40 JAHRE ENGAGIERT FÜR FRAUEN IN WUPPERTAL - FRAUENBERATUNG UND FRAUENBEWEGUNG IM WANDEL

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40 JAHRE ENGAGIERT FÜR FRAUEN IN WUPPERTAL - FRAUENBERATUNG UND FRAUENBEWEGUNG IM WANDEL
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40 Jahre engagiert
für Frauen
      FrauenBeratung und FrauenBewegung im Wandel

in Wuppertal
40 JAHRE ENGAGIERT FÜR FRAUEN IN WUPPERTAL - FRAUENBERATUNG UND FRAUENBEWEGUNG IM WANDEL
JUBILÄUMSBROSCHÜRE 2021

    40 Jahre engagiert für
    Frauen in Wuppertal
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    FrauenBeratung und FrauenBewegung im Wandel

    Liebe Leser*innen,
    im Herbst 1979 trafen sich neun junge         te. Dabei unterstützen und begleiten wir
    Frauen im Wuppertaler Frauencafé, um          Frauen jeglicher Herkunft und Lebens-
    für eine Verbesserung der Beratungssitu-      weise – eine wertvolle und schöne Ar-
    ation zu streiten. Gewalt in Beziehungen,     beit!
    sexualisierte Gewalt und Essstörungen
    waren noch absolute Tabuthemen. Der           Auf den nächsten Seiten möchten wir
    Wunsch von damals, Frauenperspekti-           den Wandel sichtbar machen, den die
    ven sichtbar zu machen, treibt uns auch       FrauenBeratung in den letzten 40 Jahren
    heute noch an. Und aus der Erkenntnis         vollzogen hat. Und nicht nur die Frauen-
    der Vereinsgründerinnen von 1981, dass        Beratung. Unsere Arbeit ist auch geprägt
    das Private politisch ist, erhalten wir als   von 40 Jahren Frauenbewegung und ge-
    FrauenBeratung + Selbsthilfe e.V. bis         sellschaftspolitischen Frauen*Bildern.
    heute diese Frauenräume in Wuppertal
    und entwickeln sie weiter.                    Wir streifen Generationenwechsel, Digi­
                                                  talisierung und reflektieren unsere
    Nach 40 Jahren ist aus dem Projekt eines      eigenen Teilhabe- und Ausschlussmecha­
    engagierten neunköpfigen Frauenkollek-        nismen. Künstlerisch gerahmt von zehn
    tivs die Institution FrauenBeratung Wup-      Illustrationen Frauenbewegung und
    pertal geworden — ein fester Bestandteil      Frauen­beratung in Wuppertal – eine klei-
    des psychosozialen Beratungsangebots          ne Zeitreise auf Papier.
    für Frauen. Wir bieten ihnen einen Ort,
    um sich über die Erfahrung von Frau-Sein Wir wünschen eine anregende und
    in der Gesellschaft auszutauschen, um i­nteressante Lektüre.
    neue Handlungsperspektiven, Ziele und
    Visionen zu entwickeln. Gleichzeitig sind Sabine Böse,
    wir Anlaufstelle für Frauen in Krisen- und Carolin Brüggeman,
                                               Cathrin Kriewen,
    Notsituationen. In der Beratung wach- Marion Schmidt
    sen Zuversicht und Mut für neue Schrit- Wuppertal, im September 2021
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Gleichstellungsbeauftragte
                         der Stadt Wuppertal
                         Roswitha Bocklage

    Grußwort von Roswitha Bocklage
    Als die FrauenBeratung 1981 gegründet        lichkeit eröffnet, schnell und unkompli-
    wurde, kannte ich als junge Frau die un-     ziert Hilfe und Unterstützung zu erfahren.
    terschiedlichen Erwartungen an Mäd-
4   chen und Jungen: z.B. wann ich nach          All diese Themen waren nicht nur eine        5
    einer Party zu Hause zu sein hatte, oder     Frage der persönlichen Beratung und Un-
    wie die Hausarbeit verteilt wurde. Dass      terstützung aller Mädchen und Frauen,
    es eine Frauenbewegung gab, die sich         die sich als solche definieren. Sie hat-
    dafür einsetzte, dass ich die gleichen       te auch immer einen politischen Aspekt.
    Rechte und Möglichkeiten habe, wie mei-      Die Frauen, die die FrauenBeratung ge-
    ne Brüder, wusste ich noch nicht.            gründet haben, waren Teil der Frauen-
                                                 bewegung die dafür gesorgt hat, dass
    Das änderte sich schlagartig im Studium.     durch politische Beschlüsse kommunale
    Feministische Themen, die Verschrän-         Frauenbüros oder Gleichstellungsstel-
    kung von Rassismus und Feminismus,           len eingerichtet wurden. Ohne sie gäbe
    die Frage nach körperlicher und gesund-      es uns als Kooperationspartner*innen in
    heitlicher Selbstbestimmung haben            der Verwaltung nicht.
    mich in meiner Studienzeit begleitet. Sei
    es an der Hochschule oder im privaten        Als ich vor mehr als 25 Jahren die viel-
    Kontext. Nachdem ich in Wuppertal „ge-       fältigen Strukturen in Wuppertal kennen
    landet“ war, hatte ich das Glück, durch      lernen durfte, war ich sehr beeindruckt.
    meine Zuständigkeit für die Arbeit des       Die Arbeit, die Themen und die Men-
    FrauenNetzes die Kolleg*innen der Frau-      schen verändern sich. Aber das Engage-
    enBeratung kennen und schätzen zu ler-       ment bleibt. Danke dafür!!!
    nen.
                                                 Ich wünsche der FrauenBeratung Be-
    Ihre Beratung von Frauen, die mit 60         ständigkeit in der Unterstützung aller
    erkennen mussten, dass sie in Armut          Menschen, die sich als Frauen und Mäd-
    alt werden würden, weil sie sich in ih-      chen identifizieren, weiterhin engagierte
    rer Partnerschaft darauf verlassen hat-      Mitarbeiter*innen und ein sich weiterhin
    ten, dass die Arbeitsteilung – sie für das   gegenseitig unterstützendes Team, eine
    Thema Care-Arbeit, er für das Thema Er-      ausreichende finanzielle Ausstattung
    werbsarbeit – nicht trägt, hat mich sehr     von Seiten der Landesregierung und der
    beeindruckt.                                 Stadt Wuppertal.

