Zwischen Vision und Wirklichkeit - GemeinsamWirtschaftStärken Regulierung bremst Digital-Health-Startups

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Zwischen Vision und Wirklichkeit - GemeinsamWirtschaftStärken Regulierung bremst Digital-Health-Startups
Zwischen Vision
und Wirklichkeit
Regulierung bremst Digital-Health-Startups

 GemeinsamWirtschaftStärken
2 | U M F R A G E S T A R T U P S D I G I T A L E G E S U N D H E I T S W I R T S C H A F T 2 01 9

        Digital-Health-Startups in Deutschland

        Zwischen Vision und Wirklichkeit:
        Regulierung bremst Digital-Health-Startups

        Ergebnisse einer Unternehmensbefragung
        des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK)

        Impressum

        Haftungsausschluss
        Die Daten, Informationen und Berechnungen dieser Umfrageauswertung wurden
        mit größter Sorgfalt erstellt. Dennoch sind alle Angaben ohne Gewähr.

        Vervielfältigung und Copyright
        Die Vervielfältigung der Umfrageauswertung (ganz oder in Auszügen) ist nur mit
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        Ergebnissen mit der Quellenangabe „DIHK-Umfrage, 2019“ ist zulässig.

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            info@dihk.de
            www.dihk.de

        Redaktion
        Dr. Philipp Wien, Leiter des Referats Gesundheitswirtschaft, DIHK

        Grafik
        Friedemann Encke, DIHK

        Bildnachweis
        Getty Images

        Stand
        September 2019
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Inhalt

Einführung                                                                                                                        4

Zentrale Ergebnisse und DIHK-Forderungen                                                                                          5

Die Umfrageergebnisse im Detail                                                                                                   7

Methodik                                                                                                                        14
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        1. Einführung
        Digitale Therapiebegleiter für chronisch Kranke, präzisere                                   Es ist daher wichtig, dass Gründer in Deutschland die digitale
        Diagnostik durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz, Virtu-                                 Transformation als große Chance für die Entwicklung eines
        al Reality in der Rehabilitation oder das Smartphone als das                                 Geschäftsmodells im Bereich der digitalen Medizin wahrneh-
        „Stethoskop des 21. Jahrhunderts“: Digital Health wird nicht nur                             men. Wenn die Rahmenbedingungen für Gründer hierzulande
        dazu führen, dass bestehende Versorgungsstrukturen grundle-                                  jedoch nicht innovationsoffen ausgestaltet sind, besteht die
        gend überdacht werden müssen, sondern auch, dass sich neue                                   Gefahr, dass das Potenzial der digitalen Medizin in Deutsch-
        Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen auf diesem                                     land nicht voll ausgeschöpft werden kann. Dies könnte sich
        Zukunftsmarkt etablieren. Das Potenzial der digitalen Medizin                                nicht nur auf die Qualität und Effizienz der Gesundheitsver-
        ist groß: Nach einer Prognose soll der digitale Gesundheitsmarkt                             sorgung nachteilig auswirken, sondern auch auf die Wert-
        bereits für das Jahr 2020 weltweit über 200 Milliarden US-Dol-                               schöpfung in neuen Technologien. Deshalb ist es wichtig zu
        lar umfassen – das wäre mehr als eine Verdoppelung gegenüber                                 untersuchen, mit welchen besonderen Herausforderungen
        2016.1 Zudem gehört die digitale Medizin zu einem der vielver-                               Startups der digitalen Gesundheitswirtschaft konfrontiert sind
        sprechendsten Anwendungsfelder der Künstlichen Intelligenz                                   und welche Forderungen an die Politik sowie weitere Akteure
        (KI). Der globale Umsatz mit KI im Gesundheitsbereich könnte                                 daraus abgeleitet werden können.
        sich nach rund zwei Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 auf rund
        36 Milliarden US-Dollar im Jahr 2025 belaufen.2

