Kommunale Sozialplanung München

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Kommunale Sozialplanung München
Kommunale Sozialplanung
München
Impressum                              Fotos und Abbildungen:
                                       Landeshauptstadt München
Herausgeberin:                         Presse- und Informationsamt
Landeshauptstadt München               Michael Nagy, Deckblatt, S. 2, 4, 9, 10, 14,
Sozialreferat/Zentrale/Sozialplanung   16, 17, 18, 22, 23, 25, 27, 30, 32, 33, 36, 37
S-Z-SP                                 Stenzel Washington, Pagina (Silhouette)
Orleansplatz. 11                       Hubert Haupt Immobilien Holding, Deckblatt, S. 29
81667 München                          Caplio R4 User, Deckblatt

Redaktion:                             Grafik und Satz:
Sozialreferat/Zentrale/Sozialplanung   mansikkadesign, Mari Mansikka
Volker Hausdorf                        Druck:
Telefon:   (089) 233-21152             Stadtkanzlei
Telefax:   (089) 233-27877             Rathaus, Marienplatz 8
                                       80313 München
                                       www.muenchen.de
                                       Gedruckt auf Papier aus zertifiziertem Holz, aus
                                       kontrollierten Quellen und aus Recyclingmaterial
                                       München, Juli 2012
                                       1. Auflage 700 Stück
Inhaltsverzeichnis

Vorwort ................................................................................................................. 2

1 Entwicklung und Auftrag der Sozialplanung ........................................ 4

    1.1. Einleitung ............................................................................................... 5

    1.2. Die Sozialplanung in der Münchner Stadtverwaltung ............... 6

  1.3. Herausforderungen an eine moderne, kommunale
		     Sozialplanung ....................................................................................... 8

  1.4. Die Sozialplanung –
		     Grundlagen und sozialplanerisches Handeln ............................. 10

2. Aufgabenprofile und Umsetzung sozialplanerischen Handelns ... 14

  2.1. Neuprofilierung der kommunalen Sozialplanung
		     im Überblick ........................................................................................ 15

    2.2. Sozialplanung als Teil des strategischen Managements ........ 18

    2.3. Sozialraumplanung und Quartiersentwicklung ........................ 22

  2.4. Sozialberichterstattung als Grundlage
		     sozialer Planungs- und Handlungsprozesse ............................... 32

    1.4. Sonder- und Forschungsprojekte ................................................. 36

Literaturverzeichnis ......................................................................................... 39
Vorwort

Vorwort
Mit dieser Broschüre zeichnet
das Sozialreferat München eine
langjährige Tradition der Entwick-
lung, Erprobung und Umsetzung
sozialplanerischen Handelns in
der Münchner Sozialverwaltung
nach. In den 70er Jahren als Grund-
satz- und Planungsabteilung im
Sozialreferat gegründet, wurde die
raum- und gruppenbezogene Sozial-
planung eine wichtige Grundlage
der kommunalen Sozialpolitik.

Es ist die Kernaufgabe des Sozialreferats, München
auch angesichts immer neuer sozialer Herausforde-
rungen, die sich zum Beispiel aus dem Zuzug in die
Stadt oder dem demographischen Wandel ergeben,
als eine solidarische Stadtgesellschaft zu bewahren.
Daraus leiten sich grundlegende Aufgabenfelder ab wie
Chancengerechtigkeit herzustellen, die Teilhabe aller
Bevölkerungsgruppen am gesellschaftlichen Leben zu
gewährleisten und Wohnraum für alle Bürgerinnen und
Bürger zu schaffen und langfristig zu sichern.

Die Sozialplanung hat bei der Erfüllung dieser grund-
legenden Aufgaben eine Schlüsselfunktion. Sie be-
obachtet und beschreibt Entwicklungen, Trends und
Lebenslagen in der Stadt, entwickelt im Rahmen in-
tegrierter, partizipativ gestalteter Planungsprozesse
Zielperspektiven und liefert damit wichtige Grundlagen
für die Entscheidungen von Referatsleitung und Stadt-
politik. Darüber hinaus unterstützt sie koordinierend
und beratend die Umsetzung durch die Fachstellen im
Sozialreferat.

Die Sozialplanung trägt damit wesentlich dazu bei, den
sozialen Frieden und ein solidarisches Zusammenleben
aller Bevölkerungsgruppen in der Stadt zu gewährleisten.

                                          Brigitte Meier
1. Entwicklung und Auftrag der Sozialplanung

1. Entwicklung und Auftrag
   der Sozialplanung
1.1 Einleitung

Das Sozialreferat München hat die Auf-     ungerechten Gesellschaft. Hier ist die
gabe, Voraussetzungen für eine solida-     soziale Arbeit in München und mit ihr
rische Stadtgesellschaft in Verantwor-     die Sozialplanung immer wieder aufs
tung aller zu schaffen und durch sein      Neue gefordert.
Tätigwerden und seine Dienstleistun-
gen Menschen in ihren Fähigkeiten zu       Die Münchner Sozialplanung weist
stärken, ihr Leben selbst zu gestalten.    eine lange Tradition auf und hat in
                                           den 1970er, 80er und 90er Jahren die
Bestimmend für die Arbeit sind vor         soziale Stadtentwicklung stark mit
allem folgende grundlegende Werte          geprägt. Durch sozialpolitische Ge-
aus dem Leitbild des Sozialreferates:      setzesänderungen, aber auch durch die
•   Soziale Gerechtigkeit                  zunehmende Polarisierung der Stadt-
                                           gesellschaft in den urbanen Räumen
•   Gleichberechtigte Teilhabe aller am
                                           haben sich die Anforderungen an eine
    gesellschaftlichen Leben mit allen
                                           moderne und dienstleistungsorien-
    Rechten und Pflichten
                                           tierte Sozialplanung geändert. Auch
•   Achtung der Würde und Persönlich-
                                           die Veränderungen in der Aufbau- und
    keit der Einzelnen
                                           Ablauforganisation des Sozialreferates
•   Solidarität miteinander und Vielfalt   hin zu einer dezentralen, produktorien-
    untereinander                          tierten Fach- und Ressourcenplanung
•   Respektierung der individuellen        verlangen übergreifend eine ganzheit-
    Lebensentwürfe                         lich koordinierende sowie strategisch
                                           ausgerichtete Sozialplanung.
Um diese Werte mit Leben zu erfüllen,
bedarf es in einer Gesellschaft, die       Mit dieser Broschüre werden der Fach-
sowohl von Individualität als auch von     öffentlichkeit im ersten Teil die Heraus-
Pluralität geprägt ist, immer wieder       forderungen und Aufgabenstellungen
neuer Ziele und Arbeitsansätze. Her-       an eine zeitgemäße Sozialplanung in
kömmliche soziale Lebensformen lösen       der Großstadt München dargestellt. Der
sich auf und mit ihnen viele Sicher-       zweite Teil der Broschüre zeigt die dif-
heiten. Damit verbundene neue Lebens-      ferenzierte Beschreibung der einzelnen
möglichkeiten erweisen sich als Risiken    Aufgabenwahrnehmungen für folgende
und Chancen: Sie schaffen einerseits       Bereiche auf:
einen Zuwachs an Handlungsfreiheit,         •   Strategische Planung, Controlling
fordern andererseits von den Einzelnen,         und Sozialberichterstattung
das eigene Leben in einer komplexen
                                            •   Sozialräumliche Planung und Quar-
Welt selbst zu gestalten. Gesellschaft-         tiersentwicklung
liche Teilhabe ist abhängig von ge-
                                            •   Sonder- und Forschungsprojekte
genseitiger Achtung, vom Zugang zu
Bildungsmöglichkeiten und von einer
ausreichenden materiellen Absiche-         Ziel der Broschüre ist eine transparente
rung. Verfestigte Armut, Arbeitslo-        Darstellung der Aufgaben- und Leis-
sigkeit und anhaltende Wohnungsnot         tungsprofile der zentralen Sozialpla-
in unserer Stadt sind Merkmale einer       nung des Sozialreferats.
1. Entwicklung und Auftrag der Sozialplanung

                                       1.2 Die Sozialplanung in
                                       der Münchner Stadtver-
                                       waltung
                                       Die Sozialplanung ist Teil des Sozialrefe-
                                       rates der Landeshauptstadt München. In
                                       der Aufbauorganisation des Referates ist
                                       sie neben den Sachgebieten „Personal
                                       und Organisation“, „Finanzmanagement“,
                                       „Beschlusswesen“, „Informationsverar-
                                       beitung“ und „Bürgerschaftliches Enga-
                                       gement/Selbsthilfe“ der Referatszentrale
                                       zugeordnet. Durch die Mitgliedschaft des
                                       Leiters der Referatszentrale in der Gruppe
                                       „Steuerungsunterstützung“ (StU) ist die
                                       Sozialplanung – ebenso wie die anderen
                                       Querschnittsfunktionen der Zentrale - in
                                       engem Austausch mit der Referatsleitung.
                                       Die Gruppe StU, die direkt der Referats-
                                       leitung zugeordnet ist, umfasst außerdem
                                       die Funktionen Organisationsentwicklung,
                                       Personalentwicklung, Kommunikation und
                                       Wirkungscontrolling.

