Zweites Leben für Laptop und Co.

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Zweites Leben für Laptop und Co.
Zweites Leben für Laptop und
Co.
Jutta Dieckmann sitzt an ihrem Schreibtisch in der geräumigen
Aufbereitungshalle der AfB an der Otto-Stadler-Straße in
Paderborn. Mit einem Heißluftfön löst sie Etiketten und
Aufkleber von Netzteilen und Adaptern. „Ich sortiere die
Netzteile nach Hersteller und Amperezahl“, erklärt sie. Neben
ihrem Tisch stehen mehrere Kisten. Sind sie voll, werden sie
ins Lager gebracht oder an eine andere AfB-Filiale verschickt.

Perfekt getaktetes System
Jutta Dieckmann und ihre Kollegen arbeiten nach einem bis ins
Detail organisierten und perfekt getakteten System von
Abholung, Datenvernichtung, Aufbereitung, Wiedervermarktung
und Entsorgung von IT- und Mobilgeräten. Die AfB gilt als
Europas erstes und größtes gemeinnütziges IT-Unternehmen – und
befindet sich weiter auf strammem Wachstumskurs. Der Betrieb
ist darauf spezialisiert, ausgemusterte IT-Geräte von
Unternehmen, Versicherungen, Banken und öffentlichen
Einrichtungen zu übernehmen und dabei so viele Geräte wie
möglich wieder zu vermarkten.

Der vom LWL geförderte Inklusionsbetrieb bearbeitet jährlich
mehr als 360.000 Geräte, die er von mehr als 700 Unternehmen
zur Verfügung gestellt bekommt. Menschen mit Behinderung wie
Jutta Dieckmann stellen fast die Hälfte der gut 380
Beschäftigten, am Standort Paderborn sind es 16 von 33
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
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Fast die Hälfte der Beschäftigten der AfB haben eine
Behinderung. Eine von ihnen ist Jutta Dieckmann (links), hier
mit einigen Kolleginnen und einem Praktikanten in der Halle
der AfB. Foto: LWL/Paul Metzdorf

Nachhaltiges Geschäftsmodell
Der Markt für diesen Wiederverwendungskreislauf ist größer,
als man meint. „Wir arbeiten mit Konzernen wie Thyssen-Krupp,
RWE oder Siemens zusammen, aber auch mit regionalen Firmen,
Behörden und Institutionen“, sagt Monika Braun. Die AfB-
Prokuristin spricht dabei stets von „Partnern“. Und denen kann
die AfB durchaus etwas bieten.

„Sämtliche Datenträger werden im Rahmen eines zertifizierten
Prozesses nach höchsten Sicherheitsstandards gelöscht oder
geschreddert. Die Geräte werden per IT-Sicherheitstransport
durch unser eigenes Personal mit unserem eigenen Fuhrpark
abgeholt und zur nächstgelegenen AfB-Niederlassung
transportiert“, erläutert Monika Braun. Neben der
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Datenvernichtung werden die Geräte erfasst, getestet,
gereinigt, mit neuer Software bespielt und anschließend
verkauft – mit bis zu drei Jahren Gewährleistung. Nicht mehr
vermarktbare Hardware wird unter höchsten ökologischen
Standards zerlegt und recycelt. Der ursprüngliche Eigentümer
der Geräte erhält alle relevanten Nachweise zur
Datenvernichtung.

Fujitsu-Aus als Chance
Der Leiter der Paderborner AfB-Niederlassung, Dietmar Mormann,
hat alle Arbeitsschritte im Blick. Er kam 2018 vom japanischen
Technologiekonzern Fujitsu, als der sein Werk in Paderborn
dicht machte. „Ich hatte schon vorher AfB-Gründer Paul Cvilak
kennengelernt“, sagt Mormann. „Damals haben wir noch über eine
mögliche Kooperation von Fujitsu und AfB gesprochen.“ Dann kam
die Schließung des Fujitsu-Standorts. Mormann begriff das als
Chance, die AfB nach Paderborn zu holen. „Wir haben dann eine
Ausschreibung von Fujitsu gewonnen, eine weitere von Diebold
Nixdorf, und dann ging alles ganz schnell“, sagt Mormann.

