2 % DER LANDESFLÄCHE FÜR WINDENERGIE: EIN GEEIGNETES MAß? - FFE-DISCUSSION PAPER 2022-01

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2 % DER LANDESFLÄCHE FÜR WINDENERGIE: EIN GEEIGNETES MAß? - FFE-DISCUSSION PAPER 2022-01
2 % der Landesfläche für
Windenergie: ein geeignetes Maß?
FfE-Discussion Paper 2022-01

                                   2022
2 % DER LANDESFLÄCHE FÜR WINDENERGIE: EIN GEEIGNETES MAß? - FFE-DISCUSSION PAPER 2022-01
Impressum

Herausgeber:

                             Am Blütenanger 71, 80995 München
                                            +49 (0) 89 158121-0
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Energiewirtschaft e.V.                              www.ffe.de

Veröffentlichungsdatum:
24. Februar 2022

Autoren:
Stephan Kigle
Fabian Jetter
Michael Ebner
Tobias Schmid
FfE Discussion-Paper:
2022-01

ISSN 2700-7111
2 % DER LANDESFLÄCHE FÜR WINDENERGIE: EIN GEEIGNETES MAß? - FFE-DISCUSSION PAPER 2022-01
2 % der Landesfläche für
     Windenergie: ein geeignetes Maß?
             Stephan Kigle, Fabian Jetter, Michael Ebner, Tobias Schmid

Ziel der neuen Bundesregierung, die im Dezember 2021 vereidigt wurde, ist es, den Ausbau
Erneuerbarer Energien (EE) massiv zu fördern. So soll bis zum Jahr 2030 ein Anteil von 80 %
EE am Bruttostrombedarf erreicht werden [1]. Im Jahr 2021 lag der Anteil EE am
Bruttostrombedarf bei 42,3 %. Bei einem Bruttostrombedarf von 560 TWh entspricht das einer
Erzeugung von rund 237 TWh [2]. Volatile EE wie Photovoltaik, Wind Onshore und Wind
Offshore werden bei der Zielerreichung von 80 % EE am Bruttostrombedarf eine zentrale Rolle
spielen. Im Jahr 2021 waren in Deutschland rund 116 GW an volatilen EE installiert. Davon
entfallen 53,3 GW auf Photovoltaik, 54,5 GW auf Wind Onshore und 7,8 GW auf Wind
Offshore [3]. Mit 118 TWh war Wind Onshore der größte erneuerbare Stromerzeuger.
Allerdings ging die Stromerzeugung aus Wind Onshore im Vergleich zu 2020, dem Jahr mit
der historisch höchsten Stromerzeugung aus EE, leicht, nämlich um 14 TWh, zurück [2].

In seiner Eröffnungsbilanz hat Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz,
darauf hingewiesen, dass „der massiv beschleunigte Ausbau der Windenergie an Land eine
der größten Herausforderungen der Energiewende“ darstellt [4]. Um das Ziel von 80 % EE am
Bruttostrombedarf zu erreichen, geht er davon aus, dass eine installierte Leistung von über
100 GW Wind Onshore im Jahr 2030 notwendig sein wird. Damit für diesen Ausbau genügend
Flächen zur Verfügung stehen, soll gesetzlich verankert werden, dass 2 % der Landesfläche
für Windenergie bereitsteht [4]. Die gesamte Fläche Deutschlands beträgt 357.588 km2. Im
Gegensatz zu den im Jahr 2020 ausgewiesenen rund 0,8 % (2.861 km2) der Landesfläche [4]
entsprechen die 2 % also mehr als einer Verdoppelung der ausgewiesenen Fläche. Damit
stünden in Deutschland insgesamt rund 7.152 km2 für Wind Onshore zur Verfügung.

Doch wie hoch ist das Potenzial zur Erzeugung von Strom auf 2 % der Landesfläche
tatsächlich? Lassen sich die angestrebten über 100 GW installierte Leistung auf dieser Fläche
realisieren? Stellen die 2 % der Landesfläche also ein geeignetes Maß für den Ausbau der
Windenergie an Land dar?