    Auch die Unterstützung und das Empo-         Wir als Mitarbeiter*innen der Gleichstel-
    werment von Frauen und Mädchen, die          lungsstelle wünschen uns auch weiterhin
    Gewalterfahrungen ausgesetzt waren –         engagierte Kooperationspartner*innen
    gemeinsam mit Frauen helfen Frauen und       wie die FrauenBeratung für die vielfäl-
    damals noch dem FrauenNotruf – habe          tigen Themen, die Mädchen, Frauen und
    ich mit viel Respekt wahrgenommen. Der       ihre Angehörigen in ihrer selbstbestimm-
    Arbeitsschwerpunkt Gesundheit – mit          ten Lebensführung bestärken.
    den FrauenGesundheitsTagen oder dem
    Thema Ess-Störungen – hat Mädchen/           Alles Gute und
    Frauen und ihren Angehörigen die Mög-        herzlichen Glückwunsch für das Team!!
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SOLIDARITÄT

    Ich kenne
    Dich nicht
    Und ich kenne Dich doch.
    Unsere Seelen sind verwandt
    Feuer und Wasser
    Leben in
    Dir und mir.

    Es ist nicht Liebe
    Wie verliebt sein,
    es schmeckt anders,
    ist dunkler,
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    tiefer,
    ohne Ende.
    Es ist
    sich zum ersten Mal begegnen
    und doch schon immer kennen.                       VERTRAUEN

    Es ist Solidarität                                 Lachen können im Schmerz,
    und Zuneigung,                                     wissen um seine
    und Freundschaft                                   Tiefe,
    aus einer anderen Zeit.                            das Trauma anerkennen,
                                                       wissen um die Kraft der
    Es ist Begegnen                                    Hoffnung;
    und Wiederfinden                                   Den Anker werfen können
    in einer neuen Zeit,                               auf festem Grund;
    kommend aus Ewigkeit.                              Werte und Wissen teilen,
                                                       parteilich sein
                                                       für das verletzte Selbst,
                                                       an der Hand balancieren
                                                       lernen
                                                       bis es das Selbst
                                                       in Freiheit
                                                       kann.

    Reflexionen
    Die gezeigten Texte „Vertrauen“ und „Solidarität“ gehören zur Ausstellung „Reflexionen“ von
    Birgit Gladbach-Eckstein und sind eine Auseinandersetzung mit Begegnungen aus
    der ­40-jährigen Arbeit als Therapeutin in unserer FrauenBeratung. Es geht ihr darum,
    ­Gedanken und Gefühle aus den Gesprächen und Begegnungen mit den Frauen zu reflektieren
     und zu teilen.
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1982 Teamfoto:
                                                          unten v. l.:
                                                          Dorothee Steinhuber,
                                                          Vera Wisnewski

                                                          Mitte v. l.:
                                                          Beate Knöbel,
                                                          Birgit Gladbach-Eckstein,
                                                          Gerlinde Morsbach,
                                                          Heidemarie Pausch,
                                                          Ulrike Seiffert-Petersheim

                                                          oben v. l.:
                                                          Gabriele Kanz-Schmidt,
                                                          Jana Reinke

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              1911 Erster Internationaler Frauentag       1974/75 Deutschlandweit werden über-
Chronologie

              initiiert von Clara Zetkin „We want bread   all Frauenzentren, Frauenbuchläden und
              and roses, too”. Der 8. März ist ein Tag    Frauenkneipen eröffnet. Die Frauenbe-
              der Solidarität im Kampf um gleiche und     wegung gewinnt weiter an Fahrt.
              bessere Arbeits- und Lebensbedingun-
              gen von Frauen weltweit. Der interna-       1978 Der erste Notruf für vergewaltigte
              tionale Frauentag hat inzwischen eine       Frauen öffnet in Berlin.
              schon über hundertjährige Tradition.
              Das Lied „Brot und Rosen“ entstand bei      1978 Die Zeitschrift Emma veröffentlicht
              einem Streik 1912, der sich unter ande-     ein Dossier mit dem Titel „Das Verbre-
              rem gegen Hungerlöhne und Kinderar-         chen, über das niemand spricht“. Damit
              beit richtete und ist seitdem eng mit dem   wird sexualisierte Gewalt bzw. Miss-
              internationalen Frauentag verbunden.        brauch an Kindern erstmalig themati-
                                                          siert.
              1918 Einführung des Frauenwahlrechts
              in Deutschland                          1981 Der Verein FrauenBeratung +
                                                      Selbsthilfe e.V. wird in Wuppertal ge-
              1959 Gleichberechtigungsgesetz          gründet. Die neun Gründungsfrauen
                                                      sind: Gunhild Küpper, Gerlinde Mors-
              1968 Zweite „Neue deutsche Frauenbe- bach, Vera Wisnewski, Ulrike Seifert-Pe-
              wegung“                                 tersheim, Gabriele Kranz-Schmid, Gisela
                                                      Borschinski, Elsa Goethel, Heidemarie
              1971 Von Alice Schwarzer initiiert be- Pausch, Birgit Gladbach-Eckstein.
              kennen sich 374 Frauen im Stern zu „Wir
              haben abgetrieben“ (u.a. Senta Ber- 1982 Die FrauenBeratung bezieht die er-
              ger, Romy Schneider). Daraufhin gehen sten eigenen Räume in der Hünefeldstra-
              zehntausende Frauen auf die Straße und ße 83 in Wuppertal-Unterbarmen (heute
              demonstrieren für das Recht auf selbst- Bücherladen von Jutta Lücke).
              bestimmte Mutterschaft und gegen den
              §218, der Abtreibung mit Gefängnis be- 1984 Mit der Unterstützung der Frauen-
              straft.                                 Beratung gründen sich in einem Jahr elf
40 JAHRE ENGAGIERT FÜR FRAUEN IN WUPPERTAL - FRAUENBERATUNG UND FRAUENBEWEGUNG IM WANDEL
1985
                                               Umzug in die Kieselstraße

