwe Truyen, der Direktor des Instituts für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen der Veterinärmedizinischen Fakultät der Univer-
      sität Leipzig, ist der Vorsitzende der StIKo Vet.

      Dem Arbeitskreis Schwein gehören ferner an: PD Sandra Blome (FLI), Inge Böhne (praktizierende Tierärztin, Melle), Prof. Dr. Timm Harder
      (FLI), Prof. Dr. Lothar Kreienbrock (TiHo Hannover), Prof. Dr. Uwe Rösler (Freie Universität Berlin) und Prof. Dr. Armin Saalmüller (Veterinärmedizi-
      nische Universität Wien).

      Dr. Max Bastian ist Leiter der Geschäftsstelle der StIKo Vet.

zelfällen zu klinischen Problemen, z. B. zu            Parvovirose                                           vor dem Einstallen je nach Impfstoff ein- oder
Aborten. Bei gehäuftem Auftreten von Fetopa-           Eine Infektion mit dem Porcinen Parvovirus            zweimal geimpft. Die Impfung ist bestandswei-
thie und Trächtigkeitsabbrüchen kann die Imp-          verläuft bei erwachsenen Schweinen i. d. R.           se alle 4 Monate oder vor jeder Trächtigkeit zu
fung von Zuchtsauen sinnvoll sein. Hierfür             subklinisch. Allerdings weist das Virus in tra-       wiederholen.
steht ein Kombinationsimpfstoff zur Verfü-             genden Sauen einen starken fetalen Tropismus               Isolate vom Genotyp 2 treten in Deutsch-
gung, der mehrere Leptospira-Antigene und              auf. Je nach Trächtigkeitsstadium kommt es            land zahlenmäßig seltener auf als die vom
zusätzlich eine Rotlauf- und eine Parvovirus-          entweder zur Resorption der Feten und ent-            Genotyp 1. Ein PRRSV-Impfstamm vom Geno-
Komponente enthält.                                    sprechend zum Umrauschen oder, wenn die               typ 2 wird seit Mitte der 1990er-Jahre in
                                                       Infektion zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt,        Deutschland eingesetzt. Es wird vermutet,
Maul- und Klauenseuche                                 eher zur Mumifikation der Feten. Da eine Infek-       dass teilweise wieder virulent gewordene
Es gilt ein generelles Impfverbot. Im Seuchen-         tion eine langanhaltende, belastbare Immunität        Derivate dieses Impfstamms in den Schweine-
fall kann allerdings die zuständige Behörde,           induziert, sind in erster Linie Jungsauen             beständen rezirkulieren. Gemäß Herstelleran-
vorbehaltlich der Zustimmung durch die EU-             betroffen. Das Virus ist weit verbreitet und          gaben vermittelt der eigentliche Impfstamm
Kommission, eine Impfung in Form einer Not-            häufig. Daher wird die grundsätzliche Impfung         eine Kreuzimmunität auch gegen Isolate vom
impfung (bzw. Suppressivimpfung mit dem Ziel,          der Zuchtsauen gemäß Gebrauchsinformation             Genotyp 1. Eine Impfung explizit gegen Geno-
die geimpften Tiere nach einer bestimmten Zeit         empfohlen.                                            typ 2 wird aber nur empfohlen, wenn der Er-
nach der Impfung zu töten) oder Schutzimpfung                                                                reger nachgewiesen und der kausale Zu-
(Impfung mit dem Ziel, die geimpften Tiere             Porcines reproduktives und respiratorisches           sammenhang mit klinischen Befunden belegt
weiterzunutzen) anordnen.                              Syndrom (PRRS)                                        ist. In PRRSV-freien Betrieben sowie in
