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Geburtshilfe ∕ Frauen-Heilkunde ∕ Strahlen-Heilkunde ∕ Forschung ∕ Konsequenzen

                                               Tempfer C

                 Zukünftige Entwicklungen in der Gynäkologie: ein
                                    Ausblick

              Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2018; 36 (4)
                                 (Ausgabe für Österreich), 7-11

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36. Jahrgang, 4/2018

                               Zukünftige Entwicklungen
                            in der Gynäkologie: ein Ausblick
                                                            C. Tempfer

                                                                      allerdings weniger über die Zukunft aus als über
                       It‘s hard to make predictions –                die Verfasser selbst. Im Bewusstsein dieser Ein­
                         especially about the future.                 schränkungen werde ich im Folgenden versuchen,
                             (Yogi Berra, 1925–2015)                  die Zukunft eines Teilgebietes unseres Faches, der
                                                                      Gynäkologie, vorherzusagen, wie dies im Rahmen
                                                                      eines Symposiums in Linz, welches 2017 stattfand,
             Zukunftsvorhersagen                                      den Referenten zur Aufgabe gestellt wurde.

             Die Zukunft vorherzusagen, ist unmöglich. Progno­
             sen über die Zukunft zu erstellen, ist möglich, aller­   Endoskopische Operationen
             dings treffen derartige Prognosen in der Regel nicht
             zu. Dafür gibt es viele Beispiele: Prognosen über        Der Anteil endoskopischer Operationen am gy­
             steigende oder fallende Aktienkurse etwa sind noto­      näkologischen Operationsspektrum wird weiter
             risch unzuverlässig, auch wenn sie von Fachleuten        zunehmen.
             stammen. In einem 2015 durchgeführten Versuch
             sagten Börsenexperten, Laien und ein Zufallsgene­        Die sicherste Form der Prognose ist eine einfache
             rator Aktienkurse an der Wall Street voraus. Wie Sie     Fortschreibung eines bereits bestehenden nachhal­
             vielleicht bereits ahnen, war der Computer mit den       tigen Trends. In diesem Sinne ist es eine relative
             Zufallsvorhersagen der Gewinner des Experiments.         sichere Vorhersage, dass der Anteil an endoskopi­
             Ähnlich erging es Fußballtippern in Deutschland,         chen Eingriffen am gynäkologischen Operations­
             die für eine Sendung des Westdeutschen Rundfunks         spektrum immer weiter zunehmen wird. Jeder
             die Bundesligaspielergebnisse der Saison 2016/2017       Operateur, der beide Techniken, die offene und die
             vorhersagten. Gewinner war ein Mann, der immer           endoskopische, selbst anwendet, ist immer wieder
             das Resultat 1:0 tippte. Die (selbsternannten) Fuß­      von dem großen Unterschied in der postoperativen
             ballexperten irrten hingegen weit häufiger, als dass     Erholungsphase zugunsten der endoskopischen
             sie das korrekte Ergebnis vorhersagen konnten.           Operationen beeindruckt. Dieser Unterschied ist
                                                                      so offensichtlich, dass es schwerfällt, nicht – wenn
               Seriöser und schwergewichtiger, nicht aber exak­       immer vertretbar – die endoskopische Operation
             ter, verhielt es sich mit den Prognosen des „Club of     vorzuziehen. In diesem Sinne ist auch der Trend
             Rome“, eines Zusammenschlusses von internationa­         der letzten Jahre eindeutig, was zum Beispiel die
             len Experten verschiedener Diszipli­nen aus mehr als     Hysterektomie betrifft. In einer Analyse deutscher
             30 Ländern, die im Jahr 1972 u.a. ein ungebremstes       Zahlen aus den Jahren 2005 bis 2012 zeigte sich die
             Weltbevölkerungswachstum für das 21. Jahrhun­            fast diametral entgegengesetzte Abnahme der offe­
             dert vorhersagten. Tatsächlich kam es bereits im         nen und vaginalen und die Zunahme der totalen
             Jahre 2012 zu einer Abnahme der Wachstumskur­            laparoskopischen Hysterektomien [1].
             ve, die sich seitdem weiter abflacht. Diese und viele
             andere Beispiele mahnen uns zur Vorsicht bei der           Obwohl diese Entwicklung nicht der Evidenzlage
             großzügigen Erstellung von Zukunftsvorhersagen.          entspricht, die eindeutig die vaginale Hysterekto­
                                                                      mie als überlegen ausweist [2], rollt der Zug der
               Bei der Beschäftigung mit diesem Thema gewinnt         Entwicklung unaufhaltsam in Richtung laparos­
             man den Eindruck, dass Zukunftsprognosen nicht           kopischer Hysterektomie. Dieser Entwicklung hat
             so sehr die Zukunft widerspiegeln als vielmehr           auch die neue S3-Leitlinie zur Behandlung von
             die mehr oder weniger bewussten Wünsche und              Frauen mit Endometriumkarzinom Rechnung
             Ängste der Verfasser dieser Prognosen. In diesem         getragen, in der erstmals die laparoskopische Hys­
             Sinne sind Prognosen also aufschlussreich, sagen         terektomie als Standardoperation des frühen Endo­      7
36. Jahrgang, 4/2018

