E-Government und Gründungsumfeld - Was kann Deutschland von Österreich lernen? Kurzgutachten - INSM

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E-Government und Gründungsumfeld - Was kann Deutschland von Österreich lernen? Kurzgutachten - INSM
E-Government und Gründungsumfeld
Was kann Deutschland von Österreich lernen?

Kurzgutachten

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
Georgenstraße 22
10117 Berlin

Autoren:
Klaus-Heiner Röhl, Nikolaus Graf

Ansprechpartner:
Dr. Klaus-Heiner Röhl

Köln, 16.7.2021
E-Government und Gründungsumfeld - Was kann Deutschland von Österreich lernen? Kurzgutachten - INSM
Institut der deutschen Wirtschaft            E-Government in Deutschland und Österreich

Kontaktdaten Ansprechpartner

Name:            Dr. Klaus-Heiner Röhl
Telefon:         030-27877 103
E-Mail:          roehl@iwkoeln.de

Institut der deutschen Wirtschaft
Postfach 10 19 42
50459 Köln

E-Government in Deutschland und Österreich

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Institut der deutschen Wirtschaft                                        E-Government in Deutschland und Österreich

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung .............................................................................................. 4
1             Einleitung .............................................................................................. 5
2             Problemstellung und Ausgangslage ................................................. 6
3             Ergebnisse internationaler E-Government- und
              Digitalisierungsrankings ..................................................................... 8
4             Digitale Verwaltung und E-Government in Deutschland und
              Österreich im Vergleich..................................................................... 10
5             Gründe für die erfolgreiche Digitalisierung von
              Verwaltungsleistungen in Österreich .............................................. 13
6             Digitale Signatur und E-Identität als Gamechanger: Wo stehen
              Deutschland und Österreich?........................................................... 15
7             Digitale Gründungen im One-Stop-Shop ......................................... 18
8             Fazit und Empfehlungen ................................................................... 21
Literatur ............................................................................................................. 24
Anhang ............................................................................................................. 29
Tabellen- und Übersichtsverzeichnis .............................................................. 31
Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... 31

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Zusammenfassung
Deutschland weist erhebliche Defizite in der Digitalisierung der Verwaltung auf, was sich unter anderem
in einem Defizit an Online-Anwendungen für Bürger und Unternehmen niederschlägt. Im E-Government-
Benchmark der EU erreicht Deutschland deshalb nur einen Rang im unteren Mittelfeld. Zu den Ländern,
die in den letzten Jahren große Fortschritte im E-Government erzielt haben, zählt Österreich. Dieses
Kurzgutachten untersucht daher, wie Österreich unter ähnlichen Voraussetzungen wie Deutschland, was
die föderale Staatsstruktur und den Datenschutz betrifft, die Digitalisierung der öffentlichen Dienstleis-
tungen konsequent vorangetrieben hat, und welche Lehren daraus für das E-Government in Deutsch-
land gezogen werden können. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Online-Gründung neuer Unter-
nehmen gelegt, da geringe bürokratische Hürden für Gründungen einen wichtigen Baustein für eine po-
sitive Gründerkultur bilden. In Deutschland ist noch immer ein Anlaufen mehrerer Behörden mit teil-
weise persönlichem Vorsprechen notwendig, während in Österreich Ein-Personen-Unternehmen online
geründet werden können. Die entscheidende technische Voraussetzung bildet dabei die elektronische
Signatur zur Identifizierung des Gründenden. In Österreich gibt es seit mehreren Jahren die Möglichkeit
der Handy-Signatur, für die immer mehr Anwendungen freigeschaltet werden, während sich in Deutsch-
land konkurrierende Signatursysteme in der Testphase befinden. Das Kurzgutachten schließt mit Emp-
fehlungen zur Beschleunigung der Digitalisierung des Staates in Deutschland, die aus den österreichi-
schen Erfahrungen abgeleitet werden. Hierzu zählen ein klares politisches Commitment der staatlichen
Ebenen zur durchgängigen Digitalisierung sowie der Aufbau einer Digitalisierungsagentur des Bundes.

