Zusammenarbeit neu gestalten - Konzeption und Implementierung eines internen Coworking Space zur Unterstützung disziplinübergreifender ...
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02 Zusammenarbeit neu gestalten – Konzeption und Implementierung eines internen Coworking Space zur Unterstützung disziplinübergreifender Zusammenarbeit in Industrieunternehmen Eva Höfer Das klassische Arbeiten in Unternehmen unter- globalen Innovationsmanagements der Robert liegt einer Transformation – dies ist seit der im Bosch GmbH am Campus für Forschung und Frühjahr 2020 in Deutschland angekommenen Vorausentwicklung in Renningen. Ziel ist die Corona-Pandemie für die breite Bevölkerung Übersetzung eines regulären Coworking Space in spürbar. Aus einer oftmals vorhandenen Mög- einen sogenannten Corporate Coworking Space lichkeit des Arbeitens von Zuhause wird plötz- innerhalb eines Unternehmens. Durch eine ganz- lich eine verbindliche Phase des Rückzugs ins heitliche Gestaltung und Bewertung soll aufge- Homeoffice. Aus dieser Situation heraus stellt zeigt werden, ob ein solches Vorhaben die diszi- sich vermehrt die Frage, wie sich diese Lage wäh- plinübergreifende Zusammenarbeit unterstüt- rend und nach der Pandemie weiter entwickeln zen kann. Im folgenden Artikel werden sowohl wird. Um die Innovationskraft in Unternehmen der Forschungsstand zum Thema Coworking als zu erhalten und zu steigern, ist eine effiziente auch zum Thema Corporate Coworking vorge- Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen stellt. Ergänzt wird dies durch das Aufzeigen von essentiell. Das im folgenden Artikel vorgestellte Chancen und Risiken der Integration eines Cor- Forschungsvorhaben entsteht im Rahmen des porate Coworking Space in ein Unternehmen. 31
Des ig n Rese a rc h 2020 Kolloquium Technisches Design Dieser Darlegung folgt eine erste Beschreibung Bis zu Beginn des Jahres 2020 war die physische der Strategie und des Nutzungskonzepts eines Präsenz im Büro für Innovations- und Wissens- solchen Space. Des Weiteren wird der aktuelle arbeiter oft ein Normalzustand (Hofmann, Piele Stand des Vorhabens präsentiert. Abschließend & Piele, 2020). Durch geltende Ausgangsbe- folgt ein Ausblick auf Forschungsfragen, auf die schränkungen, welche weltweit in unterschied- der erbaute Corporate Coworking Space Ant- licher Ausprägung den Arbeitsalltag beeinfluss- worten liefern soll. ten, hat sich dies radikal verändert. Bereits Mitte des Jahres 2020 ist Homeoffice oder auch mobi- »New Normal Workplace«? les Arbeiten, in Bereichen in denen dies mög- Begriffe wie »New Work« oder »Future Work- lich ist, Teil eines sogenannten »New Normal«- place« werden heute allgemein verwendet, um Zustands. Die Corona-Pandemie kann somit als die Thematik der Weiterentwicklung von Arbeit eine Art Wendepunk unserer bisherigen Arbeits- zu beschreiben. Bereits vor der Corona-Pande- weise – oder auch als neuer Ausgangspunkt für mie war dieses Themenfeld in vielen Industrie- unsere zukünftige Arbeitsweise – betrachtet unternehmen präsent. Um in der jetzigen Zeit werden. Arbeitsbedingungen effizient zu gestalten, wird jedoch ein Höchstmaß an Flexibilität, Reakti- Um die notwendige Kommunikation in phy- onsfähigkeit und vor allem Schnelligkeit immer sischer Distanz aufrecht zu erhalten, rücken wichtiger sein, um die Wettbewerbsfähigkeit ersatzweise digitale Kommunikationskanäle an in Unternehmen aufrecht zu erhalten. Hierbei die Stelle des persönlichen Gesprächs vor Ort. müssen nicht nur sich verändernde Hygiene- und Eine rein digitale Zusammenarbeit wird voraus- Abstandsregelungen berücksichtigt und umge- sichtlich die physische Zusammenarbeit jedoch setzt werden, um Sicherheit für Mitarbeitende nicht vollständig ersetzten können. Daher fokus- in