Hintergrund zum Einsatz von Biosprit aus Ackerpflanzen
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Hintergrund zum Einsatz von Biosprit aus Ackerpflanzen Aktueller Stand und Änderungsvorschläge der Europäischen Kommission Seit mehreren Monaten wird über ein Entwicklung des gesamten Verbot des Einsatzes von E10 heftig Spritverbrauchs ab. debattiert. Dabei ist E10, wenn man die Gesamtmenge an Agrosprit betrachtet, nur die Spitze des Eisberges. Schon Geschichte heute tanken die meisten Autofahrer, ohne es zu wissen, Biokraftstoffe1. In den 90er Jahren gab es in der EU Denn im Diesel an der Tankstelle sind zahlreiche Felder, die brach lagen. Grund rund sechs Prozent Biodiesel beige- dafür war eine teure Überproduktion an mischt, der zumeist aus Pflanzenöl Getreide in der Europäischen Union. hergestellt ist. Und Benzin enthält bis Landwirte, die weiterhin Fördergelder zu fünf Prozent Ethanol, ohne dass erhalten wollten, mussten daher in einem dies deutlich kenntlich gemacht bestimmten Umfang Flächen stilllegen, werden müsste. Außerdem wird um so die Überschüsse zu reduzieren. Ethanol seit Jahren noch als ETBE2 im Nach einigen Jahren wurde die Regel Superbenzin eingesetzt, um die aufgeweicht und Landwirte durften auf Oktanzahl und die Klopffestigkeit zu den Brachflächen sogenannte nach- erhöhen. wachsende Rohstoffe, also z.B. Faser- pflanzen wie Hanf oder auch Ölfrüchte Doch die Folgen des Einsatzes von anbauen, die aber nicht als Lebensmittel, Agrosprit werden zunehmend kritisch sondern nur für technische Verwendun- diskutiert. Weltweit sinkende Erntevor- gen wie z.B. Schmieröle genutzt werden räte und steigende Nahrungsmittel- durften. Daraus entwickelte sich eine preise stehen in direktem Zusammen- eigenständige Pflanzenölindustrie. hang mit der Herstellung von Biosprit Landwirte begannen, ihre Trecker umzu- aus Ackerpflanzen. Der Boom macht rüsten und mit ihrem selbst angebauten einige Landhändler, Biokraftstoffher- Rapsöl zu fahren. Um diese Anwendung steller und auch Ackerbauern reicher, weiter auszubauen, wurden Steuerbe- doch mit welchen Folgen? Die EU freiungen für verarbeitete Pflanzenöle, die Kommission plant nun Änderungen auch in normalen Dieselmotoren gefahren beim Agrosprit: Hatte die EU das werden konnten, eingeführt. Dadurch ursprüngliche Ziel, bis zum Jahr 2020 stiegen sowohl der Umfang des Rapsan- den Anteil an Agrartreibstoff auf zehn baus wie auch die Verarbeitung zu Prozent zu steigern, so will sie in Biodiesel in wenigen Jahren in Deutsch- Zukunft nur noch einen Mindestanteil land rasant an. International agierende von fünf Prozent. Ob dieses Ziel mit Ölsaaten verarbeitende Konzerne wie wirklich nachhaltig erzeugtem Biokraft- ADM, Cargill und Neste-Oil stiegen in stoff erzielt werden kann, ist umstritten diesen Markt ein. Sie verdrängten kleinere und hängt unter anderem auch von der Verarbeiter und setzten zunehmend auf billigere Pflanzenöle wie Palmöl und 1 Sojaöl. „Biokraftstoffe“ oder „Biosprit“ sind nicht „bio“. Da diese Begiffe jedoch sehr gebräuchlich sind, benutzen wir sie auch hin und wieder. Zutreffender ist es jedoch, von Agrosprit zu sprechen. 2 Ethyl-tert-butylether Spendenkonto GLS Gemeinschaftsbank eG, KTO: 33 400, BLZ: 430 609 67 Greenpeace ist vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt. Spenden sind steuerabzugsfähig.