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1            Einleitung
Die Corona-Pandemie hat schlaglichtartig verdeutlicht, wie groß die Defizite im E-Government in
Deutschland noch sind. Die Digitalisierung von Verwaltungsabläufen kommt nur schleppend voran, und
zwischen den eingesetzten Systemen und Programmen fehlt es oft an Schnittstellen. Die Möglichkeiten,
die das E-Government für die Verringerung belastender Bürokratie bietet, werden bislang kaum genutzt.
Der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums spricht sogar von „Organisationsversa-
gen“ und moniert, dass viele in der Pandemie angestoßene Veränderungen auch schon vorher hätten
realisiert werden können (BMWi, 2021a, 3). Dabei gehört die beschleunigte Digitalisierung der Verwal-
tung zu den Punkten, die der Nationale Normenkontrollrat NKR fordert (NKR, 2020a) und in seinen Stel-
lungnahmen kritisch begleitet (NKR, 2020b; 2021). Die Unternehmen in Deutschland sehen sich im Kon-
takt mit den öffentlichen Stellen mit einem hohen Bürokratieaufwand konfrontiert, der sich trotz des
wegen der Corona-Pandemie ausgerufenen Belastungsmoratoriums nicht einmal zu stabilisieren, ge-
schweige denn zu reduzieren scheint. Die administrativen Kosten aus der Bundesgesetzgebung sind
zwar seit 2012 offiziellen Daten zufolge geringfügig gesunken, doch bilden diese nur einen Teil der Büro-
kratie ab. Schon bei den Einmalkosten durch Gesetzesänderungen ist kein Rückgang erkennbar, und die
materiellen Kosten der Regulierungsinhalte steigen tendenziell an (NKR, 2020a). Hinzu kommt das Prob-
lem immer längerer Genehmigungsverfahren für Unternehmensinvestitionen, wodurch vor allem die
industrielle Standortqualität leidet (IfW, 2020; Röhl, 2020).

Um Anregungen für konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des E-Government in Deutschland zu ge-
ben, wird in diesem Kurzgutachten ein internationaler Vergleich zwischen Deutschland und dem ähnlich
föderal strukturierten Nachbarland Österreich vorgenommen. Ähnlich wie Deutschland weist Österreich
ein umfassendes und teils restriktives regulatorisches Umfeld auf. Dies geht mit hohem bürokratischen
Aufwand für Bürger und Unternehmen einher. Vergleichende Bürokratiebetrachtungen etwa im Rah-
men des Doing Business Report (Worldbank, 2020) zeigen hier Verbesserungspotenzial für beide Länder.
Österreich hat jedoch in jüngerer Zeit Erfolge im Hinblick auf digitale Verwaltung erzielt. Dies unterstrei-
chen nicht nur seine Position bei vergleichenden E-Government Betrachtungen, wie dem E-Government
Benchmark der EU, sondern auch zahlreiche Anwendungsbeispiele, die einen steigenden Integrations-
grad, hohe Nutzerorientierung, Funktionalität und Interoperabilität aufweisen. Inhaltlich fokussiert sich
der Vergleich – nach einer Präsentation der Kernergebnisse internationaler E-Government- und Digitali-
sierungsrankings – auf das Gründungsumfeld und die Gründungsbürokratie. Die Gründung neuer Unter-
nehmen bildet einen wichtigen Baustein für eine marktwirtschaftliche Wachstumsstrategie in der Nach-
Corona-Zeit, so dass dem Abbau bürokratischer Hürden für die Gründung von Start-ups und kleineren
Unternehmen eine hohe Bedeutung zukommt. Österreich ist hier im Bereich der digitalen Gründung und
einer einheitlichen Anlaufstelle („One-Stop-Shop“) deutlich weiter als Deutschland. Abgerundet wird das
Kurzgutachten durch einen Vergleich der Fortschritte beider Länder im Bereich der elektronischen Iden-
titätsnachweise und der digitalen Signatur, die eine Voraussetzung für eine rechtssichere Onlinekommu-
nikation natürlicher Personen mit Behörden bilden und damit auch für die Umsetzung der Online-Grün-
dung ein entscheidender Baustein sind.