Unternehmen zu gewährleisten. Die OECD siert sich das in diesem Artikel vorgestellte For- (2020) prognostiziert, dass die Wirtschaft unter schungsvorhaben auf einen Entwurf der Förde- gegebenen Umständen nicht wieder zu einem rung und Neugestaltung physischer Zusammen- Normalbetrieb zurückkehren kann. Die größere arbeit unterschiedlicher Disziplinen an Unter- Herausforderung wird es daher sein, die Inno- nehmensstandorten im Hinblick auf den Erhalt vationskraft trotz radikal veränderter Arbeits- von Innovationskraft. bedingungen und enormer Unsicherheiten auf- recht zu erhalten. 32
Eva Hö f er Zus ammenarbeit neu ges talten Innovation & Design – Welchen Einfluss hat eine neu gestaltete Laut Peschl und Fundneider (2016) kann Inno- physische Zusammenarbeit auf die Innova- vation nicht »gemacht«, sondern nur »ermög- tionskraft von Unternehmen? licht« werden. Dies wird darauf zurückgeführt, dass alle Formen von Wissens- und Innovations- Bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen prozessen auf kognitiven Prozessen beruhen, wird im folgenden Abschnitt das Thema Cowor- welche niemals isoliert, sondern nur im Zusam- king und dessen Einfluss auf die Transformation menspiel von Raum, Organisation und sozialen von traditionellen Arbeitsweisen beleuchtet. Strukturen betrachtet werden können. Aus Per- Ergänzend wird die Entstehung sogenannter spektive der Designforschung, welche diesem Coworking Spaces betrachtet. Bericht zugrunde liegt, muss die Gestaltung von disziplinübergreifender Zusammenarbeit in Coworking einer »Neuen Normalität« daher als ganzheit- Auch wenn die Corona-Pandemie aktuell vieles liches, nutzerzentriertes Ökosystem betrachtet radikal verändert – Arbeit und Arbeitsweisen und gestaltet werden. Das in diesem Bericht vor- unterliegen konstant Transformationen durch gestellte Forschungsvorhaben gründet demnach die Veränderung unserer Umwelt. Weltweit ent- auf einem Designverständnis, welches anders als stehen immer wieder neue Arbeitsphänomene allgemein verbreitet nicht auf formgebende oder – so auch das Arbeiten in Coworking Spaces. visuelle Gestaltung fokussiert ist, sondern auf das Coworking Spaces sind einerseits als Räumlich- Gestalten von Nutzen, um Herausforderungen keiten zu verstehen, welche geteilte Arbeitsplätze zu lösen. und Infrastruktur anbieten. Diese werden bei- spielsweise von Selbstständigen, Startups und Im Zusammenhang der Gestaltung von physi- Wissensarbeitern genutzt (Gandini, 2015; Mehl, scher Zusammenarbeit an industriellen Unter- 2017; Moriset, 2013; Schürmann, 2013). Des nehmensstandorten stellen sich aus Perspektive Weiteren bieten Coworking Spaces auch eine der Autorin folgende Fragen: soziale Komponente der Gemeinschaft, in der neben dem Arbeitsplatz an sich, auch Wissen – Welche Rolle spielt physische Zusammenar- auf beruflicher und privater Ebene miteinan- beit in einem zukünftigen nutzerzentrierten der geteilt werden kann (Bauer, 2017; German Arbeitsökosystem? Coworking Federation – e.V.; Mehl, 2017). – Wie kann physische Zusammenarbeit in der aktuellen unsicheren Zeit effizient gestaltet werden? 33
Des ig n Rese a rc h 2020 Kolloquium Technisches Design Über den genauen Zeitpunkt der Entstehung Diesen Werten folgen weitere in der Literatur von Coworking existieren verschiedene Ansich- aufgeführte Eigenschaften von Coworking ten. In der Coworking-Literatur wird signifi- (Josef & Back, 2019; Mehl, 2017; Moriset, 2013; kant das Jahr 2005 als mögliche Geburtsstunde Schürmann, 2013): von Coworking genannt (Cabral & van Winden, 2016; Gandini, 2015; Josef, 2019). Dies beruht – Angebot von mietbaren flexiblen auf dem, zu diesem Zeitpunkt von Brad Neuberg Arbeitsplätzen gegründeten, the spiral muse-Coworking Space – Nutzende bezahlen für geteilten