                                       Die Sozialplanung umfasst zwei Aufgaben-
                                       schwerpunkte, welche zum einen die strate-
                                       gische Planung sowie das Controlling und
                                       die Sozialberichterstattung, zum anderen
                                       die raumbezogene Sozialplanung mit der
                                       Flächensicherung für soziale Infrastruktur
                                       und der Sozialraumentwicklung beinhalten.
                                       Hinzu kommen spezifische Thematiken,
                                       wie die Zuständigkeit für das Programm
                                       Soziale Stadt, und zeitlich befristete Pro-
                                       jektaufträge. Korrespondierend mit dem
                                       vielschichtigen Aufgabengebiet arbeiten
                                       im Sachgebiet Mitarbeiterinnen und Mitar-
                                       beiter aus den Sozialwissenschaften, der
                                       Sozialpädagogik und der Verwaltungswis-
                                       senschaft interdisziplinär zusammen. Zum
                                       Stand Februar 2012 sind es 13 Personen auf
                                       ca. 11 Planstellen.

 | Kommunale Sozialplanung, München
Sozialreferat

                                                                                              Stiftungsverwaltung                    Schwerbehindertenvertretung
             Büro der Referatsleitung
                                                                                             Optimierter Regiebetrieb

                                                         Referatsleitung                                                                 Personalvertretung
          Steuerungsunterstützung (StU)                                                               Zentrale
                                                                                    Personal und Organisation, Finanzmanagement,
          Personalentwicklung, Organisations-
                                                                                     Beschlusswesen, dezentrale IT, Sozialplanung,
           entwicklung, Wirkungscontrolling,
                                                                                      Bürgerschaftliches Engagement/Selbsthilfe,
           Kommunikation, Leitung Zentrale
                                                                                          Europabeauftragter, Innenrevision

JobCenter München       Leitung der Bezirksozialarbeit                                                                                Steuerungsbereich 3
                                                                Steuerungsbereich 1                  Steuerungsbereich 2
   Gemeinsame            und der Sozialbürgerhäuser                                                                                     Amt für Wohnen
                                                              Amt für soziale Sicherung                Stadtjugendamt
    Einrichtung                   Soziales                                                                                               und Migration

                Sozialbürgerhaus
                      Mitte
                                                                                                                                          Interkulturelle
                                                                  Wirtschaftliche Hilfen             Kinder, Jugend, Familie
                                                                                                                                        Arbeit u. Migration
               Sozialbürgerhaus
             Schwabing / Freimann
                                                                     Schuldner- und
                                                                                                       Erziehungsangebote               Soziale Wohnraum-
                                                                   Insolvenzberatung/
                Sozialbürgerhaus                                                                                                            versorgung
                                                                    Betreuungsstelle
                  Orleansplatz
                                                                                                        Beistandschaften/
                                                                   Hilfen im Alter und                   Vormundschaft/                Soziale Wohnraum-
               Sozialbürgerhaus                                     bei Behinderung                    Unterhaltsvorschuss                 förderung/
               Sendling/Westpark                                                                                                       Wohnungslosenhilfe

               Sozialbürgerhaus                                                                     Angebote der Jugendhilfe
                                                                                                                                         Wohnraumerhalt
            Laim/Schwanthalerhöhe

               Sozialbürgerhaus                                                                                                        Zentrale Wohnungs-
              Neuhausen/Moosach                                                                                                             losenhilfe

                Sozialbürgerhaus
                      Nord

                Sozialbürgerhaus
          Berg am Laim/Trudering/Riem

                Sozialbürgerhaus
               Ramersdorf/Perlach

               Sozialbürgerhaus
               Giesing/Harlaching

                Sozialbürgerhaus
                Plinganserstraße

                Sozialbürgerhaus
                     Pasing

                                                                     1.2 Die Sozialplanung in der Münchner Stadtverwaltung | 
1. Entwicklung und Auftrag der Sozialplanung

                                       1.3 Herausforderungen
                                       an eine moderne,
                                       kommunale Sozial-
                                       planung

                                       Sozialplanung bewegt sich im Spannungs-
                                       feld Politik, Wissenschaft und Praxis; sie ist
                                       Sozialforschungs-, Planungs- und Koordi-
                                       nationstätigkeit zugleich. Sozialplanung
                                       ermittelt und beschreibt Bedürfnisse und
                                       Lebenslagen. Sie entwickelt vorausschau-
                                       end soziale Unterstützungssysteme und
                                       überprüft diese auf ihre Wirkungen.

                                       Sozialplanung ist eine steuerungsunter-
                                       stützende Tätigkeit, die einen wesentlichen
                                       Beitrag zu einem bedarfsgerechten, leis-
                                       tungsfähigen und wirtschaftlichen Angebot
                                       sozialer Dienstleistungen und Einrich-
                                       tungen leistet.

                                       Sozialplanung zielt in ihrer gesellschaft-
                                       lichen Funktion auf soziale Gerechtigkeit
                                       und den Abbau regionaler Ungleichheit
                                       ab. In dieser Form vertritt Sozialplanung
                                       die Sicht der Bürgerinnen und Bürger oder
                                       auch bestimmter Zielgruppen und ope-
                                       riert in diesem Sinne parteilich. Sie strebt
                                       Strukturen an, in denen sich Betroffene
                                       selbst äußern und ihr Schicksal in die ei-
                                       gene Hand nehmen können. Sozialplanung
                                       organisiert und leitet Planungsprozesse
                                       und sorgt für Mitwirkung und Beteiligung
                                       der Betroffenen in politischen und konzep-
                                       tionellen Entscheidungsprozessen. Da-
                                       durch ist sie auch in der Lage, Prozesse der
                                       Organisationsentwicklung und des Quali-
                                       tätsmanagements fachlich zu initiieren und
                                       zu begleiten. (Vgl. Sozialplanung, Verein für
                                       Sozialplanung e.V., 2011/ www.VSOP.de)

 | Kommunale Sozialplanung, München
Weiterentwicklung der
Sozialplanung in München

Seit Beginn der 1990er Jahre
haben sich die gesamtgesell-
schaftlichen Entwicklungen
entscheidend verändert. So
verlangen Umbrüche in den
sozialen Sicherungssystemen
– wie die Einführung der Pflege-
versicherung oder die Reform
der Arbeitsgesetze – ein sen-
sibles Beobachten und Analy-
sieren ihrer Folgen, um damit
zusammenhängende Entschei-
dungsprozesse auf kommunaler
Ebene qualifiziert vorzuberei-
ten. Weiterhin verändern sich
im großstädtischen Kontext
zunehmend die prekären
Lebenslagen. Tendenzen der Segregation          Dezentralisierung der Fachplanungen zur
in urbanen Räumen und Marginalisierung          Folge. Zielgruppen- und lebenslagenspe-
von Bevölkerungsgruppen nehmen zu.              zifische Planungsprozesse werden seither
Hohe Mobilität und Anonymität schwächen         nicht mehr zentral in der Sozialplanung,
tragfähige, kontinuierliche Solidargemein-      sondern in den jeweiligen Fachplanungen
schaften und Netzwerke. Nicht zuletzt           der Steuerungsbereiche verantwortet, was
fordert die wachsende Ökonomisierung im         eine hohe fachplanerische Spezialisierung
Wohlfahrtssektor immer stärker, Wirkungen       mit sich gebracht hat. Auf Grund dieser
sozialer Dienstleistungen sowohl im indivi-     Entscheidung nimmt die Sozialplanung
duellen als auch sozialpolitischen Kontext      eine zentrale Funktion der ganzheitlichen,
zu messen, zu beschreiben und zu bewer-         integrierten Planung im Sozialbereich wahr.
ten. Aktuell kommt es zunehmend darauf          Eine integrierte Betrachtungsweise sowohl
an, integrierte Planungsprozesse verbind-       auf Lebenslagen als auch unter räumlichen
lich zu gestalten, um damit einen wesent-       Aspekten erfordert ein hohes Maß an
lichen Beitrag zur Gewährleistung sozialer      verbindlicher Abstimmung und Gestaltung
Sicherheit, Teilhabe und Chancengerechtig-      zwischen den Fachplanungen und Steue-
keit in einer sich dynamisch entwickelnden      rungen der Verwaltung sowie den kommu-
Metropole wie München leisten zu können.        nalen, den frei gemeinnützigen und den pri-
                                                vaten Leistungsanbietern. Ebenso ist dieser
Die Implementierung der Fach- und Res-          Abstimmungs- und Gestaltungsprozess mit
sourcenverantwortung in den Fachstellen         dem Gesundheits-, Bildungs-, Kultur- bis
der Ämter, die sich zu Steuerungsberei-         Wirtschafts- und Arbeitssektor notwendig
chen weiter entwickelt haben, hatte eine        und letztlich mit der politischen Ebene.