Leitgedanke des internationalen Vergleichs ist die Frage, wie die positiven Befunde für Österreich er-
reicht wurden und was Deutschland aus den österreichischen Erfahrungen im E-Government und bei
der Ausgestaltung des Gründungsumfelds lernen kann. Ein solcher Vergleich der beiden Systeme ist auf-
grund der föderalen Struktur beider Staaten besonders relevant. Hierauf basierend werden Handlungs-
empfehlungen abgeleitet, die der im September gewählten neuen deutschen Bundesregierung wichtige
Hinweise für eine Beschleunigung der Digitalisierungsstrategie liefern können.

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2            Problemstellung und Ausgangslage
Die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland stockt trotz wiederholter Ansätze der Politik.1 Der wis-
senschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums stellt aktuell fest, dass Deutschland sowohl
beim Ausbau der digitalen Infrastruktur als auch beim Einsatz digitaler Technologien und Dienste hinter
führende OECD-Länder zurückgefallen ist (BMWi, 2021a). Generell kommt die Digitalisierung in ihren
verschiedenen Dimensionen zu langsam voran; Initiativen des Bundes versanken nicht zuletzt im Di-
ckicht der Zuständigkeiten der föderalen Ebenen.2 Beklagt wird deshalb auch eine Krise der „administra-
tiven Wirksamkeit“, die zuletzt in der Corona-Pandemie wieder augenfällig geworden ist: Die Digitalisie-
rung der Gesundheitsämter zur digitalen Kontakt-Nachverfolgung wurde in den Kommunen weder zügig
noch einheitlich und effizient umgesetzt, obwohl sich Bund und Länder mit „Sormas“ auf ein gemeinsam
zu verwendendes Programm geeinigt hatten (Hüther, 2021).

Auch die Verbesserung des Gründungsumfelds leidet unter der schleppenden Digitalisierung, gekoppelt
mit einer ausgeprägten föderalen Eigenbrötlerei bis hinunter zur Kommunalebene. In der Gründungsbü-
rokratie gibt es bislang kein einheitliches Vorgehen der Bundesländer zum Aufbau der von der EU gefor-
derten „einheitlichen Ansprechpartner“ (EAP) für Dienstleistungsunternehmen, deren Leistungen auch
Gründungswilligen verfügbar sind.3 Zudem wird „Ansprechpartner“ in Deutschland sehr restriktiv defi-
niert: Um die Gründung zu vollziehen, müssen weiterhin mehrere Behörden vom lokalen Gewerbeamt
über die Sozialversicherungsträger und das Finanzamt bis hin zur zuständigen IHK oder Handwerkskam-
mer kontaktiert werden. Der Ansprechpartner hilft vielerorts nur durch Information, was angesichts der
Vorgaben der EU-Dienstleistungsrichtlinie (EU, 2006) kaum den Mindestanforderungen entspricht. In
vielen Ländern wurde die Anzahl der anzulaufenden Verwaltungsstellen hingegen drastisch reduziert.
Dies ist beispielsweise in Kanada und Australien der Fall, aber auch im EU-Land Estland. Dort sind nur
zwei bis drei Verfahren nötig, um den verschiedenen Behörden die notwendigen Daten zukommen zu
lassen. In der Regel können diese Verfahren online abgewickelt werden. In Österreich sind zwar noch
acht Schritte zur Unternehmensgründung nötig, von denen aber für Personengesellschaften und Ein-
Personen-GmbHs inzwischen alle online durchführbar sind. Schlusslicht ist Deutschland, hier sind zur
Gründung einer produzierenden GmbH neun Verfahren notwendig, von denen drei physisch abgewickelt
werden müssen. Insgesamt belegt Deutschland im Starting-a-Business-Ranking der Weltbank Platz 125
von 190, Österreich liegt trotz der jüngsten Vereinfachungen in diesem Ranking noch auf Platz 127, wäh-
rend Frankreich, ein Aufsteiger der letzten Jahre, Platz 37 belegt. Die Anführer des Rankings sind Neu-
seeland, Georgien und Kanada, aber auch Estland liegt mit Platz 14 weit vorn (World Bank, 2020).