Um die potenziell erzeugbare Menge Strom durch Erschließung von 2 % der Landesfläche mit
Wind Onshore zu berechnen, müssen folgende Zwischenschritte berücksichtigt werden:

    •    Ermittlung von Windeignungsgebieten (ausgewiesene und weitere potenziell
         geeignete Flächen für Windenergie)
    •    Erschließung der Windeignungsgebiete mit standorttypischen
         Windenergieanlagen

Zur Abschätzung der Potenziale werden diese Schritte mit Modellen durchgeführt. An der FfE
wird für die Erschließung der Windeignungsgebiete das Modell WiSTl genutzt [5]. Um zu
verstehen, wieso sich 2 % der Landesfläche nicht eins zu eins in installierte Leistung und damit
erzeugten Strom übersetzten lassen, wird die WiSTl-Anlagenplanung auf bestehenden
Windvorranggebieten und modellierten, windparkähnlichen Flächen in Deutschland genauer
ausgewertet.

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Abbildung 1:       Konfiguration von modellierten Windparks auf ausgewählten
                       Windeignungsgebieten. Die Entscheidung für einen geeigneten
                       Windanlagentyp wird aufgrund der charakteristischen Windverhältnisse
                       getroffen. Unter Berücksichtigung weiterer Parameter wird dann eine
                       optimale Positionierung der Anlagen berechnet.

    Abbildung 1 zeigt unterschiedliche Windeignungsgebiete in Deutschland und die
    entsprechend dem Modell WiSTl errechnete ideale Anlagen-Konfiguration. Die blauen Punkte
    stellen dabei die einzelnen Anlagen dar. Zur Berechnung der optimalen Konfiguration werden
    unter anderem folgende Parameter in die Berechnung mit einbezogen: Fläche des
    Windeignungsgebietes,       Windhäufigkeiten,     Windgeschwindigkeiten,    Haupt-     und
    Nebenwindrichtung, Oberflächenrauigkeit, spezifische Rotordurchmesser der gebauten
    Anlagen oder der notwendige Abstand zwischen benachbarten Anlagen. Eine detaillierte
    Beschreibung der Abläufe im Modell findet sich unter [6] und [7].

    Abbildung 2:       Schematische Darstellung zur Veranschaulichung des Flächenverbrauchs
                       einer Windenergieanlage sowie der Randeffekte in einem erschlossenen
                       Windeignungsgebiet.

    Für die in Abbildung 1 dargestellten Windeignungsgebiete ergeben sich Leistungsdichten von
    40 MW/km2, 45 MW/km2, 30 MW/km2, 9,5 MW/km2, 20 MW/km2 und 62 MW/km2. Die
    unterschiedlichen Leistungsdichten ergeben sich in erster Linie aus den unterschiedlichen
    Formen der ausgewiesenen Windeignungsgebiete. Weist ein Gebiet wie in Abbildung 1 f) eine

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schmale, aber dafür längliche Form auf, fallen Randeffekte stärker ins Gewicht. Bei einem
solchen Gebiet müssen Abstände nur zu vergleichsweise wenigen Nachbaranlagen
eingehalten werden. Dadurch steigt die Leistungsdichte pro Fläche. In kompakteren
Geometrien (Abbildung 1 a) und 1 b)) hingegen müssen Abstände zu benachbarten
Windenergieanlagen in alle Richtungen eingehalten werden. Die Randeffekte werden damit
im Vergleich zur ausgewiesenen Fläche kleiner. Damit sinkt die relative Leistungsdichte des
Windeignungsgebietes. Abbildung 2 zeigt schematisch den Flächenverbrauch einer einzelnen
Windenergieanlage sowie die „Flächeneinsparung“ durch Randeffekte in einem erschlossenen
Windeignungsgebiet. Es ist ersichtlich, dass die Leistungsdichten von realen oder
realitätsnahen Windeignungsgebieten deutlich von den Leistungsdichten eines vereinfachten
Windparkmodelles abweichen. Unabhängig von den geometrischen Überlegungen hat auch
eine Bewaldung des Windeignungsgebietes einen großen Einfluss auf die Leistungsdichte.
Durch die erhöhte Oberflächenrauigkeit müssen größere Abstände zwischen benachbarten
Windenergieanlagen eingehalten werden. So können weniger Windenergieanlagen installiert
werden als auf einer vergleichbaren Fläche ohne Bewaldung (siehe Abbildung 1 d).