                                  1.3 Herausforderungen an eine moderne, kommunale Sozialplanung | 
1. Entwicklung und Auftrag der Sozialplanung

                                        1.4 Die Sozialplanung –
                                        Grundlagen und sozial-
                                        planerisches Handeln

                                        Gesetzliche Grundlagen der Sozial-
                                        planung

                                        Sozialplanung hat die Gestaltung der
                                        sozialen Lebensbedingungen im Rahmen
                                        kommunaler Daseinsvorsorge zum Ziel, die
                                        u.a. in der bayrischen Gemeindeordnung
                                        (Art.87 Abs.1 Nr.4 BayGO) verankert ist. Die
                                        Sozialplanung kommt in der Gesetzgebung
                                        nicht als fest umrissene Begrifflichkeit vor,
                                        findet aber über zwei Zugangswege explizit
                                        ihre Berücksichtigung in den Gesetzes-
                                        werken. Zum ersten aus der räumlich-
                                        baulichen Perspektive:
                                        So ist den Städten und Gemeinden im
                                        § 1 Abs. 2 des Raumordnungsgesetzes
                                        (ROG) auferlegt, gleichwertige Lebensbe-
                                        dingungen für alle Bevölkerungsgruppen
                                        zu schaffen. Gemäß § 1 Abs. 5 des Bau-
                                        gesetzbuches (BauGB) soll die Bauleit-
                                        planung „eine nachhaltige städtebauliche
                                        Entwicklung und eine dem Wohl der All-
                                        gemeinheit entsprechende sozialgerechte
                                        Bodennutzung gewährleisten“, einseitige
                                        Bevölkerungsstrukturen vermeiden sowie
                                        die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der
                                        Bevölkerung berücksichtigen. Mit diesen
                                        programmatischen Grundsätzen wird der
                                        enge Zusammenhang von räumlichen und
                                        baulichen Entwicklungen mit der Lebens-
                                        qualität und den sozialen Bedingungen der
                                        Wohnbevölkerung hervorgehoben und die
                                        Berücksichtigung sozialer Belange für alle
                                        Planungen verbindlich festgeschrieben,
                                        was in der Praxis ein intensives Zusammen-
                                        wirken von Stadtplanung und Sozialpla-
                                        nung zur Konsequenz hat. Das bezieht sich

10 | Kommunale Sozialplanung, München
nicht nur auf Neuplanungen, sondern auch         Organisation von kommunaler
auf kritische Entwicklungen in Bestandsge-       Sozialplanung
bieten.
                                                 In der Gesetzgebung ist also die doppelte
Zum zweiten zieht sich der Planungsge-           Ausrichtung der Sozialplanung in räum-
danke quer durch die Sozialgesetzgebung.         licher wie zielgruppenspezifischer Per-
Am deutlichsten erkennbar wird dieser im         spektive bereits angelegt. Sie findet ihre
Kinder- und Jugendhilfegesetz, das den           Entsprechung auch in modernen Konzepten
Planungsaspekten einen eigenen Abschnitt         der Sozialraumplanung und -orientierung,
widmet (SGB VIII §§ 79-81). Darin ist unter      in denen die Fall- und Feldperspektiven
anderem festgelegt:                              miteinander verwoben sind. Empirisch
                                                 abgestützt werden die beiden Sichtweisen
•   Die Leistungen stehen den Berechtigten
                                                 durch die Sozialberichterstattung als unver-
    rechtzeitig, in ausreichendem Maße
                                                 zichtbarem Element der Sozialplanung. Dar-
    und in fachlich zeitgemäßer Weise zur
    Verfügung.                                   über wird eine datengestützte Beobachtung
                                                 von sozialen Entwicklungen – ebenfalls
•   Für die Ausführung dieser Angebote
                                                 mit dem doppelten Fokus von Raum- und
    bestehen die erforderlichen sozialen
                                                 Zielgruppenbezug – möglich. Ebenso bilden
    Dienste.
                                                 die Daten des Berichtswesens eine wichtige
•   Hierzu wird der Bestand an Diensten          Grundlage für die räumliche Situierung und
    und Einrichtungen festgestellt und mit       insbesondere quantitative Ausgestaltung
    dem ermittelten Bedarf abgeglichen.          des Systems sozialer Dienste.
•   Bei der Planung von Diensten und
    Einrichtungen sollen die Lebenswelten        Auf der Basis dieser Grundlagen haben sich
    und sozialräumlichen Beziehungen der         sozialplanerische Aufgaben in den Kommu-
    Zielgruppen Berücksichtigung finden.         nen und Landkreisen in verschiedensten
•   Die Planungshoheit und Gesamtver-            institutionalisierten und organisatorischen
    antwortung liegt bei den Kommunen.           Ausformungen etabliert. So finden wir sie
    Ihnen ist aber eine partnerschaftliche       in Form von Fachplanung, Standortpla-
    Zusammenarbeit mit den freien Trägern        nung, Sozialberichterstattung, strategischer
    sowie ggf. anderen Leistungsanbietern        Planung oder Stadtteilmanagement u.ä., in
    und Leistungsträgern auferlegt.              Stabsstellen organisiert oder gebündelt in
•   Die Planungen sollen zu abgestimmten         einer Abteilung. In München besteht eine
    Leistungssystemen führen, die sich           Form der Sozialplanung, wie sie aus keiner
    an den Bedürfnissen der Zielgruppen          anderen deutschen Kommune bekannt ist.
    orientieren. Wenn sinnvoll, sind hierzu      Die Größe des Sachgebietes, die Bandbrei-
    Arbeitsgemeinschaften einzurichten,          te der Aufgaben, die enge Verkoppelung
    die eine ausreichende Planungsbeteili-       mit der Stadtplanung, die zusätzlich in den
    gung sicher stellen.                         Steuerungsbereichen eigenständig orga-
                                                 nisierten Fachplanungen setzen hier einen
Das seniorenpolitische Konzept als Fachpla-      ganz spezifischen Rahmen.
nung basiert auf der Rechtsgrundlage des
Art. 69 Abs. 2 Gesetz zur Ausführung der
Sozialgesetze.

                                   1.4 Die Sozialplanung – Grundlagen und sozialplanerisches Handeln | 11
1. Entwicklung und Auftrag der Sozialplanung

                                                                  bezüglich der Rahmenbe-
                                                                  dingungen und Einfluss-
                                                                  faktoren sowie die rela-
                                                                  tive Unbestimmtheit ihrer
                                                                  Ergebnisse unterscheidet
                                                                  sie vom Vollzugshandeln.
                                                                  Und Planung braucht
                                                                  Handelnde, die aktiv,
                                                                  bisweilen auch hartnäckig
                                                                  und streitbar, mit dem
                                                                  notwendigen Handwerks-
                                                                  zeug und Fingerspitzen-
                                                                  gefühl die Zielerreichung
                                                                  verfolgen.

