2.2018 pharmaJournal Schweizer Apothekerzeitung

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2.2018 pharmaJournal Schweizer Apothekerzeitung
2 | 2.2018

             pharmaJournal                                    Schweizer Apothekerzeitung
                                                              Journal Suisse de Pharmacie
                                                              Giornale Svizzero di Farmacia

               Bern, 22.02.2018, 156. Jahrgang

                   Urologie: «wasserdichte»
                   Therapieempfehlungen
                   Medikationssicherheit:
                   Schnittstelle Spital-Spitex
                   verbessern
                   Christine Bourquin:
                   zielstrebige Teamplayerin
                   FPH Offizin: Startschuss
                   für ReWOP

                                                 Urologie: recommandations
                                                 de traitements
                                                 Sécurité du médicament:
                                                 améliorer l’interface entre
                                                 l’hôpital et Spitex
                                                 Christine Bourquin: une
                                                 «team player» convaincue
                                                 FPH Officine: Hop ReWOP!

0 lay titelseite [P].indd 101                                                        15.02.2018 07:45:42
2.2018 pharmaJournal Schweizer Apothekerzeitung
→   Politik und Wirtschaft

               Medikationssicherheit bei der Spitex

               Neue Studie zeigt Problemfelder an der
               Schnittstelle Spital-Spitex auf
               C a r la Mey er-M asse t t i, C h rist o ph R . M e ie r

               Zum Thema Medikationssicherheit
               im Home Care-Bereich existierten
               bislang nur wenige Daten, obwohl
               gerade an der Schnittstelle Spital-
               Spitex die Risikofaktoren zahlreich
               sind. Ein neues Projekt schafft nun
               eine solide Datenbasis und zeigt
               Optimierungsmöglichkeiten auf.

               A
                        us der Fachliteratur ist bekannt,
                        dass Medikations-assoziierte
                        Zwischenfälle (drug-related
               problems, DRPs) zu den häufigsten uner-
               wünschten Ereignissen im Gesundheits-
               wesen gehören. Im Setting Spitex verei-
               nen sich mehrere Risikofaktoren, welche
               zur Entwicklung von DRPs beitragen
               können: zahlreiche Schnittstellensituatio-
               nen sowie Patienten mit hohem Alter und
               Polymedikation.
                  Obwohl aufgrund der demographi-
               schen Entwicklung und der Verschie-
               bung von Behandlungen vom stationä-
               ren in den ambulanten Sektor mit einer
               Zunahme der Bedeutung der Spitex ge-
               rechnet werden kann, gibt es nur wenige
               Daten zur Medikationssicherheit im
               Home Care Bereich. Ein in Pubmed, Em-
               base und Cinahl durchgeführter Litera-
               turreview konnte für den Zeitraum von
               2000–2016 lediglich 44 Studien identifi-
               zieren, welche quantitative Originalda-
               ten zur Medikationssicherheit im Home
               Care Bereich rapportieren. Elf Studien
               davon beschäftigen sich mit der Schnitt-
               stelle Spital – Home Care. Keine der
               Studien wurde in Europa durchgeführt.

               Projekt doMESTIC

               Das Projekt «doMESTIC 2016–2019 –
               Study of Medication Safety in Home
               Care» soll eine solide Datenbasis zur
               Medikationssicherheit im Spitex-Umfeld
               in der Schweiz schaffen und mögliche              Mit dem Einsatz eines Pharmazeuten in einem interprofessionellen Spitex-Team
               Interventionen zur Optimierung pilotie-           liesse sich die Medikationssicherheit signifikant erhöhen. © Spitex Stadt Luzern

               pharmaJournal 2 | 2018                                                                                                                                     17

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2.2018 pharmaJournal Schweizer Apothekerzeitung
→   Politik und Wirtschaft