    metriumkarzinoms definiert und empfohlen wird          radical prostatectomy (RARP) compared to open
    [3]. Es ist wahrscheinlich, dass sich dieser Trend     radical prostatectomy (ORP) for oncological out-
    auch bei der operativen Behandlung der Frühsta­        comes. Urinary and sexual quality of life-related
    dien des Ovarial- und Zervixkarzinoms fortsetzen       outcomes appear similar. Overall and serious post-
    wird [4], falls nicht unvorhergesehene onkologi­       operative complication rates appear similar. The
    sche Sicherheitsprobleme auftreten, wie z. B. in       difference in postoperative pain may be minimal.
    der jüngsten Vergangenheit für das frühe Zervix­       Men undergoing LRP or RARP may have a shorter
    karzinom im Rahmen der „Laparoscopic Approach          hospital stay and receive fewer blood transfusions.
    to Cervical Cancer“- (LACC-) Studie [5].               All available outcome data were short-term… [8].
                                                           Diese ernüchternde Bilanz der Studienevidenz hat
      Ein weiteres Beispiel für den Siegeszug der          allerdings nicht verhindert, dass die RARP allge­
    Endoskopie ist die laparoskopische intra- oder         mein als neuer Standard anerkannt wurde. Die
    extraperitoneale Lymphadenektomie und die la­          Gründe dafür sind vielfältig und aufschlussreich,
    paroskopische Sakrokolpopexie, die mittlerweile        da sie auch auf das Fach Gynäkologie übertragbar
    zu Standardoperationen geworden sind [6, 7]. Nie­      sind, darunter technische Attraktivität, Werbe­
    mand würde heute noch auf die Idee kommen, eine        effekte, Konkurrenzdruck unter Kliniken, Druck
    diagnostische Lymphadenektomie bei fortgeschrit­       durch die Industrie, gezielte Erzeugung von Inter­
    tenem Zervixkarzinom nicht primär endoskopisch         essenkonflikten durch finanzielle Zuwendungen
    durchzuführen.                                         an meinungsbildende Ärzte sowie die Illusion eines
                                                           unbegrenzten technischen Fortschritts. In diesem
       Limitierte Fallzahlen pro Frauenklinik und de­      Sinne konnten z. B. Wright et al. zeigen, dass in
    zentralisierte Ausbildungsstrukturen im Rahmen         den USA die Entscheidung, robotische Operatio­
    einer weitgehend dezentralisierten Versorgungs­        nen anzubieten, nicht aus medizinischen Gründen
    medizin verstärken das Problem der ausgewogenen        getroffen wird, sondern im Wesentlichen durch
    Ausbildung in allen verfügbaren Operationstechni­      die Konkurrenzsituation mit anderen regionalen
    ken. Wenn immer mehr Operationen endoskopisch          Krankenhäusern beeinflusst wird [8]. Alle der ge­
    durchgeführt werden und offene Techniken immer         nannten Einflussfaktoren finden sich auch in der
    seltener, können diese auch nur mehr seltener ge­      Gynäkologie und haben in den letzten Jahren dazu
    lehrt werden. Als Illustration dieser Entwicklung      geführt, dass zumindest in den USA, zunehmend
    kann ich aus eigener Erfahrung von einem jungen        aber auch in Europa, robotische Operationen in der
    Oberarzt berichten, der auf die Frage nach einer       Gynäkologie stark zugenommen haben.
    offensichtlich unkritischen Indikationsstellung für
    eine laparoskopische Hysterektomie antwortete, er         Die Evidenz für die Überlegenheit robotischer
    würde grundsätzlich alle Hysterektomien endosko­       Operationen in der Gynäkologie ist dürftig. In vie­
    pisch durchführen, da er eine andere Technik we­       len Fällen deuten die Studien sogar eher darauf
    der gelernt habe noch ausreichend beherrsche. Die      hin, dass die Vorteile entweder nicht nachweisbar
    Zunahme der endoskopischen Operationen wird            oder klinisch irrelevant sind oder sie zeigen eine
    offensichtlich ab einem gewissen Punkt zu einer        signifikante Unterlegenheit der robotischen Ope­
    sich selbst erfüllenden Prophezeiung.                  rationen. In einer systematischen Übersichtsarbeit
                                                           zur Frage der Wertigkeit der robotischen Sakrokol­
                                                           popexie hatten z. B. Frauen nach robotischer ver­
