ZIVILRECHTLICHE EINORDNUNG VON BITCOIN UND DIEM
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Eingereicht von Matthias Sulzer Angefertigt am Institut für Zivilrecht Beurteiler / Beurteilerin Univ.-Prof. Mag. Dr. Simon Laimer, LL.M. Juli 2021 ZIVILRECHTLICHE EINORDNUNG VON BITCOIN UND DIEM Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Linz, 07.07.2021 _________________________ Juli 2021 Matthias Sulzer 2/76
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................... 5 I. Einleitung ............................................................................................................................. 7 II. Technische Hintergründe .................................................................................................... 9 A. Blockchain ........................................................................................................................... 9 B. Bitcoin ................................................................................................................................ 10 C. Diem .................................................................................................................................. 11 III. Qualifikation als Sache ...................................................................................................... 13 A. Einordnung als körperliche oder unkörperliche Sache ...................................................... 14 1. Meinungsstand .................................................................................................................. 14 2. (Un-)Körperlichkeit von Software und Daten ..................................................................... 14 3. Stellungnahme .................................................................................................................. 16 B. Einordnung als bewegliche oder unbewegliche Sache ..................................................... 18 1. Meinungsstand .................................................................................................................. 18 2. Stellungnahme .................................................................................................................. 19 a) Subsumption unter § 293 ABGB ....................................................................................... 20 b) Subsumption unter § 298 ABGB ....................................................................................... 24 c) Ergebnis ............................................................................................................................ 27 C. Einordnung als verbrauchbare oder unverbrauchbare Sache........................................... 28 D. Einordnung als schätzbare oder unschätzbare Sache ...................................................... 28 E. Einordnung als vertretbare oder unvertretbare Sache ...................................................... 28 F. Conclusio ........................................................................................................................... 29 IV. Eigentum an virtuellen Währungen ................................................................................... 30 A. Recht an virtuellen Währungen als dingliches oder obligatorisches Recht ....................... 30 B. Virtuelle Währungen und das Sachenrecht ....................................................................... 32 1. Eigentum als dingliches Recht .......................................................................................... 33 2. Einschränkung auf körperliche Sachen geboten? ............................................................. 34 a) Sachherrschaft .................................................................................................................. 35 b) Andere auf körperliche Sachen abstellende Bestimmungen............................................. 36 3. Anwendbarkeit des gesamten Sachenrechts .................................................................... 40 C. Eigentum iwS an virtuellen Währungen? .......................................................................... 41 V. Besitz ................................................................................................................................. 43 A. Arten des Besitzes ............................................................................................................ 44 B. Arten der Besitzerwerbung ................................................................................................ 46 Juli 2021 Matthias Sulzer 3/76
C. Verlust des Besitzes .......................................................................................................... 47 D. Conclusio ........................................................................................................................... 48 VI. Derivativer Erwerb ............................................................................................................. 49 A. Titel .................................................................................................................................... 49 B. Modus ................................................................................................................................ 51 1. Übergabe bei unkörperlichen Sachen entbehrlich? .......................................................... 51 2. Körperliche Übergabe gem § 426 ABGB .......................................................................... 52 3. Übergabe durch Zeichen (§ 427 ABGB) ........................................................................... 55 4. Übergabe durch Erklärung – Besitzanweisung (§§ 427, 428 ABGB analog) .................... 56 VII. Originärer Erwerb .............................................................................................................. 58 A. Erwerb vom Nichtberechtigten .......................................................................................... 58 1. Gutgläubiger Erwerb nach § 367 ABGB ............................................................................ 58 2. Gutgläubiger Erwerb nach § 371 Fall 2 ABGB .................................................................. 62 B. Originärer Erwerb durch Mining ........................................................................................ 64 1. Zueignung (§§ 381 ff ABGB) ............................................................................................. 