Zur Interoperabilität und Benutzerfreundlichkeit von OSM-Daten

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      Zur Interoperabilität und Benutzerfreundlichkeit
                     von OSM-Daten
                                Andreas HEIKEN und Gerd PEYKE

Zusammenfassung
Stellten noch vor einigen Jahren Geodaten eine finanzielle und manchmal auch von der
Administration her nur schwierig überwindbare Hürde für viele Projekte dar oder auch für
die Entwicklung von Anwendungen (vgl. DE LANGE 2006), so ist mit der Initiierung des
OpenStreetMap-Projekts heutzutage vieles mit geringem Kostenaufwand durchführbar
geworden.
Der folgende Beitrag geht auf die zugrundeliegenden Phänomene wie Crowdsourcing
(HOWE 2006) und Volunteered Geographic Information (GOODCHILD 2007) ein, bevor
mögliche Anwendungsbeispiele, softwaretechnische Anforderungen im Allgemeinen und
Potenziale, Chancen, Risiken und Grenzen diskutiert werden. Da die OSM-Daten besonders
für mit geringerem Budget ausgestattete Projekte von großem Interesse sind, spielen auch
Nutzer- und Bedienungsfreundlichkeit sowie die Auswahl an Export- und Import-Schnitt-
stellen eine wichtige Rolle.

1      Crowdsourcing und Volunteered Geographic Information
Vereinfacht wird unter Crowdsourcing die Auslagerung von Aufgaben und Tätigkeiten auf
die Intelligenz und die Arbeitskraft einer Masse von Freizeitarbeitern im Internet verstan-
den. Dieser 2006 von HOWE im Wired Magazine geprägte Neologismus (HOWE 2006) steht
für ein Problemlösungs- und Produktionsmodell, das sich in der Praxis einer großen Zahl an
Beispielen erfreut (BELL 2009, S. 1-5). Als eines der prominentesten Beispiele ist die Onli-
ne-Enzyklopädie Wikipedia zu nennen.
In der englischsprachigen Literatur hat sich für die Fachgebiete Geoinformatik und Geo-
graphie anstelle des Crowdsourcings seit 2007 der auf Michael F. GOODCHILD zurückge-
hende Begriff Volunteered Geographic Information (kurz: VGI) eingebürgert (vgl.
GOODCHILD 2007). Es fanden schon eine Reihe von Tagungen statt, die sich ausschließlich
diesem Thema gewidmet haben (ELWOOD 2008, S. 133-135). GOODCHILD umschreibt VGI
mit einer Gruppe von Individuen, die mithilfe eines Webservers und entsprechender Tools
in einem „Patchwork“ (GOODCHILD 2007, S. 217), meist „chaotisch“ ablaufend, Geodaten
erfassen, verarbeiten, analysieren und/oder präsentieren. Dabei leisten Hunderttausende
freiwillig und mit dem Wissen, nie eine finanzielle Vergütung zu erhalten, ihren Beitrag bei
der Erhebung, Pflege und Aktualisierung von räumlichen Daten und Informationen (GOOD-
CHILD 2007, S. 30). Dazu sei erwähnt, dass sowohl bei Crowdsourcing als auch bei VGI die
Selbstregulierung im Vordergrund steht, da diese für die Qualität der (Geo-) Daten, (Geo-)
Informationen bzw. (Geo-) Wissen/Intelligenz (HEIKEN 2010) einen sehr wichtigen Faktor
darstellt.

Strobl, J., Blaschke, T. & Griesebner, G. (Hrsg.) (2011): Angewandte Geoinformatik 2011.
© Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-508-9.
Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der
Creative Commons Attribution Lizenz verteilt wird (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).
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2     Anwendungsmöglichkeiten und technische Aspekte
Das gegenwärtige Hauptziel des OSM-Projektes ist die Erfassung und Bereitstellung von
Geodaten und -informationen (speziell die Geometrie), welche kostenfrei weiterverarbeitet
bzw. -verwendet werden dürfen. Vor diesem Hintergrund sind viele Softwareprodukte,
welche mit OSM in Zusammenhang gebracht werden, entweder sogenannte Editoren, wel-
che zur Datenerhebung, Änderung der Geometrie und deren Attribute verwendet werden,
oder Anwendungen, die auf OSM-Daten aufbauen/zurückgreifen (bspw. OpenRouteServi-
ce.org; vgl. bspw. NEIS & ZIPF 2008), aber deren Bearbeitung meist nicht ermöglichen.