Arbeitsplatz in San Francisco. Seit 2005 bis Anfang 2020 ist – Motivation, Wissen mit anderen Nutzenden ein stetiges Wachstum solcher Arbeitsorte zu ver- zu teilen zeichnen (Cabral & van Winden, 2016; Gandini, – Soziale Strukturen 2015). Carsten Foertsch, Gründer von deskmag, – Hierarchiefreier Ort, da Nutzende vonein- einem etablierten online Coworking-Portal und ander unabhängig arbeiten -Magazin, prognostiziert für 2020 eine Anzahl – Ein Netzwerk für Wissensaustausch, Inno- von 26.000 Coworking Spaces und 2,7 Mil- vation und Weiterbildung lionen Coworking Space-Mitgliedern weltweit – Integriertes, auf die Bedürfnisse von Grün- (Foertsch, 2019). dern, Kreativ- und Wissensarbeitern ausge- legtes Business- und Arbeitsmodell Neben dem ersten Coworking Space wird Neu- – Voneinander unabhängige Nutzende arbei- berg auch die Etablierung des Begriffs Cowor- ten Seite an Seite oder gemeinschaftlich king, in der Schreibweise ohne Bindestrich zusammen zugeschrieben. Laut seiner Differenzierung – Nutzbar auch für unternehmensübergrei- bedeutet Coworking unabhängiges Arbei- fende Gruppen, die für eine bestimmte Zeit ten in einer Gemeinschaft mit geteilter Infra- zusammen an einem Projekt arbeiten struktur. Co-working hingegen wird als das gemeinsame Arbeiten an einem Thema ver- Neben diesen Definitionen von echtem Cowor- standen (Fost, 2008). Coworking Spaces sind king entwickelten sich außerdem sogenannte jedoch nicht als reine Raumanbieter zu ver- »Hybride Coworking Modelle« (Gauger & Pfnür, stehen. Im Fokus des »echten Coworking« ste- 2019). Coworking Spaces, welche nach dieser hen die sogenannten Coworking-Grundwerte: Art Modell betrieben werden, bieten meist eine Zusammenarbeit, Gemeinschaft, Offenheit, höhere Anzahl an mietbaren Einzelbüros im Ver- Zugänglichkeit und Nachhaltigkeit (Schür- hältnis zu mietbaren geteilten Arbeitsbereichen. mann, 2013) Der Schwerpunkt solcher Spaces liegt daher 34
Eva Hö f er Zus ammenarbeit neu ges talten nicht auf der Einhaltung der fünf Coworking- Bindestrich), mit Fokus auf der Frage, ob Cowor- Grundwerte. Dies zeigt sich unter anderem an king Unternehmen bei der Entwicklung von verhältnismäßig teuren Mitgliedschaften, die Innovationen unterstützen kann (Bauer, 2017). dem Coworking-Wert der Zugänglichkeit wider- Im Folgenden wird letztere Begrifflichkeit als sprechen (Werther, 2019). Bezeichnung für Coworking aus Perspektive von Die Entwicklung von Coworking wird durch Unternehmen verwendet. Josef (2019) in drei bisher vorhandene Phasen Josef (2019) identifiziert Corporate Coworking eingeteilt: als bisher in der Coworking-Forschung wenig betrachtetes Phänomen und verweist auf eine 1. Phase: Coworking aus Zweckgründen vorhandene Forschungslücke. Mit Ihrer Disserta- (2005–2010) tion »Coworking from a Corporate Perspective« 2. Phase: Professionalisierung von Coworking identifiziert sie fünf verschiedene Nutzungssze- (2010–2015) narien (Josef, 2019): 3. Phase: Corporate Coworking (ab 2015) 1. ... Coworking für spezielle Rollen/Teams Als ausschlaggebend für das anhaltende kons- 2. … als alternativer Arbeitsort tante Wachstum von Coworking (bis 2019) wird 3. … für Externe in eigenen Räumlichkeiten in diesem Zusammenhang das steigende Inter- 4. … anstelle eines eigenen Büros esse von Unternehmen an Coworking genannt 5. … als Geschäftszweig (Josef, 2019). Bauer (2017) beschreibt in der eben genannten Corporate Coworking Studie insgesamt neun potenzielle Modelle des Eine der ersten Beschreibungen des sogenannten Corporate Coworking nach ihren Risiken und »Corporate Coworking« ist bei Schürmann (2013) Chancen für Unternehmen. Eines der identifi- zu finden. Er prägte den Begriff des »Corporate zierten Modelle ist das Model des Internen Cowor- Powered Coworking«. Mehl (2017) beschreibt die king Space. Es beschreibt die Etablierung einer Idee des Betreibens von Coworking aus Unter- Räumlichkeit in einem Unternehmen nach den nehmenssicht als »Corporate-Coworking«. Die- Prinzipien eines Coworking Space – jedoch für sem Phänomen spricht sie zu, nahezu unerforscht interne Mitarbeitende. Diese können in einem zu sein. Die Studie »Coworking – Innovations- internen Coworking Space, wie in einem norma- treiber für Unternehmen?