Man fand mit einer 3.200 Quadratmeter großen Halle eines
ehemaligen Schulbuch-Verlags eine optimale Immobilie. Der neue
Niederlassungsleiter brachte gleich noch eine ganze Reihe
ehemaliger Fujitsu-Kollegen mit. „Wir haben 2018 mit zwölf
Leuten hier angefangen“, erzählt Mormann. Um dann personell
rasch aufzustocken. „Paderborn mit seinen IT-Unternehmen hat
einfach das Potenzial.“

Echter Wettbewerbsvorteil
Eine Zusammenarbeit mit der AfB ist nicht nur gut für das
soziale und ökologische Gewissen, sie kann ein echter
Wettbewerbsvorteil sein. „Das durch eine Partnerschaft mit der
AfB gezeigte gesellschaftliche Engagement kann am Point-of-
Sale unserer Partner kommuniziert und somit als
Vertriebsvorteil genutzt werden“, heißt es auf einem
Imageflyer des Unternehmens. Der Zusatz „social & green IT“ im
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Firmentitel weist darauf hin. Sozial ist die inklusive
Ausrichtung der AfB, grün sind etwa Einsparungen von CO2,
Rohstoffen und Energie durch die Wiederverwertung der IT-
Geräte.

Die AfB-Beschäftigten in Paderborn haben zum Teil seelische,
körperliche, Seh- oder Hörbehinderungen. Einer von ihnen ist
Martin Gasse, der die Verteilung der Hardware am Wareneingang
organisiert. Dort werden die firmeneigenen Transporter
entladen. „Ich sortiere und erfasse die hereinkommenden
Geräte“, sagt er.

Die 3.200 Quadratmeter große Halle der AfB in Paderborn, das
eines der ersten und zugleich größten gemeinnützigen IT-
Unternehmen Europas ist. Foto: LWL/Paul Metzdorf

Hauseigenes Warenwirtschaftssystem
Bernd Schmelter kümmert sich um die Detailerfassung im
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hauseigenen Warenwirtschaftssystem. Und er schaut, ob die
Datenlöschung tatsächlich vollständig erfolgt ist: „Ich bin so
etwas wie die letzte Instanz.“ Thomas Müller wiederum löscht
Server. Gut und gerne 20 pro Tag. Dann sortiert er sie und
macht die Enderfassung für den Verkauf. Für ihn ein Traumjob:
„Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, woanders zu
arbeiten.“

Die aufbereiteten Server, PCs, Notebooks, Bildschirme, Drucker
und Handys werden teilweise im Shop zum Verkauf angeboten. Zum
Beispiel von Andy Swanston. Zu seinen Kunden zählen
Privatpersonen, vor allem auch ältere Menschen, ebenso wie
Steuerberater oder Zahnarztpraxen. Was sie alle am AfB-Shop
schätzen, ist die ausführliche und persönliche Beratung. „Und
sollte ein Käufer mit seinem Gerät daheim nicht klarkommen,
dann   fahren   wir   vorbei   und   helfen   ihm“,   sagt
Niederlassungsleiter Dietmar Mormann.

Das   AfB-Konzept   baut   auf   flache   Hierarchien.   Alle
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter duzen sich, vom Firmengründer
bis zum Praktikanten. Es gibt eine Niederlassungsleitung, eine
Technische Leitung und die Teams – mehr nicht. Im Sommer wird
oft gemeinsam gegrillt, der Zusammenhalt ist groß. Mehrmals im
Jahr schaut auch AfB-Gründer Paul Cvilak in Paderborn vorbei.
Er kennt fast alle Beschäftigten persönlich und nimmt sich
Zeit für Gespräche. Seine Vision von 2004 ist längst
Wirklichkeit geworden. In Paderborn und anderswo an einem der
mittlerweile 18 Standorte in fünf europäischen Ländern.

Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
VERSCHOBEN:       Die      LWL-Messe                     der
Inklusionsunternehmen 2020
Über 160 Inklusionsunternehmen und -abteilungen behaupten sich
in Westfalen-Lippe am Markt – darunter auch die Grünbau GmbH.
Sie und andere Betriebe dieser Art tragen besonders viel zur
Inklusion bei, weil sie mindestens 30 Prozent Menschen mit
Schwerbehinderung auf festen Arbeitsplätzen beschäftigen. Wie
jedes andere Unternehmen müssen all diese Firmen dennoch
erfolgs- und wettbewerbsorientiert arbeiten.