Im Bereich des Bürokratieabbaus ist das Bild zwiegespalten. Die reinen administrativen Kosten aus der
Bundesgesetzgebung sind zwar seit Beginn der systematischen Erfassung im Jahr 2006 zunächst spürbar
gesenkt worden (NKR, 2020a), doch bilden die von der Standardkostenmessung erfassten Bearbeitungs-
und Dokumentationspflichten nur einen Ausschnitt der Bürokratie ab. Betrachtet man nur diese admi-
nistrativen Kosten für die Wirtschaft i.e.S., so zeigt sich seit 2012 – dem Zieljahr eines ersten Reduktions-
programms für die Bürokratiebelastung seit Beginn der Standardkostenmessung 2006 – eine

1
  Beispiele sind „Digitale Verwaltung 2020“ der Bundesregierung (2014) sowie „Digitale Strategie 2025“ des Bun-
    deswirtschaftsministeriums (BMWi, 2016).
2
  Die Einführung einheitlicher (digitaler) Verfahren und Standards scheitern nicht selten an Kompetenzstreitigkei-
    ten zwischen Bund und Ländern (BMWi, 2021, 4).
3
  Das Erfordernis der Einheitlichen Ansprechpartner ergibt sich aus der Dienstleistungsrichtline. Die EAP sollen
    Dienstleister – einschließlich Gründern – umfassende Informationen über Verwaltungsverfahren auf nationaler
    und grenzüberschreitender Ebene bieten. Dabei wird eine Abwicklung der Formalitäten über einen einzigen
    Kontaktpunkt und in elektronischer Form angestrebt (Europäische Kommission, 2017).

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weitgehende Stagnation der Belastung. Mit dem Bürokratie-Entlastungsgesetz III konnte 2019 noch ein-
mal eine leichte Reduktion auf einen Indexstand von 98,6 erreicht werden. Das in Vorbereitung befindli-
che Bürokratieentlastungsgesetz IV lässt angesichts der Kleinteiligkeit der geplanten Maßnahmen nur
geringe Wirkungen erwarten (Röhl, 2021).

Bedroht sind die leichten Erfolge in der Verringerung bürokratischer Auflagen zudem durch neue regula-
tive Vorhaben auf deutscher und europäischer Ebene. Hierzu zählen auf nationaler Ebene ein Lieferket-
tengesetz, die Einschränkung befristeter Beschäftigung, die Ausweitung des Mitbestimmungsrechts auf
unternehmerische Entscheidungsbefugnisse und, seit Anfang 2021 laufend, die jährliche Verteuerung
von CO2-Emissionen. Auf europäischer Ebene ist ebenfalls eine – sogar schärfere – Lieferkettengesetzge-
bung in Vorbereitung, zudem im Rahmen des Green Deals eine Verschärfung des CO2-Handelssystems,
restriktivere Bestimmungen zur Landnutzung, eine Verschärfung der Abgasrichtlinie für PKW, eine Ver-
schärfung der Richtlinie zur Gebäudeenergieeffizienz sowie eine Verschärfung der Ökodesign-Richtlinie
und weitere Auflagen im abfall- und materialwirtschaftlichen Bereich (Europäische Kommission, 2020).
Darüber hinaus arbeitet die EU an einer „Europäischen sozialen Säule“ und dringt damit in Bereiche vor,
deren Regulierung bislang den Mitgliedsländern vorbehalten war. Anders als in Deutschland ist es bis-
lang auf EU-Ebene nicht gelungen, eine One-In-One-Out-Regel für bürokratieverursachende Auflagen für
die Wirtschaft einzuführen. Es gibt jedoch eine diesbezügliche Absichtserklärung der EU-Kommission,
die Folgekosten der EU-Gesetzgebung eingehender zu untersuchen und 2022 eine One-In-One-Out-Re-
gel zu implementieren (European Commission, 2021). Wenig ermutigend ist allerdings, dass das REFIT-
Programm zur Effizienzsteigerung von EU-Verwaltungsabläufen und Regulierungsvorhaben (vgl. Röhl,
2020) von der neuen EU-Kommission unter Kommissionspräsidentin von der Leyen nicht fortgeführt
worden ist.