64 2. Verarbeitung (§§ 414 ff ABGB) ......................................................................................... 64 VIII. Pfandrecht an Krypto-Assets ............................................................................................. 67 A. Allgemeines ....................................................................................................................... 67 B. Meinungsstand .................................................................................................................. 68 C. Stellungnahme .................................................................................................................. 69 1. Körperliche Übergabe (§ 451 ABGB) ................................................................................ 69 2. Symbolische Übergabe (§ 452 ABGB) .............................................................................. 69 IX. Resümee und Ausblick ...................................................................................................... 71 Literaturverzeichnis .................................................................................................................. 73 Juli 2021 Matthias Sulzer 4/76
Abkürzungsverzeichnis aA – anderer Ansicht ABGB – Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch abl – ablehnend AcP – Archiv civilistischer Praxis (Deutschland) aE – am Ende AktG – Aktiengesetz arg – argumento Art – Artikel ausf – ausführlich BGB – Bürgerliches Gesetzbuch (Deutschland) BGBl – Bundesgesetzblatt BGH – Bundesgerichtshof (Deutschland) BR – Bürgerliches Recht Bsp – Beispiel(e) bspw – beispielsweise bzw – beziehungsweise ders – derselbe dh – das heißt etc – et cetera EuGH – Europäischer Gerichtshof f – folgende ff – fortfolgende FN – Fußnote gem – gemäß GesbR – Gesellschaft bürgerlichen Rechts grds – grundsätzlich hA – herrschende Ansicht hL – herrschende Lehre Hrsg – Herausgeber idR – in der Regel ieS – im engeren Sinn Juli 2021 Matthias Sulzer 5/76
insb – insbesondere iSd – im Sinne des/der iwS – im weiteren Sinn JBl – Juristische Blätter krit – kritisch L – Lehre leg cit – legis citate Lit – Literatur mE – meines Erachtens mwN – mit weiteren Nachweisen Nachw – Nachweis(e) ÖBA – Österreichisches Bankenarchiv ÖJT – Österreichischer Juristentag ÖJZ – Österreichische Juristenzeitung OGH – Oberster Gerichtshof RdW – Recht der Wirtschaft Rsp – Rechtsprechung Rz – Randzahl S – Satz sog – sogenannte/r str – strittig stRsp – ständige Rechtsprechung TVTG – Token- und VT-Dienstleister-Gesetz (Liechtenstein) ua – unter anderem überwL – überwiegende Lehre vgl – vergleiche wbl – Wirtschaftsrechtliche Blätter zB – zum Beispiel ZFR – Zeitschrift für Finanzmarktrecht ZPO – Zivilprozessordnung ZR – Zivilrecht zT – zum Teil Juli 2021 Matthias Sulzer 6/76
I. Einleitung Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. In den meisten, wenn nicht sogar in allen, Bereichen unseres Alltags hat der technologische Fortschritt für Veränderungen gesorgt, die auch etablierte Regelwerke, wie das ABGB, auf eine Belastungsprobe stellen. Nicht zuletzt auf Grund der Corona-Krise werden Einkäufe vermehrt bargeldlos mit der Bankomatkarte, dem Smartphone oder der Smartwach bezahlt. Im Durchschnitt tätigen ÖsterreicherInnen 204 bargeldlose Transaktionen pro Jahr; Tendenz steigend.1 Ein weiterer Trend ist in der zunehmenden Beliebtheit von virtuellen Währungen als „alternative Zahlungsmittel“ zu erblicken. Deren Grundprinzip liegt darin, Zahlungen schnell, transparent und digital abzuwickeln.2 Der bekannteste Vertreter, Bitcoin, sorgte auch in jüngerer Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen und ist auf Grund seines exponentiellen Kurswachstums für viele bereits zur Wertanlage avanciert.3 Im Zusammenhang mit virtuellen Währungen stellen sich vorrangig aufsichtsrechtliche und steuerrechtliche Fragen.4 Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob der faktische Zusammenschluss von Minern eine GesbR darstellen kann.5 Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf ausgewählte zivilrechtliche Fragen von Krypto-Assets. Da die Zahl der digitalen Vermögenswerte auf über 80006 angewachsen ist, versteht sich freilich von selbst, dass keine pauschalen Aussagen getroffen werden können, die auf jeden einzelnen Vertreter zutreffen. Aus diesem Grund werden für die Untersuchungen Bitcoin und Diem (ehemals Libra) herangezogen, die unterschiedlich konzipiert sind und damit eine eingehende Darstellung, der sich daraus ergebenden Unterschiede im Hinblick auf die zivilrechtliche Einordnung erlauben. Zunächst ist eine grundlegende Einordnung innerhalb des allgemeinen Zivilrechts geboten. Insb muss dabei der Frage nachgegangen werden, ob Bitcoin und Diem auf Grund ihrer Ausgestaltung dem sachenrechtlichen Regime zugänglich sind. Die Erörterung besitzrechtlicher 1 Freudenthaler, Bargeldlose Zahlungen werden in Österreich deutlich zulegen, https://www.diepresse.com/5877074/bargeldlose-zahlungen-werden-in-osterreich-deutlich-zulegen (abgerufen am 04.07.2021). 2 WKO, Digitale Währungen am Vormarsch, https://news.wko.at/news/wien/Digitale-Waehrungen-am- Vormarsch.html (abgerufen am 04.07.2021). 3 Vgl nur Der Standard, Tesla investiert 1,5 Milliarden US-Dollar in Bitcoin, https://www.derstandard.at/story/2000123970611/tesla-investiert-1-5-milliarden-us-dollar-in-bitcoin (abgerufen am 04.07.2021). 4 Vgl dazu zB Schopper/Raschner, Die aufsichtsrechtliche Einordnung von Krypto-Börsen in Österreich, ÖBA 2019, 249; Varro, Bitcoin-Mining: nicht steuerbares Glücksspiel? taxlex 2017, 399. 5 Dazu ausf Demian/Rohrmoser in Piska/Völkel, Blockchain Rules (2019) Rz 6.9 ff. 6 Lammer, Die Verfolger von Bitcoin, https://www.diepresse.com/5940577/die-verfolger-von-bitcoin (abgerufen am 04.07.2021). Juli 2021 Matthias Sulzer 7/76
Fragen wird als Grundlage für weitere Untersuchungen hinsichtlich eines derivativen bzw originären Erwerbs dienen. In weiterer Folge sind die Voraussetzungen zur Begründung eines Pfandrechtes an den genannten Krypto-Assets und die Anwendbarkeit der einschlägigen Normen zu untersuchen. Abschließend soll ein Ausblick gegeben werden, welcher Veränderungen es im allgemeinen Zivilrecht bedarf, um Rechtssicherheit für Kryptowährungen zu schaffen. Juli 2021 Matthias Sulzer 8/76