                                               vorne v. l.:
                                               Barbara Topp,
                                               Ingrid Heermann,
                                               Birgitta Fildhaut,
                                               Sabine Böse,

                                               hinten v. l.:
                                               Margret Scherschel- Hanisch,
                                               Rita Schäfer,
                                               Sigrid Grimminger

     2007
     Teamfoto v. l.:
     Birgit Gladbach-Eckstein, Rita Schäfer,
     Sabine Böse, Marion Schmidt
                                                                                                       1995
                                                                              Umzug in die Laurentiusstraße

                                                                                                         v. l.:
                                                                                         Sigrid Grimminger,
10                                                                                                                11
                                                                                             Barbara Vogel,
                                                                                               Sabine Böse,
                                                                                          Ingrid Heermann,
                                                                                              Barbara Topp,
                                                                                           Birgitta Fildhaut,
                                                                                                Rita Schäfer

                  Frauengruppen mit 100 Teilnehmerin- 1994 Zum ersten Mal findet in Deutsch-
                  nen.                                      land am 8. März der Frauenstreik statt.
                                                            Die FrauenBeratung beteiligt sich enga-
                  1985 Die FrauenBeratung zieht in grö- giert an der Organisation.
                  ßere Räume in der Kieselstraße in Elber-
                  feld. Inzwischen arbeiten sieben Frauen 1995 Die FrauenBeratung zieht in die
                  im Team.                                  Laurentiusstraße in Elberfeld. Damit le-
                  Die FrauenBeratung wird nach den Richt- gen die Frauen den Grundstein für ein
                  linien des Landes NRW als Ehe- und erweitertes Gruppenangebot und mehr
                  Lebensberatungsstelle – Zielgruppe Selbsthilfegruppen.
                  Frauen – anerkannt. Sie erhält erstmals
                  Zuschüsse aus Landesmitteln in Form 1996 Die FrauenBeratung professiona-
                  von 1,5 Personalstellen. Die fehlende Fi- lisiert sich. Von der Designerin Wilma
                  nanzierung für bspw. weitere Personal- Schrader wird ein neues Logo entwickelt.
                  kosten, Sachkosten, Miete, etc., werden Zum ersten Mal lassen die Frauen auch
                  über Spenden eingebracht. 900 Frauen ihr immer umfangreicher werdendes Pro-
                  nutzen das Angebot der FrauenBeratung. gramm von der Grafikdesignerin gestal-
                                                            ten. Damit wird die FrauenBeratung nach
                  1986 Die FrauenBeratung Wuppertal ge- außen als professionelle Beratungsstelle
                  hört mit zu den ersten Beratungsstellen wahrgenommen.
                  in der neugegründeten Landesarbeitsge-
                  meinschaft der autonomen Frauenbera- 1997 Die Vergewaltigung in der Ehe wird
                  tungsstellen NRW.                         unter Straftat gestellt.

                                                        2002 Das Gewaltschutzgesetz „Wer
                  1989 Die FrauenBeratung führt die erste
                  Fachtagung zum Thema sexualisierte    schlägt, muss gehen“ tritt in Kraft. End-
                  Gewalt in Wuppertal durch. Wegen des  lich wird Gewalt in der Familie nicht mehr
                  großen Interesses findet im Folgejahr als Privatsache angesehen, sondern als
                  1990, die zweite Fachtagung statt.    Menschenrechtsverletzung. Der Schutz
                                                        der Opfer wird geregelt. Schlagende
                  1993 Gewalt gegen Frauen wird beim Täter*innen werden weggewiesen. Vor
                  UN Menschenrechtsgipfel als Menschen- allem Frauen erhalten die Möglichkeit,
                  recht anerkannt.                      die gemeinsame Wohnung auch länger
40 JAHRE ENGAGIERT FÜR FRAUEN IN WUPPERTAL - FRAUENBERATUNG UND FRAUENBEWEGUNG IM WANDEL
Team 2017
                                                                                                                      v. l. :
                                                                                                          Cathrin Kriewen,
     4.10.2011
     30 Jahre Frauenberatung                                                                                 Sabine Böse,
                                                                                                          Marion Schmidt,
     v. l.:                                                                                     Birgit Gladbach-Eckstein,
     Dagmar Hertle,                                                                                     Linda Goldschmidt
     Birgitta Fildhaut,
     Birgit Gladbach-Eckstein,
     Rita Schäfer,
     Margret Scherschel-Hanisch,
     Ulrike Düwel,
     Sabine Böse,
     Karen Blume

12                                          4.10.2011                                                                           13
                             30 Jahre Frauenberatung

                                     Teamfrauen und
                                  Rechtsanwältinnen,
                                         die uns in der­
                                  FrauenBeratung mit
                  ­Rechtsinformationsveranstaltungen
                                        ­unterstützen.

                               als 10 Tage zugewiesen zu bekommen. lisierte Gewalt in Zusammenarbeit mit
                               Eine Novellierung erfolgt im Jahr 2017. Schulen.