        1
            Statista 2019.
        2
            Statista 2019.
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2. Zentrale Ergebnisse und DIHK-Forderungen
Viele Teams3 sind mit den komplexen Regularien im Gesund-                             Deshalb müssen auf europäischer Ebene kurzfristige Lösun-
heitswesen wenig vertraut. So haben etwa 76 % der Teams, die                          gen gefunden werden, zum Beispiel indem der Geltungs-
sich mit ihrem Produkt bereits in der Vermarktung befinden,                           beginn verschoben wird oder zumindest die Übergangs-
angegeben, dass sie höchstens „etwas“ mit der neuen europä-                           regelung bis 2024 auch für höherklassifizierte Software
ischen Medizinprodukteverordnung (MDR)4 vertraut sind. Die                            Anwendung findet.
MDR wird jedoch ab dem 26. Mai 2020 unmittelbar Anwendung
finden. Bislang fällt Software als Medizinprodukt in der Regel                    • Besonderheiten digitaler Produkte berücksichtigen:
in die niedrigste Risikoklasse I, so dass etwa keine Einbeziehung                   Insgesamt berücksichtigt die MDR jedoch weder die Beson-
einer Benannten Stelle5 notwendig ist, um den CE-Kennzeich-                         derheiten digitaler Produkte noch die Dynamik des Marktes.
nungsprozess zu durchlaufen. Denn das Bewertungsverfahren                           Auf europäischer Ebene sollten daher Regelungen für den
für Produkte der Klasse I ist grundsätzlich in der alleinigen                       CE-Kennzeichnungsprozess getroffen werden, die einen
Verantwortung des Herstellers. Die MDR könnte jedoch zu er-                         innovationsoffenen Regulierungsrahmen für die Entwicklung
heblichen Innovationshemmnissen in der digitalen Gesundheits-                       von digitalen Medizinprodukten sicherstellen. Schließlich ist
wirtschaft führen.6 Software als Medizinprodukt soll zukünftig                      es für 67 % der Teams sehr oder äußerst wichtig, dass die
in der Regel mindestens in Risikoklasse IIa eingestuft wird. Dies                   Besonderheiten digitaler Gesundheitsanwendungen bei der
hat zum Beispiel zur Folge, dass ein obligatorisches Verfahren                      Regulierung stärker berücksichtigt werden.
bei einer Benannten Stelle durchzuführen ist und auch höhere
Evidenzanforderungen (klinische Prüfung) Anwendung finden                         • Zugang in die GKV für Softwareprodukte sichern: Auf
könnten. Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich der                              nationaler Ebene ist bereits im Rahmen des geplanten
Aufwand und die Kosten für die Hersteller erheblich erhöhen                         Digitale Versorgung Gesetzes (DVG)7 ein eigenständiges und
werden.                                                                             fristgebundenes Verfahren für digitale Medizinprodukte
                                                                                    vorgesehen, um einen Zugang in die gesetzliche Kranken-
Für 44 % der betroffenen Teams ist die Erfüllung der regu-                          versicherung (GKV) zu erhalten. Hersteller sollen ein An-
latorischen Anforderungen für eine Finanzierung durch die                           tragsrecht erhalten. Der DIHK unterstützt daher die geplante
Kostenträger ein großes oder sehr großes Problem. Bei Dauer                         Neuregelung. Jedoch soll dieses Verfahren nur für Software
und Kosten des Prozesses zwischen CE-Kennzeichnung und                              niedriger Risikoklasse Anwendung finden. Da Software-Pro-
Finanzierung durch die Kostenträger sind es sogar 50 % der                          dukte aufgrund der MDR jedoch höher klassifiziert werden,
Teams. Zwar wird das Durchlaufen des CE-Kennzeichnungs-                             ist es sinnvoll, den Anwendungsbereich auch für Produkte
prozesses bislang nur von 31 % der betroffenen Teams als                            höherer Risikoklasse zu eröffnen, so dass die gesamte Band-
großes oder sehr großes Problem angesehen, jedoch ist vielen                        breite digitaler Anwendungen abgedeckt wird. Im weiteren
Teams noch nicht bewusst, dass aufgrund der MDR ab dem 26.                          Gesetzgebungsprozess sollte das noch berücksichtigt werden.
Mai 2020 deutlich höhere Anforderungen für den CE-Kenn-
zeichnungsprozess gelten.                                                         • Regulatorische Herausforderungen beim Einsatz Künst-
                                                                                    licher Intelligenz evaluieren und innovationsoffenen
                                                                                    Rechtsrahmen gestalten: Es muss zeitnah ein Regulie-
DIHK-Vorschläge:                                                                    rungsrahmen hergestellt werden, der Chancen von KI nutzt,
                                                                                    aber gleichzeitig ihre Risiken beherrscht. Die regulatorischen
• Kurzfristige Lösungen zur Anwendbarkeit der MDR er-                               Herausforderungen, die sich bei der Entwicklung und Ver-
  forderlich: Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der                         marktung KI-gestützter Produkte ergeben, müssen sowohl
  MDR in der Praxis liegen noch nicht vor, insbesondere mit                         auf europäischer als auch auf nationaler Ebene systematisch
  Blick auf eine hinreichende Verfügbarkeit Benannter Stellen.                      untersucht werden. Schließlich nutzen viele Teilnehmer
  Ein zentrales Ziel muss jedoch darin bestehen, zu vermeiden,                      Künstliche Intelligenz: 43 % der Teams haben angegeben,
  dass die Versorgung mit Medizinprodukten in Zeiten regula-                        dass ihre Produktentwicklung auf dieser Technologie basiert.
  torischer Übergangsphasen stockt oder gar ganz ausfällt.

