Zuckerfabrik Oldisleben - Technisches Denkmal der Südzucker AG - Südzucker AG
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Vorwort Liebe Besucherinnen und Besucher der Zuckerfabrik Oldisleben, Lebensmittel- und Technikgeschichte vierung des Industriedenkmals entspre- hautnah erleben – das können Sie hier in chend des Zustandes zu Kampagnebeginn der weltweit einzigen Rübenzuckerfabrik, 1990 angenommen. Das Denkmal soll die vollständig als technisches Denkmal allen zugänglich sein, die sich für die erhalten ist. Geschichte und Technologie der Zucker- gewinnung interessieren. Bis 1990 wurde hier noch auf einzigartige Weise Zucker produziert. Als letzte Fabrik Eine Zuckerfabrik im Dornröschenschlaf – in Europa trotzte die Fabrik Oldisleben der als könnte sie jeden Moment erwachen Modernität und arbeitete mit Diffusions- und die nächste Rübenkampagne beginnen batterien, Dampfmaschinen und anderen – empfängt die Besucher und zeigt ein- historischen Geräten. drucksvoll, wie in einer Zuckerfabrik im 19. und 20. Jahrhundert gearbeitet wurde. Das aus dem 19. Jahrhundert stammende Gebäude mit seinen gesamten Maschi- Ihre Südzucker AG nen und Apparaten muss der Nachwelt erhalten bleiben, denn es gibt Einblick in die Arbeitswelt vergangener Epochen der Zuckerindustrie und deren Technik-, Kultur- und Sozialgeschichte. Südzucker ist sich dieser Verantwortung bewusst und hat sich, wie von Wissenschaftlern aus dem Gebiet Industrie-/Archäologie empfohlen, der Erhaltung, Restaurierung und Konser- 4
Liebe Besucherinnen und Besucher der Zuckerfabrik Oldisleben, Thüringen ist in erster Linie bekannt als Zeugnis einer mehr als ein Jahrhundert in das Land der Residenzen. Residenz- und ganz Europa verbreiteten Technologie zur Lustschlösser, Parks und Orangerien, als Gewinnung von Zucker aus Zuckerrüben. Hofkirchen reich ausgestattete Stadt- Als solche ist sie in ihrer Art heute ein kirchen, aber auch die zahlreichen Burgen, überregional bedeutendes Industriedenk- Dorfkirchen, Herrenhäuser und historische mal mit einer nach Umfang und Qualität Ortskerne prägen das Land. Fast 30.000 außergewöhnlichen, teils weltweit einzig- Kulturdenkmale und Ensembles sind in das artigen Ausstattung. Thüringen kann daher Denkmalbuch des Freistaates eingetragen. stolz auf dieses herausragende Kulturdenk- Kaum ein anderer deutscher Flächen- mal sein. Als Landeskonservator freue ich staat weist im Vergleich zu seiner Größe mich sehr, dass dieses mittlerweile wohl eine derartige Dichte, Fülle und Vielfalt einzigartige, technikgeschichtliche Denk- baulich-kulturellen Erbes auf. Denkmale mal uns und der Nachwelt erhalten bleibt. haben eine unschätzbare kulturelle und die Mein Dank gilt aber insbesondere allen, die lokale oder regionale Identität prägende sich für dessen Erhalt und seine Erschlie- Funktion. ßung für die Öffentlichkeit engagieren. Mein Dank gilt nicht zuletzt der Südzucker Leider und zu Unrecht weniger bekannt AG als Eigentümerin, die sich mittels der sind die etwa 3.000 Denkmale der Produk- Zuckerfabrik in Oldisleben für die Vermitt- tions-, Technik- und Verkehrsgeschichte, lung der Geschichte ihres Industriezweiges oftmals selbst im regionalen Umfeld. Dabei und somit auch eines Teiles der regionalen befinden sich darunter einige Objekte, die Wirtschaftsgeschichte einsetzt. entweder wegweisend für die Entwicklung ihres Produktionszweiges waren oder Holger Reinhardt aber zu den letzten Vertretern einstmals Landeskonservator weit verbreiteter Gattungen gehören. Thüringisches Landesamt für Denkmal- Zu Letzteren ist auch die Zuckerfabrik in