Internationale Best Practice
Ein zentrales Element für einen wirksamen Bürokratieabbau bildet der Ausbau des E-Government unter
Einführung einer schnittstellenübergreifenden und rechtssicheren digitalen Kommunikation zwischen
Behörden und Unternehmen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass bestehende analoge Verfahren
nicht weitgehend unverändert in digitale Prozesse überführt werden, sondern dass die Potenziale der
Digitalisierung genutzt werden, indem Verwaltungsakte tiefgreifend hinterfragt und online neu konzi-
piert werden, wobei anstelle der bisherigen Verwaltungsstruktur der Nutzer mit seinen Interessen – Bür-
ger oder Unternehmen –im Fokus stehen muss (Beck et al., 2017, 34 f.). Hierzu können beispielsweise
Reallabore mit den betroffenen Akteuren dienen, wie sie etwa Dänemark, aber auch US-Bundesstaaten
erfolgreich durchführen (Bertenrath et al., 2019). Das Bundeswirtschaftsministerium hat hierzu ein
Handbuch vorgelegt (BMWi, 2019); der Ansatz wird beispielsweise verfolgt, um den Strukturwandel und
die Energiewende in den Kohlerevieren zu organisieren (Landesregierung NRW, 2019).

Mit der Digitalisierung von öffentlichen Dienstleistungen ist auch das Ziel verbunden, die Effizienz der
Verwaltung für Bürger, Unternehmen und den öffentlichen Sektor selbst zu steigern und den bürokra-
tisch-administrativen Aufwand zu verringern. Als europäisches Vorbild im E-Government gilt seit mehre-
ren Jahren Estland. Bereits 2016 waren dort mehr als 99 Prozent der 2.400 vom Staat angebotenen
Dienstleistungen und Verwaltungsakte online verfügbar (Thomas, 2017). Das Land hat schon in den
1990er Jahren eine Digitalstrategie für Regierung und Verwaltung auf- und diese konsequent und zügig
umgesetzt; seit 2003 erscheinen amtliche Bekanntmachungen ausschließlich online (Thomas, 2017). Der
zentral regierte baltische Staat mit nur 1,3 Millionen Einwohnern4 – etwas mehr als Köln –, der zudem

4
    Estland verfügt über eine zentrale Datenbank mit allen Bürgerdaten, auf die jeder Bürger und jedes Unternehmen
      jederzeit zugreifen kann (Thomas, 2017).

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nach seiner neu gewonnen Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 sein gesamtes Staatswesen neu
aufbauen musste, taugt jedoch nur bedingt als digitaler „Vorlagenlieferant“ für ein föderales Staatswe-
sen wie das deutsche mit über 80 Millionen Einwohnern. Ein Aufsteiger in der Umsetzung des E-Govern-
ments ist in den letzten Jahren jedoch auch Österreich. Während die Alpenrepublik nur etwa ein Neun-
tel der Einwohner Deutschlands aufweist, ist ihr föderaler Staatsaufbau mit neun Bundesländern und
einer etablierten kommunalen Selbstverwaltung demjenigen Deutschlands sehr ähnlich. Auch die kultu-
rellen und sprachlichen Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Nachbarländern sprechen dafür, dass
die positiven österreichischen Erfahrungen im E-Government für Deutschland, wenn schon nicht eine
Blaupause, so doch – unter Anpassung in Detailfragen – ein Vorbild sein können. Dabei wurde der öster-
reichische Erfolg nur über eine systematische, kontinuierliche Arbeit über die föderalen Ebenen hinweg
erreicht: „Mit der Plattform ‚Digitales Österreich‘ als strategischem Dach des österreichischen E-Govern-
ments gelang es, Vertreter des Bundes, der Länder, des Gemeinde- und Städtebundes, der Wirtschaft,
des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und der freien Berufe zu vereinen“
(Beck et al., 2017, 19). Aus diesem Grunde werden die Erfahrungen Österreichs in den Bereichen E-
Government/digitale Verwaltung allgemein und speziell für die Online-Gründung in diesem Kurzgutach-
ten vorgestellt und aufgezeigt, wie Deutschland von diesen Erfahrungen lernen und profitieren könnte.