« des Fraunhofer Ins- len Coworking Space auch, Arbeitsplätze für eine tituts für Arbeitswissenschaften IAO, etabliert gewisse Zeit nutzen und teilen die Infrastruktur den Begriff des »Corporate Coworking« (ohne mit Mitarbeitenden anderer Fachbereiche. Dieses 35
Des ig n Rese a rc h 2020 Kolloquium Technisches Design Abb. 1: (Oben) Risiken eines internen Corporate Coworking Space (Bauer, 2017) Abb. 2: (Unten) Chancen eines internen Corporate Coworking Space (Bauer, 2017) 36
Eva Hö f er Zus ammenarbeit neu ges talten Modell wird vom IAO einerseits als potenzielles Tool gesehen, um kulturellen Wandel zu initi- ieren, sofern erfolgreich implementiert. Ande- rerseits besteht eine gewisse Skepsis bzgl. der Potenzialentfaltung interner Coworking Spaces gegenüber regulären Coworking Spaces außer- halb eines Unternehmens. Als eine Motivation für Unternehmen, solch einen Space bei sich zu integrieren, wird die mögliche Unterstützung von fachbereichsübergreifendem Austausch und Kommunikation genannt. Abbildung 1 und Abbildung 2 zeigen die Ergebnisse der vom IAO durchgeführten Potenzialbewertungs- untersuchung für dieses Modell. (Bauer, 2017) Der Austausch von Information und die bereichs- übergreifende Ideenentwicklung wurden als größtmögliches Potenzial bewertet (Abbildung 2). Das größte Risiko (Abbildung 1) wird in einer möglichen Ablehnung und eventuell fehlender Akzeptanz seitens der Mitarbeitenden im Unter- nehmen gesehen. Laut Studie liegt bei einem internen Corporate Coworking Space eine wei- tere Herausforderung in der Etablierung einer ähnlichen Kultur und innovativen Atmosphäre wie in Coworking Spaces (Bauer, 2017). Gauger und Pfnür (2019) analysieren poten- zielle Corporate Coworking-Formen durch eine systematische Literaturanalyse. Hierbei werden insbesondere die Beweggründe für die Nutzung von normalen Coworking Spaces auf- gezeigt (Abbildung 3). Daraus leiten sie Hand- lungsempfehlungen für Unternehmen und 37
Des ig n Rese a rc h 2020 Kolloquium Technisches Design drei Umsetzungsmöglichkeiten von Corporate Perspektive Gründe für die Arbeit in Coworking Spaces ab: Einmietung, Untervermie- Coworking Spaces tung/Ideenschmiede und Kooperation (s. Abbil- Kategorie Nutzerperspektive dung 3, Punkte 1., 2., 3.). Gemeinschaft Hoffnung auf soziale Um wissenschaftliche Aussagen über den Erfolg Interaktionen, Netzwerken, Austausch von Corporate Coworking Spaces treffen zu können, fehlt aus Perspektive der Autorin bis- Kollaboration Hoffnung auf Wissensaus- lang eine ausreichende Anzahl an entsprechen- tausch, Feedback, Zusam- menarbeit den Untersuchungen, welche in oder mit Unter- nehmen selbst durchgeführt wurden. Die oben Innovation Kollektive Ideengenerie- genannten Untersuchungen können jedoch rich- rung, Nutzung inspirieren- der Flächen, Profitieren von tungsweisend sein für die passende Auswahl des Diversität zu untersuchenden Modells. Produktivität Nutzung vorhandener Services/Dienstleistungen, Rahmenbedingungen des Forschungsvorhabens Zusammensetzung der Im Hinblick auf die in diesem Forschungsvor- Flächen, Geringe Fahrt- haben fokussierte Untersuchung der Förderung strecken von disziplinübergreifender Zusammenarbeit Flexibilität Zeitlich flexible und un- für den Erhalt von Innovationskraft in Unter- verbindliche Nutzung, nehmen wird das Modell »Interner Corporate kurze Laufzeiten, örtliche Unabhängigkeit Coworking Space« näher betrachtet. In Koopera- tion mit einem Industrieunternehmen wird aus einer bislang vorhandenen Umschreibung eines potenziellen Modells ein anwendbarer Entwurf gestaltet. Die Konzeption und der Aufbau eines solchen Modells als physischer Corporate Cowor- king Space werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt. Abb. 3: Nutzungsgründe von Coworking Spaces und Handlungs- empfehlungen für Unternehmen. (Gauger & Pfnür, 2019, S. 13) 38