                               2005 Im Sommer des Jahres gründen            2007 Die FrauenBeratung führt die erste
                               Sabine Böse, Mitarbeiterin der Frauen-       Aktion zum Thema K.O.-Tropfen durch.
                               Beratung und Ilse Dittmar, Kinder- und
                               Jugendlichen-Therapeutin, mit Unterstüt-     2011 Das Übereinkommen des Euro-
                               zung von Dr. Heinz de Moll, Frauenarzt,      parats zur Verhütung und Bekämpfung
                               und Jochen Maurer, Psychotherapeut,          von Gewalt gegen Frauen und häuslicher
                               das Forum Essstörungen.                      Gewalt, die Istanbul-Konvention, wird
                                                                            verabschiedet. Das internationale Ab-
                               2005 Im September wird der Förderver-        kommen zur ­  Bekämpfung geschlechts-
                               ein FrauenBeratung Wuppertal gegrün-         spezifischer Gewalt gegen Frauen und
                               det.                                         Mädchen definiert Gewalt gegen Frauen
                               Acht engagierte Frauen beginnen mit der      und Mädchen als Menschenrechtsverlet-
                               Akquise zusätzlicher Gelder zur Finanzie-    zung und als Zeichen der Ungleichstel-
                               rung der laufenden Arbeit der FrauenBe-      lung von Frauen und Männern.
                               ratung. Innerhalb kurzer Zeit fließen über
                               1000 € auf das Konto des Fördervereins.      2012 One Billion Rising (englisch für
                               Frauen werben mit Buttons „Frauen för-       „Eine Milliarde erhebt sich“) ist eine
                               dern Frauen“ für den neuen Verein, sie       weltweite Kampagne für ein Ende der Ge-
                               beteiligen sich an Weihnachtsbasaren         walt gegen Frauen und Mädchen und für
                               und verkaufen Trödel und Kuchen auf          Gleichstellung. Sie wurde im September
                               größeren Straßenfesten wie bspw. dem         2012 von der New Yorker Künstlerin und
                               Luisenfest.                                  Feministin Eve Ensler initiiert.
                               Die FrauenBeratung unterstützt das erste
                               Mal die Vorbereitung und Durchführung        2013 Die FrauenBeratung wird mit dem
                               der Wuppertaler Frauen-Gesundheits-          Preis für „Frauen mit Profil“ in der Kate-
                               tage durch Birgit Gladbach-Eckstein im       gorie nachhaltige Projekte für Frauen im
                               Vorbereitungsteam. Das Angebot der           Bergischen Städtedreieck ausgezeich-
                               FrauenBeratung wird erweitert um Prä-        net. Die Laudatio hält der Oberbürger-
                               ventionsveranstaltungen gegen sexua-         meister der Stadt Wuppertal, Peter Jung.
40 JAHRE ENGAGIERT FÜR FRAUEN IN WUPPERTAL - FRAUENBERATUNG UND FRAUENBEWEGUNG IM WANDEL
1994
                                      Der Frauenstreik (8. März):
                                      Zum ersten Mal in Deutschland
                                      und in Wuppertal.

                                      Die FrauenBeratung beteiligt sich
                                      engagiert an der Organisation.
                                      Aktion vom Dachverband
                                      der autonomen Frauenberatungsstellen NRW e.V.

     2013 #Aufschrei trendet in den sozialen       rischen Abstimmung einstimmig
     Medien.                                       beschlossen hatte. Die Kampagne
14   Nachdem eine Frau auf Twitter über se-        „Nein heißt Nein“ startet.               15
     xistische Erfahrungen in ihrem Alltag be-
     richtet, etabliert die Netzfeministin Anne    2017 Am 30. Juni 2017 stimmt die
     Wizorek mit anderen jungen Frauen den         Mehrheit im Bundestag für die „Ehe
     #Aufschrei. Die Aktion löst eine Lawine       für alle“. Endlich wird die Institu-
     von Tweets aus. Tausende von Frauen           tion Ehe für gleichgeschlechtliche
     berichten über Bemerkungen und Über-          Paare geöffnet. Diese Entscheidung
     griffe, denen sie sich in ihrem alltäg-       ist ein Sieg der Gleichberechtigung
     lichen Leben ausgesetzt sehen und die         für die Menschen, die bisher gesetz-
     sie als sexistisch empfinden. Der #Auf-       lich diskriminiert wurden. Die Frau-
     schrei wird innerhalb weniger Tage über       enBeratung Wuppertal freut sich mit
     50.000 Mal genutzt. Die Sexismus-De-          denjenigen, die nun mehr Möglich-
     batte ist danach ein beherrschendes           keiten der Lebensgestaltung und Par-
     Thema in Printmedien und Talkshows,           tizipation erhalten.
     sowie in der internationalen Presse.
                                                   2017 Die FrauenBeratung feiert das
     2015 Anlässlich des zehnjährigen Jubi-        erste Gartenfest. Als Kooperations-
     läums des Forums Essstörungen findet          partner hat die Station Natur und
     die Ausstellung „Klang meines Körpers“        Umwelt ein Gartengrundstück für
     statt.                                        das Projekt Frauengarten zur Verfü-
                                                   gung gestellt. Damit engagiert sich
     2015 Am 12. Juni organisiert die Frau-        die FrauenBeratung auch beim The-
     enBeratung die Aktion ‚Mut schöpfen‘          ma Klimawandel, der in Wuppertal
     gemeinsam mit dem Wuppertaler Frau-           durch ungewöhnliche Hitzetage und
     enNetz und dem Runden Tisch gegen             Überschwemmungen durch Starkre-
     Häusliche Gewalt am Brunnen am Neu-           gen seine Spuren hnterlässt.
     markt in Elberfeld.
                                                   2017 Die FrauenBeratung nimmt am
     2016 Die FrauenBeratung erweitert die         von der Gleichstellungsstelle für Frau
     Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt.        und Mann der Stadt Wuppertal ins
     Die vom Ministerium für Emanzipation,         Leben gerufenen Runden Tisch LS-
     Gesundheit und Pflege geförderte Fach-        BTIQ* teil.
     stelle gegen sexualisierte Gewalt wird
                                               2017 #MeToo
     mit 1,5 Stellen besetzt und stellt sich neu
     auf, um dem hohen Beratungs- und Prä-     Im Oktober 2017 wird der Weinstein-
     ventionsbedarf in Wuppertal annähernd     Skandal publik. Zahlreiche Frauen
     nachzukommen.                             beschuldigen den Filmproduzenten
                                               Harvey Weinstein der sexuellen Be-
     2016 Am 10.11.2016 tritt das neue Se- lästigung, Nötigung oder der Verge-
     xualstrafrecht in Kraft, das der Deutsche waltigung. In Reaktion darauf ruft
     Bundestag im Juli 2016 in einer histo- die Schauspielerin Alyssa Milano
40 JAHRE ENGAGIERT FÜR FRAUEN IN WUPPERTAL - FRAUENBERATUNG UND FRAUENBEWEGUNG IM WANDEL
zur Nutzung des #MeToo auf. Sie will be-    die Nacht“ fand am 08.04.2019 in Utopia­
                     troffene Frauen ermutigen, auf das Aus-     stadt statt.
                     maß sexueller Belästigung und sexueller
                     Übergriffe aufmerksam zu machen. Seit-      2019 Das Vernetzungstreffen geflüchtete
                     dem wird dieser Hashtag millionenfach       Frauen in Wuppertal unter der Federfüh-
                     verwendet. Das Thema sexualisierte Ge-      rung der Gleichstellungsstelle der Stadt
                     walt gegenüber Frauen (und Männern)         und der FrauenBeratung organisiert am
                     steht damit wieder auf der Tagesord-        15.2.2019 einen Fachtag „Selbst- und
                     nung.                                       Fremdbilder muslimischer Frauen in
                                                                 Deutschland — zwischen Klischee und
                     2017 Die FrauenBeratung führt die           Wirklichkeit“ mit anschließendem Frau-
                     Bierdeckel-Kampagne „Sicher feiern!“        enfest. La Luna - das Fest für geflüchtete
                     durch. Anlässlich des Internationalen Ta-   und nicht geflüchtete Frauen, ist ein gro-
                     ges zur Beseitigung von Gewalt gegen        ßer Erfolg. Es nahmen über 100 Frauen
                     Frauen am 25.11.2017 macht die Bierde-      teil.
                     ckel-Kampagne auf das Thema sexua-
                     lisierte Gewalt in Wuppertaler Kneipen      2020 Die FrauenBeratung erweitert Ihr
                     aufmerksam. Die Aktion fand in Koopera-     Angebot mit einer virtuellen Beratungs-
16                   tion mit dem Runden Tisch gegen häus-       stelle für datensichere Mail- und Video-     17
                     liche Gewalt, dem FrauenNetz und der        chatberatung.
                     Dehoga Nord­rhein statt.