Das LWL-Inklusionsamt Arbeit widmet diesen vorbildlichen
Unternehmen und dem Thema Arbeit und Inklusion eine eigene
Veranstaltung: Die LWL-Messe der Inklusionsunternehmen, die in
diesem Jahr eigentlich am 18. März 2020 in der Messe Dortmund
stattfinden sollte. Wegen der zunehmenden Verbreitung des
neuartigen Coronavirus‘ muss die Veranstaltung nun um ein Jahr
verschoben werden: Der neue Termin ist voraussichtlich der 17.
März 2021.

Mehr Informationen und eine Telefonnummer für Rückfragen
findet ihr in der offiziellen Pressemeldung des
Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL).

Zahl   des                   Monats:                1,25
Millionen
Diese Zahl hat die Aktion Mensch kürzlich mit dem
Inklusionsbarometer Arbeit 2018 herausgefunden, einer Studie,
die die Lage und Entwicklung der beruflichen Inklusion auf dem
deutschen Arbeitsmarkt untersucht. Damit setzt sich ein
positiver Trend fort, denn diese Zahl steigt jedes Jahr weiter
an (2015: 1,15 Mio., 2016: 1,18 Mio., 2017: 1,23 Mio.).

Aber woher hat die Aktion Mensch diese Zahl? Ganz einfach: Sie
rechnet sie aus zwei verschiedenen Statistiken der
Bundesagentur für Arbeit neu zusammen.

Die Bundesagentur für Arbeit selbst veröffentlicht
normalerweise nur die Zahl der besetzten so genannten
Pflichtarbeitsplätze. Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern
müssen in Deutschland nämlich mindestens fünf Prozent ihrer
Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderung besetzen. Die
tatsächliche Zahl der Menschen mit Behinderung, die sie
beschäftigen, müssen sie jedes Jahr an die Bundesagentur für
Arbeit melden.

Nicht ganz so genau betrachtet werden dagegen die kleinen
Unternehmen, die weniger als 20 Mitarbeiter beschäftigen. Die
Bundesagentur ermittelt nur alle fünf Jahre durch eine
repräsentative Stichprobenerhebung, wie viele Menschen mit
Behinderung dort arbeiten. In die jährliche Statistik fließt
das nicht ein.

Um das genauer zu erheben, addiert die Aktion Mensch in ihrem
Inklusionsbarometer die Ergebnisse beider Statistiken. Damit
errechnet sich die tatsächliche Anzahl von Menschen mit
Behinderung, die eine Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
haben. Wir rechnen für das Jahr 2018 noch einmal vor:

1,078 Millionen besetzter Pflichtarbeitsplätze
+ 168.000 Beschäftigte bei Unternehmen mit weniger als 20
Mitarbeitern
= 1,25 Millionen Beschäftigte.
„Ich    sehe     mich    als
gleichwertig    mit   meinen
Kollegen, wir unterstützen
uns gegenseitig“

Herr Weinmann, viele Menschen können sich
nicht vorstellen, wie Sie mit einer so
starken Sehbehinderung im Berufsalltag
zurechtkommen. Wie machen Sie das genau?
Da ich nicht blind bin, kann ich mir mit meiner Restsehkraft
in vielen Situationen gut allein weiterhelfen. Und wenn es
doch mal schwieriger wird, kann ich ganz auf die Unterstützung
meiner sehr hilfsbereiten Kollegen zählen. Die stehen mir
immer zur Seite, damit habe ich bisher also wirklich keine
negativen Erfahrungen gemacht. Als Hilfsmittel nutze ich
Taschenlupen und für die Arbeit am Computer stellt mir mein
Arbeitgeber einen speziellen PC mit einem Lupenprogramm zur
Verfügung. Das geht also alles ziemlich gut.