                                                                    Ähnlich wie in der Evalu-
                                                                    ation können wir in der
                                                                    Planung zwischen sum-
                                                                    mativer und formativer
                                                                    unterscheiden. Summativ
                                                                    kommt der Planung am
                                                                    grünen Tisch gleich, an
                                                                    deren Ende ein Planwerk
                                                                    steht, das anschließend
                                                                    zur Umsetzung kommt.
  Prozesshaftes Handeln
                                                 Formativ bedeutet eine Planung, die sich
  Wie Planungen allgemein stellt auch die        immer wieder von den auftretenden Wider-
  Sozialplanung in der Regel ein prozess-        sprüchen und Unvorhergesehenheiten
  haftes Handeln dar, das ausdrückt, über        bei der praktischen Umsetzung der Plan-
  welche Schritte die Sozialplanung von          vorgaben irritieren und in Frage stellen
  einem Zustand A zum Zustand B gelangt.         lässt und dementsprechend nachsteuert.
  Sie hat einen Anlass oder Auslöser, z.B.       In der Praxis der Sozialplanung kommen
  eine Problemfeststellung, eine Abweichung      beide Arten vor, oft eng miteinander
  im Rahmen einer Routineuntersuchung,           verkoppelt. So kann die Sozialplanung
  eine neue Erkenntnis oder einen politischen    einen räumlich gegliederten Bedarfsplan
  Auftrag. Planung soll einen Pfad in den        erstellen, für dessen Umsetzung fortan
  Dschungel der Kontingenz schlagen, sie         die Standortplanung erfolgt. Schwieriger
  soll helfen, Komplexität zu reduzieren, sich   gestaltet sich zumeist die formative Pla-
  aber zugleich ihrer Behaftetheit mit Unsi-     nung, auch deshalb, weil sie in aller Regel
  cherheiten und Risiken bewusst sein. Dafür     in vernetzten Akteurssystemen abläuft. In
  braucht jede konkrete Planung ein oder         solchen Systemen treffen Vertreter ver-
  mehrere – möglichst widerspruchsfreie –        schiedener Organisationen mit unterschied-
  Ziele, um sich nicht in Beliebigkeiten zu      lichen Interessen und bisweilen auch Ratio-
  verlieren. Das am Anfang einer Planung         nalitäten aufeinander. Von Planerinnen und
  stehende – und auch im weiteren Verlauf        Planern ist hier die Kompetenz zu einem
  wahrscheinlich immer wieder auftretende –      effektiven Managen von Aushandlungspro-
  hohe Maß an Unsicherheiten und Risiken         zessen gefragt.

12 | Kommunale Sozialplanung, München
Gestaltung und Einmischung
                                                                           Bestands-
                                                                           aufnahme
Sozialplanung wird u.a. tätig beim
Spartenumlauf der Bebauungspla-
nung, im Rechercheauftrag der Re-
feratsleitung, bei Stadtratsanträgen
und -anfragen sowie bei der Abfrage
zum Zielecontrolling. Sozialpla-              Controlling/                                              Bedarfserklärung
nung handelt auf der Grundlage                Umsetzungs-
                                                                                                          + Fachdiskurs
                                                stärke
des gesamtstädtischen Leitbildes                                      Partizipation/
und im Rahmen der vorgegebenen
                                                                       Information
Handlungsfelder des Sozialreferats.
Beides verlangt ein sensibles Be-                                       Netzwerk-
obachten und proaktives Handeln.                                        strukturen
Das betrifft z.B. den Erhalt sozial-
verträglicher Lebensbedingungen in
den Sozialräumen, das Bereitstellen                                                           Zielbildungs-
eines aussagekräftigen und validen                                                               prozess
                                                      Umsetzung                            Was wollen wir erreichen?
Berichtswesens oder die Organisa-                   der Maßnahmen                           Was müssen wir dafür
                                                                                                 anbieten?
tion der Kooperation von freier und                                                         Wie müssen wir es tun?
öffentlicher Wohlfahrtspflege.                                                                 Was müssen wir
                                                                                                 einsetzen?

Wenn die Problemlagen in einem
Quartier deutlich zunehmen, so ist
es die Aufgabe der Sozialplanung
zu recherchieren, vorliegende Daten und
Informationen zu analysieren, Kooperati-          Gestaltung geht in vielen Fällen einher mit
onspartner zu suchen, gemeinsame Ziele            Einmischung in die verwaltungstechnisch
und Vorstellungen zu entwickeln, ggf. die         geregelten Zuständigkeiten anderer Organi-
Federführung für einen längeren Planungs-         sationseinheiten, da die meisten Aufgaben
und Interventionsprozess für das Gebiet zu        der Sozialplanung so komplex angelegt
übernehmen. Treten erkennbar vermehrt             sind, dass sie nicht auf einen eng begrenz-
Friktionen zwischen freien Trägern und            ten Wirkungskreis beschränkt bleiben. Da-
dem Referat auf, so sind deren Ursachen zu        durch sind freilich immer wieder Konflikte
bestimmen, Thesen über Folgewirkungen             möglich. Auf diese muss sich die Sozialpla-
zu entwickeln und ggf. gemeinsame Run-            nung einlassen und ihnen mit Argumenten
den oder Gremien zu organisieren. Steht           und Sach- und Fachkompetenz konstruktiv
die konzeptionelle Ausrichtung eines              begegnen. Stabsstellenähnliche Funktionen
Arbeitsfelds dauerhaft in der Kritik, so          ohne Linienkompetenz wie die der Sozial-
sollten Ideen für eine Evaluation entstehen       planung haben zumeist nicht die hierar-
und an die Produktverantwortlichen he-            chische Autorität, um per Weisung zu ent-
rangetragen werden. Gefragt ist also über         scheiden. Aber die Sozialplanung hat ein
die Bearbeitung von Routineaufgaben und           klares Mandat, sich in Fälle, die Planungen
Aufträgen hinaus, selbst aktiv und kreativ        im weiteren Sinn betreffen, einzumischen.
in der Gestaltung seiner Arbeitsbereiche zu       Dabei kommt der steuerungsbereich-
werden und eigene Zielvorstellungen und           übergreifenden Planungskoordination
Positionen zu entwickeln.                         eine zunehmend wichtige Rolle zu.

                                  1.4 Die Sozialplanung – Grundlagen und sozialplanerisches Handeln | 13
2. Aufgabenprofile und Umsetzung sozialplanerischen Handelns

2. Aufgabenprofile und Umsetzung
sozialplanerischen Handelns
2.1 Neuprofilierung der Sozialplanung
im Überblick
Hat die Sozialplanung in München           Strategische Planung: Ziel- und
bisher stark die Sicherung sozialer        Strategiebildung
Infrastruktur sowie den bundesweit         •   Die Sozialplanung hat im Rahmen
modellhaften Aufbau von Instrumenten           des strategischen Managements die
der Sozialberichterstattung wie dem            Federführung und Koordination des
Armutsbericht und dem sozialräum-              Ziele- und Strategieprozesses im
lichen Monitoring gewährleistet, so            Sozialreferat.
können die zukünftigen Kernaufgaben
                                           •   Die Sozialplanung zeichnet sich für
und Funktionen – auch im Kontext der
                                               die Organisation des Prozesses zur
oben beschriebenen Veränderungen –
                                               Zielfindung inkl. Vorbereitung der
wie folgt beschrieben werden:
                                               jährlichen Strategie- sowie Ziele-
                                               und Ressourcenklausuren verant-
Grundsätzliche Ausrichtung:
                                               wortlich.

Die Sozialplanung
                                           Sozialberichterstattung
•   ist beratend für die Referatsleitung
    tätig und bringt sich im Rahmen des
    Steuerungsprozesses dort aktiv ein,    Die Beobachtung und Analyse, kritische
•   entwickelt innovative Projekte und     Begleitung und Dokumentation sozi-
    koordiniert federführend modell-       aler Prozesse durch die Sozialplanung
    hafte Entwicklungen,                   und die Steuerungsbereiche sowie
                                           die systematische und kontinuierliche
•   unterstützt durch neue strategische
                                           Sozialberichterstattung bilden die
    Zielvorstellungen für das strate-
                                           Grundlage für die Ausrichtung aller
    gische Management der Referats-
                                           sozialpolitischen Diskurse und sozial-
    leitung,
                                           administrativen Managementprozesse
•   nimmt im Sinne einer ganzheit-         im Sozialreferat.
    lichen, integrierten Sozialplanung
                                           •   Die Sozialplanung realisiert dies
    eine federführende Koordinations-
                                               durch die Federführung und aktive
    aber auch Dienstleistungsfunktion
                                               Koordination der Sozialberichter-
    gegenüber der Leistungserbringung
                                               stattung im Sozialreferat über die
    u.a. Sozialbürgerhäuser, Fachbasis,
                                               Arbeitsgruppe Sozialberichterstat-
    REGSAM (Regionalisierung Sozialer
                                               tung und Statistik.
    Arbeit in München) und der Leis-
    tungssteuerung, insbesondere der       •   Die Sozialplanung leistet die feder-
    Fachplanung in den Steuerungsbe-           führende Entwicklung und Erstel-
    reichen sowie mit den relevanten           lung von Referatssozialberichten
    Akteuren vor Ort (z.B. Bezirksaus-         (z.B. München Sozial) und von regi-
    schüssen), wahr,                           onalen Sozialberichten sowie eines
                                               Sozialreferatsmonitoring.
•   ist ein unverzichtbarer Bestandteil
    bei der Stadtentwicklung.
2. Aufgabenprofile und Umsetzung sozialplanerischen Handelns

                                                 Kooperation mit der freien Wohl-
                                                 fahrtspflege
                                                 •   Der Sozialplanung obliegt die federfüh-
                                                     rende Koordination der Kooperation des
                                                     Sozialreferates mit der freien Wohl-
                                                     fahrtspflege.
                                                 •   Unter strategischen Gesichtspunkten
                                                     ist die Sozialplanung für das Erkennen
                                                     von problematischen Entwicklungen
                                                     in diesem Kooperationsbereich verant-
                                                     wortlich und entwickelt Vorschläge für
                                                     die Referatsleitung.