Eva Hö f er Zus ammenarbeit neu ges talten Erfolgsfaktoren von Coworking Spaces Abgeleitete Empfehlungen für unternehmenseigene Arbeitsflächen Betreiberperspektive Unternehmensperspektive Bereitstellen von Community Manager, Netzwerkver- Etablierung eines Feel-Good-Managers, Sozial- und anstaltungen, Pitches, Fortbildungen Freizeiträume für soziale Interaktionen und Gespräche schaffen, Netzwerkveranstaltungen etablieren Community-Apps, Boards, Steckbriefe, hohe Diversi- Eigene Community Apps/Kollaborationsplattform ein- tät an Mietern sicherstellen führen, Mitarbeitersteckbriefe Hohe Diversität an Mietern, Bereitsteller von agilen Innovative Raumkonzepte erschaffen, Flächen auch für Flächen wie Design-Thinking-Räumen externe Nutzer öffnen, um Wissens- und Ideenaustausch über Diversität zu fördern Zerntrale Standorte, A- und B-Lagen, mehrere Stand- Flächenzusammensetzung evaluieren, für jede Art von orte in verschiedenen Städten, auf Nutzerbedürfnisse Arbeit entsprechende Flächen zur Verfügung stellen, ausgerichtete Flächenzusammensetzung unterstützende Dienstleistungen anbieten kurzfristige Mietverträge, Pay-per-use, Angebot von Professionellen Betreiber einsetzen, Vertrauensarbeit an- standortungebundenen Mitgliedschaften bieten, zeitliche Verfügbarkeit der Büroflächen ausweiten Modelle für Corporate Coworking Spaces 1. Einmietung: Unternehmen mieten Arbeitsplätze in bestehendem Coworking Space 2. Untervermietung/Ideenschmiede: Unternehmen eröffnen eigenen Cowörking-artigen Space 3. Kooperation: Unternehmen beauftragen externen Coworking-Betreiber für eigene Räumlichkeiten 39
Des ig n Rese a rc h 2020 Kolloquium Technisches Design Abb. 4: Campusplan mit Übersicht der Bereiche und Labore (Robert Bosch GmbH, persönl. Mitteilung, 31.07.2020) Durch die Konzeption und Etablierung eines Das Vorhandensein dieser breit gefächerten fach- internen Corporate Coworking Space inner- lichen Diversität stellt eine Besonderheit dieses halb eines Unternehmens entsteht ein Beitrag Ortes dar. zur bisher geringfügig vorhandenen Corporate Coworking Forschung (Josef, 2019; Mehl, 2017). Vorbereitungen im Unternehmen Der Entwurf eines internen Corporate Cowor- Um zu einer Weiterentwicklung der bisher vor- king Space wird exemplarisch am Campus für handenen potenziellen Modellbeschreibungen Forschung und Vorausentwicklung der Robert beizutragen, werden für den Entwurf eines inter- Bosch GmbH in Renningen erprobt. Der Cam- nen Corporate Coworking Space Mitarbeitende pus bildet den Knotenpunkt der Forschung und in den Entwicklungsprozess integriert. Diese Vorausentwicklung des Unternehmens. Ver- werden eingeladen, ihre Ideen und Bedürfnisse schiedene Fachbereiche aus unterschiedlichen in zwei Workshops in der Entwurfsphase mit wissenschaftlichen Disziplinen mit diversen einzubringen. Zwei durchgeführte Workshops Arbeits- und Denkweisen sind dort in einer uni- spiegeln die Ausgangssituation am Campus versitätscampusähnlichen Umgebung ansässig. wider. Außerdem wird ein Kennenlernen der 40
Eva Hö f er Zus ammenarbeit neu ges talten Abb. 5: Teilnehmer-Befragung Workshop 1 41