Es heißt,       dass blinde oder fast blinde
Menschen        – also auch Sie – einen
besonders       ausgeprägten Tastsinn haben.
Stimmt das      oder ist das ein Klischee?
Ich glaube nicht, dass das ein Klischee ist. Wenn eine
Sinneswahrnehmung ausfällt, kann der Körper dieses Defizit ja
bekanntlich mit anderen Funktionen kompensieren. Nehmen Sie
das Beispiel der Blindenschrift: Wenn ein Sehender versucht,
die einzelnen Punkte der Schrift zu ertasten, ist das für ihn
sehr schwer und dauert sehr lange. Schaut man dagegen einem
blinden Menschen beim Lesen der Schrift zu, kann man nur
staunen, mit welcher Geschwindigkeit er einen Text bewältigt
und versteht. Das ist bei mir nicht anders, Tasten ist auf
jeden Fall meine Stärke.

Setzen Sie das auch in Ihrem Beruf ein?
Ja, natürlich! Als Physiotherapeut muss ich ja mit den Händen
und Fingern Veränderungen im Gewebe erspüren. Da sehe ich mich
durch meinen ausgeprägteren Tastsinn im Vorteil gegenüber
Kollegen, die keine Sehbehinderung haben. Das haben die mir
auch schon oft bestätigt.

Sie konkurrieren also mit Ihren Kollegen
ohne Sehbehinderung?
Nein, in meinem Beruf im Krankenhaus nicht direkt. Ich sehe
mich als gleichwertig mit meinen Kollegen, wir unterstützen
uns gegenseitig. Wo ich besser tasten kann, können sie besser
sehen und damit andere Anforderungen des Berufs einfacher
bewältigen – und mich wiederum dabei unterstützen. Das ist ein
sehr harmonisches Miteinander.

Ihre Sehbehinderung bringt in Ihrem Beruf
also sowohl Vor- als auch Nachteile mit
sich. Wie äußert sich das im Alltag?
Zum Beispiel an meinem Einsatzgebiet im Krankenhaus. Das ist
aktuell auf eine Station reduziert, weil mir in anderen
Gebäudeteilen die Orientierung schwerfällt und diese dort erst
noch trainieren muss. Ein großer Vorteil ist wiederum, dass
mir wegen meiner Behinderung finanzielle Förderungen des für
meinen Wohnort zuständigen Inklusionsamtes zustehen. Dadurch
konnte ich schon einige Fortbildungen besuchen, die sonst viel
Geld kosten und eher schwer zu finanzieren sind. Diese
Möglichkeit haben viele Kollegen so nicht.
Auf der RehaCare-Messe im Jahr 2010 haben
Sie unter anderem eine Massage-Station
aufgestellt und den vorbeilaufenden
Besucherinnen        und       Besuchern
Nackenmassagen    angeboten.   Abgesehen
davon, dass Sie damit eine Kostprobe
Ihrer beruflichen Fähigkeiten gegeben
haben: Welche Botschaft wollten Sie mit
dieser Aktion vermitteln?
Ich wollte allen Besuchern der Messe zeigen, dass ein Mensch
mit Behinderung ein genauso leistungsfähiger Mitarbeiter oder
Kollege sein kann wie jemand ohne Handicap, wenn nur die
Voraussetzungen stimmen. Und ich wollte anderen Menschen mit
Behinderung Mut machen, ihren beruflichen Weg zu gehen und
sich nicht von ihrer Behinderung davon abhalten zu lassen.
Dafür habe ich auch gutes Feedback bekommen. Neben der
Massagestation habe ich auf einer der Messe-Bühnen zusammen
mit den Besucherinnen und Besuchern ein kleines Übungsprogramm
für den Rücken durchgeführt – auch das kam sehr gut bei den
Teilnehmern an. Viele hätten mir das vorher nicht zugetraut.

Sie sind jetzt im September auf einer
weiteren Veranstaltung mit dabei, der
Fachmesse ZukunftPersonal dabei. Was
dürfen die Besucherinnen und Besucher
dieses Mal von Ihnen erwarten – und was
erhoffen Sie selbst sich von der Messe?
Ich habe dort wieder meinen Stand mit der Massagestation, da
muss ich den Vorgaben folgen. So komme ich aber auch am
allerbesten mit Besucherinnen und Besuchern ins Gespräch. Das
ist einer der Hauptgründe, warum ich das mache: Ich möchte mit
den Leuten über das Thema Inklusion und Menschen mit
Behinderung reden und dabei aus der Sicht eines Betroffenen
sprechen – auch, um Vorurteile auszuräumen.