Das auf das SchulGIS-Projekt aufsetzende GIS-Tool ermöglicht nicht nur das Erfassen,
sondern auch das Verarbeiten, die Durchführung von Analysen und die Präsentation der
OSM-Daten, bei Bedarf natürlich auch kombinierbar mit proprietären (Geo-)daten anderer
Systeme. Mit anderen Worten: die Verknüpfung der OSM-Daten, welche schwerpunktmä-
ßig topographische Inhalte beschreiben, mit externen, aber trotzdem verortbaren Sach-
informationen und deren Weiterverarbeitung eröffnet viele neue Anwendungsmöglichkei-
ten, welche auch Gegenstand vieler Entwicklungen von Communities wie bspw. FOSSGIS
sind. Die in Abbildung 1 dargestellte Architekturskizze zeigt die für das SchulGIS-Projekt
entwickelte Umsetzung.

Abb. 1:   Architektur einer auf Webtechnologie basierende, OGC-konformen und OSM-
          verarbeitenden GI-Software (Quelle: HEIKEN 2010, S. 88)
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Unabhängig von den Anwendungen sind verschiedene Schnittstellen für das Verarbeiten
von weiteren Daten, welche mit den OSM-Daten verknüpft werden können, notwendig;
unter anderem auch für den etwaigen Offline-Betrieb bei Feldarbeiten, bei denen kein
Internetzugang zur Verfügung steht.

3     Potenziale und Grenzen von Anwendungsmöglichkeiten
      mit OSM-Daten
Ein Vergleich der OSM-Daten mit Daten der Digitalen Flurkarte Bayerns hat gezeigt, dass
die Genauigkeit oft zwischen einem und zwei Meter liegt, was für eine große Zahl von
Projekten völlig ausreichend ist. Sofern doch genauere Geometriedaten notwendig sind,
können weitergehende Informationen, die in amtlichen Geobasisdaten nicht erhoben wer-
den, dennoch aus OpenStreetMap hinzugeladen werden und trotz gewisser Ungenauigkei-
ten verwendet werden. Beispielhaft sind hier Informationen wie Banken, Postämter, Apo-
theken, Informationen zum Einzelhandel oder Restaurants zu nennen, bei deren Verortung
die oben angesprochene Genauigkeit bei Weitem ausreichend ist.

Abb. 2:   Vergleich (Verschneidung) der Digitalen Flurkarte (DFK) mit den OpenStreet-
          Map (OSM)-Daten (Quelle: EIGENE DARSTELLUNG)

Ein äußerst wichtiger Aspekt im Zusammenhang von Anwendungen mit OSM-Daten stellt
eine intuitive, einfache und gut verständliche Usability dar, die die Verwendung außerhalb
der Anwender-Community mit Spezialisten ermöglicht. Projekte, bei denen Neueinsteiger
in GIS und Geodaten involviert waren, haben gezeigt, dass die Attributierung beim Erfas-
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sen der Geodaten neben dem schon nicht leicht zugänglichen Einstieg in die Funktionswei-
sen eines GIS eine weitere Hürde darstellt. Auch erste Tests am Girls Day 2011 haben
ergeben, dass der Einstieg in das OpenStreetMap-Projekt als kompliziert empfunden wird.
Aufgrund des Prinzips des Crowdsourcings entstehen für Software-Entwickler nur schwie-
rig zu lösende Umsetzungsprobleme. Als Beispiel sei hier die frei definierbare Attributie-
rung, welche das Auslesen, Importieren o. Ä. oft sehr erschweren kann. Mit anderen Wor-
ten, ein Neueinsteiger, der mit den Begrifflichkeiten, der Semantik der Geodaten und den
nicht immer intuitiv verständlichen Funktionalitäten „zu kämpfen“ hat, würde bei der gra-
phischen Darstellung ein vollständiges WYSIWYG (gleiche Darstellung der Objekte im
Editor/GIS wie in der Onlinekarte) begrüßen.
Das Crowdsourcing stellt im Beispiel der SchulGIS-Entwicklung die Software-Entwickler
unter anderem vor folgende schwierig zu lösende Herausforderung: Um eine möglichst
identische Darstellung in der Teachware und den Online-Karten (WMS-Technologie; Ma-
pnik und Osmarender) von OSM zu gewährleisten, muss der Converter mit den Typdefini-
tionen für die systeminterne möglichst gleiche Darstellung für jeden Geodaten-Typen des
OSM-Projektes ergänzt bzw. angepasst werden. Dies ist bei einer so großen und heteroge-
nen Community wie die OpenStreetMap-Community im Rahmen eines kleinen Projektes
wie bspw. das SchulGIS kaum zu bewerkstelligen.
Am Rande seien an dieser Stelle auch die noch nicht gelösten Probleme wie bspw. die et-
was vernachlässigte Log-Funktion bzw. -historie, das „gegenseitige Überschreiben der
Geodaten“ zu nennen und besonders das leider nicht homogene Tagging der OSM-Daten,
die aber der Community bekannt sind und anderen Lösung gearbeitet wird (FOSSGIS
2011). Zur Lösung des letztgenannten Problems wäre sicherlich ein zentral definierter Tag-
ging-Katalog bzw. Objekttypenkatalog wie dies in Wikimapia vorliegt diskussionswürdig.
Auch im Bereich neuer Anwendungen wird diese Community in naher Zukunft weitere
interessante und wegweisende Entwicklungen hervorbringen (FOSSGIS 2010 und FOSS-
GIS 2011).