                ren. Finanziert wird das Projekt vom pari-    tienten beim Ersteinsatz keinerlei Infor-
                tätisch geführten LOA-Fonds, dem Ge-          mation zur Medikation vorhanden. In der
                sundheitsdepartement des Kantons              Umfrage gab das Pflegepersonal an, dass
                Luzern, dem Kantonalen Spitex Verband         die Austrittsverordnung nur bei 62 % der
                Luzern sowie der Spitex Stadt Luzern.         Patienten klar war.
                                                                  Bei 20 Patienten waren die benötigten
                Setting und Methode                           Medikamente nach Spitalaustritt nicht
                                                              vorhanden. Daraus entstanden 19 tat-
                Als Modellorganisation dient die Spitex       sächliche Komplikationen in Form von
                Stadt Luzern (www.spitex-luzern.ch), eine     verzögerter oder unterlassener Medika-
                Non-Profit-Organisation mit 260 Mitar-        menteneinnahme.
                beitenden, welche in einem Einzugsgebiet          Die Analyse der Austrittsverordnung
                von 80 000 Einwohnern rund 1800 Klien-        durch eine Pharmazeutin zeigte eine ein-
                tinnen und Klienten pro Jahr betreut. Pro     deutige Austrittsverordnung für lediglich
                Monat werden durchschnittlich 400 Klien-      33 Patienten. Von insgesamt 984 verord-        Die unbefriedigende Qualität der Austritts-
                ten beim Medikationsprozess unterstützt.      neten Medikamenten (fixe Medikamente           verordnung ist eines der Hauptproblemfelder
                                                                                                             der Medikationssicherheit an der Schnittstelle
                   Im ersten Studienjahr wurde eine von       und Reserve-Medikamente) bestand bei
                                                                                                             Spital-Spitex . © Spitex Stadt Luzern
                der EKNZ genehmigte Baseline-Studie           16 % Klärungsbedarf hinsichtlich des auf
                mit 100 Patienten durchgeführt. Patienten     dem Markt verfügbaren Produkts.
                wurden in die Studie eingeschlossen,              2,2 % der insgesamt verordneten Medi-        Award
                wenn sie älter als 64 Jahre waren, mit        kamente waren als potenziell unangemes-
                                                                                                               Diese Arbeit hat am 46. Symposium on
                4 oder mehr Medikamenten auf der ärzt-        sene Medikamente auf der PRISCUS®-
                                                                                                               Clinical Pharmacy der European Society of
                lichen Austrittsverordnung behandelt          Liste. Sieben Medikamente waren absolut,         Clinical Pharmacy ESCP in Heidelberg,
                und direkt vom Spital zur Spitex entlas-      23 weitere Medikamente potenziell kon-           9.10.–11.10.2017 den Award für die beste
                sen wurden.                                   traindiziert. Insgesamt 100 Medikamen-           Pecha Kucha Präsentation gewonnen.
                   Erfasst wurde die Prozessqualität an-      ten-Kombinationen wiesen eine Interak-           Die Originalarbeit wurde von weiteren
                hand von zwei Fragebögen, die die Pflege-     tion mit potenzieller klinischer Signifikanz     Co-Autoren mitverfasst: Vera Hofstetter,
                fachpersonen der Spitex beim Erstbesuch       auf: Acht Medikamente waren eine Dupli-          Klinische Pharmazie & Epidemiologie, Uni-
                nach Spitalentlassung sowie bei einem         kation. 1,4 Indikationen pro Patient, die in     versität Basel; Barbara Hedinger-Grogg,
                Folgebesuch 7–10 Tage später ausfüllten.      der Austrittsdokumentation erwähnt wur-          Spitex Stadt Luzern; Prof. B. Joseph
                                                                                                               Guglielmo, University of California San
                   Eine Apothekerin erfasste die Ver-         den, wurden nicht medikamentös behan-
                                                                                                               Francisco, USA.
                schreibungsqualität auf einem Medika-         delt.
                tionsanalyse Typ 2b-basierten Formular            Zusätzlich schlug die Pharmazeutin
                systematisch.                                 187 Interventionen zur Diskussion mit
                                                              dem Hausarzt vor (19 % der total verord-       Spital-Spitex: die fragmentierte Kommu-
                Resultate: fehlende oder                      neten Medikamente). Die Vorschläge um-         nikation, die unzuverlässige Versorgung
                unklare Informationen                         fassten 69 potenziell zu vereinfachende        mit Medikamenten nach Spitalaustritt
                                                              Medikationen, 57 Dosisreduktionen, 20 zu       sowie die unbefriedigende Qualität der
                Von den Patienten, die in die Studie ein-     stoppende, 20 zu ersetzende und 19 zu-         Austrittsverordnung.
                geschlossen wurden, waren 48 männlich         sätzliche Medikamente sowie 2 Dosis-Er-            Während die flächendeckende Einfüh-
                und 52 weiblich, Durchschnittsalter           höhungen.                                      rung einer elektronischen Patientendoku-
                82,1 ± 7,9 Jahre. Patienten benutzten im          Pro Patient wurden 2,2 unerklärte Dis-     mentation diese Lücken in der Versor-
                Mittel 8,6 ± 3,5 fix verordnete Medika-       krepanzen im Vergleich zur Therapie vor        gung teilweise schliessen wird, könnte die
                mente plus durchschnittlich 1,2 ± 2,1 Re-     Spitaleintritt identifiziert. Zusätzlich gab   Implementierung eines Pharmazeuten in
                serve-Medikamente pro Tag.                    es insgesamt 48 Diskrepanzen innerhalb         einem interprofessionellen Spitex-Team
                   Patienten, die nach dem Spitalaufent-      der Spitalunterlagen und 118 in der Do-        durch eine systematische Medikations-
                halt zum ersten Mal von der Spitex be-        kumentation der Spitex.                        analyse, basierend auf vollständigen Aus-
                treut wurden, wurden öfter zeitgerecht                                                       trittsunterlagen, die Medikationssicher-
                (48 Stunden vor dem Spitex-Ersteinsatz)       Diskussion und Schlussfolgerung                heit signifikant erhöhen.
                angemeldet als Patienten, die schon zuvor
                Klienten der Spitex waren: 88 % vs. 63 %.     Aus der Literatur bekannte Risikofaktoren      Korrespondenzadresse
                   Für lediglich drei Patienten waren die     für die Entwicklung von DRPs wurden            Dr. phil. II Carla Meyer-Massetti
                                                                                                             Postdoctoral Researcher
                vollständigen schriftlichen Austrittsunter-   auch im Rahmen dieser Studie bestätigt:
                                                                                                             Spital Pharmazie
                lagen, wie mit dem Spital vereinbart,         Alter, Polymedikation und Versorgungs-         Universitätsspital Basel
                beim Ersteinsatz der Spitex vorhanden.        schnittstellen. Zusätzlich zeigte diese        Spitalstrasse 26
                Obwohl die Spitex mit dem Medikations-        Studie drei Hauptproblemfelder der Me-         4031 Basel
                management betraut war, war bei 13 Pa-        dikationssicherheit an der Schnittstelle       E-Mail: carla.meyer@unibas.ch

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