Des ig n Rese a rc h 2020 Kolloquium Technisches Design Abb.: 6 Nutzer-Workshop 2 - Bewertung der Bereiche in % nach Wichtigkeit zukünftigen potenziellen Nutzenden ermöglicht. an ein Corporate Coworking Space kennen zu Zusätzlich wird eine Exkursion in ein normales lernen. Ein weiteres Ziel war es, die Mitarbei- Coworking Space durchgeführt, um Impulse des tenden mit dem Thema Coworking vertraut zu echten Coworking zu integrieren. machen, falls noch keine Coworking-Erfahrung Der erste Nutzer-Workshop mit 14 Teilneh- vorhanden wäre. Die Nutzenden waren eben- menden aus zehn verschiedenen Fachberei- falls eingeladen, eigene Ideen in die Entwicklung chen/Abteilungen (Innovationsmanagement, einzubringen. Das Ergebnis des ersten Work- Betriebsrat, Facility Management, Geschäfts- shops zeigt sich in einer anonymen schriftlichen bereich, Forschung und Vorausentwicklung Befragung (Abbildung 5) der Teilnehmenden z. B. Smart Agriculture, Materialforschung, direkt im Anschluss an den Workshop (10 von Softwareentwicklung, Development) fand im 14 Teilnehmenden nahmen teil). Außerdem ent- Dezember 2018 statt. Ein Ziel war es, die Bedürf- standen erste Ideen für den Raum in einer Raw nisse der zukünftigen potenziellen Nutzenden Prototyping-Phase. 42
Eva Hö f er Zus ammenarbeit neu ges talten Abb. 7: Erste räumliche Komposition nach Nutzer-Workshop 2 Der zweite Nutzer-Workshop mit elf Teil- die Bereiche Workshop und Präsentation, sowie nehmenden aus neun verschiedenen Fachberei- Welcome und Café & Plausch zusammengefasst. chen/Abteilungen (Innovationsmanagement, Zudem wurde der War Room-Bereich in den Betriebsrat, Facility Management, Forschung Deep Dive integriert. Diese räumliche Übersicht und Vorausentwicklung) fand im Januar 2019 wurde mit einem Lastenheft dem Projektteam statt. Den Teilnehmenden wurde anhand von übermittelt. Die weitere Bearbeitung erfolgte Persona-Beschreibungen die Herausforderung durch ein Projektteam aus Innovation Manage- gestellt, zu erarbeiten, welche Bereiche der ment (vertreten durch die Autorin), Facility zukünftige Corporate Coworking Space benö- Management und dem externen Architektur- tigt, um die Arbeit an Innovationsaktivitäten zu büro Scope Architekten in Stuttgart. unterstützen. Hierbei wurden neun verschiedene Um die Atmosphäre in einem regulären Cowor- Bereiche vordefiniert. Diese wurden im Work- king Space besser kennen zu lernen, wurde vor shop von den Teilnehmenden nach ihrer Wich- der Bauplanung des internen Space eine Exkur- tigkeit bewertet (s. Abbildung 6). Anschließend sionsphase eingerichtet. Dies bedeutet, die erfolgte eine erste mögliche Verortung im Raum. Autorin des Artikels hatte eine Teilzeit-Mitglied- Aus der gesammelten Verortung wurde die in schaft (ein Tag pro Woche) im Coworking Space Abbildung 7 gezeigte mögliche Raum-Komposi- Wizemann in Stuttgart (heute Impact Hub Stutt- tion abgeleitet. Aufgrund von thematischer Ähn- gart). Ziel war es, zu verstehen, welche Elemente lichkeit und Diskussion im Workshop wurden aus dem regulären Coworking ins Corporate 43
Des ig n Rese a rc h 2020 Kolloquium Technisches Design Abb. 8: (Teil 1) Entwurfsbeschreibung Corporate Coworking Space aufbauend auf Gauger und Pfnür (2019) Coworking übertragen werden können. Diese (auf den nächsten zwei Seiten) ein eigenständiger Exkursion hatte nicht den Fokus, quantifizier- Entwurf eines internen Corporate Coworking bare Daten zu erheben. Es ging hierbei vielmehr Space gegenübergestellt. darum, die Menschen, die Atmosphäre und die Um die Identifikation und Sichtbarkeit des Ent- Coworking-Elemente kennen zu lernen, um zu wurfs für Mitarbeitende im Unternehmen zu verstehen welchen Anreiz Coworking für Nut- gewährleisten, wurden im Vorfeld der Eröffnung zende hat. Gespräche mit erfahrenen Coworking die folgenden Maßnahmen zur Implementie- Space-Nutzenden resultierten in einem Verständ- rung ins