4     Ausblick
Erste Pilotprojekte zu Anwendungen mit OSM-Daten auf mobilen Geräten wie Smart-
phones wurden erfolgreich am Lehrstuhl für Humangeographie und Geoinformatik der Uni-
versität Augsburg durchgeführt (SCHILCHER 2009) bzw. sind unter anderem bspw. beim
GISCAD-Institut in Entwicklung (vgl. Abb. 3). Entsprechende Weiterentwicklungen sind
in Planung.
Abbildung 3 zeigt eine vom GISCAD-Institut entwickelte Routing-Applikation auf Basis
von OSM-Daten, welche auf einem Smartphone eingesetzt werden kann.
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Abb. 3:   OpenStreetMap-Anwendung auf einem Smartphone
          (Quelle: GISCAD-INSITUT)

Literatur
DE LANGE, N. (2006): Geoinformationssysteme in Schulen – derzeitiger Stand und zukünf-
   tiger Einsatz. In: JECKEL, T., KOLLER, A. & STROBL, J. (2006): Lernen mit Geoinforma-
   tion. Wichmann, Heidelberg, S. 11-22.
ELWOOD, S. (2008): Volunteered geographic information: key questions, concepts and
   methods to guide emerging research and practice. GeoJournal, 72 (3-4), S. 133-135.
FOSSGIS 2010: Anwenderkonferenz für Freie und Open Source Software für Geoinforma-
   tionssysteme. Tagungsband.
   http://www.mapmedia.de/jthomsen/FOSSGIS10/FOSSGIS_10_Tagungsband_
   donwloadversion.zip (01.02.2011).
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FOSSGIS 2011: Anwenderkonferenz für Freie und Open Source Software für Geoinforma-
   tionssysteme. Tagungsband.
   http://www.mapmedia.de/jthomsen/FOSSGIS_Tagungsband/2011_FOSSGIS_
   Tagungsband.pdf (21.04.2011).
GOODCHILD, M. (2007): Citizens as sensors: the world of volunteered geography. GeoJour-
   nal, 69 (4), S. 211-221.
GOODCHILD, M. (2008): Commentary: whither VGI? GeoJournal, 72 (3-4), S. 239-244.
HEIKEN, A. (2010): Nachhaltiger Ansatz für die Entwicklung einer Geoinformations-
   Teachware. Diss. OPUS der Universität Augsburg. Augsburg.
HEISE.DE (2009): OpenStreetMap hat über 100.000 registrierte Benutzer.
   http://www.heise.de/open/meldung/OpenStreetMap-hat-ueber-100-000-registrierte-
       Benutzer-207677.html (29.11.2009).
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   http://www.wired.com/wired/archive/14.06/crowds_pr.html (6.11.2009).
HOWE, J. (2008): Crowdsourcing. Why the power of the crowd is driving the future of busi-
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NEIS, P. & ZIPF, A. (2008): Zur Kopplung von OpenSource, OpenLS und OpenStreetMaps
   in OpenRouteService.org. In: STROBL, J. et al. (Hrsg): Angewandte Geoinformatik
   2008. Beiträge zum 20. AGIT-Symposium Salzburg. Wichmann, Heidelberg.
SCHILCHER, C. (2009): Entwicklung von mobilen Geoinformationssystemen im Blickfeld
   der Interoperabilität – Evaluation von Techniken und Plattformen. Diplomarbeit. Augs-
   burg. http://www.mobilewebgis.de/ (23.4.2011).
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