II. Technische Hintergründe Für eine eingehende rechtliche Untersuchung ist es unerlässlich, die grundlegenden technischen Gegebenheiten zu kennen. Daher sollen nachfolgend die Funktionsweisen von Bitcoin und Diem, soweit für die rechtlichen Schlussfolgerungen erforderlich, skizziert werden. Die Darstellung zeigt nur Grundzüge der jeweiligen Technologie auf und stellt freilich keine Ansprüche auf Vollständigkeit.7 A. Blockchain Als Grundlage für eine jede Kryptowährung („Krypto-Asset“8) dient eine sogenannte „Blockchain“. Darunter ist ein öffentliches, dezentrales und transaktionsbasiertes digitales Netzwerk zu verstehen, welches Transaktionen peer-to-peer durchführt. 9 Eine Transaktion wird also direkt zwischen zwei Rechnern durchgeführt, einer dazwischengeschalteten zentralen Stelle (zB einer Bank) bedarf es nicht.10 Die Blockchain wird nicht zentral an einem Ort gespeichert, sondern über eine Vielzahl von Netzwerkteilnehmern verteilt und von diesen über etliche Knoten synchronisiert.11 Sie wird auch als digitales Kontobuch angesehen, da die Blockchain die Übertragung von Werten von einer Adresse auf eine andere Adresse als Transaktion dokumentiert.12 Durch den dezentralen Ansatz wird die Integrität der getätigten Transaktionen sichergestellt: Unbestätigte Transaktionen werden gesammelt und von den Teilnehmern des Netzwerks parallel anhand der bisherigen Transaktionshistorie geprüft. Der Miner muss, nachdem er die Legitimität der Transaktionen überprüft hat, seinen getätigten Aufwand durch Lösen einer Trial-and-Error-Aufgabe bestätigen („Proof of Work“).13 Dazu erhält er vom Blockchain-System eine Lösung (= Output) und eine mathematische Hash-Funktion, anhand derer er den Input ermitteln muss, der zu der gegebenen Lösung geführt hat. Die Hash- Funktion lässt sich aber nicht einfach invertieren, weswegen die Lösung nur durch Probieren („Trial-and-Error“) gefunden werden kann.14 Die bestätigten Transaktionen werden in Form eines neuen „Blocks“ festgehalten, welcher für das gesamte Netzwerk einsehbar ist. Durch das 7 Für eingehendere Ausführungen sei auf die Literaturnachweise verwiesen. 8 Schopper/Raschner, ÖBA 2019, 249 (250). 9 Buchleitner/Rabl, Blockchain und Smart Contracts - Revolution oder alter Wein im digitalen Schlauch? ecolex 2017, 4. 10 Veronesi in Anderl, Blockchain in der Rechtspraxis (2020) 13. 11 Brauneis/Mestel, Finanzwissen allgemein verständlich: Kryptowährungen, ÖBA 2018, 711 (713). 12 Völkel in Piska/Völkel, Blockchain Rules Rz 1.35; ders, Privatrechtliche Einordnung virtueller Währungen, ÖBA 2017, 385 (386). 13 Rirsch/Tomanek/Wintersberger, Mining von Kryptowährungen im Anwendungsbereich des AIFMG, ecolex 2018, 699 (700). 14 Gorzala/Hanzl, Mining - Bergbau oder doch alternatives Investment in das Schürfen von Kryptowährungen? ÖBA 2018, 560 (561). Juli 2021 Matthias Sulzer 9/76
fortlaufende Bestätigen von Transaktionen entsteht eine Reihe von Blöcken, woraus sich der Name „Blockchain“ ableitet.15 Zur Durchführung von Transaktionen werden Wallet-Softwares16 verwendet. Über diese kann festgelegt werden, von welcher Adresse welche Werte auf welche Adresse übertragen werden sollen.17 Als Berechtigungsnachweis wird die Transaktion mit einer digitalen Signatur versehen, welche mit dem privaten Schlüssel der Absenderadresse erzeugt wird. Anhand der Signatur kann das Netzwerk der Blockchain die Legitimation der Transaktion bestätigen.18 Der private Schlüssel ist im Regelfall rein digital in der Wallet-Software abgelegt. Es besteht aber ebenso die Möglichkeit diesen zu „materialisieren“, indem der private Schlüssel auf einem Datenträger (zB Rubellos) integriert wird („physische Wallet“).19 B. Bitcoin Bitcoin ist eine seit Jänner 200920 existierende und die wohl bekannteste Kryptowährung. Als technologische Basis dient ein Blockchain-Netzwerk, über welches die Transaktionen abgewickelt, geprüft und dokumentiert werden. Auch bei Bitcoin können Werte von einer Adresse zu einer anderen unter der Bedingung, dass die Transaktion mit einer gültigen Signatur versehen wurde, übertragen werden.21 Die Bitcoin-Blockchain setzt ebenfalls auf das oben beschriebene „Proof of Work“ Konzept.22 Da das Bestätigen von Transaktionen („Mining“) mit hohen durch Hardware und Energie verursachten Kosten verbunden ist, wird der Miner für das Lösen der vom Blockchain-System gestellten Aufgabe mit bisher nicht im Umlauf befindlichen Bitcoins (sog „Block Reward“) und einer zuvor festgelegten „Transaction Fee“ entlohnt. Freilich handelt es sich dabei nicht zwingend um ganze Bitcoins, vielmehr sind es meistens nur Bruchteile eines solchen. Die „Transaction Fee“ wird von dem Nutzer festgelegt, der die Transaktion bestätigen lassen möchte. Dadurch soll für die Miner ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden, diese Transaktion 15 Völkel, Privatrechtliche Einordnung virtueller Währungen, ÖBA 2017, 385 (386). 16 Vgl dazu Kaes in Eberwein/Steiner, Bitcoins (2014) 3 f, 7. 17 Völkel in Piska/Völkel, Blockchain Rules Rz 1.41 f. 18 Brauneis/Mestel, ÖBA 2018, 711 (713); Kaes in Eberwein/Steiner, Bitcoins 3. 19 Fleißner, Eigentum an unkörperlichen Sachen am Beispiel von Bitcoins, ÖJZ 2018/56 (438). 20 Brauneis/Mestel, ÖBA 2018, 711 (713). 21 Siehe bereits Kapitel II. A. 22 Brauneis/Mestel, ÖBA 2018, 711 (714); Freitag, Die Blockchain-Technologie: Nur ein Hype oder doch mehr? CFOaktuell 2018, 59 (61). Juli 2021 Matthias Sulzer 10/76
bevorzugt zu bestätigen und somit den Prozess zu beschleunigen.23 Die Miner stehen dabei zueinander in Konkurrenz, da lediglich derjenige die Belohnung erhält, der als Erster die korrekte Lösung findet.24 „Block Rewards“ werden nur so lange ausgezahlt, bis das technisch vorgesehene Limit von 21 Millionen Bitcoins25 erreicht wird. Zurzeit befinden sich etwas mehr als 17,5 Millionen Bitcoins im Umlauf.26 C. Diem Die virtuelle Währung Diem, welche ursprünglich Libra hieß und von Facebook ins Leben gerufen wurde, ist ein von der Diem Association mit Sitz in der Schweiz zentral verwalteter Stablecoin.27 Darunter sind Kryptowährungen zu verstehen, die den Wert einer Fiat-Währung (Euro, US-Dollar, Japanischer Yen etc), eines Rohstoffes oder ähnlichem abbilden. Sie sind dadurch weniger volatil als herkömmliche Krypto-Assets.28 Die Einführung von Diem ist für 2021 geplant. Alle folgenden Ausführungen entsprechen dem im Zeitpunkt der Verfassung dieser Arbeit geplanten Konzept. Der finale Funktionsumfang kann davon freilich abweichen. Die Grundlage für Diem bildet ein auf der Blockchain-Technologie basierendes dezentrales System, welches jedoch von der Diem Association als „bankähnliches Institut“ zentral verwaltet wird. Dieser gehören neben Facebook eine Vielzahl weiterer großer Unternehmen, wie zB Spotify, Uber und Lyft, an.29 Die Integration von Diem in die Anwendungen dieser Unternehmen verschafft der virtuellen Währung in kurzer Zeit einen sehr großen potenziellen Nutzerstamm. Diem Coins sollen an eine oder mehrere Währungen gebunden sein. Diese werden durch Bargeld oder Geldderivate abgesichert, sodass die Diem Coins jederzeit in die landeseigene Währung zurückgewechselt werden können. Dadurch soll das Vertrauen in die Währung sichergestellt werden.30 Der Erwerb erfolgt mit Landeswährungen ausschließlich über die Wallet-Software Novi. Coins, die an eine einzelne Währung gebunden sind, weisen einen 1:1 23 Völkel in Piska/Völkel, Blockchain Rules Rz 1.49 ff. 24 Gorzala/Hanzl, ÖBA 2018, 560. 