Unternehmen erarbeitet: nis dessen, was Coworking für diese ausmacht. Die gesammelten Eindrücke flossen anschlie- – Benennung des Vorhabens in »X-Change ßend in die Entwicklung des Ökosystems »Inter- Lab« – abgeleitet nach der vorherigen Nut- ner Corporate Coworking Space« mit ein. zung als Werkstatt, Labor (Lab) und Ort des Austauschs (Exchange) Konzeption eines – Visuelles Kommunikationskonzept (nach Corporate Coworking Space Corporate-Richtlinien) zur Sichtbarma- Den von Gauger und Pfnür (2019) erarbeiteten chung des Space im Unternehmen inklusive Handlungsempfehlungen wird in Abbildung 8 Erkennungszeichen (Abbildung 9) 44
Eva Hö f er Zus ammenarbeit neu ges talten Abb. 8: (Teil 2) Entwurfsbeschreibung Corporate Coworking Space aufbauend auf Gauger und Pfnür (2019) 45
Des ig n Rese a rc h 2020 Kolloquium Technisches Design – Werbemaßnahmen z. B.: Plakate, Videos, Email-Kommunikation, Community im Sozialen Intranet, Grafik an der Außen- wand der Baustelle – Steakholder Management – Informieren wichtiger strategischer Personen im Unter- nehmen wie das Management und direkte Nachbarn des zukünftigen Space Das Raumkonzept (Abbildung 10) wurde zum einen aus Erkenntnissen aus der Coworking- Abb. 9: X-Change Lab Logo Literatur abgeleitet (Cabral & van Winden, 2016; Gauger & Pfnür, 2019; Plugmann, 2018; Spreitzer, Garrett & Bacevice, 2015). Anderer- seits wurden die Ideen und Ergebnisse der Nut- zer-Workshops integriert. Hierdurch wurde ein Anforderungskatalog in Form eines Lastenheftes erstellt, welche Bereiche in welcher Form im Cor- porate Coworking Space vorhanden sein müssen. Abb. 10: Raumkonzept X-Change Lab 46
Eva Hö f er Zus ammenarbeit neu ges talten Dieser Anforderungskatalog wurde den ausfüh- Mitarbeitenden des Standorts gebucht werden. renden Architekten (Scope Architekten, Stuttgart) Diese können außerdem Mitarbeitende von zur Erarbeitung eines visuellen Entwurfs überge- anderen Standorten zur Zusammenarbeit ein- ben. Die Bauleitung wurde vom internen Facility laden. Um eine Mischung von verschiedenen Management (FCM) übernommen. Nutzenden und deren Vernetzung zu ermögli- chen, wird zu Beginn des Betriebs die Buchung Der X-Change Lab-Entwurf beinhaltet einen auf mindestens einen Tag (6 Sunden Buchung) offenen Welcome Bereich mit Schließfächern. bis max. 30 Tage beschränkt. Hierbei muss das Hieran schließt sich eine Theke mit integrierter Thema, an dem gearbeitet wird, angeben werden. Kaffee- und Teeküche an, welche den zentralen Ergänzt werden die Arbeitsbereiche durch einen Mittelpunkt des Space bildet. Sogenannte Hot- geteilten Präsentationsbereich, der von Nutzen- Desk-Arbeitsplätze ermöglichen dort spontanes den während der Buchungsdauer genutzt werden Arbeiten ohne Buchung. Abgehend von diesem kann. Dieser ist mit einem Bildschirm auf Rol- Mittelpunkt stehen drei Teilbereiche (»Cubes«) len und beschreibbaren, magnetischen Wänden mit Fix-Desk-Arbeitsplätzen zur Verfügung. ausgestattet. Jeder Cube ist farblich gekennzeichnet (gelb, blau und grün). Die vorhanden Fix-Desk-Arbeits- Die Arbeitsbereiche sind durch Rolltore von der plätze mit technischer Ausstattung (Monitor, Gesamtfläche abgetrennt und bieten die Mög- Tastatur, Maus, Docking Station) können von lichkeit des Öffnens und Schließens einzelner Abb. 11: X-Change Lab-Raumkonzept nach Corona-Pandemie-Hygieneauflagen 47