3
  Da sich viele Startups noch nicht offiziell als Unternehmen gegründet haben, wird in der Regel der Begriff „Team“ anstatt „Startup“ verwendet.
4
  Verordnung (EU) 2017/745.
5
  Diese Stellen sind für den CE-Kennzeichnungsprozess der Produkte zuständig und müssen selbst ein Notifizierungsverfahren durchlaufen,
  das sie von staatlicher Seite aus autorisiert.
6
  Die neue Verordnung ist jedoch nicht nur für Softwarehersteller, sondern für die gesamte Medizintechnikbranche mit großen Herausforderungen verbunden. In einer
  Umfrage des DIHK zusammen mit dem Verband SPECTARIS unter 320 Unternehmen im Jahr 2018 haben u.a. 79 % der Unternehmen angegeben, dass sie mit erhebli-
  chen Schwierigkeiten rechnen, Innovationen zukünftig auf den Markt zu bringen. Die vollständigen Ergebnisse können Sie hier abrufen.
7
  Entwurf eines Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale Versorgung Gesetz – DVG).
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        Gründer sind mit den Besonderheiten des Gesundheitsmarkts                                      der Ausbau digitaler Schnittstellen in den Leistungsketten,
        konfrontiert, die sich etwa in komplexen Regularien und Zulas-                                 die grundsätzlich auch den Herstellern von digitalen Gesund-
        sungsverfahren sowie der Vielzahl involvierter Stakeholder und                                 heitsanwendungen offenstehen sollten. Zudem sollten wei-
        Partikularinteressen zeigen. 49 % der Teams haben jedoch noch                                  tere Anreizstrukturen zur Vernetzung und Nutzung digitaler
        keine Erfahrungen mit der Entwicklung und Vermarktung von                                      Gesundheitsangebote implementiert werden, auch über die
        Produkten mit medizinischem Inhalt. Für 70 % der Teams ist es                                  Sektorengrenzen hinweg.
        sehr oder äußerst wichtig, dass die Gremien im Gesundheitswe-
        sen insgesamt mehr Verständnis für die Situation und Bedürf-                                 • Bürokratischen Aufwand für Gründer verringern: Viele
        nisse von Startups aufbringen.                                                                 Teilnehmer haben angegeben, dass sie sich einen Abbau von
                                                                                                       Bürokratie wünschen. Das von der Bundesregierung auf den
                                                                                                       Weg gebrachte dritte Bürokratieentlastungsgesetz müsste
        DIHK-Vorschläge:                                                                               sich deutlich an Gründer richten. Erforderlich sind One-Stop-
                                                                                                       Shops für Existenzgründer, bei denen sämtliche gründungs-
        • Frühzeitig Planungs- und Rechtssicherheit für die                                            relevanten Anträge online erledigt werden können. Gerade
          Gründer herstellen: Das im geplanten DVG verankerte                                          hierdurch könnten auch verständlichere Antragsformulare,
          Beratungsangebot durch das Bundesinstitut für Arzneimit-                                     kürzere Genehmigungszeiten und transparentere Antrags-
          tel und Medizinprodukte (BfArM) ist wichtig. Hierbei sollte                                  wege erreicht werden. Solche Maßnahmen zum spürbaren
          sichergestellt werden, dass ein kontinuierlicher Dialog von                                  Bürokratieabbau für Gründer sollte die Bundesregierung zu
          Hersteller und BfArM bereits frühzeitig stattfindet. Nur dann                                einem Element ihrer Gründungsoffensive machen.
          ist einerseits gewährleistet, dass der erhebliche Aufwand, der
          mit dem CE-Kennzeichnungsprozess zukünftig verbunden ist,                                  • Finanzierungsmöglichkeiten für Startups verbessern:
          im Rahmen der Produktentwicklung angemessen berück-                                          Für Gründer ist es eine Herausforderung, an Risikokapital
          sichtigt wird. Andererseits werden damit im frühen Entwick-                                  zu gelangen. Ein wichtiger Ansatzpunkt beim Zugang zu
          lungsstadium die Anforderungen in die Geschäftsplanungen                                     Wachstumskapital ist der steuerliche Verlusterhalt bei einem
          einbezogen. Sie sind zu erfüllen, um dann auch einen Zugang                                  Anteilseignerwechsel. Der Gesetzgeber knüpft den Erhalt
          in die Regelversorgung der GKV zu erhalten.                                                  des Verlustvortrags jedoch an sehr restriktive Vorausset-
                                                                                                       zungen, wie zum Beispiel die unveränderte Fortführung des
        • Wirtschaft insgesamt besser einbinden: Neben einem                                           Geschäftsbetriebs bis zum Verbrauch der Verluste. Gerade
          kontinuierlichen Dialog mit Gründern sollten Unternehmen                                     innovative Startups müssen Geschäftsmodelle jedoch oft in
          insgesamt besser in Organisations- und Entscheidungsstruk-                                   hohem Tempo anpassen.
          turen eingebunden werden. Die digitale Transformation kann
          schließlich nur gelingen, wenn sich alle beteiligten Akteure
          aktiv einbringen können.