                     2018 Seit November 2018 können
                     Frauen nach sexualisierter Gewalt in
                     Wuppertal die Anonyme Spurensiche-
                     rung (ASS) in Anspruch nehmen.
                     Die FrauenBeratung wird zur Koordina-
                     tionsstelle. Sie leitet eine umfangreiche
 2015 Aktion         Kampagne und gibt Informationsmate-
 Mut schöpfen
                     rial heraus. Das Bethesda und das He-
 mit dem             lios Krankenhaus in Wuppertal können
 Wuppertaler
                     für die Durchführung der ASS gewonnen
 FrauenNetz
 und dem             werden.
 Runden Tisch
 gegen Gewalt
 an Frauen           2019 Die FrauenBeratung führt die
 und Mädchen         Öffentlichkeitskampagne „Frauen ero-
                     ­
 12. Juni 2015
 Brunnen, Neumarkt
                     bern die Nacht“ durch. Die Auftaktveran-
 Elberfeld           staltung der Kampagne „Frauen erobern
40 JAHRE ENGAGIERT FÜR FRAUEN IN WUPPERTAL - FRAUENBERATUNG UND FRAUENBEWEGUNG IM WANDEL
18                                                                                                19

     Corona
     und die Digitalisierung
     der Beratungsstelle
         Die Corona-Pandemie hat dazu geführt,         schaffen. So haben wir in 2020 eine
         dass sich die Frauenberatungsstelle auf       virtuelle Beratungsstelle eingerichtet,
         die Suche nach neuen digitalen Wegen          die zum Ende des Jahres online gehen
         der Erreichbarkeit und des Kontaktes ge-      konnte. Dafür haben wir auf die Sys-
         macht hat.                                    temlösung „Assisto“ von Beranet zu-
                                                       rückgegriffen. Assisto beinhaltet einen
         Der globale Krisenmodus hat sich ins-         passwortgeschützten Beratungsbereich
         besondere auf unterschiedliche Le-            für Klientinnen, eine sichere webbasier-
         bensbereiche und den Alltag von Frauen        te Email- und Videoberatung mit online
         ausgewirkt. Vieles von dem, was Frauen        Buchungsmöglichkeit, alles unter Einhal-
         vertraut ist und Sicherheit gibt, wie wohl-   tung der DSGVO.
         tuende Gewohnheiten und Halt gebende
         Routinen, hat sich massiv verändert. Ge-      Um neben der technischen Umsetzung
         meinschaftsaktivitäten und soziale Kon-       eine professionelle Online-Beratung
         takte waren stark eingeschränkt und           ­gewährleisten zu können, hat sich das
         werden es noch bleiben. Stärkende Akti-        Team auf dem Gebiet weitergebildet, so
         vitäten wie etwa zusammen Musizieren,          dass es der Frauenberatungsstelle so-
         kreative Betätigungen, gemeinsames             wohl technisch, als auch methodisch
         Feiern, Begegnungen in großen Gruppen          möglich ist, Online-Beratungsprozesse
         oder Kulturveranstaltungen sind entfal-        fachkundig umzusetzen.
         len und damit auch die kraftspendende
         Verbundenheit in der Gemeinschaft.