    Robotische Operationen                                 sus traditionell laparoskopischer Sakrokolpopexie
                                                           signifikant mehr postoperative Schmerzen bei glei­
    Der Anteil robotischer Operationen am gynäko­          chen anatomischen und funktionellen Ergebnissen
    logischen Operationsspektrum wird weiter zu­           und signifikant höheren Kosten [9]. Die robotische
    nehmen.                                                Myomektomie weist ebenfalls keinerlei Vorteile
                                                           gegenüber der traditionellen laparoskopischen
    Die Beurteilung der medizinischen Sinnhaftigkeit       Technik auf. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr
    robotischer Operationen ist schwierig. Tatsache        2018 heisst es dazu konkret: Robotic myomectomy
    ist, dass sich in benachbarten medizinischen Fä­       is feasible and safe, with similar outcome to lapa-
    chern, z. B. in der Urologie, robotische Operatio­     roscopic surgery, although a robotic procedure is
    nen wie die radikale Prostatektomie als allgemein      associated with a higher cost. [10] Wright et al.
    anerkannter Standard durchgesetzt haben. Dies          verglichen die Daten von 265.758 zwischen 2007
    ist umso erstaunlicher, als die Datenlage zu dieser    und 2010 mit verschiedenen Techniken hysterekto­
    Operation durchaus kontroversiell ist. In einer        mierten Frauen [11]. Die robotischen Operationen
    Analyse der Cochrane Database aus dem Jahr 2017        nahmen in den USA diesem Zeitraum von 0,5 % auf
    etwa heisst es: There is no high-quality evidence to   9,5 % zu. Die Vorteile der robotischen Hysterekto­
    inform the comparative effectiveness of laparosco-     mie im Vergleich zur traditionell laparoskopischen
8   pic radical prostatectomy (LRP) or robotic-assisted    Hysterektomie waren aber entweder nicht vorhan­
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             den (Gesamtkomplikationsrate 5,5 % versus 5,3 %)        bis zu Tag 1,9 kosteneffektiv, danach aber in der
             oder klinisch irrelevant (Transfusionshäufigkeit        Regel ein Verlust. Dies bedeutet konkret, dass alle
             1,4 % versus 1,8 %; stationärer Aufenthalt > 2 Tage     Frauen, die bis zum 2. postoperativen Tag entlassen
             20 % versus 25 %; Notwendigkeit einer betreuten         werden, für die Klinik und den Träger einen Ge­
             Rehabilitation 0,2 % versus 0,3 %). Die Kosten wa­      winn bedeuten, danach aber einen Verlust, der auf
             ren hingegen um $ 2189,– pro Fall höher.                die Dauer durch Personalreduktion oder Reduk­tion
                                                                     der Sachkosten finanziert werden muss. Ein effek­
                Man kann das Phänomen der zunehmenden Ak­            tiver Leiter einer Frauenklinik wird daher nicht an
             zeptanz einer offensichtlich sinnlosen und teuren       der Anzahl seiner Betten oder Fälle gemessen, son­
             Innovation wie der robotischen Operationen auch         dern an seiner „Effektivität“, die im wesenlichen
             mit dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens             durch die Schwere der Diagnosen (den sog. „case-
             beschreiben. Dieses nach dem deutschen Öko­             mix“) und die mittlere Liegedauer bestimmt wird.
             nomen Hermann Heinrich Gossen (1810–1858)               Derzeit gibt es in Deutschland noch finanzielle Ab­
             benannte Gesetz besagt, dass der Konsum eines           schläge für ein zu frühes Entlassen (die sog. „untere
             Gutes mit zunehmender Menge einen immer ge­             Grenzverweildauer“), um die Krankenhäuser daran
             ringeren Zusatznutzen (Grenznutzen) stiftet. In         zu hindern, die Gewinnchancen voll auszunützen.
             reichen und gesättigten Gesellschaften sind Men­        Dies wird sich aber spätestens dann ändern, wenn
             schen allerdings bereit, für einen immer geringe­       die Verantwortlichen begriffen haben, dass aus
             ren Zusatznutzen, z. B. im medizinischen Bereich,       medizinischen Gründen eine weitere Reduktion