25 Lammer, Warum Bitcoin so schwankt, https://www.diepresse.com/5970987/warum-bitcoin-so-schwankt (abgerufen am 04.07.2021). 26 Maaß, Wie viele Bitcoins gibt es, https://www.nextmarkets.com/de/handel/krypto/bitcoin/wie-viele-gibt-es (abgerufen am 04.07.2021). 27 Blockchaincenter, Diem, https://www.blockchaincenter.net/diem/ (abgerufen am 04.07.2021). 28 BTC Academy, Stablecoin, https://www.btc-echo.de/academy/bibliothek/was-ist-ein-stable-coin/ (abgerufen am 04.07.2021) 29 Dalton, What is Diem?, https://cryptobriefing.com/diem-introduction-facebooks-stablecoin/ (abgerufen am 04.07.2021). 30 Diem, Vision, https://www.diem.com/en-us/vision/ (abgerufen am 04.07.2021). Juli 2021 Matthias Sulzer 11/76
Kurs zu dieser Währung auf. Ein Euro entspricht also einem Diem Coin.31 Die Ausgabe und somit auch die Menge an Diem wird von der Diem Association gesteuert.32 Das Mining von neuen Diem Coins ist folglich nicht möglich. Die Diem Blockchain verfügt über die technischen Mittel, Transaktionen zu bestätigen, wodurch die Integrität des Systems gewahrt wird.33 31 https://www.novi.com (abgerufen am 04.07.2021) 32 Dalton, What is Diem? https://cryptobriefing.com/diem-introduction-facebooks-stablecoin/ (abgerufen am 04.07.2021). 33 Diem, The Diem Blockchain, https://developers.diem.com/docs/technical-papers/the-diem-blockchain-paper (abgerufen am 04.07.2021). Juli 2021 Matthias Sulzer 12/76
III. Qualifikation als Sache Die Analyse, ob Bitcoins bzw Diem als Sache zu qualifizieren sind, dient als Grundlage für die Untersuchungen in den darauffolgenden Kapiteln. Insb ist zu untersuchen, ob es sich um körperliche oder unkörperliche sowie bewegliche oder unbewegliche Sachen handelt. Gem § 285 ABGB ist alles eine Sache, „was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient“. Das ABGB geht also von einem sehr weiten Sachbegriff aus.34 Dass virtuelle Währungen keine Personen sind und diesen zum Gebrauch dienen, dh von diesen beherrscht werden können,35 wird in den bisherigen Stellungnahmen nicht bezweifelt: Die L36 nimmt einhellig an, dass Bitcoins unter den Sachbegriff des § 285 fallen. Was die Beherrschbarkeit von virtuellen Währungen betrifft, ist angesichts der rein digitalen Darstellung von Bitcoin und Diem eine genauere Untersuchung geboten. Fraglich ist nämlich, ob Beherrschbarkeit auch dann anzunehmen ist, wenn ein Zugriff nur mit technischen Hilfsmitteln (Internet, Endgerät, Wallet-Software) möglich ist. Das ABGB legt selbst keine Kriterien hinsichtlich der Beherrschbarkeit fest.37 Sie hängt nach der hL38 vom technischen Fortschritt ab. Kann also ein Objekt dem Menschen zum Gebrauche dienen, so muss es konsequenterweise als beherrschbar angesehen werden. Wenn der technische Fortschritt das Kriterium für die Beherrschbarkeit ist, kann es für das Vorliegen dieser nicht schädlich sein, wenn man sich zur Nutzung und Disposition von virtuellen Währungen technischer Hilfsmittel bedienen muss. Der hL39 ist daher im Hinblick auf die Qualifikation von Bitcoin als Sache iSd § 285 ABGB zuzustimmen. Gleiches muss mE für Diem gelten, da sich diesbezüglich die beiden Währungen nicht voneinander unterscheiden. 34 Riedler, Zivilrecht V Sachenrecht5 (2018) Rz 2/2. 35 Iro/Riss, Bürgerliches Recht IV Sachenrecht7 (2019) Rz 1/11. 36 Vgl nur Fleißner, ÖJZ 2018/56 (438); Völkel, ÖBA 2017, 385 (387); Vonkilch/Knoll, Bitcoins und das Sachenrecht des ABGB, JBl 2019, 139 (141); Zoppel in Schwimann/Kodek, ABGB: Praxiskommentar5 (2019) § 285 Rz 13. 37 Völkel, Vertrauen in die Blockchain und das Sachenrecht, ZFR 2020, 492 (494). 38 Eccher/Riss in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB Kurzkommentar6 (2020) § 285 Rz 3; Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 285 Rz 12 (Stand 1.7.2018, rdb.at). 39 Vgl FN 36. Juli 2021 Matthias Sulzer 13/76
A. Einordnung als körperliche oder unkörperliche Sache Gem § 292 ABGB sind körperliche Sachen jene, die „in die Sinne fallen“. Nach hL40 sind das all jene Sachen, die physisch wahrnehmbar und daraus resultierend räumlich abgrenzbar sowie faktisch beherrschbar sind. Unkörperlich sind jene Sachen, die diese Kriterien nicht erfüllen. 1. Meinungsstand Da virtuelle Währungen (in concreto die „Coins“) lediglich Datensätze sind, wird von der L41 einhellig vertreten, dass es sich dabei um unkörperliche Sachen handelt. Hingegen ist hinsichtlich Bitcoins str, ob Körperlichkeit anzunehmen ist, wenn der „private key“ physisch abgelegt42 ist („physische Wallet“). Nach einem Teil der L43 ist in diesem Fall die Ausübung des Rechts an den Besitz der „physischen Wallet“ gebunden und es sei deshalb von einer körperlichen Sache auszugehen. Dem wird entgegengehalten, dass die Bitcoineinheiten weiterhin in der Blockchain verweilen und selbst nicht materialisiert werden. Daher ändere ein physischer Schlüssel nichts an der Qualifikation von Bitcoins als unkörperliche Sache.44 2. (Un-)Körperlichkeit von Software und Daten Als „Software“ werden die immateriellen Programmkomponenten bezeichnet, die der Hardware konkrete Funktionen zur Verfügung stellen.45 Daten sind eine bedeutungsunabhängige Repräsentation von Informationen, die vom Computer (Hard- und Software) verarbeitet werden. Erst wenn den Daten vom Menschen eine konkrete Bedeutung beigemessen wird, werden sie zu Informationen.46 Bei virtuellen Währungen handelt es sich um Datensätze, die in der Blockchain gespeichert sind. Dabei weisen sie ebenso Parallelen zu Software auf: Sie sind grds rein digital abgebildet, der Zugriff darauf kann aber verkörpert werden. Aus diesen Gründen bietet es sich an, die L 40 Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 (2016) § 292 Rz 2; Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 292 Rz 1 (Stand 1.7.2018, rdb.at); Kisslinger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 (2011) § 292 Rz 1. 41 Völkel, ÖBA 2017, 385 (387); Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 292 Rz 8/1 (Stand 1.7.2018, rdb.at); Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 (2018) Rz 766; jeweils mwN. 42 ZB in Form eines Rubelloses; vgl bereits II. A. 43 Völkel, ÖBA 2017, 385 (388); Forgó in Forgó/Zöchling-Jud, Das Vertragsrecht des ABGB auf dem Prüfstand: Überlegungen im digitalen Zeitalter, 20. ÖJT II/1, 336. 44 Dafinger, Bitcoins im Pfandleihgewerbe, ecolex 2020, 241 (242); Vonkilch/Knoll, JBl 2019, 139 (142). 45 Sonntag, Informationstechnologie: Grundlagen, in Jahnel/Mader/Staudegger, IT-Recht4 (2020) Rz 1/33. 46 Sonntag, Informationstechnologie: Grundlagen, in Jahnel/Mader/Staudegger, IT-Recht4 Rz 1/12. Juli 2021 Matthias Sulzer 14/76