pflege und Archäologie Oldisleben am Rande der Goldenen Aue zu zählen. Der Ackerbau spielt im Gebiet zwischen Erfurt und Nordhausen bis heute eine wichtige Rolle. Voraussetzung für die ertragreiche Landwirtschaft sind die fruchtbaren Böden. Auf dieser Grundlage entstanden im 19. Jahrhundert mehrere Niederlassungen lebensmittelverarbeiten- der Industrie, so auch die 1836 errichtete Zuckerfabrik Oldisleben. Aufgrund struk- tureller Umbrüche und einer fortschrei- tenden technischen und technologischen Entwicklung ist die Zuckerfabrik Oldisleben wohl die letzte, in dieser Vollständigkeit erhaltene, historische Anlage mit einer Diffusionsbatterie und allen zugehörigen Maschinen. In ihr sind auch die Arbeitsbe- dingungen zum Ende der letzten Zucker- kampagne 1990 konserviert. Sie ist zudem 5
Technikgeschichte einer Rübenzuckerfabrik Von den zahlreichen Zuckerfabriken war schen Schaudenkmal wird die Kulturge- die Oldislebener europaweit eine der letz- schichte des Zuckers und seiner Produktion ten, die bis zu ihrer Stilllegung im Jahre veranschaulicht. 1990 mit Dampfmaschinen, Diffusionsbat- terie und anderen historischen Apparaten Der Erhalt des Industriedenkmals Zucker in Betrieb war. Sie ist mit ihrer technischen fabrik Oldisleben hat nicht nur für die unter Ausstattung mit der wohl letzten Diffusi- dem Strukturwandel leidende, wirtschaft- onsbatterie der Welt, einem einzigartigen lich schwache Region Nordthüringen eine belgischen Doppelkonus-Kalkofen und große kulturelle Bedeutung. sechs Dampfmaschinen – zwischen 1882 und 1925 in Betrieb genommen – in unge- Als wohl letztes vergleichbares Zeugnis wöhnlichem Umfang und hoher Qualität dieser Art der einstmals in Mittel- und Ost- erhalten geblieben. Der reiche Bestand europa weit verbreiteten Zuckerproduktion an historischer Technik wird von einem kommt ihm eine deutlich überregionale hochwertigen, typischen Industriebau des technikgeschichtliche Bedeutung zu. 19. Jahrhunderts umschlossen. Somit stellt die Zuckerfabrik ein einzigartiges Indust- Dipl. Ing. Sabine Guzowski riedenkmal in Europa dar und geht in ihrer Fachreferentin und Gebietsreferentin des Bedeutung weit über den regionalen Rah- Thüringischen Landesamt für Denkmal- men hinaus. pflege und Archäologie Dienststelle Erfurt Die Bedeutung von Bau und technischer Ausstattung führte dazu, dass die Oldisle- bener Fabrik bereits zu Produktionszeiten (1989) auf die Kreisdenkmalliste des Krei- ses Artern der DDR gesetzt wurde, obwohl Denkmalschutz in der DDR für noch pro- duzierende Betriebe absolut unüblich war. Die Unterschutzstellung wurde bereits seit 1986 durch den Kulturbund der DDR angeregt. Der Weiterbestand der Oldislebener Zuckerfabrik war nach der Wende 1989 in Gefahr. Die Produktion lief zwar noch bis zur Zuckerkampagne 1990/1991 weiter, danach war jedoch die Zukunft des Indus- triedenkmals ungewiss. Dank entspre- chenden Engagements des Eigentümers Südzucker AG und eines Fördervereins sowie der Initiative der Denkmalfachbe- hörde konnte eine Bestandsdokumentation aus technikgeschichtlicher Sicht erarbeitet und eine Studie zur „Umnutzung zu einem technischen Museum“ angefertigt werden. Als „lebendiges“ Denkmal ist die Zucker fabrik mittlerweile der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Im techni- 6