             immer höhere Investitionen einzusetzen. Dieses          der Liegedauern bzw. eine komplette Überleitung
             Phänomen scheint auch bei der Einführung robo­          weiter Bereiche des Operationsspektrums in den
             tischer Operationen in der Gynäkologie sichtbar zu      ambulanten Bereich problemlos möglich wäre. Die
             werden. Für die Zukunft lässt sich daher prognos­       Evidenzlage zu dieser Frage ist überzeugend.
             tizieren, dass robotische Operationen auch in der
             Gynäkologie stark zunehmen werden, allerdings             In einer systematischen Übersichtsarbeit zeig­
             nicht aufgrund zwingender medizinischer Evidenz,        ten Dedden et al. anhand von 27 Studien und
             sondern aufgrund weicher Parameter wie Bequem­          2391 Hysterektomien, dass „same-day-discharge“
             lichkeit, technischer Attraktivität, Werbeeffekten      für Patientinnen nach vaginaler und laparoskopi­
             und Konkurrenzdruck.                                    scher Hysterektomie problemlos möglich ist und
                                                                     keine medizinischen Nachteile hinsichtlich der
                                                                     Komplika­tionsraten oder der Rate an ungeplanten
             „Same-Day-Discharge“                                    Wiederaufnahmen festzustellen war [12]. Ebenso
                                                                     verhält es sich mit minimal-invasiven Myomekto­
             Der Anteil tageschirurgischer Eingriffe am gy­          mien [13] und der endoskopischen radikalen Hys­
             näkologischen Operationsspektrum wird stark             terektomie bei frühinvasivem Zervixkarzinom [14].
             zunehmen.                                               Diesen Tatsachen folgend, stieg die Anzahl der
                                                                     tages­operativ versorgten Hysterektomie-Patientin­
             Stationäre Behandlungen sind für das Gesund­            nen in einer US-amerikanischen Studie zwischen
             heitssystem teuer. Ambulante Behandlungen sind          2004 und 2012 von < 10 % auf 85 % [15].
             weitaus günstiger, da im ambulanten Setting der ge­
             samte Apparat eines Krankenhauses nicht im Hin­           Was möglich ist, wird wahrscheinlich auch ir­
             tergrund gegenfinanziert werden muss. Es ist daher      gendwann gemacht. Das gilt auch für das Entlas­
             sehr wahrscheinlich, dass irgendwann die politisch      sungsmanagement gynäkologischer Patientinnen,
             verantwortlichen Personen des Gesundheitssystems        spätestens dann, wenn das enorme Einsparungs­
             realisieren werden, dass unter Umgehung des poli­       potenzial einer rigorosen „same-day-discharge“-
             tisch heiklen Standortproblems die unnötig zahl­        Politik bei gleichbleibender medizinischer Qualität
             reichen Krankenhäuser viel billiger geführt werden      den Kostenverantwortlichen bewusst wird.
             können, wenn der stationär-operative Bereich radi­
             kal beschnitten wird. Es werden daher wahrschein­
             lich Anreize geschaffen werden, die Liegedauern         Onkologische Operationen
             auch in Frauenkliniken massiv zu reduzieren und
             möglichst viele Operationen kurzstationär oder am­      Onkologische Operationen werden insgesamt im­
             bulant durchzuführen. Sollten die Tarife für operati­   mer seltener werden.
             ve Leistungen gleich bleiben, eröffnen sich dadurch
             nicht nur Einsparungsmöglichkeiten, sondern ef­         In der gynäkologischen Onkologie ist ein dauer­
             fektive Gewinnchancen für Krankenhäuser.                hafter und nun bereits Jahrzehnte anhaltender
                                                                     Trend einer stetig rückläufigen Radikalität der
               In Deutschland sind z. B. 90 % der stationär          Operationen zu beobachten. So hat sich z. B. die
             durchgeführten Operationen einer Frauenklinik           Standard­operation des Mammakarzinoms von der           9
36. Jahrgang, 4/2018