        Damit innovative Produkte entwickelt und erfolgreich vermark-
        tet werden können, sind aus Sicht der teilnehmenden Teams
        weitere Maßnahmen notwendig:

        DIHK-Vorschläge:

        • Transparenz über Angebot und Qualität ermöglichen:
          66 % der Teams halten es für sehr oder äußerst wichtig,
          dass eine Transparenz über das Angebot und die Qualität
          der digitalen Gesundheitsanwendungen hergestellt wird.
          Insbesondere im Rahmen des geplanten DVG sollte daher
          sichergestellt werden, dass sich alle Akteure niedrigschwellig
          über die in der GKV erstattungsfähigen digitalen Gesund-
          heitsanwendungen informieren können.

        • Infrastrukturen zukunftsfest gestalten: Zudem haben
          65 % der Teilnehmer angegeben, dass es für sie sehr oder
          äußerst wichtig ist, dass die akteurs- und sektorenübergrei-
          fende Infrastruktur und Zusammenarbeit im Bereich der
          digitalen Medizin verbessert wird. Zentrale Voraussetzungen
          für den Einsatz der digitalen Gesundheitsanwendungen sind
          insbesondere ein flächendeckender Breitbandausbau sowie
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3. Die Umfrageergebnisse im Detail
     Wie finanziert sich dein Start-up aktuell?
     (Mehrfachantworten möglich)

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                                                                                                                       29 %
                         23 %       23 %

          10 %                                    8%                                                                                       9%
                                                                  5%                5%
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                                                                                                                                    ns
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                                                                                                                                 So
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     Abb. 1: Finanzierung, n=145

Eigenkapital ist wichtigste Finanzierungsart                         Vermarktung steht für viele Produkte noch an

Die Selbstfinanzierung ist die wichtigste Finanzierungsart für       Die Produktentwicklungen, auf die sich die Antworten der
die teilnehmenden Teams (Abb. 1). Einige Teams finanzieren sich      Teams beziehen, befinden sich dabei in ganz unterschiedlichen
auch über staatliche Fördermittel sowie Business Angel/Private       Produktphasen (Abb. 2). 30 % der Teilnehmer haben angegeben,
Investoren oder generieren bereits erste Geschäftseinnahmen.         dass sie sich mit ihrem Produkt entweder bereits in der Ver-
Nur wenige Teams haben hingegen angegeben, dass sich über            marktung oder sogar in der Expansion ins Ausland befinden.
einen Bankkredit, Venture Capital, Crowdinvesting oder einen         36 % der Teams haben hingegen die Phase der konkreten Pro-
Accelerator/Inkubator finanzieren.                                   duktentwicklung noch nicht erreicht.