Ein weiterer Punkt, der aus Abbildung 2 klar ersichtlich wird, ist, dass der Flächenverbrauch
von Windenergieanlagen nicht mit versiegelter Fläche gleichzusetzen ist. Der Abstand, der
zwischen Windenergieanlagen einzuhalten ist, trägt mit Abstand am meisten zum
Flächenverbrauch bei. Die von einer Windenergieanlage tatsächlich versiegelte Fläche
entspricht lediglich der Fläche des Fundaments plus etwaigen Zufahrtswegen oder
notwendigen Transformatoren. Die versiegelte Fläche pro Windenergieanlage ist vom Typ
und Hersteller abhängig. Bei einer modernen 3 MW Anlage beträgt die versiegelte Fläche
rund 350 m2, der dauerhafte Platzbedarf zwischen 0,2 ha und 0,4 ha [8]. Somit fallen die
versiegelte Fläche und der dauerhafte Platzbedarf bei der Bewertung des Flächenverbrauchs
kaum ins Gewicht. Die Flächen zwischen den Windenergieanalgen können weiterhin für
beispielweise landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stehen.

Die Leistungsdichten für Windeignungsgebiete in Deutschland schwanken aufgrund der
dargestellten Faktoren stark. Für die an der FfE analysierten Flächen beträgt der Mittelwert
29,3 MW/km2. Hohe Werte liegen allerdings im Bereich von 60 MW/km2, wohingegen sich die
niedrigsten Werte im Bereich von 9 bis 10 MW/km2 befinden. Regionale Unterschiede
aufgrund von topgraphischen und klimatischen Bedingungen lassen sich klar im Mittelwert
erkennen. So liegt die mittlere Leistungsdichte in Bayern lediglich bei 25,2 MW/km2. Das ist
auf die insgesamt schlechteren Windverhältnisse in Bayern als beispielsweise in
Norddeutschland zurückzuführen. Aufgrund der schwächeren Winde werden in Bayern vor
allem Schwachwindanlagen mit größeren Rotordurchmessern installiert. Die Abstände, die
zwischen benachbarten Windenergieanlagen eingehalten werden müssen, steigen dadurch
an. Als Folge können weniger Windenergieanlagen auf derselben Fläche installiert werden.
Die Leistungsdichte sinkt. Vor diesem Hintergrund und mit dem Wissen, dass
Windeignungsgebiete in bewaldeten Gebieten eine deutlich niedrigere Leistungsdichte
aufweisen, ist fraglich, ob der Vorschlag der Bayerischen Landesregierung, verstärkt Flächen
im Bayerischen Staatsforst für Wind Onshore auszuweisen, den erhofften Rückenwind für den
Windenergieausbau in Bayern geben kann. Denn durch die geringeren Leistungsdichten muss
mehr Fläche für die gleiche installierte Leistung ausgewiesen werden.

Bei der Bewertung der Windeignungsgebiete entscheidet die tatsächliche Konfiguration
(Position und Typ der errichteten Anlagen) über die Höhe des Potenzials. Insbesondere die
Form des Windeignungsgebietes spielt dabei eine erhebliche Rolle. Diese Überlegungen
sollten beim Austausch von Bestandsanlagen durch neue Windenergieanlagen, dem

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sogenannten Repowering, ebenso berücksichtigt werden wie bei dem Neubau von
    Windparks. Denn inzwischen nimmt man an, dass der Austausch alter Anlagen durch
    modernere die Leistungsdichte einer Windvorrangfläche nicht zwangsläufig erhöht, da heute
    teilweise strengere Abstandskriterien gelten und nicht jede abgebaute Anlage ersetzt werden
    kann. Die optimale Ausnutzung der Flächen gewinnt damit noch stärker an Bedeutung
    /UBK-24822/.

    Geht man nun davon aus, dass zusätzlich ausgewiesene Windeignungsgebiete zur Erreichung
    des 2 % Flächenziels ähnliche Formen und Windverhältnisse aufweisen wie bestehende
    Windeignungsgebiete, lässt sich die Spanne der möglichen installierten Leistungen anhand
    der Ober- und Untergrenzen der Leistungsdichten abschätzen. Für Deutschland ergibt sich
    eine installierte Leistung zwischen 64 GW und 429 GW. Wird die installierte Leistung anhand
    der mittleren deutschen Leistungsdichte ermittelt, ergibt sich ein Wert von 210 GW. Der
    „Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan Strom 2037 mit Ausblick 2045, Version 2023“
    geht bei einem Flächenziel von 2 % von einer installierten Leistung von 209 GW aus [9]. Mit
    dem Ziel, 2 % der Landesfläche für Wind Onshore zu reservieren, steht im Mittel also mehr als
    ausreichend Fläche für eine installierte Leistung von über 100 GW zur Verfügung. Werden
    Windvorranggebiete zusätzlich so ausgewiesen, dass sie schmal, aber lang sind, könnte auf
    2 % der Landesfläche sogar wesentlich mehr Leistung installiert werden.