                                                                                Bedingungen auch mittels Konisation behandelt
                                                                                werden kann, wie dies auch in der S3-Leitlinie zur
                                                                                Behandlung von Frauen mit Zervixkarzinom dar­
                                                                                gelegt ist [17].

                                                                                   Insgesamt kann man also angesichts dieser vie­
                                                                                len parallel verlaufenden Entwicklungen prognos­
                                                                                tizieren, dass onkologische Operationen insgesamt
                                                                                immer seltener und in manchen Bereichen zur
                                                                                Gänze verschwinden werden. Dies hat eine Vielzahl
                                                                                von Konsequenzen, etwa auch was den Bedarf an
                                                                                gynäkologischen Onkologen betrifft, der wahr­
                                                                                scheinlich stark zurückgehen wird.

                                                                                Geriatrische Behandlungen

     1. Bevölkerungspyramide Deutschland für das Jahr 2017 (Quelle: Statisti­   „Geriatrische Gynäkologie“ wird ein eigenes Teil-
     sches Bundesamt Deutschland)                                               gebiet des Faches werden.

                 aus heutiger Sicht maximal invasiven Rotter-Hals­              Ein Megatrend in entwickelten Industrienationen
                 ted-Operation über die modifiziert-radikale Mast­              ist die Vergreisung einer immer wohlhabender
                 ektomie und die einfache Ablatio mammae hin zur                werdenden Bevölkerung. Falls nicht eine große Ka­
                 brusterhaltenden Tumorektomie und schliesslich                 tastrophe wie ein Krieg oder eine Massenseuche die
                 zur Restgewebeentfernung bei kompletter Tumor­                 Verhältnisse grundlegend ändert, wird der Anteil
                 remission nach neoadjuvanter Chemotherapie bzw.                älterer und alter Menschen in unserer Gesellschaft
                 kombinierter Chemo- und zielgerichteter Therapie               mit hoher Wahrscheinlichkeit immer größer wer­
                 mit her2/neu-Doppelblockade entwickelt. Dieser                 den. Ein Blick auf die Bevölkerungspyramide mit
                 Trend spiegelt sich auch in der operativen Versor­             ihren eigenartig anmutenden Ausbuchtungen ge­
                 gung der regionalen Lymphknoten bei Mamma­                     nügt, um diese offensichtliche Tatsache als sichere
                 karzinom, Zervixkarzinom und Endometrium­                      Basis für eine Zukunftsprognose zu akzeptieren
                 karzinom wider [16]. Es ist sehr wahrscheinlich,               (Abbildung 1).
                 dass in Zukunft eine Mamma­operation nach kli­
                 nischer bzw. durch Biopsie gesicherter pathologi­                Für die Gynäkologie bedeutet dies, dass in nächs­
                 scher Komplettremission nicht mehr durchgeführt                ter Zukunft und sicher mittel- und langfristig das