und Rsp zu Software und Daten als Sache heranzuziehen und womöglich auf virtuelle Währungen zu übertragen. Ob es sich bei Software um eine körperliche oder unkörperliche Sache handelt, ist in der L umstritten. Ein Teil der L47 nimmt eine Qualifikation als unkörperliche Sache an, weil es sich um eine geistige Leistung handele. Nach einem anderen Teil der L48 ist, wie bei Energie49, von Körperlichkeit auszugehen, weil Software durch die Sinne erfassbar sei. Die Rsp50 geht dann von Körperlichkeit aus, wenn sich die Software auf einem Datenträger (zB DVD, USB-Stick) befindet, da dieser die Software verkörpert. P. Bydlinski51 betont, dass einem Computerprogramm eine Form der Verkörperung stets immanent sei. Ein Sachbezug sei nur dann gegeben, wenn das Programm irgendwo abgelegt sei, die bloße Idee für ein Programm sei nicht ausreichend. Bei der rechtlichen Qualifikation von Software, die über einen Datenträger, und jener, die per Download bezogen wird, soll nach wohl hL52 kein Unterschied gemacht werden. Die Art der Auslieferung der Software (Datenträger oder Download) soll also nicht ausschlaggebend dafür sein, ob es sich um eine körperliche oder unkörperliche Sache handelt. Daten sind nach hL53 einer räumlichen Abgrenzung nicht zugänglich und daher als unkörperliche Sachen zu qualifizieren. Wie bei Software wird auch bei Daten, wenn sie sich auf einem Datenträger befinden, die Qualifikation als körperliche Sache vertreten.54 Klammer55 differenziert zwischen Daten und Datenverkörperung. Daten seien vergleichbar mit einer Idee und nicht durch Messgeräte objektiv feststellbar. Datenverkörperungen hingegen seien Teil der erlebbaren Welt und mit Geräten (zB PC) feststellbar. Letztere seien als körperliche Sachen zu qualifizieren, weil alles „wirklich existierende“ als körperlich anzusehen sei, sofern zumindest mittelbare Sinnfälligkeit gegeben ist.56 47 Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 292 Rz 2; Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 292 Rz 7 (Stand 1.7.2018, rdb.at) mwN. 48 Staudegger, Zur Qualifikation von Verträgen, die der Überlassung von Computersoftware dienen, JBl 1998, 604; P. Bydlinski, Der Sachbegriff im elektronischen Zeitalter: zeitlos oder anpassungsbedürftig? AcP 198, 287 (320). 49 Vgl dazu Kisslinger in Klang3 § 292 Rz 13 f mwN. 50 OGH 14.10.1997, 5 Ob 504, 505/96; vgl auch RIS-Justiz RS0108702. 51 AcP 198, 287 (306). 52 Zoppel in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 292 Rz 3 mwN. 53 Andreewitch/Steiner, Outsourcing - Herausgabe der Daten bei Vertragsbeendigung? ecolex 2005, 358; Eccher/Riss in KBB6 § 292 Rz 1. 54 So offenbar Kodek in Schwimann/Neumayr, ABGB: Taschenkommentar5 (2020) § 292 Rz 1. 55 Dateneigentum – Das Sachenrecht der Daten (2019) Rz 28. 56 Klammer, Dateneigentum Rz 260, 317 f. Juli 2021 Matthias Sulzer 15/76
3. Stellungnahme Eingangs ist festzuhalten, dass Bitcoin und Diem als solche auf Grund ihrer Eigenschaft als (rein digitale) Datensätze, als unkörperliche Sachen zu qualifizieren sind. Hier ist der hL57 zu folgen. Die Ansicht, ein physischer privater Schlüssel mache die virtuelle Währungseinheit zur körperlichen Sache, scheint ihren Ursprung in der Diskussion zu nehmen, ob Software auf einem Datenträger als körperliche Sache zu qualifizieren sei. Zutreffend wurde bereits darauf hingewiesen, dass die dazu ergangene Rechtsprechungslinie nicht auf rechtsdogmatischen Argumenten, sondern mehr auf der damaligen Vertriebspraxis von Software beruht, nämlich der Zurverfügungstellung von Software über einen physischen Datenträger.58 Nach Ansicht des OGH59 ist beim Erwerb von Software auf einem Datenträger Gegenstand des Rechtsgeschäftes der Datenträger und nicht die Software, weshalb es sich um den Kauf einer körperlichen Sache handele.60 Er folgt damit der Rsp des BGH,61 wobei zu bedenken ist, dass der Sachbegriff des § 90 BGB rein auf körperliche Sachen abstellt.62 Durch die Qualifikation des Datenträgers als Gegenstand des Kaufvertrages – und somit auch des Eigentumserwerbes – lässt der OGH einerseits die Frage der Sachqualifikation von Software offen und andererseits umgeht er auch die Frage, ob bei Annahme einer unkörperlichen Sache ein Eigentumserwerb überhaupt möglich ist.63 In diesem Zusammenhang sei nochmal die Auffassung P. Bydlinskis hervorgehoben, wonach jeder Software eine Verkörperung immanent sei.64 Dieser Gedanke lässt sich freilich auch auf virtuelle Währungen übertragen: Die Datensätze sind in einer Blockchain, welche wiederum auf der Festplatte eines oder mehrerer Netzwerkteilnehmer gespeichert sind, abgelegt. Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Nimmt man nämlich an, dass das Erfordernis eines Speichermediums zur Verkörperung seiner Inhalte führen würde, hätte dies zur Folge, dass die gesamte digitale Welt als körperliche Sache qualifiziert werden müsste, weil eine solche Speicherung technisch vorausgesetzt wird. Das Speicher-Medium und die darauf enthaltenen Daten(-sätze) sind rechtlich stets strikt voneinander zu trennen.65 Bei näherer Betrachtung liegt bei einer physischen Bitcoin-Wallet im Vergleich zu Software auf einem Datenträger ein weiterer entscheidender Unterschied vor. Anders als bei der Software 57 Vgl FN 41. 58 Forgó in Forgó/Zöchling-Jud, 20. ÖJT II/1, 354. 59 OGH 14.10.1997, 5 Ob 504/96; vgl auch RIS-Justiz RS0108702. 60 Krit zum Umweg über Datenträger: Staudegger, JBl 1998, 604. 61 Nachw bei OGH 14.10.1997, 5 Ob 504/96. 62 In Deutschland werden daher Krypto-Assets nicht unter den Sachbegriff des BGB subsumiert: Maute in Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte (2020) Rz 2/4/13. 63 Dazu ausf unten bei Kapitel IV. 64 Vgl FN 51. 65 Hübelbauer, Payback time bei Track or pay? ecolex 2019, 660. Juli 2021 Matthias Sulzer 16/76