Die Restaurierung einer Rübenzuckerfabrik Wie geht man mit einem Objekt konserva- Was sich seit der Stilllegung nicht verändert rungslasur. Bei den der freien Bewitterung torisch um, das ein wohl weltweit technik- hat, ist der allgegenwärtige angenehme ausgesetzten Objekten aus Eisenmetallen historisches Alleinstellungsmerkmal besitzt Geruch nach Melasse. Dieses Nebenerzeug- wird grundsätzlich ein neuer Korrosions- und zudem die Größe eines Einkaufscen- nis der Zuckerproduktion ist als dunkel- schutz aufgebracht. Der Farbton und der ters hat? Während in den 1990er Jahren braune honigartige Masse als Gebrauchspur Glanzgrad richten sich dabei sklavisch an anderswo in der Republik Objekte dieser an Wänden, Decken und Maschinen sicht- den vorgefundenen Bestand. Auch hier Größenordnung mit dem fragwürdigen bar und riechbar. Sie verhält sich gegenüber werden Schutzsysteme gewählt, die eine Erhaltungskonzept des „kontrollierten den von ihr benetzten Oberflächen zum lange Schutzdauer haben. Ein regelmäßi- Verfalls“ bedacht wurden, wurde in der Glück inert. Das gilt grundsätzlich auch für ges Monitoring der mit unpigmentierten Zuckerfabrik Oldisleben der Grundstein des alle Betriebsstoffe, die zur Zuckergewin- Beschichtungsstoffen konservierten Ober- Erhalts mit Wissenschaft und Bauchgefühl nung eingesetzt wurden. Neben Stein, Putz, flächen zeigt, dass diese Konservierungs- gelegt. Holz und Kunststoff ist der Werkstoff Stahl systeme die geplante Schutzdauer von fünf das am häufigsten verwendete Material. Jahren mühelos erreichen. Nach 15 Jahren Dazu ist die Zielbestimmung der Maßnah- Behälter, Rohrleitungen, Dampfmaschinen, ist jedoch ein regelrechtes Versagen zu men der Grundstein allen Handelns. Die Pumpen und Stahlfachwerkskonstrukti- beobachten. Hier erfolgt dann eine Wieder- Wege, die dann zu diesem Ziel führen, onen füllen fast jeden Quadratmeter der holungskonservierung der Oberflächen. können lang oder kurz sein. Einer Intuition Zuckerfabrik aus. Die sechs am originalen Standort stehen- folgend wurde die Zuckerfabrik nach der den Dampfmaschinen bzw. Dampfpum- Stilllegung im Jahr 1990 durch die dort Ausgehend von dem Wissen, dass wir pen standen im Konservierungsfokus der noch beschäftigten Mitarbeiterinnen und die Materialeigenschaften von Stahl- und letzten Jahre. Hier wurden zunächst die Mitarbeiter so weiterbehandelt, als stände Eisenwerkstoffen nicht verändern können vielschichtigen Phänomene der Stillstands- eine neue Rübenkampagne kurz bevor. So und wollen, gilt es im Kontext zum Res- korrosion beseitigt. Zwei Maschinen sind wurden die Gebäude sowie die Maschinen taurierungsziel Behandlungsmaßnahmen aus konservatorischen Gründen mit Hilfe und Anlagen einem bewährten Reparatur- durchzuführen, die schonend und langfris- von Elektromotoren wieder reaktiviert wor- und Pflegeregime unterzogen, das in den tig zugleich sein müssen. Das muss dem den. Es ist davon auszugehen, dass in den Zuckerfabriken nach dem Ende der durch- Grunde nach kein Widerspruch sein. In der nächsten zehn Jahren die grundhafte Kon- schnittlich dreimonatigen dauernden Kam- Umsetzung bedeutet das die Trennung servierung der technischen Ausstattung pagne normal ist, denn die Extrahierung von zwischen Innen- und Außenobjekten und beendet sein wird und der Schwerpunkt Zucker aus der Zuckerrübe ist mit einem die Trennung zwischen beschichteten und sich dann auf die Nachkonservierung der unglaublichen Verschleiß verbunden. unbeschichteten Stahloberflächen in der Oberflächen verschieben wird. Der Haupt- Behandlungsweise. Alle Stahlbauteile im augenmerk wird dabei weniger dem Kor- Aus dieser intuitiven Handlung wurde 1994 Innenbereich wurden und werden mit rosionsschutz gewidmet werden, sondern ein klares Konservierungsziel formuliert. unpigmentierten Beschichtungsstoffen der Verlangsamung der Degradation der Dieses lautet „ Zustand vor