                 wird. Um dies in die Praxis umsetzen zu können,                größte Wachstumspotenzial in der geriatrischen
                 fehlen nur noch die bestätigenden klinischen Stu­              Gynäkologie liegt. Die Betreuung geriatrischer
                 dien. Angesichts immer effizienterer Kombinatio­               Patientinnen wird zu einem Hauptbetätigungsfeld
                 nen aus Chemotherapie und zielgerichteter The­                 der Gynäkologie werden und sich als eigenständige
                 rapie kann man prognostizieren, dass der nächste               Subspezialität etablieren. Es ist überraschend, aber
                 Schritt in der operativen Entwicklung der Mamma­               offensichtlich, dass diese Entwicklung bisher völlig
                 karzinomchirurgie ein Verzicht auf die Operation               ignoriert wurde und im Fach Gynäkologie keine
                 sein wird.                                                     strategischen Überlegungen angestellt werden, wie
                                                                                dieses reiche Betätigungsfeld für unser Fach geret­
                   Ähnliches gilt – wenn auch in abgeschwächter                 tet werden kann, bevor es von internistischen Geria­
                 Form – für das Zervix- und Endometriumkarzi­                   tern okkupiert wird. Sinnvolle Ausbildungsstruk­
                 nom. In der neuen S3-Leitlinie zur Behandlung                  turen, eine Ausweitung der Kompetenz über die
                 von Patientinnen mit Endometriumkarzinom                       Urogynäkologie hinaus hin zu einer umfassenden
                 wurde z. B. erstmals festgelegt, dass für die gro­             Betreuung der geriatrischen weiblichen Patientin
                 ße Mehrheit der betroffenen Frauen auf eine                    und wissenschaftliche Aktivitäten zum Verständnis
                 Lymphaden­ektomie zur Gänze verzichtet werden                  der spezifischen Bedürfnisse von Frauen in diesem
                 kann [3]. Diese onkologische Operation wird daher              Alterssegment sind ein Gebot der Zukunft.
                 zukünftig seltener durchgeführt werden. Auch die
                 radikale Hysterektomie bei einem Endometrium­
                 karzinom mit Zervixbeteiligung ist mittlerweile auf
                                                                                LITERATUR:
                 dem Müllhaufen der Medizingeschichte gelandet
                                                                                1. Beckmann MW, Juhasz-Böss I, Denschlag D, Gaß P, et al.
                 [3]. Ähnliche Entwicklungen sind beim frühinvasi­              Surgical methods for the treatment of uterine fibroids – risk
                 ven Zervixkarzinom zu beobachten, das im Gegen­                of uterine sarcoma and problems of morcellation: position pa­
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              612–20.
                                                                             Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
              9. Callewaert G, Bosteels J, Housmans S, Verguts J, et al.
              Laparoscopic versus robotic-assisted sacrocolpopexy for pel­   Marienhospital Herne
              vic organ prolapse: a systematic review. Gynecol Surg 2016;    D-44625 Herne, Hölkeskampring 40
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                                                                                                                                              11
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