3            Ergebnisse internationaler E-Government- und Digitalisierungsrankings
Internationale Bürokratie- und E-Government-Rankings erlauben Positionsbestimmungen für einzelne
Länder und verfolgen ihre Fortschritte im Zeitverlauf. Die Digitalisierungsfortschritte Österreichs schla-
gen sich in einschlägigen Betrachtungen wie etwa dem E-Government-Benchmark der EU nieder, der im
Rahmen von DESI5 – einem zusammengesetzten Index, der relevante Indikatoren zur digitalen Leistungs-
fähigkeit Europas zusammenfasst und die Entwicklung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit der EU-Mit-
gliedstaaten verfolgt – erhoben wird (European Commission, 2020b). Der Benchmark betrachtet das Di-
gitalangebot im Hinblick auf acht konkrete Lebensbereiche („Live Events“), etwa Wohnsitzwechsel, typi-
sche Unternehmensprozesse, Unternehmensgründung, Besitz und Inbetriebnahme von Kfz und die Su-
che nach einem Arbeitsplatz6 (siehe Tabelle A-1 im Anhang).

Im Digital Economy and Society Index (DESI) der EU liegt Österreich in der Dimension der digitalen öf-
fentlichen Dienste (Digital Public Services) als wichtiger E-Government-Benchmark auf Rang 8 und
schneidet damit um 13 Positionen besser ab als Deutschland mit Rang 21 (vgl. Abbildung 3-1). Indikato-
ren, in denen Österreich weiter vorn liegt, sind dabei beispielsweise die Anzahl der Nutzer von E-
Government-Diensten, die Verfügbarkeit vorausgefüllter Formulare sowie die Vollständigkeit und An-
schlussfähigkeit der digitalen Dienstleistungen der Verwaltung. Bei den digitalen Dienstleistungen für die
Wirtschaft und Open Data sind beide Länder ähnlich positioniert (DESI, 2020). Auch in den übrigen der
acht „Live Events“ schneidet Österreich besser ab; Deutschland hat im Vergleich zu 2016 sogar Plätze
eingebüßt. Bei den Digitaldiensten für Unternehmen liegt Österreich auf Rang 12, Deutschland auf Rang
18 (European Commission, 2020a, 30). Andere europäische Länder kommen im E-Government offenbar
schneller voran. Angeführt wird der aktuelle Benchmark von Malta mit einem Score von 97 Prozent vor
Estland, das 92 erreicht.

5
  DESI setzt sich aus fünf Bereichen zusammen: Connectivity, Human Capital, Use of Internet Services, Integration
    of Digital Technology, Digital Public Services.
6
  Vgl. https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/egovernment-benchmark-2020-egovernment-works-
    people.

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Abbildung 3-1: E-Government: Digitale öffentliche Dienste in Europa
Nationaler Gesamtdurchschnitt der Verfügbarkeit von digitalen öffentlichen Diensten (eGovernment Users, Pre-
filled Forms, Online Service Completion, Digital Public Services for Businesses, Open Data, eHealth Services), auf
einer Skala von 0 (gar nicht digital) bis 100 Prozent (vollständig digital verfügbar), EU27, UK.

Quelle: European Commission, 2020; DESI, 2020

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Aus Sicht der Unternehmen sind insbesondere digitale Anwendungen im Bereich von Unternehmenspro-
zessen und der Unternehmensgründung relevant. In diesem Themenkomplex werden Anwendungen im
Hinblick auf die vier in Kapitel 4 detailliert beschriebenen Dimensionen Nutzerzentriertheit, Transpa-
renz, grenzüberschreitende Mobilität und Schlüsseltechnologien untersucht. Unter typischen Unterneh-
mensprozessen werden elf Prozesse erfasst, etwa Steuerangelegenheiten und -verfahren, Reporting und
Personalmanagement (European Commission, 2020b). Für Österreich gilt, dass für viele dieser Prozesse
digitale Anwendungen und Portale zur Verfügung stehen. Beispielhaft sind hier das Unternehmensser-
viceportal, das Steuerportal FinanzOnline, die Verwaltung von Beitragskonten sowie die Übermittlung
von sozialversicherungsrelevanten Informationen und Dokumenten über die Sozialversicherungs-(SV)-
Portale. Dabei erreicht Österreich auch bei den Schlüsseltechnologien den Maximalwert von 100 Pro-
zent, Deutschland hingegen nur 89. In diesen Werten wird berücksichtigt, inwiefern in den jeweiligen
Anwendungen Basistechnologien wie eID, elektronische Dokumente oder die Nutzung authentifizierter
Daten in vorausgefüllten Formularen und eine elektronische Zustellung verfügbar sind. Im Hinblick auf
die grenzüberschreitende Transferierbarkeit erreicht Deutschland einen höheren Ergebniswert als Ös-
terreich. Bewertet wird hier, ob Anwendungen aus dem Ausland aufgerufen werden können. Bei der
Transparenz liegt Österreich hingegen vor Deutschland.