                                                                     Eine Mehrheit der Teams hat angegeben, dass es sich bei ihrer
                                                                     Produktentwicklung um Software handelt (73 %). Viele Teams
                                                                     entwickeln aber auch eine Dienstleistung (52 %) oder Hardware
                                                                     (22 %). Schließlich sind etwa digitale Gesundheitsanwendun-
                                                                     gen denkbar, die neben einer Software-Komponente auch eine
                                                                     Hardware-Komponente enthalten, zum Beispiel ein Virtual-
                                                                     Reality-Headset. Dadurch könnten zum Beispiel bestimmte
                                                                     Reha-Maßnahmen nicht nur ortsungebunden, sondern auch mit
                                                                     Hilfe virtueller Realität durchgeführt werden.
8 | U M F R A G E S T A R T U P S D I G I T A L E G E S U N D H E I T S W I R T S C H A F T 2 01 9

              In welcher Phase befindet sich dein Produkt,
              auf das du dich in dieser Umfrage beziehen möchtest?
              (Mehrfachantworten möglich)

                                                                                                                      23 %
                    18 %                18 %
                                                                                 14 %
                                                                                                       10 %
                                                              7%                                                                          7%
                                                                                                                                                        4%
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                                                                                                                                        ie r /
                                                                                                                      un
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                                                                                                ob

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                                                                     en

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                                                                                          en
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                                                                                       yp
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                                                                                     ot
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                                                                                   ot
                    Ko

                                         Pr

                                                                                                                            te
                                                             Pr

                                                                                 Pr

                                                                                                                            In

              Abb. 2: Produktphase, n=162

        Künstliche Intelligenz als Treiber der Entwicklung                                           Nur wenige Produkte haben bereits eine
                                                                                                     CE-Kennzeichung
        Künstliche Intelligenz nimmt dabei eine wichtige Rolle ein: 43 %
        der Produktentwicklungen basieren auf dieser Technologie, wo-                                Für Software-Produkte können auch die Regularien des
        hingegen nur 12 % der teilnehmenden Teams angegeben haben,                                   Medizinprodukterechts Anwendung finden. Danach ist eine
        dass sie die Blockchain-Technologie für ihr Produkt verwenden.                               Software ein Medizinprodukt, wenn der Hersteller angibt, dass
        Die Produkte sollen hauptsächlich von Leistungserbringern wie                                sie zur Diagnose, Therapie oder Überwachung von Krankheiten
        Ärzten, Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen (44 %) oder                                  und Verletzungen bestimmt ist. Hersteller dürfen das Produkt
        Versicherten bzw. speziellen Patientengruppen (40 %) verwen-                                 dann nur auf den Markt bringen, wenn eine CE-Kennzeich-
        det werden. 8 % der Teams haben angegeben, dass ihr Produkt                                  nung vorhanden ist. 30 % der teilnehmenden Teams wissen
        von anderen Unternehmen sowie weitere 8 % von sonstigen                                      noch nicht, ob sie ihr Produkt mit einer CE-Kennzeichnung auf
        Anwendern wie Kostenträgern, Forschungsinstitutionen oder                                    den Markt bringen wollen (vgl. Abb. 3). Es ist davon auszuge-
        privaten Haushalten genutzt werden soll.                                                     hen, dass dieses Ergebnis zum einen mit den teilweise noch
                                                                                                     sehr frühen Produktstadien zusammenhängt und zum anderen
                                                                                                     mit der Tatsache, dass 49 % der Teams noch keine Erfahrun-
                                                                                                     gen mit der Entwicklung und Vermarktung von Produkten mit
                                                                                                     medizinischem Inhalt haben.
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       Planst du, dein Produkt mit CE-Kennzeichnung
       auf den Markt zu bringen?