Kampagne- konserviert. Dabei findet mikrokristallines Altanstriche auf den Objekten. beginn 1990“. Als wissenschaftliche Grund- Wachs mit einem beigefügten Inhibitor die lage für die langfristige Planung zum Erhalt größte Verwendungsbreite. Stark korro- Prof. Bernhard Mai der Fabrik diente zunächst eine vom Büro dierte Stahlflächen werden zuvor noch mit Büro & Praxis für Metallrestaurierung für Industriearchäologie Rolf Höhmann aus einem transparenten Polyurethanlack ver- Erfurt Darmstadt erstellte industriearchäologi- sehen. Sind diese ursprünglich beschichtet sche Forschungsarbeit. Daraus entwickel- gewesen, wird ein UV-beständiger Poly ten sich zwei parallel verlaufende Erhal- urethanlack verwendet. Auf Bereiche, wo tungskonzepte, die sich in Bauunterhalt ein großer Beschichtungsverlust seit der und der Konservierung der technischen Stilllegung stattgefunden hat, werden pig- Ausstattung wiederfanden. Die Chronolo- mentierte Korrosionsschutzsysteme appli- gie dieses bis heute gültigen Masterplans ziert, die eine Schutzdauer von 15 Jahren bestimmt der Grad der Schädigung im und mehr aufweisen. Um den Anschein Kontext zu sinnvoll abgeschlossenen Sanie- des Neuanstrichs zu mildern, erhalten rungseinheiten. diese Oberflächen eine zusätzliche Alte- 7
Zucker – ein kulturgeschichtliches Phänomen Heute ist es zur Selbstverständlichkeit geworden – das Stückchen Zucker im Tee oder Kaffee. Kaum bewusst ist dem Verbraucher von heute, wie begehrt und kostbar der süße Stoff einst war. F. C. Achard. Diffusionsbatterie-Anlage. Noch vor zweihundert Jahren schenkte Mitteleuropa den kostspieligen Import von einzigartiges Industriedenkmal dar. In den man Kaisern und Päpsten zu Thronbestei- westindischem Rohrzucker. 119 Jahren ist die Bausubstanz durch Um- gung und Regierungsjubiläen Zuckerwaren oder Anbauten kaum verändert worden. als besonders wertvolle Gaben; um die Die Rübenzuckergewinnung ist nicht nur Die Außenmauern sind aus Muschelkalk westindischen Inseln, auf denen Zucker- ein technisch-wirtschaftlicher Vorgang, und Rotsandstein mit Bogenfenstern, rohr angepflanzt wurde, führten die euro- sondern auch von kultureller und sozia- und auf den gusseisernen Säulen im Par- päischen Seemächte ihre Kolonialkriege; ler Bedeutung. Technik und Arbeitswelt terre steht noch weitgehend die originale in bürgerlichen Haushalten wurde die des 19. Jahrhunderts sind es wert, in Holzbalkenkonstruktion des Ober- und Zuckerdose vor den Bediensteten durch ein einem Museum dokumentiert zu werden: Dachgeschosses. Die Ausrüstung mit sechs Schloss gesichert; das einfache Volk süßte dem Industriedenkmal der historischen Dampfmaschinen und anderen histori- seine Speisen mit Honig, da Zucker uner- Zuckerfabrik Oldisleben in Thüringen. schen Apparaten ist einmalig. schwinglich war. Eine Zuckerfabrik des 19. Jahr- Historische Dampfmaschinen Erst die wissenschaftlichen Pioniertaten hunderts der deutschen Chemiker A. S. Marggraf Als Hauptantriebe dienen Dampfmaschi- und F. C. Achard im 18./19. Jahrhundert In der Nähe des Kyffhäusers bei Bad nen, die dank jahrzehntelanger sorgfältiger ermöglichten den Wandel des Zuckers vom Frankenhausen, in der kleinen thüringi- Pflege voll funktionsfähig sind. Die jüngste luxuriösen Genussmittel zum weit verbrei- schen Gemeinde Oldisleben, stellt die dieser Kraftmaschinen arbeitete 65 Jahre, teten Nahrungsmittel: Die Produktion aus 1872 erbaute und im Dezember 1990 still- die älteste 108 Kampagnen! Das Überleben heimischen Zuckerrüben verdrängte in gelegte Zuckerfabrik in vieler Hinsicht ein dieser Zuckerfabrik mit „eingefrorener“ 8