Des ig n Rese a rc h 2020 Kolloquium Technisches Design Bereiche. Diese Separation in Teilbereiche Mitarbeitende in Empfang und gibt ihnen ermöglicht unterschiedliche Aktivitäten basierte eine Welcome Tour: Einweisung zu Kon- Arbeitsszenarien in einer Laborsituation zu zept, Raum und Community (vergleichbar erproben. So kann in einem Bereich Austausch mit dem Onboarding Prozess in Coworking und Kommunikation stattfinden, während in Spaces) einem anderen Bereich Mitarbeitende Rolltore – X-Change Board – Ein Übersichtsplan mit schließen können, um beispielsweise konzent- Kalender- und Veranstaltungs-Funktion, in riert an einem Thema zu arbeiten. Die Schlie- der sich die aktuellen Nutzenden eintragen ßung der Rolltore bietet außerdem die Option, (Zeitraum, Thema, an dem gearbeitet wird, im Coworking Space auch an sensiblen, ver- und Expertise) traulichen Innovationsaktivitäten zu arbeiten. – Formelle und informelle Veranstaltungen wie Die Ausgangssituation werden geöffnete Roll- ein Community-Frühstück, oder Mittag- tore darstellen, welche die Kommunikation und essen oder thematische Austausch-Treffen Sichtbarkeit in die Bereiche zulässt. (Durch die Corona-Pandemie vermutlich Durch aktuelle Hygiene- und Abstandsrege- nur begrenzt möglich) lungen ergibt sich eine neue Corona-Pandemie – Online Community im sozialen Intranet des bedingte Aufteilung der Arbeitsplätze im Unternehmens Raum (Abbildung 11). Die flexiblen Tische wer- – Das Angebot, den Corporate Coworking den mit 1,5 Meter Abstand zueinander angeord- Space als Plattform zu nutzen, um mit den net. Die Anzahl der buchbaren Fix-Desk-Plätze Betreibern eigene Formate wie Workshops wird auf 15 reduziert. Die Anzahl der Hot-Desk- dort zu entwickeln und stattfinden zu lassen Plätze reduziert sich auf fünf. Hierdurch ist eine – Feedback- und Community-Wand. Dort eingeschränkte Öffnung der Fläche für Nut- können Nutzende ein Foto (Polaroid) mit zende möglich. Anmerkung für andere Nutzende oder die Betreibenden hinterlassen. Bezugnehmend auf die vorausgegangene Lite- – Statt eines monetären Beitrags wie in regulä- raturrecherche und die Exkursion in ein vor- ren Coworking Spaces ist die Gegenleistung handenes Coworking Space werden folgende für die Nutzung des Arbeitsplatzes das Tei- Corporate Coworking Tools bei der Eröffnung len des eigenen Wissens mit der Community vorhanden sein: Ausblick – Corporate Community Manager/in als Der nächste Schritt im vorgestellten Forschungs- Ansprechpartner/in vor Ort. Diese/r nimmt vorhaben ist die Planung der Untersuchungen. 48
Eva Hö f er Zus ammenarbeit neu ges talten Hierbei stehen die folgenden Fragen im Fokus: Der hier vorgestellte Entwurf ermöglicht es dem vorgestellten Unternehmen, trotz einer Krisen- 1. Welchen Einfluss hat ein interner Corporate situation, bei der Neugestaltung von Arbeitswei- Coworking Space auf die disziplinübergrei- sen selbst aktiv zu werden. So können neue Wege fende Zusammenarbeit in einem traditionel- der Zusammenarbeit im eigenen Unternehmen len Industrieunternehmen? mit den eigenen Mitarbeitenden gestaltet und 2. Wie wirken sich Elemente aus dem gestalte- erprobt werden. Dies wird durch die Umsetzung ten Corporate Coworking-Ökosystem (z. B. als Laborsituation ermöglicht. Die Erkenntnisse Angebote, Regeln, Community Manage- hieraus können zu Handlungsempfehlungen für ment, Veranstaltungen etc.) auf die Nutzen- zukünftiges Arbeiten führen. Langfristig kann den aus? dies die Gestaltung von Unternehmen als nutzer- 3. Welchen Einfluss hat ein interner Corporate zentrierte Arbeitsökosysteme unterstützen. Coworking Space auf die Gemeinschaft und die im Unternehmen herrschende Kultur? Für die Durchführung der Untersuchungen ist die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie zu beachten. Diese ist für die physische Anwe- senheit von Mitarbeitenden an Unternehmens- standorten ausschlaggebend. Da mit einer hohen Unsicherheit in der weiteren Entwicklung zu rechnen ist, sollte eine flexible Gestaltung der Untersuchungen erfolgen. Kontakt Eva Höfer Robert Bosch Campus 1 71272 Renningen www.boschresearch.com Eva.Hoefer@de.bosch.com 49
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