         Gerade in dieser Zeit war uns ein wich-
         tiges Anliegen, neue und zeitgemäße
         Zugänge für unsere Klientinnen zu                 Zur virtuellen Beratungsstelle:
Hat sich dein feministischer Gedanke in der Bera- müssten. Das zeigt sich an insgesamt we-
                                                                                                           tungspraxis im Laufe der Jahre gewandelt?            nig Mobilisierung zu Veranstaltungen wie
                                                                                                                                                                dem Frauenstreik oder dem Tag gegen Ge-
                                                                                                           Früher gab es mehr Gemeinschaft, Netzwerke und walt an Frauen. Ich würde mir wünschen,
                                                                                                           Verbundenheit mit Feministinnen. Wir sind auf die dass die Beratungsstelle nach Außen hin
                                                                                                           Straße gegangen und wir haben uns mehr gestrit- wieder kämpferischer wird und zu Themen
                                                                                                           ten im Sinne von Debatten und Auseinanderset- wie Femiziden oder der Ausbeutung von
                                                                                                           zungen im Team.                                      Frauen während der Corona-Pandemie kla-
                                                                                                           Damals waren wir noch recht unerfahren. Inzwi- re Kante zeigt.
                                                                                                           schen sind wir Beraterinnen höher qualifiziert und
                                                                                                           weitergebildet. Wir haben in den Jahren viel von un- Du arbeitest jetzt noch dreieinhalb Jah-
                                                                                                           seren ratsuchenden Frauen gelernt, so dass das Ge- re in der Frauenberatungsstelle, bevor du
                                                                                                           fälle von beratender und ratsuchender Frau heute in Rente gehst. Welchen Wunsch hast du
                                                                                                           größer geworden ist.                                 an die nächste Generation, die die Bera-
                                                                                                           Ich habe mir dennoch diese urfeminstische Haltung tungsstelle in die Zukunft führt?
                                                                                                           bewahrt, mich gegen Ungerechtigkeiten und Gewalt
                                                                                                           gegen Frauen und für ein selbstbestimmtes Leben Mein größter Wunsch wäre, dass die Frau-
                                                                                                           von Frauen einzusetzen.                              enberatungsstelle als dieser geschützte
20                                                                                                         Auch jetzt trage ich Versorgungslücken und Unge- Frauenort erhalten und weiterhin autonom           21
                                                                                                           rechtigkeiten, die für Frauen entstehen, in der Kom- bleibt, sich also nicht für Männer öffnet
                                                                                                           mune, im Land oder bundesweit in Institutionen und für alle Frauen offen bleibt.
                                                                                                           und kämpfe für Veränderungen. Auch in meiner Be- Ein zentrales Thema ist der von den Mailän-
                                                                                                           ratungspraxis hat sich wenig verändert. Weiterhin der Feministinnen 1989 geprägte Begriff