Foto: privat

Über unseren Interviewpartner
Name: Giselher Weinmann
Geburtsjahr: 1961
Wohn-/Arbeitsort: Dinslaken
Beruf: Physiotherapeut
(Persönlicher Bezug       zum   Thema)   Behinderung:   hat   eine
hochgradige Sehbehinderung und konnte deshalb vor über 30
Jahren seine Wunsch-Ausbildung zum Krankenpfleger nicht
absolvieren. Er wechselte deshalb in die Physiotherapie und
bekam danach eine Anstellung als Masseur und Medizinischer
Bademeister. In diesem Beruf arbeitete er drei Jahrzehnte,
bevor er sich – parallel zum Job – zum Physiotherapeuten
weiterbildete. Heute arbeitet er im St. Vinzenz Hospital in
seinem Heimatort Dinslaken unter anderem mit älteren Menschen,
die wieder selbstständiger leben möchten.
Die Fachmesse ZukunftPersonal
Die ZukunftPersonal gilt als innovativste Fachmesse für
Personalmanagement im Europa. Drei Tage lang – in diesem Jahr
vom 11. bis zum 13. September 2018 – werden hier neue Ideen
und   Entwicklungen      aus   der   Branche    vorgestellt.
Geschäftsführerinnen            und        Geschäftsführer,
Personalverantwortliche, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von
Personalabteilungen und Organisationsentwicklerinnen und -
entwickler können sich auf der Messe einen Überblick über den
Markt an Produkten und Dienstleistungen verschaffen und sich
mit Fachkollegen über die aktuellen Trends austauschen – zum
Beispiel über Vorträge, interaktive Formate, themenbezogene
geführte Touren über die Messe oder direkt an den Ständen der
Organisationen und Unternehmen, die dort ausstellen.

Auch das LWL-Inklusionsamt Arbeit ist wieder mit dabei und
erklärt Interessierten dieses Jahr unter anderem, was
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ist, wie es
funktioniert und warum es für die Inklusion auf dem
Arbeitsmarkt sehr wichtig ist.

Tickets für die Fachmesse kosten für einen Tag 80 Euro und für
alle drei Tage 125 Euro.

„Wir sind eine                           unfassbar
laute Band“
Experimentierfreudig, verspielt, laut: So ist die Musik der
Hamburger Krautrock-Band Station 17. In wechselnder Besetzung
proben unter diesem Namen seit 30 Jahren Musiker mit und ohne
Behinderung, spielen Konzerte und veröffentlichen Alben.
Die Aufschrift „Stop – Hier wird gearbeitet“ an der Tür des
Probenraums ist dabei wörtlich zu nehmen, denn die Band ist
viel mehr als ein Hobby. Die Musiker sind beim inklusiven
Netzwerk Barner 16 fest angestellt und erwirtschaften ihr
Einkommen durch ihre Kunst. Wie das klingt und aussieht,
erzählt die taz in dieser Reportage.

„Die Arbeitgeber werden immer
optimistischer“
An einem sicheren Arbeitsplatz den Lebensunterhalt selbst zu
verdienen, mit einem Job, der den eigenen Fähigkeiten und
Interessen entspricht: Das wünschen sich die meisten Menschen.
Für diejenigen, die mit einer Behinderung leben, ist es aber
oftmals viel schwieriger, eine Beschäftigung zu finden, die zu
ihren Fähigkeiten passt. Viele Arbeitgeber schrecken trotz des
bestehenden Fachkräftemangels davor zurück, Menschen mit
Behinderung in ihren Betrieben einzustellen – und das sogar
dann, wenn diese Leute hervorragend ausgebildet sind. Welche
Faktoren es genau sind, die zu dieser Lage in Deutschland
beitragen – das wollte die Aktion Mensch genauer wissen. Die
Soziallotterie hat deshalb das so genannte Inklusionsbarometer
entwickelt.

Ein Interview mit Christina Marx, der Leiterin des Bereiches
Aufklärung bei der Aktion Mensch, über diese Studie und über
die Situation von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben.