Insgesamt werden heute im Binnenland Neben der Biodieselproduktion rund 900.000 ha Ackerland für die entstanden – wenn auch in deutlich Biodieselherstellung (Rapsanbau) sowie kleinerem Gesamtumfang – Verarbeit- 250.000 ha für die Ethanolerzeugung ungskapazitäten, um aus Stärke und belegt. Da Deutschland aber zusätzlich zuckerhaltigen Agrarrohstoffen wie Biokraftstoff vor allem aus den USA Getreide und Zuckerrüben Ethanol (Ethanol aus Mais), Argentinien (Biodiesel herzustellen, das Benzin beigemischt aus Soja) sowie Indonesien (Biodiesel aus werden kann. In Deutschland gibt es Palmöl) importiert, liegt der derzeit rund ein Dutzend Ethanolwerke Gesamtflächenverbrauch deutlich höher. mit einer Produktionskapazität von über 1,1 Milliarden Liter Ethanol. Anbau nachwachsender Rohstoffe in Deutschland Rechtliche Vorgaben Beimischung von Ethanol in Benzin, durch Beimischung von Biodiesel in Diesel, Die EU-Biokraftstoffrichtlinie gibt durch den Verkauf von reinen Pflanzen- Deutschland einen wachsenden Anteil ölen oder auch durch Verkauf von von Agrartreibstoffen am gesamten Wasserstoff oder Biogas aus Biomasse. Energieverbrauch aller Kraftfahrzeuge vor. Um diese Vorgaben zu erfüllen, hat die Wenn die Mineralölkonzerne die Bundesregierung ein Biokraftstoff- vorgeschriebene Mindestquote von 6,25 quotengesetz beschlossen, das seit dem Prozent nicht erreichen, müssen sie Jahr 2007 in Kraft ist. Darin werden die erhebliche Strafabgaben zahlen. Nur Mineralölkonzerne verpflichtet, einen wenige Motoren vertragen hohe Anteile bestimmten Mindestanteil an Agrarkraft- an Ethanol wie z.B. E85 (85 Prozent stoffen zu verkaufen. Derzeit (und Ethanol im Benzin) oder an B100, also voraussichtlich noch bis zum Jahr 2014) reinem Biodiesel oder anderem reinen liegt diese Quote bei 6,25 Prozent Biokraftstoff. Daher versuchen die (energetisch) am gesamten Treibstoff- meisten Mineralölkonzerne, ihre Quote verkauf. Die Mineralölkonzerne haben über Beimischungen wie E5, E10 oder B7 dabei verschiedene Möglichkeiten, diese zu erfüllen. Lediglich E10 muss dabei an Verpflichtung zu erfüllen: durch V.i.S.d.P.: Martin Hofstetter, Greenpeace e.V., Große Elbstraße 39, 22767 Hamburg 10/2012, S. 2
den Tankstellen auch gekennzeichnet Greenpeace in den vergangenen Jahren sein. zeigen, dass neben heimischem Raps vor allem Sojaöl und Palmöl aus Übersee eingesetzt werden. Die frühere Steuerbefreiung von Biodiesel wurde hingegen nach und nach zurück gefahren und spielt heute fast keine Rolle mehr. Daher werden nur noch fünf Prozent des Biodiesels als Reinkraftstoff verkauft, der Rest ist dem normalen Diesel beigemischt. Daneben spielen sogenannte hydrierte Pflanzenöle eine zunehmende Rolle. Darunter versteht man Pflanzenöle, die durch eine Hydrierung mit Wasserstoff umgewandelt werden und danach ähnliche Stoffeigenschaften haben wie fossiles Öl. Daher können solche Öle auch in einem höheren Umfang beigemischt werden als Biodiesel, bei dem die Beimischungs- grenze bei sieben Prozent liegt. 3 Nachhaltigkeitsverordnung Seit dem Jahr 2009 gibt es in Deutschland eine Biokraftstoff- Nachhaltigkeitsverordnung. Demnach muss Biosprit, damit er im Sinne der Erneuerbaren Energien Richtlinie (EEG) angerechnet werden kann, bestimmte Ergebnisse eines Greenpeace-Biodieseltestes Anforderungen erfüllen – unabhängig im Sommer 2011 an 14 Tankstellen davon, ob er im Inland produziert oder importiert wurde. Eine wichtige Da ein Liter Ethanol deutlich weniger Anforderung ist dabei, dass der Biosprit Energie enthält als ein Liter Benzin, erhöht im Vergleich zu fossilem Kraftstoff um sich durch die Beimischung der Benzin- mindestens 35 Prozent geringere verbrauch (in Litern). Um dennoch E10 an Klimagase erzeugt (ab dem Jahr 2017 den Tankstellen absetzen zu können, wird sogar 50 Prozent). Außerdem darf der es deutlich günstiger angeboten als Biosprit nicht von Pflanzen stammen, die Normalbenzin. auf ehemals gerodeten Urwäldern wuchsen. Die Nachhaltigkeitsverordnung Biodiesel wird in der Regel mit knapp 6 wurde allerdings wegen unzureichender Prozent dem normalen fossilen Diesel ökologischer und sozialer Kriterien von beigemischt. Insgesamt wurden in Umwelt- und Sozialverbänden kritisiert. Deutschland im Jahr 2011 2,23 Millionen Tonnen (2,53 Milliarden Liter) Biodiesel 3 Deutsche Bundesregierung (2012): Bericht zur verkauft. Davon stammt der überwie- Steuerbegünstigung für Biokraftstoffe 2011 gende Teil aus heimischer Produktion, etwa eine halbe Milliarde Liter wurde importiert. Untersuchungen von V.i.S.d.P.: Martin Hofstetter, Greenpeace e.V., Große Elbstraße 39, 22767 Hamburg 10/2012, S. 3