     Über alte und neue Zöpfe                                                                              nehme ich die Frau mit all ihren Anliegen ernst und „Affidamento“ oder „wie weibliche Freiheit
                                                                                                           mache ihre Ressourcen und Kompetenzen sichtbar. entsteht“. Also dass Strukturen des Sich-
                                                                                                           Ich stärke sie und schaffe Begegnungen auf Augen- Anvertrauens im Team gelebt werden. Und
     Beratung im Wandel der Generationen                                                                   höhe.                                                auch, dass Frauen, die in die Beratungs-
                                                                                                           Dennoch hat sich dieses Gefühl ein Stück weit ver- stelle kommen, sich anvertrauen können,
                                                                                                           ändert, weil es diese Bewegung wie die zweite Frau- hier gesehen, gewürdigt und ernst genom-
                                                                                                           enbewegung so nicht mehr gibt. Wir haben uns men werden in ihren Verletzungen und in
                                                                                                           damals immer sehr gegen die Männer gerichtet. ihrem So-Sein.
                                                                                                           Heute geht es in der Debatte um Transgender und Als letztes wünsche ich mir für die Frauen-
           Cathrin Kriewen fragt Sabine Böse                                                               im Feminismus mehr um Identitäten. Ich fände es beratungsstelle, dass sie in Zukunft weiter
                                                                                                           spannend, gemeinsam mit jungen Feministinnen so offen bleibt für Visionen von Frauen für
           Du arbeitest jetzt seit 31 Jahren in der         te ist Vergewaltigung in der Ehe ein Straf-    weiter zu überlegen, was das für die Frauenbera- ein selbstbestimmtes Leben frei von Ge-
           Frauenberatungsstelle und hast dadurch           tatbestand. Dafür mussten wir früher ja        tungsstelle bedeutet.                                walt.
           viel Kontakt zu unterschiedlichen Frauen.        noch kämpfen. Vieles war ein Tabuthe-
           Wie haben sich die Konflikte in Frauenle-        ma. Viele Themen sind seit den 80ern öf-       Die Frauenberatungsstelle hat sich inzwischen Sabine Böse fragt Cathrin Kriewen
           ben über diese Zeit verändert?                   fentlicher geworden.                           weitestgehend institutionalisiert. Ist das Bild von
                                                            Der Satz „Das Private ist politisch“ ist       „Sand im Getriebe“ nach 40 Jahren noch stimmig? Warum arbeitest du in der Frauenbera-
           Als die FrauenBeratung gegründet wur-            heute viel mehr umgesetzt worden.                                                                    tungsstelle und was gehört für dich zu
           de, ging es vorrangig um Themen wie „Ein         Frauen kommen heute selbstverständ-            Wir sind angetreten als autonome Beratungsstel- einer feministischen Beraterin?
           Leben frei von Gewalt“ und „Mein Körper          licher in die Beratung mit Themen wie          len, also nicht an Konfessionen und Parteien ge-
           gehört mir“. Es gab 1971 die große De-           Sexismus, Scheidung oder sexualisierte         bunden. Das sind wir immer noch. Aber durch die Die Frauenberatungsstelle ist ein toller
           monstration gegen den Paragraphen 218,           Belästigung am Arbeitsplatz.                   Institutionalisierung und die Finanzierung des Lan- Arbeitsplatz für Feministinnen. Ich fühle
           bei der es um die Selbstbestimmung un-           Und trotzdem habe ich den Eindruck,            des sind wir jetzt weniger Sand im Getriebe. Das mich gut in den Arbeits- und Teamstruk-
           serer Körper ging.                               dass vieles von dem, was wir erreicht          war früher ein ganzes Stück offener und selbstbe- turen aufgehoben, die in 40 Jahren ge-
           Auch der hierarchische und patriarcha-           haben, den Frauen heute wieder auf die         stimmter.                                             wachsen sind. Weil wir eben hierarchie­frei
           le Gesundheitsbegriff, der hauptsächlich         Füße fällt.                                    Wir haben in den 40 Jahren aber auch viel erkämpft. und basisdemokratisch organisiert sind
           mit Diagnosen arbeitete, wurde in Frage          Etwa das Thema Essstörungen. Damals            Am Anfang haben die Mitarbeiterinnen hier auf und man auch als junge Kollegin die Mög-
           gestellt. Wir haben die frauenabwertende         ein Tabu-, heute ein Schwerpunktthema          Spendenbasis gearbeitet. Inzwischen werden wir lichkeit hat, sich einzubringen, mitzuent-
           und geschlechtsneutrale Psychotherapie           der Frauenberatung. Hier wird sehr deut-       zwar adäquat bezahlt, gleichzeitig reicht es aber scheiden und Verantwortung zu überneh-
           kritisiert und ihr eine feministische Per-       lich:                                          vorne und hinten nicht, weil wir nicht zu 100 Pro- men. Das unterscheidet sich sehr von an-
           spektive gegenübergestellt. In den letzten       Auch wenn Frauen sich emanzipiert ha-          zent finanziert werden. Da ist viel Verwaltungsarbeit deren Arbeitszusammenhängen, die ja oft
           40 Jahren ist viel institutionalisiert und er-   ben, kehren sie jetzt die Konflikte, die für   auf uns zugekommen – Sand in unserem Getriebe – von männlich assoziierten Aspekten domi-
           reicht worden. Es gibt das Gewaltschutz-         sie in dieser Gesellschaft weiterhin be-       und wir müssen einen Teil der Mittel selber erwirt- niert sind wie Konkurrenz, Durchsetzungs-
           gesetz. Frauen können häusliche Gewalt           stehen, nach innen. Ihr Körper wird zum        schaften.                                             stärke und Leistung.
           anzeigen, Männer werden der Wohnung              Austragungsort. Das verstehe ich als           Ich denke dennoch, dass die Frauen in den Frau- Das, was wir hier in der Beratungsstelle
           verwiesen. Es gibt „Nein heißt Nein“. Heu-       stummen Protest.                               enberatungsstellen wieder kämpferischer sein nach Innen leben, versuchen wir aber auch
nach außen zu tragen. Wir verstehen die       Was sind für dich „alte Zöpfe“ in der Arbeit der
     Frauen, die mit ihren Eigenheiten und Un-     Frauenberatungsstelle, die du gerne abschneiden
     terschiedlichkeiten zu uns kommen eben        möchtest?
     nicht nur als Individuen, sondern auch als
     eine bestimmte Gruppe. Denn Frauen wird       Was mir da spontan als Erstes einfällt ist das Thema
     in dieser Gesellschaft ein bestimmter Platz   „weibliche Spiritualität“ als alter Zopf der zweiten
     zugewiesen und der ist mit gemeinsamen        Frauenbewegung. Mit Göttinnen-Musik, Ur-Matri-
     Erfahrungen verbunden. Für diese geteil-      archat und weiblicher Einigkeit mit der Natur kann
     ten Erfahrungen ein Ort der Reflexion und     ich persönlich überhaupt nichts anfangen und mich
     des Austausches zu sein, das bedeutet für     stört der Essentialismus daran – also ein Feminis-
     mich feministische Beratung.                  mus, der sich ausschließlich auf das biologische
                                                   Frausein bezieht. Und trotzdem habe ich nicht das
     Was führt junge Frauen in die Beratungs-      Gefühl, dass das ein Aspekt der Arbeit ist, den ich
     stelle und was können sie für sich aus        abschneiden möchte und muss. Ich empfinde es als
     der Beratung gewinnen?                        einen organischen Prozess, dass sich mit dem Aus-
                                                   scheiden älterer Kolleginnen Haltungen oder ge-
     Grundsätzlich bin ich positiv davon über-     wisse Perspektiven verändern.
     rascht, dass viele junge Frauen in die Be-    Gleichzeitig gibt es auch Themen, die einen neu-
22   ratungsstelle kommen und die Themen           en Raum für Auseinandersetzung brauchen, wie           23
     mitprägen. Da ich schwerpunktmäßig zum        zum Beispiel die Exklusivität unserer Frauenräume.
     Thema sexualisierte Gewalt arbeite, spre-     Sprechen wir mit unserem Angebot ausschließlich
     che ich viel mit jungen Frauen, die Grenz-    biologische Frauen an? Wie gehen wir mit Trans-
     überschreitungen, Sexismus, Übergriffe        frauen um? Wir sind schließlich die Fachstelle sexu-
     oder andere Formen von Gewalt erlebt ha-      alisierte Gewalt gegen Frauen in Wuppertal und wir
     ben und mit jemandem darüber sprechen         wissen, dass Transfrauen in einem hohen Maße von
     möchten. Sie fragen sich, ob das über-        sexualisierter Gewalt betroffen sind. Wie sehr wol-
     haupt Gewalt war oder sie überlegen, wie      len und können wir uns dem Thema öffnen, auch als
     sie dagegen vorgehen können.                  Expertinnen für das Thema. Da wird hier bei uns viel
     Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele    diskutiert und es ist einiges in Bewegung.
     junge Frauen in mehreren Hinsichten bela-
     stet sind. Häufig übernehmen sie eine hohe    Wie stellst du dir die Frauenberatungsstelle in
     familiäre Verantwortung. Zum Beispiel für     fünf Jahren vor?
     einen Elternteil oder die G
                               ­ eschwister. Sie
     haben den Anspruch an sich, einen sehr        Ich schätze, dass sich das Team und auch die Team-
     guten Schul- oder Uniabschluss hinzule-       dynamik sehr verändern wird. Wir werden vielleicht
     gen. Beschäftigen sich auch viel mit ihrem    jünger sein, was auch bedeutet, dass die Frauen
     Äußeren und der Wirkung, die sie auf an-      im Team an anderen biographischen Punkten ste-
     dere haben. Dazu kommen noch Themen           hen und sich zum Beispiel als junge Mütter wieder
     wie Freund*innenschaft und Liebesbezie-       mehr mit Themen wie feministischer Mutterschaft
     hung. Wie kann man sich darin wohlfüh-        beschäftigen. Gleichzeitig hoffe ich, dass mit einem
     len? Wie lassen sich Nähe und Distanz gut     jüngeren Team, die Professionalität und Qualität
     ausbalancieren? Alles zusammen erzeugt        der Beratungsarbeit aufrechterhalten werden.
     bei ihnen einen enormen Druck, worauf         Die Beratungsthemen werden auch in fünf Jahren
     sie dann mit Depression, Essstörung oder      die gleichen Themen sein. Leider bin ich sehr pessi-
     Angst und Panik reagieren.                    mistisch, was eine relevante Verbesserung in Frau-
     Meistens kommt die Frau mit dem Thema         enleben in Bezug auf Care-Arbeit, Sexismus oder
     Angst und wir schauen zusammen in das         Gewalt gegen Frauen betrifft. In den vergangenen
     Leben und es wird deutlich, wie viel An-      vierzig Jahren konnte Gewalt gegen Frauen nicht ab-
     spruch und Anforderung da sind. Das ist es    gebaut werden und ich befürchte, dass sie auch in
     dann auch, was junge Frauen aus der Bera-     Zukunft nie ganz verschwinden wird.
     tung schöpfen können:                         In fünf Jahren wird die Pandemie hoffentlich über-
     Sie können den Druck mehr reflektieren        standen sein. Da wünsche ich mir eine lebendige
     und auch die Anstrengung, die mit den         Vernetzung mit anderen Frauenzusammenhängen
     Anforderungen verbunden ist, wird sicht-      hier in Wuppertal mit viel Austausch und Diskus-
     barer. Ich denke, es kann eine wichtige       sion. Und auch die Beratungsstelle denke ich mir
     Erfahrung sein, dass die Frauen in der Be-    als einen Ort, an dem neben der Beratungsarbeit
     ratung mit dem Druck und der Anstrengung      ein Stück Gemeinschaft gelebt werden kann. Etwa
     gesehen werden, der damit verbunden ist,      in Form von Gruppenangeboten, Themen-Abenden
     eine junge Frau zu sein.                      und spannenden Veranstaltungen.
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Wir feiern Geburtstag. Dank eures Engagements von vor 40 Jahren, durch euren Mut, eure Unerschütter-
lichkeit und eure Visionen konnte dieser wunderbare feministische Frauenort in Wuppertal Wirklichkeit
werden. Deshalb gilt unser besonderer Dank allen Gründungsfrauen, Fördervereinsfrauen und Team-
frauen, die in den letzten 40 Jahren die Arbeit von Frauen für Frauen begleitet, getragen und bis heute –
schwesterlich, streitbar und verbunden – weitentwickelt haben.
Wandel bedeutet
                  auch immer Abschied
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                               Unsere langjährige Gründungsfrau und Teamkollegin Birgit Gladbach-Eckstein be-
                               endete nach 40 Jahren Frauenberatung Ende März 2021 ihre Berufstätigkeit, um in
                               einen neuen Lebensabschnitt zu wechseln.