Diffuseur. Technikgeschichte und vielen arbeitsaufwen- Maschinenfabrik die Kapazität auf 525 t/d Nach 1945 digen sowie energieintensiven Verfahren in erhöht. Um 1890 verarbeitete die Fabrik in den Nachkriegsjahrzehnten mit schneller der Kampagne rund 40.000 t Rüben, davon Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte die industrieller Entwicklung ist eine „Leistung“ stammten drei Viertel aus Eigenanbau, und Weißzuckerfabrik Oldisleben zu den wich- der sozialistischen Wirtschaft und ihres Man- erzeugte rund 5.000 t Rohzucker. Zwecks tigsten Lebensmittelbetrieben des Landes gels an Investitionsmitteln, aber auch der Sicherung des Kapitalbedarfs und der Thüringen für die Versorgung der Bevölke- Verdienst der Mitarbeiter der Fabrik. Rübenbasis wurde 1892 die eingetragene rung. Nach 1945 sind am Hauptgebäude Genossenschaft mit unbeschränkter Haf- teilweise die Bogenfenster durch recht- Geschichte der Fabrik tung in eine GmbH umgewandelt, die ab eckige erneuert und das Schnitzelhaus 1903 die Anlagen von der Maschinenfabrik durch Anheben des Daches vergrößert Bereits 1836 ist in Oldisleben eine Rüben- Sangerhausen für die Verarbeitung von worden. Die Elektrifizierung wurde ab 1955 zuckerfabrik, eine sogenannte „Saftquet- mehr als 600 t/d erweitern ließ. Die Elek- fortgesetzt und von der Vorkriegsausrüs- sche“, errichtet worden, von der heute trifizierung begann 1915 mit Aufstellung tung u. a. drei Dampfmaschinen (Balan- noch ein Gebäude steht. Sie wurde stillge- eines Generators zur Stromerzeugung für ciermaschine für Wasser, Kolbenpumpe für legt, als 1872 die Maschinenfabrik Röhrig & Beleuchtung und Pumpen; dieser war bis A-Produkt-Verdampfungskristallisator und König, Magdeburg, nebenan die neue Fab- zuletzt in Betrieb. Bei gleichbleibender Doppelkolbenpumpe für Schlammsaft) rik für die Verarbeitung von 350 t/d Rüben Rübenverarbeitung wurde die Fabrik 1922 verschrottet. baute. Die ersten 2.842 t Rüben wurden von der Braunschweigischen Maschinen- vom 18. Februar bis Mitte April 1873 ver- bauanstalt auf die Erzeugung von Weiß- arbeitet. Bereits 1889 hat die Hallesche zucker umgestellt. 9
Technikgeschichtlich bedeutende Apparate und Maschinen Auf technikgeschichtlich interessante Apparate und Anlagen, darunter Kraft- und Arbeitsmaschinen für wichtige Verfahrensschritte der Zuckerfabrikation, sei auf den folgenden Seiten hingewiesen. Liegende Einzylinder-Dampfmaschine für den Antrieb der Vakuumpumpe des Kondensators der Verdampf- anlage; Baujahr 1925; Hersteller: Braunschweigische Maschinenbauanstalt. Im Vordergrund Schwungrad mit 2.000 mm Durchmesser, rechts oben Fliehkraft-Dreh- zahlregler, dazwischen Steue- rungen für Dampfeintritt und -austritt. Liegende Einzylinder-Dampfmaschine mit Ventilsteuerung, Baujahr 1915, Hersteller: Braunschweigische Maschinenbauanstalt; Dampfzylinder 550 mm Durchmesser, Kolbenhub 850 mm, Arbeitsdruck 13 bar, Gegendruck 1,8 bar, Dampfverbrauch Rübenkeller. 3 t/h, Leistung 220 kW (300 PS), sechs- Anzeigetafel der Rübenkippwaage rilliges Schwungrad mit 4.250 mm Durch- von 1909. messer, Sisalseile mit 55 mm Durchmesser, Drehzahl 225 min-1. Rübenentladung von Hand Große Dampfmaschine Letzte Diffusionsbatterie Die Rübenfahrzeuge werden von Hand Für den Antrieb des Generators sowie Das Saftgewinnungsverfahren mit der entladen bzw. ihre Ladung wird in den ursprünglich der Rübenwäsche, Schnit- Diffusionsbatterie wurde in den 60er-Jah- 1923 gebauten Rübenkeller gekippt. In zelpressen, Schneidmaschinen und ren des 19. Jahrhunderts von Julius Robert einer 2,4 m tiefliegenden