                                                         31 %                                                                           30 %
                    27 %

                                                                                               12 %

                      Ja                                  Nein                       CE-Kennzeichnung                              Noch unklar
                                                                                     bereits vorhanden

       Abb. 3: CE-Kennzeichnung, n=161

Bislang fast keine Produkte in der Erstattung                                       frühen Entwicklungsstadien befinden und fast die Hälfte der
durch die Kranken- oder Pflegeversicherung                                          teilnehmenden Teams über keine Erfahrung bei der Entwick-
                                                                                    lung und Vermarktung von Produkten mit medizinischem
Insgesamt wissen 25 % der teilnehmenden Teams noch nicht,                           Inhalt verfügen. Insgesamt 46 % der Teams streben jedoch
ob sie einen Zugang zum sogenannten ersten Gesundheits-                             eine Erstattung durch die Kranken- oder Pflegeversicherung
markt anstreben sollen, das heißt eine Finanzierung durch die                       an. 44 % der Teams, die sich bereits in der Vermarktung ihres
Kranken- oder Pflegeversicherung (Abb. 4).7 Auch hier spielt                        Produktes befinden, haben angegeben, dass sie eine Erstattung
sicherlich eine Rolle, dass sich noch viele Produkte in sehr                        durch die Kranken- oder Pflegeversicherung anstreben.

       Strebst du eine Erstattung durch die
       Kranken- oder Pflegeversicherung an?

                       46 %

                                                            26 %                                                                          25 %

                                                                                                  3%

                           Ja                               Nein                  Erfolgt bereits durch einzelne                     Noch unklar
                                                                                   Kranken-oder Pflegekassen

       Abb. 4: Erstattung durch Kranken- und Pflegeversicherung, n=161

7
    Der erste Gesundheitsmarkt ist der Kernbereich der Gesundheitswirtschaft und abzugrenzen vom sogenannten zweiten Gesundheitsmarkt, der alle privat
    finanzierten Produkte und Dienstleistungen umfasst.
10 | U M F R A G E S T A R T U P S D I G I T A L E G E S U N D H E I T S W I R T S C H A F T 2 01 9

        Viele Teams sind mit den komplexen Regularien wenig vertraut

        Die teilnehmenden Teams sind mit dem CE-Kennzeichnungs-                                         „etwas“ vertraut sind. Auch mit den Regelungen der Kostener-
        prozess sowie mit der neuen europäischen Medizinprodukte-                                      stattung sind viele Teams unzureichend vertraut. Hier ist auch
        verordnung, die ab dem 26. Mai 2020 Anwendung finden wird,                                     zu berücksichtigen, dass sich noch viele Produkte in sehr frühen
        insgesamt wenig vertraut (Abb. 5). Sogar 76 % der Teams, die                                   Entwicklungsstadien befinden und fast die Hälfte der teilneh-
        sich mit ihrem Produkt bereits in der Vermarktung befinden,                                    menden Teams über keine Erfahrung bei der Entwicklung und
        haben angegeben, dass sie mit der neuen Verordnung höchstens                                   Vermarktung von Produkten mit medizinischem Inhalt verfügen.

            Wie vertraut bist du oder dein Team mit folgenden Regularien?
            Angaben in Prozent

                                                                                                                                 27
                                                                                                                                                        46
                                        Datenschutz                                                                   19
                                                                                                  5
                                                                                             2

                                                                                                       8
                                        Kostenerstattung bei                                                                26
                                        Medizinprodukten durch die                                                        24
                                        Kranken- oder Pflegeversicherung                                                22
                                                                                                                       21

                                                                                                   6
                                                                                                                      20
                                        neue europäische
                                                                                                                                      29
                                        Medizinprodukteverordnung
                                                                                                                      19
                                                                                                                                26

                                                                                                         10
                                                                                                                                 26
                                        CE-Kennzeichnungsprozess                                                                25
                                                                                                                 16
                                                                                                                           23

                                                                                         0                 10              20              30      40           50

                                                                                                 äußerst        gut         etwas          kaum    überhaupt nicht
            Abb. 5: Vertrautheit mit Regularien
            Grundgesamtheit: Nur die Teams, die angegeben haben, dass der jeweilige Aspekt für sie relevant ist.
            n=157 (Datenschutz); n=141 (Regelungen der Kostenerstattung); n=137 (Medizinprodukteverordnung); n=137 (CE-Kennzeichnungsprozess)
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Finanzierung durch Kostenträger als zentrales Problem

Das Durchlaufen des CE-Kennzeichnungsprozesses wird bis-                      Die regulatorischen Anforderungen im Rahmen des CE-Kenn-
lang von deutlich weniger Teams als problematisch angesehen                   zeichnungsprozesses werden aufgrund der neuen europäi-
als etwa die Erfüllung der regulatorischen Anforderungen, um                  schen Medizinprodukteverordnung jedoch deutlich steigen.
eine Finanzierung durch die Kostenträger zu erhalten (Abb. 6).