                               Wir bedanken uns ganz herzlich für ihr frauenpolitisches Engagement und ihre er-
                               fahrene, kompetente und empathische Begleitung von Frauen in schwierigen Le-
                               benssituationen.

                               Wir bedanken uns für die Erschaffung und den Erhalt dieses besonderen wunder-
                               baren Frauenortes in Wuppertal, den sie mit ihrer Energie und unermüdlichen Kraft
                               erschaffen und erhalten hat.

                               Sie hat der FrauenBeratung ein Gesicht und eine Seele gegeben mit ihrem uner-
                               schütterlichen Gespür, ihrer Intuition, ihrem Weitblick, ihrem politischen Gewissen,
                               ihrer Spiritualität.

                               Als tragende Kraft der Frauenberatungsstelle war sie uns eine wertvolle Teamkolle-
                               gin und Vorstandsfrau.

                               Wir wünschen ihr von Herzen alles Gute für Neues.

     IMPRESSUM:
     Herausgeber: FrauenBeratung + Selbsthilfe e.V., Laurentiusstraße 12, 42103 Wuppertal, www.frauenberatungwuppertal.de
     Telefon: 0202 30 60 07, Fax: 0202 30 60 08, E-Mail: info@frauenberatungwuppertal.de

     Photocredits: Seite 12, 20, 24 Antje Zeis-Loi Illustrationen: Pia Klüver, Berlin Gestaltung: Wilma Schrader, Wuppertal
     Druck: Flyerheaven, Oldenburg

     Daten der Chronologie, vgl.: ‚EMMA bleibt mutig. Die Chronologie der Erfolge.‘ (1. Januar 2007) und ‚100 Jahre Frauenwahlrecht‘
     Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg

     Oktober 2021
Wir danken der Stadt Wuppertal, dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau- und Gleichstellung
des Landes NRW, dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW, den
SpenderInnen, SponsorInnen, FörderInnen und StifterInnen für ihre freundliche Unterstützung.

                                                                              RITA HERWEG
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