Schwemmrinne Transporteinrichtungen für Rüben und entwickelt. Es löste die bis dahin verwen- strömen die Rüben, die ursprünglich von Schnitzel dient als Hauptenergieerzeu- deten Pressen ab. Diffusionsbatterien Hand in die Schwemmrinne geworfen ger der historischen Zuckerfabrik eine waren bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurden, in die Fabrik. Die gewaschenen liegende Einzylinder-Dampfmaschine. Bestandteil jeder Rübenzuckerfabrik. Die Rüben fördert eine Schnecke in eine Sie hat ein sechsrilliges Seilschwungrad in Oldisleben vorhandene Batterie ist die Chronos-Kippwaage, Baujahr 1909, die als und treibt über ein Hauptvorgelege einzige in Europa, denn heute werden nur einzige Anlage auf dem Dachboden steht. den Drehstromgenerator an, der den kontinuierliche Anlagen verwendet. Der Waagenkorb neigt sich bei durch- Strom für die Pumpen der zentralen schnittlich 400 kg Füllung, die Kippungen Wasserversorgung und die Beleuchtung Die 1906 installierte Batterie mit zwölf Dif- werden gezählt. erzeugt. fuseuren von je 65 hl Inhalt wurde später 10
Diffusionsbatterie von 1906: Die Diffusions- Bauzeichnung des Kalkofens gefäße werden mit frischen Rübenschnitzeln von 1898. befüllt – ein Vorgang, der ca. jede acht Minuten wiederholt wird. Kalkofen von 1898: Gleichzeitig mit dem Befüllen des Ofens wird unter dem Ausfalltrichter der gebrannte Beim Entleeren des Diffuseurs Kalk von Hand weggeschaufelt. Seilaufzug mit Wasserkasten. fallen die entzuckerten Schnitzel in den sogenannten Schnitzelsumpf. um zwei Diffuseure erweitert. Die Diffu- Belgischer Kalkofen Seilaufzug mit Wasserkasten seure sind in zwei Reihen angeordnet und saftseitig hintereinandergeschaltet. Eine Der Kalk für die Saftreinigung wird in einem Kalkstein und Koks werden in der Kipplore Schneidmaschine erzeugt die Rübenschnit- belgischen Doppelkegel-Kalkofen, Baujahr über einen Seilaufzug mit 11 m Hubhöhe zel. Über Rechenförderer und Schurren 1898, Kapazität 20 t Kalk je Tag, gebrannt. dem Kalkofen zugeführt. Als Gegengewicht gelangen die Schnitzel in die Diffuseure, Er steht in einem Anbau an das Filterhaus. für den Förderkorb dient ein Wasserkasten, deren Deckel und Bodenklappe beim Fül- Zum Füllen des Kalkofens wird der obere der für den Fördervorgang über die quer len bzw. Entleeren sowie alle Ventile für Verschluss mittels der handbetriebenen durch das Bild laufende Rohrleitung mit Entlüftung, Wasser, Rohsaft und Dampf Seilwinde angehoben. Kalksteine und Koks Wasser gefüllt wird. Nach der Entleerung Handbedienung erfordern. rutschen durch den Einfülltrichter in den wird die Kipplore wieder in den Förderkorb Kalkofen. geschoben und der unten stehende Was- serkasten entleert; der Förderkorb bewegt sich daraufhin abwärts. Für eine Nachfül- lung des Ofens werden drei Loren Kalkstein und eine Lore Koks benötigt. 11
Technikgeschichtlich bedeutende Apparate und Maschinen Verdampfungskristallisatoren, links zwei Apparate für Weißzucker und im Hinter- grund ein Apparat für Zwischenprodukt. Balancier-Dampfmaschine (1882), Her- steller Maschinenfabrik Sangerhausen, mit Schwungrad 2.700 mm Durchmesser, Liegende Einzylinder-Dampfmaschine mit Schiebersteuerung (1918) Drehzahl 25–30 min-1, für den Antrieb der in sehr langer Bauweise: eine Kolbenstange für Dampf- und Pumpen- Kalkmilchpumpe. zylinder. Balancier-Dampfmaschine von Dampfmaschine für Antrieb der Verdampfungskristallisatoren von 1882 Kalkofengaspumpe 1905 Die älteste Anlage, eine Balancier-Dampf- Das Kalkofengas, das beim Kalkbrennen Drei Verdampfungskristallisatoren maschine, trieb ursprünglich