                                                 Mitwirkung an der Stadtplanung und
                                                 Stadtentwicklungsplanung
                                                 •   Die Sozialplanung gewährleistet die
                                                     selbstbewusste Vertretung sozialer
                                                     Belange und Interessen des Sozialre-
                                                     ferates im Bereich der städtebaulichen
                                                     Planung, Entwicklung und Stadterneu-
                                                     erung.
                                                 •   Die Sozialplanung vertritt das Sozial-
                                                     referat im Rahmen der integrierten
                                                     Programme der Städtebauförderung
                                                     wie der Sozialen Stadt, koordiniert die
                                                     Planungsvorhaben innerhalb des Refe-
                                                     rates zu den Fachsteuerungseinheiten,
                                                     aber auch zu den anderen städtischen
                                                     Referaten.
                                                 •   Die Sozialplanung vertritt die Belange
                                                     des Sozialreferates in den Gremien zur
                                                     Stadtentwicklungsplanung.

                                                 Integrierte Sozialraumplanung und
                                                 Sicherung einer bedarfsgerechten
  Forschung und Entwicklung                      sozialen Infrastruktur
   •   Die Sozialplanung erstellt und unter-     •   Die Sozialplanung verschafft sich mit-
       stützt Analysen zur Wirkungsmessung.          tels der Entwicklung sozialräumlicher
   •   Die Sozialplanung berät die Steuerungs-       Analysen und Beschreibungen einen
       bereiche sowie die Referatsleitung bei        Überblick über Bedarfe, Wirkungen so-
       der Entwicklung und Ausgestaltung von         zialer Arbeit, Widerstände und Konflikte
       empirischen Forschungsvorhaben und            sowie Ressourcen im Stadtteil bis hin
       steht im ständigen Austausch mit den          zum Wohnquartier.
       Hochschulen der Stadt.

1 | Kommunale Sozialplanung, München
•   Die Sozialplanung koordiniert feder-
    führend Planungsprozesse u.a. in Form
    von integrierten Planungsprojekten zur
    Entwicklung sozialräumlicher Hand-
    lungskonzepte.
•   Die Sozialplanung ist im Rahmen des
    von ihr verantworteten Planungspro-
    zesses im Sinne einer integrierten und
    ganzheitlichen Beplanung des Sozial-
    raumes für die verbindliche Einbindung
    der Fachsteuerung und -planung zu-
    ständig.
•   Im Rahmen der sozialräumlichen Kon-
    zeptentwicklung ist die Sozialplanung
    federführend für die Standortplanung
    und -sicherung der sozialen Infrastruk-
    tur sowie die Abklärung von referatsin-
    ternen Nutzungskonkurrenzen oder
    unterschiedlichen Vorstellungen in der
    Region verantwortlich.

                                              2.1 Neuprofilierung der Sozialplanung im Überblick | 1
2. Aufgabenprofile und Umsetzung sozialplanerischen Handelns

                                          2.2 Sozialplanung als
                                          Teil des strategischen
                                          Managements

                                          Strategische Planung und Controlling

                                          Für die Beplanung komplexer Gegenstän-
                                          de mit dynamischen Zusammenhängen
                                          ist eine langfristig ausgelegte, strategisch
                                          orientierte Rahmung notwendig, da eine
                                          kurzfristige, operative Planung den beste-
                                          henden Unsicherheiten und entstehenden
                                          Komplexitäten nicht ausreichend begeg-
                                          nen kann. Strategische Planungen sollen
                                          über einen längeren Zeitraum hinweg Ori-
                                          entierung erzeugen. Damit werden gleich-
                                          sam Leitplanken eingezogen und Korridore
                                          geschaffen, innerhalb derer die verschie-
                                          denen Handlungsstränge und Akteure in
                                          eine vernetzte Planungsstruktur integriert
                                          werden. So kann aber auch die Entwick-
                                          lung nicht kompatibler oder sich gar
                                          widersprechender Detailplanungen durch
                                          die Ausrichtung an übergeordneten Ziel-
                                          vorstellungen vermieden werden. Um die
                                          Verbindung zur operativen Planung herzu-
                                          stellen und Verbindlichkeit und Konkretion
                                          zu erzeugen, sind die strategischen Eck-
                                          punkte in mittel- und kurzfristige Ziele her-
                                          unter zu brechen und mit einer Zeitschiene
                                          zu versehen. Entscheidend ist noch eine
                                          prozessorientierte Herangehensweise, die
                                          auf der Basis gesicherter Erfahrungswerte
                                          und eventuell veränderter Rahmenbedin-
                                          gungen Möglichkeiten der Nachsteuerung
                                          bietet.

18 | Kommunale Sozialplanung, München
Die Rolle der Sozialplanung in der                  umfassende „Stadtentwicklungsplanung
Stadtentwicklungsplanung                            im Prozess“ angelegt, um auf die sich
                                                    immer rascher verändernden sozioökono-
Welche Gestalt soll München in den nächs-           mischen und demografischen Rahmenbe-
ten Jahrzehnten annehmen? Wie können                dingungen vorbereitet zu sein und flexibel
wir heute aber auch in Zukunft gut leben,           reagieren zu können.
wohnen und arbeiten? Welchen Einfluss ha-
ben wirtschaftliche, politische und gesell-         Als festes Mitglied der referatsübergrei-
schaftliche Entwicklungen auf das Leben             fenden Gremien zur Stadtentwicklungs-
in München? Wie können Stadtteile durch             planung achtet die Sozialplanung auf die
Stadtteilentwicklung gestärkt werden? Wie           soziale Verträglichkeit von eingebrachten
kann der soziale Frieden in der Stadtgesell-        Vorstellungen, z.B. in den Bereichen Sied-
schaft durch eine soziale Kommunalpolitik           lungsentwicklung, Wirtschaft oder Bil-
gesichert werden? Was muss für den Erhalt           dung, und bringt in Abstimmung mit den
und die Weiterentwicklung eines kinder-             Führungsgremien des Sozialreferats und
und familienfreundlichen München getan              den Fachstellen der Steuerungsbereiche
werden? Aus diesen und anderen Grund-               Vorschläge für eine soziale Entwicklung
satzfragen wird der enge Zusammenhang               Münchens ein. Ein besonderes Augenmerk
von räumlichen wie baulichen Entwicklun-            liegt dabei auf der Aufrechterhaltung des
gen mit der Lebensqualität und den sozi-            „Münchner Mix“, der durch eine gemischte
alen Bedingungen der Wohnbevölkerung                Bevölkerungsstruktur in möglichst vie-
und somit auch von Stadtentwicklungspla-            len Stadtvierteln die Entstehung sozialer
nung und Sozialplanung deutlich.                    Brennpunkte verhindern soll. Um die relativ
                                                    abstrakt formulierte „Perspektive Mün-
Der Sozialplanung obliegt für das Sozial-           chen“ mit einzelnen fachpolitischen Feldern
referat die federführende Vertretung im             zu verbinden, gibt der Stadtrat die Ausar-
gesamtstädtischen Prozess der Stadtent-             beitung von „Leitlinien“ in Auftrag. Soweit
wicklungsplanung sowie innerhalb des                diese Leitlinien unter der Federführung des
Referats eine exponierte Position, was              Sozialreferats entstehen, übernimmt die
die Entwicklung und das Controlling der             Sozialplanung hierfür eine koordinierende
Referatsstrategie betrifft. Hiermit besitzt         Funktion.
die Sozialplanung einen gewichtigen Anteil
an der Steuerungsunterstützung für die              Die Rolle der Sozialplanung im strategi-
Referatsleitung.                                    schen Management des Sozialreferats

Das zentrale Instrument, mittels dessen in          Seit Ende der 1990er Jahre formuliert das
München die Strategien für die Stadtent-            Sozialreferat jährlich Ziele, die dem Stadtrat
wicklungsplanung ausgearbeitet werden,              zur Abstimmung vorgelegt werden. Damit
stellt die „Perspektive München“ dar. Sie           wird das eher vollzugsorientierte Handeln
zeigt Chancen und Risiken für die wirt-             der Sozialverwaltung von einer stärker stra-
schaftliche, soziale, räumliche und regio-          tegisch ausgerichteten Steuerung des Re-
nale Entwicklung der Stadt auf. Dabei ist           ferats überwölbt. Die federführende Orga-
sie nicht als starrer Plan, sondern als eine        nisation des Prozesses zur Zielaufstellung