    Außerdem muss zusätzlich der aktuelle Trend zu geringeren elektrischen Leistungsdichten
    einzelner Anlagen – also das Verhältnis der elektrischen Leistung zur vom Rotor
    überstrichenen Fläche – berücksichtigt werden. Dies bedeutet, dass bei gleicher elektrischer
    Leistung zunehmend größere Rotoren eingesetzt werden. Geringere elektrische
    Leistungsdichten führen zu höheren Volllaststunden und damit zu einer gleichmäßigeren
    Windstromerzeugung über die Zeit. Neben diesen positiven Effekten für das Energiesystem
    steigt allerdings, aufgrund größerer Rotordurchmesser, der Flächenverbrauch pro Anlage.
    Insgesamt sinkt damit die installierte Leistung pro Fläche.

    Fazit
    In der dargestellten Analyse wurde gezeigt, dass die Leistungsdichte von ausgewiesenen
    Windeignungsgebieten sehr stark von deren Form und der tatsächlichen Konfiguration des
    Windparks abhängt. Die absolut installierbare Leistung auf 2 % der Landesfläche lässt sich
    somit nicht eindeutig bestimmen. Legt man allerdings die mittlere deutsche Leistungsdichte
    von 29,3 MW/km2 zugrunde, lassen sich auf 2 % der Landesfläche bis zu 210 GW an Leistung
    installieren. Die angestrebten über 100 GW installierter Leistung Wind Onshore im Jahr 2030,
    um das Ziel von 80 % EE am Bruttostrombedarf zu erreichen, sollten folglich problemlos auf
    den ausgewiesenen Flächen installiert werden können. Dies gilt auch bei rückläufigen
    Leistungsdichten      der    Windenergieanlagen.       Bei   geschickter  Ausweisung     der
    Windvorranggebiete wäre sogar deutlich weniger Fläche notwendig, um die Ziele zu
    erreichen. Nichtsdestotrotz stellen die 2 % der Landesfläche nur bedingt ein sinnvolles Maß
    für die Bewertung des Potenzials zur Erzeugung von Strom aus Windenergie dar. Konkrete
    Ziele in Form von installierter Leistung sind hier besser geeignet.

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Literaturverzeichnis
 [1]   Koalitionsvertrag zwischen SPD, FDP und Grünen- 20. Legislaturperiode - Mehr
       Fortschritt wagen - Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Berlin:
       Koalitionsvertrag zwischen SPD, FDP und Grünen, 2021.
 [2]   Hein, Fabian et al.: Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2021 - Rückblick
       auf die wesentlichen Entwicklungen sowie Ausblick auf 2022. Berlin: Agora
       Energiewende, 2022.
 [3]   SMARD - Strommarktdaten: https://www.smard.de; Bonn: Bundesnetzagentur
       BNetzA, 2021.
 [4]   Eröffnungsbilanz Klimaschutz. Berlin: BMWK, 2022.
 [5]   Schmid, Tobias; Carr, Luis; Pellinger, Christoph: Modell zur Erstellung anlagenscharfer
       Ausbauszenarien für Windkraftanlagen zur Unterstützung der Netzplanung in: 45.
       Kraftwerkstechnisches Kolloquium in Dresden. München: Forschungsstelle für
       Energiewirtschaft e.V. (FfE), 2013
 [6]   Konetschny, Claudia et al.: Windenergiepotenziale - regional hochaufgelöst. In:
       http://agitposters2018.blogspot.com/2018/07/22-windenergiepotenziale-
       regional.html. (Abruf am 2018-07-24); Salzburg: AGIT Symposium und EXPO,
       Universität Salzburg, 2018.
 [7]   Ebner, Michael: Beitragsreihe FREM: Das Windszenario-Tool WiSTl. In:
       https://www.ffe.de/veroeffentlichungen/beitragsreihe-frem-das-windszenario-tool-
       wistl/. (Abruf am 2022-02-21); München: FfE München, 2022.
 [8]   Pro Windkraft Niedernhausen - Flächenbedarf, Boden, Geologie. In:
       https://www.prowindkraft-niedernhausen.de/niedernhausen/fl%C3%A4chenbedarf/.
       (Abruf am 2022-02-23); Niedernhausen: Pro Windkraft Niedernhausen, 2022.
 [9]   Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan Strom 2037 mit Ausblick 2045, Version
       2023 - Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber. Berlin, Dortmund, Bayreuth, Stuttgart:
       50Hertz Transmission GmbH, 2022.

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