   Wie schätzt du die folgenden möglichen
   Hürden für deine Produktentwicklung ein?
   Angaben in Prozent

                                                                                                              21
                                                                                                                                29
   Dauer und Kosten des Prozesses zwischen CE-Kenn-
                                                                                                                                       32
   zeichnung und Finanzierung durch die Kostenträger
                                                                                            13
                                                                            5

                                                                                              14
                                                                                                                                  30
   Erfüllung der regulatorischen Anforderungen, um
                                                                                                                                             35
   eine Finanzierung durch die Kostenträger zu erhalten
                                                                                                 15
                                                                                6

                                                                                            13
                                                                                                       18
   Durchlaufen des CE-Kennzeichnungsprozesses                                                                                                     37
                                                                                                         19
                                                                                         12

                                                                                6
                                                                                       11
   Erfüllung relevanter datenschutzrechtlicher
                                                                                                                                     31
   Anforderungen
                                                                                                                                            34
                                                                                                       18

                                                                     0                   10                    20                     30                    40

      sehr großes Problem              großes Problem             mittelmäßiges Problem                   geringes Problem                  kein Problem

   Abb. 6: Hürden für die Produktentwicklung
   Grundgesamtheit: Nur die Teams, die angegeben haben, dass der jeweilige Aspekt für sie relevant ist. n= 115 (Durchlaufen CE-Kennzeichnungsprozess);
   n=139 (Erfüllung der regulatorischen Anforderungen); n=117 (Dauer und Kosten); n=159 (Erfüllung datenschutzrechtlicher Anforderungen)
12 | U M F R A G E S T A R T U P S D I G I T A L E G E S U N D H E I T S W I R T S C H A F T 2 01 9

        Wichtige Themen für die Digital-Health-Branche                                                Verständnis für die Situation und Bedürfnisse von Startups auf-
                                                                                                      bringen. Gründer müssen sich jedoch damit vertraut machen,
        Der abschließende Fragenkomplex betrifft Themen, die aus Sicht                                dass der Gesundheitsmarkt viele Besonderheiten aufweist, die
        der Teams vordringlich angegangen werden sollten, damit inno-                                 sich etwa in komplizierten Regularien und Zulassungsverfah-
        vative Produkte entwickelt und erfolgreich vermarktet werden                                  ren manifestieren. Deshalb halten es viele Teams für wichtig,
        können (Abb. 7). Die Ergebnisse machen deutlich, dass es aus                                  dass eine Startup-Beratung etabliert wird, durch die Gründer
        Sicht der teilnehmenden Teams nicht ausreichend ist, wenn                                     aus einer Hand umfassende Informationen und Unterstützung
        an einigen regulatorischen Stellschrauben gedreht wird oder                                   erhalten.
        höhere Investitionen in die technische Infrastruktur getätigt
        werden. Neben einer verbesserten akteurs- sowie sektorenüber-                                 Zudem hatten die Teams die Möglichkeit, Wünsche und For-
        greifend Infrastruktur und Zusammenarbeit, sollten sich Akteure                               derungen als Freitext zu formulieren. Viele Teilnehmer haben
        wie Ärzte und Versicherte auch besser über das Angebot und                                    angegeben, dass sie sich einen Abbau von Bürokratie und
        die Qualität der unterschiedlichen Gesundheitsanwendungen                                     innovationsoffenere Rahmenbedingungen für die Entwicklung
        informieren können. Hierfür ist auch erforderlich, dass digitale                              und Vermarktung von digitalen Gesundheitsanwendungen wün-
        Kompetenzen systematisch vermittelt werden, so dass mit den                                   schen. Außerdem plädieren viele Teilnehmer für vereinfachte
        durch Digitalisierung entstehenden Chancen und Herausforde-                                   Finanzierungsmöglichkeiten sowie eine stärkere Vernetzung mit
        rungen umgegangen werden kann. Damit innovative Produkte                                      der Politik und weiteren Akteuren, um sich etwa über aktuelle
        überhaupt einen systematischen Zugang in die Gesundheits-                                     Entwicklungen und Probleme im digitalen Bereich auszutau-
        versorgung erhalten, ist es für viele Teams zudem wichtig, dass                               schen. Einige Teilnehmer haben zudem angegeben, dass die
        die Besonderheiten dieser Produkte bei der Regulierung stärker                                Vielzahl an Beratungs- und Förderangeboten besser koordiniert
        berücksichtigt werden und dass die Gremien insgesamt mehr                                     und gebündelt werden sollten.
U M F R A G E S T A R T U P S D I G I T A L E G E S U N D H E I T S W I R T S C H A F T 2 01 9 | 13