                                               2.2 Sozialplanung als Teil des strategischen Managements | 19
2. Aufgabenprofile und Umsetzung sozialplanerischen Handelns

  und zur Überprüfung der Zielerreichung         Zeithorizont und einem damit verbundenen
  liegt bei der Sozialplanung, die dabei auch    Finanzrahmen stellen gleichsam deut-
  Impulse der Gruppe StU aufnimmt. Hierzu        liche Richtungskoordinaten für die soziale
  wird eine jährlich statt findende Strategie-   Landschaft Münchens dar. Ein ergänzendes
  klausur für den Führungskreis des Referats     Strategiecontrolling kann Aufschluss über
  seitens der Sozialplanung vorbereitet und      den Fortgang der Zielerreichung geben. Die
  moderiert. In einer sich anschließenden        Federführung für dieses Feld liegt bei der
  Ziele- und Ressourcenklausur – gemeinsam       von der Sozialplanung geleiteten Arbeits-
  organisiert mit dem ebenfalls der Zentrale     gruppe Ziele und Controlling.
  zugeordneten Finanzmanagement – werden
  die Ziele präzisiert und falls notwendig mit   Beobachtung der Ziele- und Strategie-
  entsprechenden Finanzen gekoppelt.             entwicklung

  Die Konzentration allein auf jährliche Ziele   Um die Entwicklung der Ziele, aber auch
  lässt jedoch mit ihrer recht kurzen Zeit-      insgesamt der Leistungen des Referats
  perspektive nur schwerlich einen wirk-         und die dafür notwendigen Finanzmittel zu
  lichen Orientierungsrahmen entstehen,          verfolgen, besteht im Sozialreferat ein dif-
  an dem sich die soziale Arbeit in München      ferenziertes Controllingwesen. Dies wurde
  zumindest mittelfristig ausrichten könnte.     zur Vermeidung einer einseitigen Konzent-
  Hinzu kommt, dass die Fachplanungen            ration auf Finanzdaten von Beginn an in
  produktbezogen in den Steuerungsberei-         enger Kooperation von Finanzmanagement
  chen organisiert sind, wodurch eine eher       und Sozialplanung entwickelt und gemein-
  segmentierte und versäulte Steuerungslo-       sam bearbeitet. In diesem Rahmen werden
  gik besteht, welche eine Ausrichtung des       turnusmäßig Controllingberichte erstellt,
  Referats an integrierten Planungsansätzen,     die auf den Berichten der Ämter aufbau-
  die die Wechselbeziehungen von Leistun-        en. Dieses Berichtswesen unterstützt die
  gen deutlich einbeziehen, stark einschränkt.   Referatsleitung bei der Steuerung des
  Als Konsequenz wird zukünftig der Prozess      Sozialreferats und eröffnet die Möglichkeit,
  der Zieleaufstellung stärker strategisch       bei kritischen Entwicklungen die Ursachen
  ausgerichtet. Eine Setzung weniger stra-       zu identifizieren und frühzeitig Maßnahmen
  tegischer, mittelfristiger Handlungsfelder     der Gegensteuerung einzuleiten. Ergänzt
  dient der Konzentration auf ein gut begrün-    wird dieses Berichtswesen durch ein wir-
  detes und akzentuiertes Kerngeschäft. Das      kungsorientiertes Controlling, das in der
  ist angesichts einer seit Jahren instabilen    Gruppe StU verankert ist.
  kommunalen Haushaltslage auch finanziell
  geboten.                                       Für eine weitreichendere Analyse der Daten
                                                 und die (Fort)Entwicklung integrierter
  Ausgehend von den zentralen sozialen           Strategien ist die enge Verbindung mit
  Herausforderungen Münchens werden              der Sozialberichterstattung von hoher
  somit vom Führungskreis des Sozialrefe-        Relevanz. Diese resultiert zwar in weiten
  rats mittelfristige strategische Handlungs-    Teilen aus der gleichen Datenbasis wie das
  felder gesetzt und darauf basierend sowohl     Controlling. Doch während unter Control-
  mittelfristige Ziele festgelegt als auch       linggesichtspunkten die etwas isolierte
  Maßnahmenpläne zu deren Erreichung             Betrachtung einzelner Produktergebnisse
  entwickelt. Verbindlichkeit erhalten diese     im Vordergrund steht, ergibt eine sinnvolle
  durch eine jährliche Beschlussfassung im       Verknüpfung unterschiedlicher Daten in der
  Stadtrat. Die darin zum Ausdruck kommen-       Sozialberichterstattung Plausibilitätshin-
  den Strategien mit ihrem mehrjährigen          weise bezüglich der Wirkung von Maßnah-

20 | Kommunale Sozialplanung, München
men und unterfüttert empirisch die Auf-
stellung von Prognosen, die wiederum der
                                                       Kinder- und familienfreundliches Wohnen
Fortschreibung von Strategien dienen.
                                                       in der Stadt
Kommunikation und Abstimmung
strategischer Planungen                                Ein Beispiel für diese Funktion in der Stadtent-
                                                       wicklungsplanung ist das Leitprojekt „Kinder-
In übergreifenden strategischen Planungen              und familienfreundliches Wohnen“ im Rahmen
bündeln sich differenzierte Handlungs-
                                                       der „Perspektive München“. Hier übernimmt
stränge mit einer großen Anzahl an Ak-
                                                       die Sozialplanung nicht nur für das Sozialreferat
teuren sowohl aus der Verwaltung wie auch
von externen Kooperationspartnern. Um in               die Federführung, sondern sorgt gemeinsam
diesem Geflecht gemeinsame Zielvorstel-                mit dem Referat für Stadtplanung und Bauord-
lungen und kompatible Handlungsschritte                nung für die stadtweite Koordination. Nach der
sicher zu stellen, braucht es Möglichkeiten            Untersuchung exemplarischer Bestandsgebiete
zur Kommunikation und Abstimmung. Die                  auf ihre Familienfreundlichkeit, wurden dem
verwaltungsinterne Koordination erfolgt
                                                       Stadtrat Empfehlungen für die Verbesserung
über eine von der Sozialplanung geleitete
                                                       vorgelegt, anschließend eine allgemein an-
Arbeitsgruppe Planung, an der die Ämter
des Referats und ggf. weitere Dienststellen            wendbare Checkliste erarbeitet und öffentliche
beteiligt sind, sowie über projektbezo-                Veranstaltungen und Schulungen durchgeführt.
gene Abstimmungsrunden mit einzelnen                   Ergänzend kommen ein Internetauftritt und eine
Fachplanungen aus den Ämtern. Auf der                  Best-Practice-Broschüre hinzu. Anhand aus-
externen Ebene sind insbesondere die Ko-               gewiesener Vorhaben der Referate wird inner-
operationsbeziehungen mit den zentralen
                                                       halb der nächsten vier Jahre auf allen Ebenen
Organisationen der freien Wohlfahrtspflege
von hoher Relevanz. Deshalb besteht die                versucht, verschiedene Facetten des Zieles,
sogenannte „Arbeitsgemeinschaft Sozi-                  Familien in der Stadt zu halten, umzusetzen.
ales“, in der Vertretungen aus den Ämtern              Dabei reichen die Ebenen vom Wohnungszu-
des Sozialreferats sowie aus dem Referat               schnitt über die Wohngebäude, die Grün- und
für Bildung und Sport und dem Referat                  Spielflächenversorgung, die Erholungsflächen-
für Gesundheit und Umwelt mit den Pla-                 gestaltung, die Verkehrsbeziehungen bis hin
nungsbeauftragten der Wohlfahrtsverbän-
                                                       zur notwendigen sozialen wie technischen
de zusammen kommen, um bedeutende
Planungen und Kooperationsfragen abzu-                 Infrastruktur und zur Gestaltung von Quartieren
klären. Bei problematischen oder konflikt-             und Stadtvierteln. Weitere in diesem Kontext zu
haften Entwicklungen in diesem Koope-                  bearbeitende Themen sind die Planungsbeteili-
rationsfeld erarbeitet die Sozialplanung               gung von Kindern und Jugendlichen, die Unter-
Vorschläge für die Referatsleitung, die                stützung der Netzwerkbildung für Alleinerzie-
sodann mit den Spitzenvertretungen der
                                                       hende und Familien ebenso wie die Einrichtung
freien Wohlfahrtspflege verhandelt werden.
                                                       von Konfliktmanagement oder die Beratung zum
                                                       barrierefreien Bauen.