werden nicht, wie in der Lit66 bereits aufgezeigt wurde, die Bitcoins selbst, sondern lediglich der private Schlüssel auf dem Datenträger abgelegt. Unabhängig davon, wie der „private key“ verwaltet wird, befinden sich die Bitcoins in Form von Datensätzen dezentral in der Blockchain. Eine Verkörperung von Bitcoin ist daher bereits aus technischen Gründen nicht möglich. Auch ein Vergleich mit Energie, wie er zT bei Software gezogen wird, ist mE abzulehnen. Anders als Energie, welche tatsächlich fühlbar ist, kann ein virtueller Datensatz nicht „in die Sinne“ fallen. Immerhin ist es lediglich der Zugriff sichernde private Schlüssel, welcher in physischer Form vorliegt. Das Verfügungsrecht über die virtuellen Währungseinheiten ist dabei auch nicht an den physischen Schlüssel gebunden. Krypto-Assets und „physische Wallet“ bilden weder eine physische noch eine rechtliche Einheit.67 Die Ansicht68, wonach zwischen Software, die einerseits auf einem Datenträger angeboten wird und andererseits zum Download bereitsteht, keine unterschiedliche rechtliche Qualifikation vorgenommen werden solle, ist mE ebenso auf virtuelle Währungen mit digitalem und physischem „private key“ zu übertragen. Auch bei Bitcoin und Diem ist es geboten, eine einheitliche rechtliche Qualifikation vorzunehmen und bei einem körperlichen „Mantel“ nicht davon abzuweichen. Wie von einem Teil der L richtig festgestellt worden ist, ändert eine „physische Wallet“ nichts an der sachenrechtlichen Qualifikation der Bitcoins, die sich weiterhin virtuell in der Blockchain als nicht „in die Sinne fallende“ (§ 292) und räumlich nicht abgrenzbare Datensätze befinden.69 Selbiges muss freilich auch für Diem gelten, wo in Zukunft der Erwerb von Diem Coins in Form von Rubellosen (ähnlich zu den Geschenk- Guthaben diverser Online-Plattformen) zumindest denkbar ist. Virtuelle Währungen sind folglich stets als unkörperliche Sachen zu qualifizieren. 66 Vgl die Nachw bei FN 44. 67 Anderl/Aigner/Schelling in Anderl, Blockchain in der Rechtspraxis 60: anders bei Inhaberpapieren, wo das Recht aus dem Papier dem Recht am Papier folgt. 68 Zoppel in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 292 Rz 3 mwN. 69 Dafinger, Bitcoins im Pfandleihgewerbe, ecolex 2020, 241 (242); Vonkilch/Knoll, JBl 2019, 139 (142). Juli 2021 Matthias Sulzer 17/76
B. Einordnung als bewegliche oder unbewegliche Sache Gem § 293 sind all jene Sachen als beweglich anzusehen, „welche ohne Verletzung ihrer Substanz von einer Stelle zur andern versetzt werden können“. Unbeweglich sind jene, die diese Voraussetzung nicht erfüllen. Diese Definition zeigt bereits, dass die Unterscheidung primär auf körperliche Sachen zugeschnitten ist,70 weswegen die hL71 nur auf diese abstellt. Eine Sonderregelung für Rechte trifft das ABGB in §§ 298 f, wonach diese den beweglichen Sachen zugezählt werden, sofern sie nicht mit dem Besitz einer unbeweglichen Sache verbunden sind. Von großer Bedeutung ist die Unterscheidung beweglicher und unbeweglicher Sachen im Hinblick auf die Anwendbarkeit bestimmter Normen,72 bspw hinsichtlich der Eigentumsübertragung. Während das ABGB für bewegliche Sachen das Traditionsprinzip (§§ 426 ff) vorsieht, gilt für unbewegliche Sachen das Intabulationsprinzip (§§ 431 ff). Diese „sachenrechtliche Sonderbehandlung“ liegt darin begründet, dass Liegenschaften durch die fehlende Vermehrbarkeit als besonders sensibles Gut angesehen werden und häufig von erheblichem wirtschaftlichem Wert sind.73 Folglich werden an den Eigentumserwerb von unbeweglichen Sachen strengere Anforderungen geknüpft. 1. Meinungsstand Obwohl Bitcoins (und Diem) unkörperliche Sachen sind und § 293 daher nach hL74 keine Anwendung findet, hat sich die Literatur an einer Qualifikation als bewegliche bzw unbewegliche Sache versucht und ist dabei zu unterschiedlichen Lösungen gelangt. Fleißner75 erachtet Bitcoins unter Verweis auf die Definition des § 293 „naturgemäß“ als bewegliche Sache. Zum selben Ergebnis gelangt Völkel,76 der für eine „analoge Anwendung der Überlegungen zur Internet-Domain“ plädiert. Dafinger77 ist der Auffassung, dass Bitcoins nicht „von einer Stelle zur anderen versetzt werden“ können. Er begründet dies mit der technischen Funktionsweise der Blockchain, wonach Bitcoins fixe Datenbankeinträge seien und sich lediglich die Transaktionshistorie ändere. Eine 70 Riedler, ZR V Sachenrecht5 Rz 2/13. 71 Iro/Riss, BR IV Sachenrecht7 Rz 1/13; Zoppel in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 293 Rz 1; Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 293 Rz 3 (Stand 1.7.2018, rdb.at). 72 Vgl Kisslinger in Klang3 § 293 Rz 1 ff. 73 F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts (1996) 334. 74 Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 293 Rz 2; Kisslinger in Klang3 § 293 Rz 6; Iro/Riss, BR IV Sachenrecht7 Rz 1/13. 75 ÖJZ 2018/56 (440); 76 In Piska/Völkel, Blockchain Rules Rz 3.14. 77 Ecolex 2020, 241 (242); Dafinger, Zur (Un-)Beweglichkeit von Bitcoins, RdW 2020/422. Juli 2021 Matthias Sulzer 18/76
„Übertragung“ des Bitcoins selbst finde nicht statt. Eine Subsumption unter § 298 analog verneint er unter Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers, wonach § 298 nur im Zweifelsfall auf Rechte angewandt werden solle, sowie auf die fehlende Qualifizierung von Bitcoin als Recht. Hinsichtlich § 293 sei wohl anzunehmen, dass der Gesetzgeber diesen rein für körperliche Sachen vorgesehen hat. Argumentierbar sei jedoch, dass es nicht beabsichtigt war, unkörperliche Sachen, die keine unter § 298 subsumierbaren Rechte sind, vom Anwendungsbereich des § 293 ABGB auszuschließen. Letzten Endes sei die Anwendbarkeit des § 293 „nur mit Mühe zu konstruieren“. Völkel78 hält der Ansicht von Dafinger entgegen, dass es keiner Analogie bedürfe. Die Beschränkung des § 293 auf körperliche Sachen stamme aus einer Zeit vor Bitcoin. Das Wort „Stelle“ in § 293 Satz 1 dürfe nicht nur räumlich, „sondern auch als Punkt in einem Ablauf oder Position in einer Reihenfolge“ verstanden werden. Transaktionen würden in neuen Blöcken in der Blockchain erfasst, wodurch es zu einer Änderung der Reihung der verfügbaren Bitcoins komme. Nach der Verkehrsauffassung komme es dadurch sehr wohl zu einem „Versetzen von einer Stelle an eine andere“, weswegen Bitcoins unter § 293 subsumiert werden könnten. Anderl/Aigner/Schelling79 sind der Ansicht, dass es sich bei Krypto-Assets grds um keine beweglichen Sachen handele, da sie unkörperlich sind. Entgegen der Ansicht Völkels sei eine Analogie zu Domains nicht möglich, da diese nicht aus Daten bestehen. Auch eine analoge Anwendung der Überlegungen zu Software sei nicht möglich, da nur der private und öffentliche Schlüssel zentral in einer „physischen Wallet“ aufbewahrt werden könne. Anders als Software, die auf einem Datenträger zentral gespeichert werden kann und dadurch verkörpert80 werde, sei die Blockchain dezentral auf die Netzwerkteilnehmer verteilt und es fehle daher die „charakteristische Versachlichung“. Die Qualifikation als bewegliche Sache de lege ferenda sei aber „wünschenswert und sachgerecht“. 