Klimabilanz der wichtigsten Agrokraftstoffe und fossiler Kraftstoffe im Vergleich Neuer Kommissionsvorschlag zu Ursprünglich plante die Kommission Biosprit vorzuschlagen, dass in Zukunft nur noch Biokraftstoffe auf diese Quoten Im September 2012 wurde bekannt, dass angerechnet werden dürfen, wenn sie die Kommission eine grundlegende erheblich weniger Klimagase ausstoßen Änderung ihrer bisherigen Agrospritpolitik als fossile Kraftstoffe. Dabei sollten nun plant.4 Zwar geht sie nicht ab von fixen auch indirekte Wirkungen auf die Land- Mindestquoten, sie schlägt aber vor, den nutzung, die bisher ignoriert wurden, Mindestanteil an Agrosprit am Gesamt- einbezogen werden. Zwar dürfen spritverbrauch von ursprünglich geplanten Ackerpflanzen, aus denen Biosprit zehn Prozent im Jahr 2020 auf fünf hergestellt werden soll, bereits jetzt schon Prozent zu verringern. Das würde in etwa nicht auf kürzlich gerodeten Urwald- ein Einfrieren auf heutigem Niveau flächen angebaut werden, dennoch führt bedeuten. Agrosprit faktisch zu Urwaldrodungen. Auch sollen alle Subventionen wie, z.B. Denn die starke Ausbreitung des Anbaus Steuerbefreiungen für Agrodiesel, in von Pflanzen für Agrosprit (z.B. in Form Zukunft nicht mehr erlaubt sein. Für von Ölpalmen) drängt nun die Erzeugung Deutschland ist dies allerdings weniger von Lebensmitteln in die Urwälder. Diese bedeutsam, da hierzulande Steuerbe- indirekten Wirkungen sollten zukünftig mit freiungen keine große Rolle spielen. Die berücksichtigt werden.5 Dies hätte zur Mehrkosten für Agrosprit zahlen die Folge gehabt, dass Biodiesel aus Palmöl, Verbraucher direkt an der Tankstelle über Soja und Raps – da klimaschädlicher als höhere Preise. Diesel – nicht mehr bei den Mindest- quoten berücksichtigt worden wäre. Um 4 dies zu verhindern, hat die Biodiesel- http://ec.europa.eu/clima/policies/transport/fuel/docs/co m_2012_595_en.pdf 5 Siehe Studien von IFPRI 2011 sowie JRC 2011 V.i.S.d.P.: Martin Hofstetter, Greenpeace e.V., Große Elbstraße 39, 22767 Hamburg 10/2012, S. 4
industrie, die Biodiesel aus Soja, Palmöl Mindestquoten von fünf Prozent zu und Raps herstellt, massiv Druck auf die erreichen. Angesichts der weltweit hohen Kommission ausgeübt und in letzter Getreidepreise und der knappen Lager ist Sekunde erreicht, dass indirekte jedoch eine Herstellung von Ethanol aus Landnutzungsänderungen nicht in die Getreide aus ethischer Sicht äußerst Klimaberechnung einfließen . kritisch zu sehen. Wir haben es bei Getreide mit weltweit verknüpften Ethanol aus Zuckerrohr, Zuckerrüben, Märkten zu tun. Mehr Einsatz von aber auch aus Getreide schneidet bei Getreide zur Herstellung von Biosprit einer vollständigen Klimabilanzierung, die verringert das Angebot an Lebensmitteln indirekte Landnutzungen mit und führt im schlimmsten Fall dazu, dass berücksichtigt, deutlich besser ab als Menschen sich Nahrung nicht mehr Biodiesel. Bei einer ehrlichen Klima- leisten können. bilanzierung würde daher vermutlich mehr Getreide zu Ethanol verarbeitet, um die Teller oder Tank, Verschwendung von Agrarflächen über Tiermagen und Auto Greenpeace fordert: • Das Verbot des Verkaufs von E10. • Das Verbot der Herstellung von Ethanol aus Getreide. • Die umgehende Aussetzung des deutschen Biokraftstoffquotengesetzes. • Die Bundesregierung muss sich in der EU dafür einsetzen, dass nur noch Abfälle und keine Lebensmittelpflanzen für die Biokraftstoffherstellung eingesetzt werden. V.i.S.d.P.: Martin Hofstetter, Greenpeace e.V., Große Elbstraße 39, 22767 Hamburg 10/2012, S. 5
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