                                           2.2 Sozialplanung als Teil des strategischen Managements | 21
2. Aufgabenprofile und Umsetzung sozialplanerischen Handelns

                                          2.3 Sozialraumplanung
                                          und Quartiersentwicklung
                                          Entwicklung und Umsetzung der
                                          integrierten Sozialraumplanung

                                          Die Stadt München gliedert sich in eine
                                          Vielzahl von regionalen Unterteilungen.
                                          Es gibt sowohl verwaltungsadministrative
                                          Gliederungen als auch aus der Bevölkerung
                                          hervorgegangene Bezeichnungen. Der indi-
                                          viduell wahrgenommene Sozialraum wird
                                          jedoch je nach Lebenslagen vielfach über
                                          die sozialgeografischen Grenzen hinaus
                                          definiert. Das Stadtgebiet München stellt
                                          also kein homogenes Gebilde dar, sondern
                                          weist unterschiedliche Feinstrukturen auf:
                                          kleinteilige Sozialräume wie Stadtbezirk,
                                          Stadtteil und Quartier, Straßenzüge oder
                                          Wohnblöcke.

                                          Die Lebensverhältnisse der Menschen in
                                          einem Stadtteil sind zum einen durch die
                                          räumliche Beschaffenheit und zum anderen
                                          durch die objektive Sozialstruktur wie auch
                                          durch die subjektiv empfundene soziale
                                          Situation geprägt.

                                          Das Soziale prägt den Raum: Soziale Merk-
                                          male wie Altersstruktur, Einkommensver-
                                          hältnisse, Familiengröße und -zusammen-
                                          setzung, Nationalität, Bildungsgrad oder
                                          Religion bestimmen das Milieu und somit
                                          auch die Lebensqualität einer Region. Je
                                          stärker eine Region durch Prozesse sozialer
                                          Auswahl und Schichtung beeinflusst wird,
                                          desto bestimmender wird die Prägung
                                          des Raumes durch soziale Probleme oder
                                          Ressourcen. Der Raum prägt das Soziale:
                                          Für Menschen bedeutsame Lebensbedin-
                                          gungen sind regional beeinflusst, z. B. über
                                          die Qualität von Wohnquartieren, die Ver-

22 | Kommunale Sozialplanung, München
sorgungsstruktur (Geschäfte,
Behörden, Ärzte etc.) oder die
Einzugsbereiche von Einrich-
tungen und Angeboten für
Kinder und Jugendliche. Die
Sozialräume prägen also einer-
seits den Menschen, als auch
die darin lebenden Menschen
prägen mit ihrem Nutzungsver-
halten, Lebenslagen, Merkma-
len und sozialen Interaktionen
den Raum (vgl. Stange, Walde-
mar, Sozialraum- und Lebens-
weltanalyse, 2006,S.5 ff).

Bedingt durch die zunehmende
Spezialisierung der Fachpla-
nungen in einer produktori-
entierten Verwaltungs- und
Steuerungslogik haben sich die
Anforderungen an die räum-
liche Sozialplanung grundlegend erweitert.      sich der Vorteil, dass einzelne Planungsbe-
Diese ausdifferenzierten Fachplanungen,         reiche wie Verkehr, Bauen, Wohnen, Infra-
die nur schwerlich einen sozialräumlichen       struktur sowie Stadtentwicklung verstärkt
Blick entwickeln und hierfür auch nicht die     in den Blick genommen werden können;
ausreichenden Personalressourcen besit-         mithin Bereiche, in denen auch zukünftig
zen, verlangen zusätzlich eine koordinieren-    umfassend mit und für Menschen und
de wie integrierende Sozialraumplanung.         deren Lebenslagen auf der lokalen Ebene
Dies verdeutlicht sich beispielsweise an        geplant wird.
Lebenslagen wie Kinder- oder Altersarmut,
die eher quer zu den Themen der produk-         Der Ansatz einer integrierten Sozialraum-
torientierten Fachplanung liegen. Hier ist      planung weist damit Wege in innovative
auf der sozialräumlichen Ebene eine „Auf-       kommunale Planungsstrukturen, die es er-
lösung“ sowie Vernetzung der Fachgebiete        möglichen, auf die gestiegene Komplexität
auch über das „Soziale“ hinaus erforder-        städtischer Lebensräume angemessen zu
lich. Neben der integrierten Betrachtung        reagieren. Vor diesem Hintergrund entwi-
von Lebenslagen, die sich jenseits der          ckelt sich auch die Sozialplanung in Mün-
isolierten Zuständigkeit einzelner Hilfearten   chen, die jene integrative Bedeutung von
ergibt, hat dies den Vorteil, dass räumliche    Lebenslagen und Raumbezügen aufnimmt,
Komponenten stärker als bisher in den Vor-      notwendigerweise zu einer integrierten So-
dergrund treten, die aus dem Einbezug, der      zialraumplanung und -gestaltung, zu einem
Vernetzung und der Aktivierung von Ak-          Prozess, der vielfältige (Teil)Planungen zu
teuren resultieren können. Weiterhin ergibt     einem Ganzen, an Lebenslagen orientiert,

                                                 2.3 Sozialraumplanung und Quartiersentwicklung | 23
2. Aufgabenprofile und Umsetzung sozialplanerischen Handelns

Sozialregion – Stadtbezirk – Stadtteil – Quartier – Sozialraum

Zu unterscheiden ist zunächst zwischen den verwaltungsgeografischen Raumstrukturen
(Stadtbezirke/Stadtbezirksviertel/Schulsprengel) und individuell wahrgenommen Lebensräu-
men/Quartieren.
Der Stadtbezirk umschreibt mit klaren Grenzen (Straßen) hierbei eine Verwaltungseinheit,
um eine kleinräumige Bearbeitung von Planungen gewährleisten zu können. Die Verwaltung
bildet in der Regel die Stadtbezirksstrukturen mittels zuständiger Organisationseinheiten
(z.B. durch Teams), sei es im Straßenbau, der Abfallwirtschaft, aber auch dem Sozialwesen,
ab. Ein wichtiger Meilenstein zur Unterstützung der Entstehung und Verbesserung von Netz-
werken im Sozialraum war 1998 die Entscheidung des Stadtrats, die Organisation der sozialen
Dienstleistungen Münchens in 13 Sozialregionen mit jeweils einem Sozialbürgerhaus (SBH)
aufzuteilen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SBHs sind näher vor Ort, die Aneignung
von Kenntnissen zum jeweiligen Sozialraum wird dadurch unterstützt und andere Vor-Ort-
Akteure sind schnell erreichbar. Aufgabe der Sozialplanung war und ist dabei die Sicherung
von gut erreichbaren Sozialbürgerhausstandorten. Die Sozialregionen sind innerhalb der
SBH in Teilregionen unterteilt, mit dem Ziel der Sicherung des „Sozialraumbezuges“ in der
Leistungserbringung durch die Bezirkssozialarbeit. Die Aufteilung und Definition der Grenzen
ist hierbei auch innerhalb der Verwaltung nicht immer eindeutig. So sind z.B. Schulsprengel
abhängig von den Bevölkerungszahlen, nicht aber vom Quartiersbezug der potentiellen Schüle-
rinnen und Schüler.
Das Quartier ist i.d.R. ein kleinerer Teil des Stadtbezirks, der durch „zusammenhängende“
Straßenumgriffe entsteht und von den Bewohnerinnen und Bewohnern mehr oder weniger
eindeutig wahrgenommen wird. Ein Planungsteam der Verwaltung wird hierzu unter Umstän-
den eine andere Wahrnehmung haben als die von Veränderungen betroffenen Bewohnerinnen
und Bewohnern. Dies mag als Beleg für die Notwendigkeit von Partizipationsgremien dienen.
Deren Ziel ist, die Betroffenenperspektive mit der Verwaltungsperspektive so abzugleichen,
dass Planung nicht an den Bürgerinnen und Bürgern vorbeigeht.
Der Sozialraum letztendlich ist sogar noch weiter – nämlich quartiersunabhängig – zu fassen.
Der Sozialraum wird individuell wahrgenommen und kann institutionelle Orte (z.B. Schule)
genauso umfassen wie Treffpunkte. Diese müssen nicht zwangsläufig im Quartier sein, noch
zusammenhängen – in einer Stadt wie München sind, bedingt durch die hohe Mobilität, Sozial-
räume Einzelner oft auf das gesamte Stadtgebiet verteilt.
Bei der Eingrenzung eines Gebiets sind logische Zusammenhänge, welche sich aus dem Gebiet
ergeben oder durch die dort lebenden Menschen festgelegt werden, z.B. die ökonomische
oder verkehrstechnische Infrastruktur, die vorherrschende Bauweise oder das vorherrschende
Sozialmilieu, zu berücksichtigen. Das definierte Aktionsgebiet kann einmal die Größe von zwei
Stadtbezirksvierteln haben, einmal ein Neubaugebiet sein und einmal nur einige Straßenzüge
umfassen. Die Festlegung von Gebietsgrenzen muss nach obigem Verständnis jedes mal neu,
im Kontext der jeweiligen Zielsetzung durch die Sozialplanung getroffen werden.