Welche der folgenden Themen sollte die Politik sowie weitere
Akteure vordringlich angehen? Angaben in Prozent
                                                                                                                                   41
                                                                                                                 31
                         Digitale Kompetenzen stärker
                         vermitteln, z.B. für Ärzte                                    17
                         und Versicherte                         4
                                                                     5
                                                                 2

                                                                                                                                     42
                         Für mehr Verständnis der Gremien                                                  28
                         im Gesundheitswesen für die                                      18
                         Situation und Bedürfnisse von           4
                         Start-ups sorgen                            5
                                                                 3

                                                                                                                    33
                         Transparenz über das Angebot und                                                           33
                         die Qualität der Digital-Health-                                      21
                         Anwendungen herstellen, z.B.            4
                         für Ärzte und Versicherte                   5
                                                                 4

                                                                                                                    33
                         Akteurs- sowie sektorenüber-
                                                                                                                   32
                         greifende Infrastruktur und
                         Zusammenarbeit im Bereich                                               22
                         Digital-Health verbessern, z.B.                 7
                         über zusätzliche Anreize                4
                                                                3

                                                                                                                  32
                         Besonderheiten von Digital-
                                                                                                                        35
                         Health-Anwendungen bei der
                         Regulierung stärker berück-                                           21
                         sichtigen, z.B. im Rahmen der                   6
                         Nutzenbewertung                         4
                                                                2

                                                                                                           28
                         Startup-Beratung etablieren,
                                                                                                    24
                         die zu unterschiedlichen Themen
                         umfassend berät (z.B. CE-Kenn-                                                  26
                         zeichnung, Finanzierung durch                        11
                         Kostenträger, Datenschutz)                          10
                                                             1

                                                            0                  10                20                30                40                50

   äußerst wichtig             sehr wichtig        relativ wichtig             etwas wichtig                  nicht wichtig               weiß nicht

Abb. 7: Wünsche, n=161
14 | U M F R A G E S T A R T U P S D I G I T A L E G E S U N D H E I T S W I R T S C H A F T 2 01 9

        4. Methodik
        Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag stellte die                                      Da sich viele Startups noch nicht offiziell als Unternehmen
        Online-Umfrage den 79 Industrie- und Handelskammern                                           gegründet haben, wird vorwiegend der Begriff „Team“ anstatt
        (IHKs) zur Verfügung, die daraufhin einen Internet-Link mit der                               „Startup“ verwendet. Im Fragenkomplex „Vertrautheit mit
        Online-Befragung über ihr Netzwerk an Startups der Region                                     Regularien und potenzielle Hürden“ wurden nur die Teams
        versenden konnten. Zudem wurde der Internet-Link mithilfe von                                 berücksichtigt, die angegeben haben, dass für sie der jeweilige
        Multiplikatoren verbreitet, insbesondere über den Facebook-                                   Aspekt relevant ist. Mehr als jedes dritte Team stammt aus
        und Twitteraccount des DIHK. Insgesamt haben 161 Startups                                     Bayern (36 %). Aus Nordrhein-Westfalen und Berlin stammen
        der digitalen Gesundheitswirtschaft den obligatorischen Teil des                              13 % bzw. 10 % der teilnehmenden Teams. Die Umfrage fand
        Fragebogens vollständig ausgefüllt. Mehrfachteilnahmen sind                                   vom 12. Juni bis 12. Juli 2019 statt.
        dabei nicht auszuschließen.

        67 % der teilnehmenden Teams haben ihr Unternehmen be-
        reits offiziell gegründet, davon 57 % zwischen 2017 und 2019,
        23 % zwischen 2014 und 2016 sowie 20 % bereits vor 2014.
        Die Mehrheit der teilnehmenden Teams (61 %) bestehen aus
        einem bis fünf Mitarbeitern (Kernteam).
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