2. Stellungnahme Zutreffend ist die Auffassung Dafingers81, dass es zunächst einer Untersuchung bedarf, ob virtuelle Währungen unter § 293 oder § 298 zu subsumieren sind. 78 ZFR 2020, 492 (499). 79 In Anderl, Blockchain in der Rechtspraxis 60 f. 80 Str; vgl dazu bereits III. A. 2. 81 RdW 2020/422 (592). Juli 2021 Matthias Sulzer 19/76
a) Subsumption unter § 293 ABGB Probleme bereitet insb die von der hL82 vertretene Beschränkung des § 293 auf körperliche Sachen. Teilweise wird (ergänzend) darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung nur für körperliche Sachen „sinnvoll“ sei.83 Völkel84 will mit der Hypothese, die Interpretation von „Stelle“ dürfe nicht nur räumlich gesehen werden, unkörperlichen Sachen den Anwendungsbereich des § 293 eröffnen. Sie unterlägen einer „virtuellen Ortsveränderung“. Fraglich ist jedoch, ob diese Annahme auch zutrifft. Im Rahmen der Interpretation einer Gesetzesstelle ist idR zunächst auf die Wortauslegung abzustellen.85 Ausdrücke sind iSd allgemeinen Sprachgebrauchs auszulegen, Fachausdrücke im fachlichen Sinn. Wird das Sinnverständnis eines verwendeten Begriffes durch das Alter der Bestimmung zweifelhaft, hat die Auslegung nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers zu erfolgen.86 Grenze jeglicher Auslegung ist der äußerste mögliche Wortsinn. Darüber hinaus ist nur noch Analogie möglich.87 Mit Versetzung „von einer Stelle zur andern“ wird, wie bereits in der älteren L88 hervorgehoben wurde, der Transport einer körperlichen Sache im Sinne einer räumlichen Ortsveränderung zu verstehen sein. Für diese Annahme spricht auch der Wortlaut „Verletzung ihrer Substanz“, worunter der historische Gesetzgeber gewiss auf körperliche Sachen abstellte.89 Es versteht sich von selbst, dass solch unkörperliche Sachen, die rein im virtuellen Raum existieren und sich durch diesen „bewegen“ lassen, keine Substanz im Sinne einer mit den menschlichen Sinnen wahrnehmbaren Materie besitzen und diese auch nicht verletzt werden kann. Rein nach dem auf den allgemeinen Sprachgebrauch bezogenen Gesetzeswortlaut ist folglich eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm auf körperliche Sachen vorzunehmen. Fraglich ist, ob § 293 im äußersten möglichen Wortsinn unkörperliche Sachen erfasst. Die L90 leitet aus „Substanz“ ab, dass es sich dabei bloß um körperliche Sachen handeln kann. Legt man aber den beiden Anknüpfungspunkten des § 293, nämlich der Ortsveränderung und der 82 Vgl die Nachw bei FN 71. 83 Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 293 Rz 2; Kisslinger in Klang3 § 293 Rz 6. 84 ZFR 2020, 492 (499). 85 Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 60, 63. 86 F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 437 ff; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 6 Rz 7 (Stand 1.3.2017, rdb.at). 87 Welser/Kletečka15 Rz 89; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 6 Rz 4, 8 (Stand 1.3.2017, rdb.at). 88 Unger, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts I5 (1892) 394. 89 Vgl dazu ausf die historische Auslegung unten. 90 Vgl Schickmair in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 353 Rz 2, die bei „Substanz“ in § 354 auf physisch „angreifbare“ Vermögenswerte abstellt. Juli 2021 Matthias Sulzer 20/76
Substanzverletzung, ein weites Verständnis zugrunde, so müssen auch unkörperliche Sachen mitumfasst sein, die die Eigenschaften der hier zu untersuchenden virtuellen Währungen aufweisen. Krypto-Assets, die in Form von Datensätzen vorliegen, werden im Rahmen von Transaktionen neuen Adressen zugewiesen, was freilich keinerlei Auswirkung auf ihr „Wesen“ als Datensätze hat. Verstünde man „Stelle“ rein räumlich, so bliebe Kryptowährungen eine Einordnung unter § 293 verwehrt, da sich eine Transaktion lediglich innerhalb der Blockchain abspielt und zu keiner physischen Ortsveränderung führt. Legt man aber „Stelle“ ein anderes, nicht bloß räumlich bezogenes, sondern auch ein Neuzuweisung von Adressen umfassendes Wortverständnis zugrunde, ließen sich virtuelle Währungen darunter subsumieren.91 So wurde zur Qualifikation von Software als bewegliche Sache ausgeführt, dass deren Substanz die Hardware ist, auf der die Software ausgeführt wird. Dabei sei es zwingende Voraussetzung, dass bei der Ausführung an der Hardware (= Substanz) nichts verändert werde. Damit sei Software geradezu als „Prototyp einer beweglichen Sache“ zu bezeichnen.92 Somit ließen sich virtuelle Währungen als bewegliche Sache iSd § 293 qualifizieren, da nach der soeben dargestellten Wortauslegung eine Versetzung von einer Stelle zur anderen ohne Verletzung der Substanz (bzw des Wesens) der Sache möglich ist. Mit der systematisch-logischen Auslegung soll der Anwendungsbereich einer Norm anhand des Aufbaus des Gesetzes und dem Standort der Norm, somit aus einem Gesamtzusammenhang, ermittelt werden.93 Dabei ist lediglich auf den expliziten Inhalt anderer Normen abzustellen.94 Eine beabsichtigte Einschränkung des § 293 auf körperliche Sachen lässt sich diversen Bestimmungen des Sachenrechts entnehmen. So hebt § 292 die Rechte als Beispiel für unkörperliche Sachen hervor, während § 298 Rechte den beweglichen Sachen „beizählt“. Daraus lässt sich ableiten, dass sich § 293 ausschließlich auf körperliche Sachen bezieht,95 da Rechte den (un-)beweglichen Sachen (sofern erforderlich96) kraft § 298 gleichgesetzt werden. Die Einordnung von Rechten findet also separat statt. Jene von unkörperlichen Sachen, welche keine Rechte sind, bleibt offen. Die Unterscheidung von beweglichen und unbeweglichen Sachen beruht auf unterschiedlichen Verkehrsbedürfnissen, somit auf teleologischen Erwägungen.97 So legen zB die §§ 426 ff den 91 Vgl Völkel, ZFR 2020, 492 (499). 92 Wolf in Ertl/Wolf, Die Software im österreichischen Zivilrecht (1991) 85; vgl auch Fleißner, ÖJZ 2018/56 (440). 93 Welser/Kletečka15 Rz 92; Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 78; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 6 Rz 10 (Stand 1.3.2017, rdb.at); jeweils mwN. 94 F. Bydlinski, Methodenlehre2 443. 95 Vgl nur Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch II/1 (1812) 13. 96 Zeiller, Commentar II/1, 22. 97 Eccher/Riss in KBB6 § 293 Rz 2; zur teleologischen Auslegung siehe unten. Juli 2021 Matthias Sulzer 21/76