Frau Marx, die Aktion Mensch gibt seit dem Jahr 2012 zusammen
mit dem Handelsblatt Research Institute jährlich ein so
genanntes „Inklusionsbarometer Arbeit“ heraus. Was ist das
genau, wie funktioniert es und warum haben Sie damit begonnen?

                                 Das   Inklusionsbarometer
                                 Arbeit 2016 als Infografik.
                                 Für eine    größere Ansicht
                                 einfach     auf   das  Bild
                                 klicken.    Quelle: Aktion
                                 Mensch

Es gibt eine Vielzahl Faktoren, die verhindern, dass es eine
gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit und ohne
Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt gibt. Um diese
Einflüsse genauer betrachten zu können, haben wir beschlossen,
sie erst einmal zusammenzutragen –          und deshalb   das
Inklusionsbarometer entwickelt. Wir         haben dafür   500
mittelständische Unternehmen und 802 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter mit Behinderung befragt, wie sie das Klima in
ihrer Firma empfinden. Zum Beispiel wollten wir wissen, ob
Arbeitgeber Leistungsunterschiede im Vergleich zu Menschen
ohne Behinderung in ihrem Betrieb feststellen, oder ob die
Arbeitnehmer passend zu ihren Fähigkeiten und Qualifikationen
eingesetzt werden. Die Ergebnisse dieser Umfrage haben wir
zusätzlich mit „harten“ Fakten unterfüttert, unter anderem
sind hierbei die jüngsten Zahlen aus verschiedenen Quellen
eingeflossen, etwa der Bundesagentur für Arbeit.
Beispielsweise ist die Dauer der Arbeitslosigkeit von Menschen
mit Behinderung oder die Beschäftigungsquote wichtig, um die
Situation zu analysieren. Das machen wir jedes Jahr seit 2012
aufs Neue.

Das Barometer sagte im Jahr 2015 aus, dass sich die Lage für
Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in
vielen Bereichen verbessert hat. Wie sieht es im Jahr 2016
aus?

Das Inklusionsbarometer bringt auch dieses Jahr erst einmal
gute Nachrichten: In der Arbeitswelt wird Inklusion immer
alltäglicher. Der Grund dafür ist vor allem, dass die
Unternehmen die Inklusion als solche positiver einschätzen.
Sie sind dabei sogar zum ersten Mal optimistischer als die
Mitarbeiter mit Behinderung. Trotzdem: Es gibt weiterhin
großen Verbesserungsbedarf. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt
für Menschen mit Behinderung hat sich nur leicht entspannt.

Ein positives Beispiel: Die
Malerwerkstätte Karl Müller.
Hier arbeitet seit acht
Jahren Ralph Müller, der wie
zwei weitere der insgesamt
19 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter gehörlos ist.
Meisterin Jessica Müller und
er verständigen sich hier
mit Hilfe einer App auf dem
Smartphone. Foto: Aktion
Mensch
Können Sie das in Zahlen fassen?

Der Gesamtwert des Barometers ist von 101,1 auf 106,7
gestiegen – vereinfacht erklärt bedeutet diese wachsende Zahl
eine positive Tendenz. Zugleich ist die Arbeitslosenquote zwar
von 13,9 Prozent auf jetzt 13,4 Prozent gesunken, aber sie
fällt wesentlich langsamer als die Quote auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt insgesamt, die aktuell bei 6,4 Prozent liegt. Die
Schere zwischen Arbeitslosen mit und ohne Behinderung geht
also weiter auseinander. Auch die Dauer, die Menschen mit
Behinderung im Schnitt arbeitslos sind, ist vergleichsweise
lang: Sie suchen mehr als 100 Tage länger als Menschen ohne
Behinderung nach einem Job.

Woran   liegt   es   aus   Ihrer   Sicht,   dass   nach   wie   vor
vergleichsweise viele Menschen mit Behinderung arbeitslos
sind? Was könnte getan werden, um die Situation zu verbessern?