mehrere entsteht, komprimiert eine liegende mit Röhrenheizkammern werden mit Pumpen für die Förderung von Fabrika- Einzylinder-Dampfmaschine, Baujahr Retourdampf der Dampfmaschinen tionssäften an. Sie pumpt die aus dem 1918, für die Karbonatation der Saft- beheizt. Sie sind zur Wärmeisolation gebrannten Kalk hergestellte Kalkmilch. reinigung. Die Vakuumpumpe des mit Holz verkleidet. Eine liegende Ein- Der auf der Mittelsäule gelagerte Balken, Kondensators der Verdampfanlage zylinder-Dampfmaschine mit Schieber- Balancier genannt, überträgt die senk- treibt eine liegende Einzylinder-Dampf- steuerung, Baujahr 1903, treibt die rechte Bewegung des Dampfkolbens auf maschine mit Doppelkolben-Schieber- Vakuumpumpe des Kondensators der die Kurbel des Schwungrades und die steuerung, Baujahr 1925, an. Nachproduktkristallisation an. Pumpenzylinder. 12
Y-Treppe im Siedehaus; im Hintergrund Verdampfer. Liegende Einzylinder-Dampfmaschine, die über Schwungrad mit Riemenscheibe und Transmissionssystem die Rührwerke – früher auch die Zentrifugen – antreibt. Hersteller: Braun- schweigische Maschinenbauanstalt; Baujahr 1921, Leistung 88 kW (120 PS), Dampfverbrauch 1,5 t/h, Schwungrad mit Dachboden-Lagerraum mit Holzkonstruk- 3.500 mm Durchmesser, Drehzahl 100 min-1. tion im Originalzustand. Antriebsmaschine für die Einzigartiges Monument und Vom Unternehmen Südzucker wurde mit Kristallisation des Zuckers Museum erheblichem finanziellen Aufwand bei par- in Bewegung tieller Unterstützung durch die öffentliche Oldisleben ist in Europa die letzte Zucker- Hand dafür gesorgt, dass die Fabrik mit Die Rührwerke für die Kristallisation des fabrik, die mit Dampfmaschinen, Diffu- den historisch wertvollen Maschinen und Zuckers werden mit einer Dampfmaschine sionsbatterie und anderen historischen Apparaten vor Abriss, Demontage und gleicher Bauart wie auf Seite 10 („Große Apparaten gearbeitet hat, die Vorfahren Verschrottung verschont und der Öffent- Dampfmaschine“) abgebildet angetrieben. unserer heutigen Technik sind. Damit stellt lichkeit als lebendiges Museum und Indus- Über Flachriemen, Transmissionen und sie ein einzigartiges Industriedenkmal dar, triedenkmal erhalten blieb. Dieser Pflicht Schneckengetriebe werden acht Küh- das unbedingt als technisches Museum zu zum Erhalt stellt sich das Unternehmen lungskristallisatoren und fünf Maischen in erhalten ist. Die Zuckerindustrie war Ende auch in Zukunft. Aber auch die öffentliche Bewegung gehalten. Die Kristallisation in des 19. Jahrhunderts in Deutschland mit Hand muss sich für die Zukunft dieses Bewegung, nach 1885 in der Zuckerindus- 400 Fabriken nicht nur einer der größten einmaligen Museums verpflichten, hierzu trie eingeführt, bedeutete einen großen Steuerzahler und der größte Exporteur, nicht nur mit Rat zur Verfügung zu stehen, Fortschritt in der Zuckertechnologie. sondern auch eine Lehrmeisterin für sondern auch mit Tat ihren notwendigen andere Industrien. Beitrag zu leisten. 13
Texte: Dr. Stephan Elbern Verlag Dr. Albert Bartens KG Bildnachweis: Sabine Guzowski, Andreas Streitberger, Thomas Wolf; Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie; Foto Achim Gramann, Braunschweig; Verlag Dr. Albert Bartens KG; Südzucker AG, Zentralarchiv; Foto Achard: Deutsches Museum Herausgeber: Südzucker AG Maximilianstraße 10 68165 Mannheim Telefon: +49 621 421-0 E-Mail: info@suedzucker.de 2021
Zuckerfabrik Oldisleben Technisches Denkmal der Südzucker AG Esperstedter Straße 9, 06577 An der Schmücke Telefon: +49 34673 78562 E-Mail: oldisleben@suedzucker.de Gefördert von:
Sie können auch lesen