                                                       Das Virus des Porcinen reproduktiven und re-          Eberstationen sollte nicht geimpft werden,
Ödemkrankheit/Colienterotoxämie                        spiratorischen Syndroms (PRRSV) ist weltweit          um den Status der Herde nicht zu gefähr-
Die Ödemkrankheit oder Colienterotoxämie der           verbreitet. Es werden Stämme des europä-              den.
Absetzferkel wird durch die Darminfektion mit          ischen Typs (Genotyp 1) und des nordamerika-
solchen E. coli-Bakterien verursacht, die den          nischen Typs (Genotyp 2) unterschieden, wobei         Rhinitis atrophicans
Shigatoxin-Subtyp Stx2e bilden und häufig              auch innerhalb dieser Genotypen eine ausge-           Dermatotoxinbildende Pasteurella (P.) multoci-
auch den adhäsiven Fimbrientyp F18 (F18ab              prägte Variabilität beobachtet wird. Etwa 70 bis      da-Stämme verursachen synergistisch ver-
oder F18ac) exprimieren. Der Erreger ist in            80 Prozent der deutschen Schweinebestände             stärkt durch bestimmte Bordetella (B.) bronchi-
deutschen Schweinebeständen weit verbreitet.           sind mit PRRSV des Genotyps 1 infiziert, wobei        septica-Stämme die Rhinitis atrophicans. Zur
Krankheitsauslösend wirkt meist die Umstel-            auch eine einmal durchgemachte Infektion              typischen Deformation des kranialen Gesichts-
lung auf proteinreiche und rohfaserarme Ratio-         nicht sicher vor Reinfektion schützt. In den en-      schädels kommt es, wenn die Nasenschleim-
nen. Wichtig zur Verhinderung der Ödemkrank-           demischen Gebieten sind die klinischen Symp-          haut aufgrund der Toxinwirkung während der
heit sind neben einer Optimierung der Betriebs-        tome bei erwachsenen Schweinen i. d. R. rela-         Absetzphase chronisch geschädigt wird. Die
hygiene und der Fütterung v. a. Impfmaßnah-            tiv mild. Diaplazentar oder peripartal infizierte     Deformationen werden dann während des
men. Durch die ausreichende Versorgung der             Ferkel zeigen u. a. schwere Dyspnoe, Durchfall        Mastverlaufs klinisch manifest. Die Rhinitis
Ferkel mit maternalen Antikörpern kann das Ri-         und teils auch ZNS-Störungen. Die Impfung von         atrophicans wird in Deutschland nur noch ver-
siko einer Ansiedelung der ursächlichen E. coli-       Zuchtsauen gegen PRRSV verbessert die Re-             einzelt beobachtet. Wo sie auftritt, kann sie
Bakterien im Dünndarm der Ferkel während der           produktionsleistung und reduziert die Gefahr          durch Wachstumsstörung und Leistungsde-
Säugezeit reduziert werden. Hierzu ist ein Mut-        der transplazentaren Virusübertragung. Die            pression erhebliche wirtschaftliche Verluste
tertierimpfstoff zugelassen, der neben anderen         Impfung gegen den PRRSV-Genotyp 1 wird                verursachen. In solchen Fällen ist die Immun-
E. coli- und C. perfringens-Antigenen das              daher in endemischen Gebieten grundsätzlich           prophylaxe mittels Muttertiervakzinierung
Fimbrienantigen F18ab enthält.                         empfohlen. Vorbereitend werden die Jungsauen          sinnvoll.

Deutsches Tierärzteblatt | 2019; 67 (2)
Die neue Impfleitlinie für Schweine - Empfehlungen nach Altersgruppen - Deutsches Tierärzteblatt
Forum | 201