Modus für bewegliche Sachen, die §§ 431 ff jenen für unbewegliche Sachen fest. Sofern sich die Einordnung in bewegliche und unbewegliche Sachen auf körperliche Sachen beschränkt, dürften auch diese Bestimmungen nur auf jene anwendbar sein. Tatsächlich spricht § 426 von einer körperlichen Übergabe als Regelfall der Übergabe. Die systematisch-logische Auslegung führt daher zu dem Ergebnis, dass § 293 nur auf körperliche Sachen anwendbar ist. Bleibt nach Wortinterpretation und systematisch-logischer Interpretation die Ausdrucksweise des Gesetzes zweifelhaft und unklar, so ist anhand der historischen Auslegung auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und die Absicht des Gesetzgebers zurückzugreifen.98 Jedoch verliert die subjektive Absicht des Gesetzgebers mit zunehmender Zeit tendenziell an Bedeutung, da ua auch die Wertung später erlassener Gesetze berücksichtigt werden müssen.99 Bereits die Urfassung des ABGB enthielt in § 17 des „Zweiten Teils“ den Hinweis, dass „unkörperliche Sachen von den beweglichen und unbeweglichen Vermögen in strengem Verstande“ zu unterscheiden sind.100 Dieser Wortlaut findet sich im finalen § 298 deswegen nicht mehr, weil laut zugehörigem Beratungsprotokoll diese Bemerkung den Lehrbüchern vorbehalten werden sollte.101 Die Intention der Schöpfer des ABGB, die Unterteilung in bewegliche und unbewegliche Sachen auf körperliche Sachen zu beschränken, blieb unverändert.102 Die Subsumption von virtuellen Währungen unter § 293 lässt sich somit unter historischen Gesichtspunkten nicht vornehmen. Anhand der objektiv-teleologischen Interpretation soll der Zweck der Regelung ermittelt werden. Die gesetzgeberische Regelung soll weiter- und zu Ende gedacht und dadurch eine „Anpassung veralteter Normen an geänderte tatsächliche Voraussetzungen und Wertvorstellungen“ ermöglicht werden.103 Es soll nicht der tatsächliche, sondern der mutmaßliche Wille des historischen Gesetzgebers ermittelt werden.104 Nicht zuletzt im Hinblick auf einen derivativen Erwerb von virtuellen Währungen nach sachenrechtlichen Bestimmungen wäre die Einordnung dieser als bewegliche bzw unbewegliche Sache geboten. Wie bereits eingangs festgestellt, weisen Liegenschaften besondere Eigenschaften auf, denen das ABGB mit eigenen, nur auf unbewegliche Sachen anzuwendende, Bestimmungen 98 Posch in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 6 Rz 16. 99 Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 105 mwN. 100 Ofner, Der Ur-Entwurf und die Berathungs-Protokolle des Österreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches I (1889) XXXI. 101 Ofner, Ur-Entwurf 220. 102 So bereits Zeiller, Commentar II/1, 13. 103 Welser/Kletečka15 Rz 99 ff. 104 Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 6 Rz 18 (Stand 1.3.2017, rdb.at). Juli 2021 Matthias Sulzer 22/76
Rechnung trägt.105 Nach F. Bydlinski106 ist dies die Qualität von Grund und Boden als nicht vermehrbares und dadurch sensibles Gut. Ein lediglich erheblicher wirtschaftlicher Wert kann nicht ausschlaggebend sein, da dieser nicht jeder Liegenschaft gemein ist und oft auch unter dem Geldwert beweglicher Vermögensgüter zurückbleibt. Unbewegliche Sachen weisen auch eine geringere Umlaufgeschwindigkeit und -häufigkeit auf.107 Kryptowährungen weisen diese Eigenschaften nicht auf. Dass sich manche von ihnen, wie zB Bitcoin, nur begrenzt vermehren lassen, ändert nichts an ihrer grundsätzlichen Möglichkeit der Vermehrung. Somit lässt sich festhalten, dass die Subsumption von Krypto-Assets unter die unbeweglichen Sachen nicht dem Telos dieser Unterteilung entspricht, da es sich bei diesen weder um eine nicht vermehrbare Sache noch um eine mit geringer Umlaufgeschwindigkeit und -häufigkeit handelt. Gelangt man mit den Auslegungsmethoden zu unterschiedlichen Ergebnissen, so ist eine Gesamtwürdigung im Sinne eines „beweglichen Systems“ vorzunehmen, wobei das Gewicht der Argumente darüber entscheidet, welcher Auslegungsmethode der Vorzug zu geben ist; eine feste Rangordnung der einzelnen Methoden kann nicht aufgestellt werden.108 Nach hL109 ist jedoch der objektiven Auslegung gegenüber der subjektiven der Vorrang zu geben. Der teleologischen Interpretation kommt dabei besondere Bedeutung zu.110 In Bezug auf virtuelle Währungen ist vorrangig auf die teleologische Interpretation abzustellen, die vom äußerst möglichen Wortsinn gedeckt ist. Systematische und historische Interpretation lassen, dem hohen Alter des § 293 ABGB und den damaligen Gegebenheiten geschuldet, keine Einordnung von derartigen unkörperlichen Sachen zu. Im Ergebnis lassen sich daher Bitcoin und Diem auf Grund teleologischer Erwägungen unter § 293 subsumieren. Der Wortlaut „von einer Stelle zur andern“ wird daher so auszulegen sein, dass darunter nicht nur eine räumliche Ortsänderung, sondern auch eine Versetzung im virtuellen Raum zu verstehen ist. Eine solche liegt auch vor, da durch die Transaktion die zu transferierenden Währungseinheiten einer neuen Adresse zugewiesen werden. Dieser Vorgang wird sodann in einem neuen Block festgehalten und der Blockchain hinzugefügt.111 Man kann dies mit folgendem Bsp veranschaulichen: Die Blockchain entspricht einem Parkhaus, wo die 105 Vgl die Bsp bei Kisslinger in Klang3 § 293 Rz 3. 106 System 334. 107 Eccher/Riss in KBB6 § 293 Rz 2. 108 OGH 12.07.2005, 4 Ob 115/05y; OGH 24.02.2009, 4 Ob 225/08d; vgl auch F. Bydlinski, Methodenlehre2 553 ff. 109 Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 135 ff; Posch in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 6 Rz 25; aA Kerschner/Kehrer in Klang3 §§ 6, 7 Rz 15 ff, die der historischen Auslegung den Vorrang geben wollen. 110 OGH verstSen 30.10.1998, 1 Ob 107/98m; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 6 Rz 25 (Stand 1.3.2017, rdb.at). 111 Völkel, ZFR 2020, 492 (499); aA Dafinger, RdW 2020/422 (593). Juli 2021 Matthias Sulzer 23/76
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