Ganz wichtig ist hier das Thema Barrierefreiheit. Im Moment
ist nur die Hälfte der kleinen und mittelständischen
Unternehmen barrierefrei – diese Firmen stellen aber in der
Summe die meisten Arbeitsplätze. Für eine Verbesserung der
Lage wäre es außerdem gut, wenn die Informationen über
Förderprogramme transparenter für die Arbeitgeber wären. 96
Prozent der großen Unternehmen kennen die Instrumente und
nutzen sie oft auch. Von den kleinen Unternehmen wissen
dagegen nur 62 Prozent etwa von der staatlichen Förderung für
Mitarbeiter mit Behinderung und nur 53 Prozent nehmen sie auch
in Anspruch.
Wenn Ralph Müller oder seine
                                 Kollegen    einmal    etwas
                                 Komplizierteres besprechen
                                 müssen, nutzen sie meist
                                 eine App auf dem Handy: Die
                                 hörenden Mitarbeiter können
                                 einfach hineinsprechen, was
                                 sie sagen wollen, und die
                                 App     übersetzt     das
                                 Gesprochene in Schrift.
                                 Ralph Müller kann die
                                 Informationen ablesen und
                                 seine Antworten entweder
                                 durch Mimik    und Gestik
                                 ausdrücken     oder   sie
                                 eintippen.   Foto:   Aktion
                                 Mensch

Wer oder was sind Ihrer Meinung nach die größten „Inklusions-
Bremsen“ unserer Gesellschaft?

Es ist wichtig, bürokratische Hürden abzubauen, aber auch und
vor allem die Hürden in den Köpfen vieler Arbeitgeber. Es ist
sehr einfach, bei einem potenziellen neuen Mitarbeiter die
Behinderung als Defizit zu sehen, anstatt darauf zu schauen,
welche Fähigkeiten er mitbringt. Genau das sollten die
Mitarbeiter in Personalabteilungen und Chefs aber tun. Dabei
ist es egal, ob ein Mensch eine angeborene Behinderung hat
oder diese im Laufe des Berufslebens „erworben“ hat. Themen
wie ein betriebliches Eingliederungsmanagement und
Gesundheitsförderung werden ja gerade in älter werdenden
Belegschaften immer bedeutender.

Gibt es etwas, das Menschen mit Behinderung selbst tun können,
um ihre Lage zu verbessern?

Sie müssen sich auf jeden Fall zutrauen, sich auf Stellen des
ersten Arbeitsmarktes zu bewerben. Dabei sind unsere
Sondersysteme mit den Förderschulen zurzeit noch ein
Hemmschuh. Ich habe aber die Hoffnung, dass mit einem
zunehmend inklusiven Bildungssystem auch diese Hürde immer
häufiger überwunden wird. Wer früh zusammen lernt, findet es
ganz automatisch selbstverständlicher, dass man später auch
zusammen arbeitet.

Wie müsste für Sie die Unternehmenskultur der Zukunft
aussehen, um eine vollständige Inklusion zu erreichen?

Eine solche Unternehmenskultur muss den Menschen und seine
Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen. Zugleich muss
Verschiedenheit als Normalität begriffen werden. Arbeitnehmer
mit und ohne Behinderung müssen sich auf Augenhöhe begegnen
und dürfen keine Berührungsängste miteinander haben. Eine
inklusive Unternehmenskultur braucht vor allem diese Art der
Begegnung und ein selbstverständlicheres Miteinander. Das muss
heute vielfach erst noch gelernt werden. Aus meiner Sicht sind
hier insbesondere die Arbeitgeber gefragt, diese
Unternehmenskultur vorzuleben und mit anzustoßen. —

 Foto:
 Aktion
Mensch

 Christina Marx wurde 1970 in Köln geboren. Die Diplom-
 Dolmetscherin und Kommunikationsberaterin blickt auf rund 20
 Jahre Berufserfahrung in der Umsetzung von Projekten im Non-
 Profit Bereich zurück und ist heute Mitglied der
 Geschäftsführung der Aktion Mensch. Seit dem Jahr 2013 leitet
 sie dort auch den Bereich Aufklärung und ist verantwortlich
 für die dortigen Projekte der Soziallotterie – dazu zählen
 zum Beispiel Kampagnen, Projekte für Kinder und Jugendliche,
 Aktionstage und Kooperationen, unter anderem im Sport.
 Christina Marx ist verheiratet und hat drei Kinder.

Hier gibt es weitere Informationen zum Inklusionsbarometer
Arbeit der Aktion Mensch. Auf der Seite kann auch die
vollständige Studie als PDF heruntergeladen werden.
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