Rotlauf                                            den nach einer Feldinfektion weniger Salmo-        Salmonella Serovar Choleraesuis ist in
Derzeit sind in Deutschland für das Schwein        nellen aus als nicht geimpfte Schweine. Häufig     Deutschland ein oral zu verabreichender
reine Rotlaufimpfstoffe sowie Kombinations-        lassen sich deshalb vertikale und horizontale      Lebendimpfstoff zugelassen. Ziel dieser
impfstoffe gegen Rotlauf und Parvovirose sowie     Infektketten durch die Impfung unterbrechen.       Impfung ist die Reduktion der Morbidität und
Leptospirose zugelassen. Die Impfstoffe kom-       Die Salmonellenfreiheit einer Herde kann man       Mortalität sowie der Salmonellenausschei-
men als Inaktivatvakzinen zum Einsatz. Die         mit der Impfung alleine jedoch nicht erreichen,    dung in solchen Beständen, in denen Salmo-
impfinduzierte Immunität kann akute und chro-      zumal für Aussagen bezüglich eines serovar-        nella Choleraesuis für akute Fälle von Salmo-
nische Symptome einer Rotlaufinfektion durch       übergreifenden Impfschutzes keine ausrei-          nellose ursächlich ist. Zur Impfung wäre ggf.
die relevanten Serotypen (insbesondere Seroty-     chenden Daten vorliegen. Der Lebendimpfstoff       bei Freilandschweinen bei einem Nachweis
pen 1 und 2) des weit verbreiteten Rotlauferre-    induziert eine belastbare Immunität bei der        von Salmonella Choleraesuis oder bei nachge-
gers Erysipelothrix (E.) rhusiopathiae verhin-     Sau. Die Kombination der Sauenimpfung mit          wiesenermaßen gefährdeten Betrieben im Zu-
dern, insbesondere auch rotlaufbedingte            der Saugferkelimpfung ist sinnvoll. Die Impfung    sammenhang mit entsprechenden Symptomen
Fruchtbarkeitsstörungen und Aborte. Jungsau-       sollte bei integrierter Mast oder festen Liefer-   zu raten. In diesem Falle sollten alle Tiere
en sollten bereits vor der ersten Belegung einen   ketten durchgeführt werden, wenn der Mastbe-       eines Bestands geimpft werden.
Impfschutz aufweisen. Alle Jungsauen, Sauen        trieb nach den Regelungen der Schweine-
und Eber eines Bestands sollten geimpft wer-       Salmonellen-Verordnung im serologischen            Tollwut
den. Die zweimalige Grundimmunisierung ist         Monitoring in die Kategorie 3 oder Kategorie 2     Die Impfung gegen Tollwut hat in deutschen
während der Quarantäne vor der ersten Bele-        mit Tendenz nach Kategorie 3 (> 30 Prozent         Schweinebeständen derzeit keine Relevanz.
gung zu verabreichen. Maternale Antikörper         seropositive Tiere in der Stichprobe) eingeord-
können bis in den dritten Lebensmonat persis-      net wurde. Parallel sind im Bestand die Infekti-
tieren. Die Wiederholungsimpfung erfolgt spä-      onsquellen zu ermitteln und zu eliminieren. Alle
testens alle 6 Monate.                             Sauen eines Bestands sollten geimpft werden.
                                                                                                      Korrespondierender Autor
                                                   In Nukleusherden ist grundsätzlich zur Impfung
Salmonellose                                       zu raten. Die Grundimmunisierung erfolgt durch     Dr. Max Bastian
Derzeit ist in Deutschland ein oral zu verabrei-   zwei Impfungen 6 und 3 Wochen ante partum.                           Geschäftsstelle der StIKo Vet
chender Lebendimpfstoff auf Basis der Salmo-       Wiederholungsimpfungen werden jeweils                                am Friedrich-Loeffler-Insti-
nella Serovar Typhimurium zur Bekämpfung           3 Wochen ante partum verabreicht.                                    tut, Südufer 10, 17493
von zoonotischen Salmonelleninfektionen bei             Zur Bekämpfung von Infektionen mit der                          Greifswald – Insel Riems,
Sauen zugelassen. Geimpfte Schweine schei-         an das Schwein als Hauptwirt adaptierten                             www.stiko-vet.de

                                                                                                                            (2) 67; 2019 | Deutsches Tierärzteblatt
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