        24 | Kommunale Sozialplanung, München
integriert. Deshalb bedarf es
einer besonderen Moderation
und Koordination, die über die
Teile hinweg das Ganze zusam-
men bindet. Dabei bilden etab-
lierte Netzwerkstrukturen wie
REGSAM (Regionalisierung So-
zialer Arbeit in München) eine
sehr gute Grundlage. Auch die
positiven Erfahrungen der refe-
ratsübergreifenden Planungs-
ansätze im Rahmen des Bund-
Länder-Programmes „Die
Soziale Stadt“ sind eine weiter
zu entwickelnde Grundlage für
eine integrierte Sozialraum-
planung. (vgl. Lutz, Roland,
Integrierte Sozialraumplanung
S.4 ff, Erfurt 2007).

In einem gut funktionierenden
Quartier besteht unter den Bewohnerinnen      erungsstruktur etabliert, die sehr zielgenau
und Bewohnern sowohl ein hoher Grad an        auf einzelne Bedarfsgruppen zugeschnitten
Identifikation mit dem Quartier als auch      ist. Hierbei wird es in Zukunft von Bedeu-
ein Konsens zu den Formen des Miteinan-       tung sein, die vorhandenen Angebote
der-Lebens. Hierzu gehört insbesondere        bereits in der Planungsphase stärker mit-
die gegenseitige Akzeptanz unterschied-       einander zu koppeln. Als Beispiel seien hier
licher Kulturen und das Kennen der Mög-       unterschiedliche altersintegrative Ange-
lichkeiten und Grenzen innerhalb des als      botsformen und Einrichtungen genannt, die
„Sozialraum“ wahrgenommenen Quartiers.        stärker das Quartier insgesamt in den Blick
Unterstützt werden muss dies durch eine       nehmen, ohne in direkte Konkurrenz zu not-
ausreichende soziale Infrastruktur, die ge-   wendigen zielgruppenspezifischen Ange-
währleistet, dass Einzelne und Gruppen die    boten und Einrichtungen zu treten. Ziel ist,
für sie notwendigen Angebote im Gebiet        mit optimaler Nutzung von Räumlichkeiten
und der unmittelbaren Umgebung vorfin-        mehrere Angebotsformen sozialer Leistun-
den. Als wichtige Stichworte seien Chan-      gen (z.B. Treffpunkt für ältere Bürgerinnen
cengerechtigkeit und Teilhabe genannt.        und Bürger als auch Anlaufstelle für junge
                                              Menschen nach der Schule) an einem Ort
Es gibt unterschiedliche, etablierte          zu schaffen. Diese Projekte verbinden die
Angebotsformen (Jugendfreizeitstätte,         unterschiedlichen Leistungen der Steue-
Kindertagesbetreuung und Alten-Service-       rungsbereiche im Sozialreferat und werden
Zentren), aber auch die Notwendigkeit,        daher in der Entstehung und konzeptio-
neue Angebotsformen zu entwickeln. Wie        nellen Gestaltung durch die Sozialplanung
in den vorangegangenen Kapiteln beschrie-     koordiniert bzw. begleitet.
ben, hat sich in den vergangenen Jahren
durch die Umsetzung des Neuen Steue-
rungsmodells eine konzeptionelle Fachsteu-

                                               2.3 Sozialraumplanung und Quartiersentwicklung | 25
2. Aufgabenprofile und Umsetzung sozialplanerischen Handelns

                                                      Bauordnung sowie dem Bildungsbericht
Die Arbeit in Schwerpunktgebieten                     des Referates für Bildung und Sport stehen
                                                      der Sozialplanung kleinräumige, datenge-
                                                      stützte Planungsberichte zur Verfügung,
Problematische Entwicklungen im Stadtteil
                                                      die eine Beobachtung der städtischen
bzw. in kleinräumigen Gebieten zu erfassen            Räume dauerhaft zulassen. Die gemein-
und lösungsorientiert darauf zu reagieren, ist        same Auswertung dieser Berichte durch
Aufgabe der Sozialplanung. Sozialräumliche            die Sozialplanung mit den Fachplanungen
Konzepte, welche die Wechselwirkung der ein-          im Sozialreferat, aber auch mit den lokalen
zelnen sozialen Angebote und Dienste berück-          Akteuren und Netzwerken bis hin zu den
sichtigen, müssen entwickelt werden. Weiterhin        referatsübergreifenden Planungsstellen
                                                      bilden die Grundlage für die Auswahl von
sind sozialräumlich abgestimmte Angebote
                                                      Gebieten und Quartieren, die einen be-
und Maßnahmen, z.B. in den Bereichen soziales
                                                      sonderen sozialpolitischen Planungs- und
Zusammenleben, Nachbarschaften, Integration,          Handlungsbedarf aufweisen. In weiteren
notwendig. Um diese Zielsetzung zu unterstüt-         Sondierungsgesprächen mit Schlüsselper-
zen, hat sich das Sozialreferat 2009 entschieden,     sonen, Diensten, Einrichtungen der lokalen
auch einen Teil der bei der REGSAM-Moderation         Fachbasis kann dann der Planungsbedarf
zur Verfügung stehenden Personalkapazitäten           konkretisiert werden.
konzentriert in „Gebiete mit einem besonderen
                                                      Je nach Komplexität der Problemstellungen
sozialen Handlungsbedarf“ zu lenken. In vier bis
                                                      oder Bedarfshinweise sind verschiedene
sechs Gebieten unterstützt ein zeitlich befriste-     Planungsansätze und Methoden angezeigt:
tes Quartiersmanagement die lokalen Akteure
                                                      •   Mittelfristige Planungsprojekte unter
vor Ort bei der Verbesserung und Optimierung
                                                          Federführung der Sozialplanung. Dabei
des sozialen Infrastrukturangebots. Die Sozial-           sind zur Erfassung der komplexen Si-
planung ist dabei unmittelbare Kooperations-              tuationen im Sozialraum oder Quartier
partnerin der REGSAM-Moderation für diese                 oftmals detaillierte Sozial- und Lebens-
Form des Quartiersmanagements. In Koordinie-              weltanalysen notwendig. In weiteren
rungsgremien wird unter Einbeziehung der lo-              Schritten werden in Planungsrunden,
                                                          Planungskonferenzen und Workshops
kalen Akteure, der Fachplanung/Fachsteuerung
                                                          vor Ort mit den lokalen Akteuren (u.a.
des Sozialreferats und weiterer relevanter Pla-           Fachbasis/REGSAM, Lokalpolitik, Poli-
nungspartner die jeweilige Thematik nachhaltig            zei, Schulen etc.), den Fachplanungen
bearbeitet und die dafür notwendigen Angebote             des Sozialreferates sowie den Planungs-
und soziale Infrastruktur zu sichern versucht.            stellen weiterer Referate integrierte
                                                          Handlungsansätze entwickelt, verbind-
                                                          lich vereinbart und mit Zuständigkei-
                                                          ten versehen. Die Sozialplanung leitet
          Regionale Planungsprojekte und
                                                          verantwortlich den Gesamtprozess
          Runden als Planungs- und Beteili-               und kontrolliert die Umsetzungsmaß-
          gungsinstrument                                 nahmen sowie Kommunikation in einer
                                                          Art „Kümmererfunktion“.
          Die dargestellten Anforderungen an eine     •   Eine weitere Form von mittelfristigen
          integrierte Sozialraumplanung haben zur         Planungsprojekten besteht in den
          Weiterentwicklung der Aufgabenstellungen        „Gebieten mit besonderem Handlungs-
          für die Sozialplanung geführt. Mit dem          bedarf“. Dabei werden die Gebiete mit
          Monitoring des Sozialreferates, dem             dem erwähnten Planungsinstrumenta-
          Armutsbericht, aber auch der Stadtteil-         rium identifiziert und gemeinsam von
          studie des Referates für Stadtplanung und       der Sozialplanung und REGSAM ausge-

        2 | Kommunale Sozialplanung, München
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