4            Digitale Verwaltung und E-Government in Deutschland und Österreich im
             Vergleich
Mit der digitalen Verwaltung ist auch das Ziel verbunden, den bürokratischen Aufwand bei Unterneh-
men, Beschäftigten und Bürgern zu verringern, zu einer effizienten Bereitstellung von öffentlichen Leis-
tungen beizutragen und ihre Reichweite und Qualität zu verbessen. Aktuelle Analysen (European Centre
for Digital Competitiveness, 2021, 12) zeigen, dass in Deutschland großer Aufholbedarf in der Verwal-
tungsdigitalisierung besteht. Gemäß einer Umfrage unter Führungsspitzen aus Wirtschaft, Politik und
Verwaltung geben 94 Prozent der Befragten auf die Frage, ob der Staatssektor, also Ämter, Behörden
und der öffentliche Dienst, bei der Digitalisierung gut aufgestellt ist, an, dass Deutschland hinterher-
hinkt. Bemängelt wird etwa die fehlende systemische Integration digitaler Lösungen in flächendeckende
und skalierungsfähige Infrastrukturen, Anwendungen und Portalverbundlösungen (NKR, 2021, 3). Nach
Auffassung des NKR besteht Aufholbedarf insbesondere in den Bereichen Standardisierung und Archi-
tekturmanagement, in der Bereitstellung von Plattformen und Verbindungsmechanismen (Middleware)
sowie im Hinblick auf die vereinfachte Beschaffung und die Nachnutzung standardisierter Lösungen
(NKR, 2021, 4). In den letzten Jahren hat Österreich in diesen Bereichen spürbare Fortschritte erzielt. Es
zählt zwar noch nicht zu den Top-Best-Practice-Ländern (s.o.), kann aber angesichts seiner positiven Ent-
wicklung für das ebenfalls föderal aufgebaute Deutschland ein Vorbild sein.

Auch in den Teilindikatoren des DESI für die Verfügbarkeit digitaler öffentlicher Dienste rangiert Öster-
reich vor Deutschland (DESI, 2020). Im Teilindikator 5a2 der Verfügbarkeit von vorausgefüllten Formula-
ren („Pre-filled Forms“) wird bewertet, in welchem Ausmaß den Behörden bereits bekannte Daten aus
authentifizierten Quellen vorausgefüllt in Formulare eingearbeitet sind. Österreich belegt in diesem Tei-
lindikator Rang 7, Deutschland nur Rang 21. Positiv stellt sich E-Government in Österreich auch hinsicht-
lich der elektronischen Abschlussfähigkeit von Prozessen dar. Der Teilindikator 5a3 „Online service com-
pletion“ indiziert das Ausmaß, in dem zentrale behördliche Verfahren wie der Wechsel des Wohnsitzes
komplett über digitale Dienste abgewickelt werden können. Österreich belegt hier unter den EU-Mitglie-
dern den fünften Rang, Deutschland liegt auf Rang 15. Bei der Verfügbarkeit von digitalen Dienstleistun-
gen für Unternehmen (Teilindikator 5a4 „Digital public services for enterprises“) liegt Österreich auf

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Rang 10 im oberen EU-Mittelfeld, Deutschland auf Rang 15. Bei der Umsetzung einer „Open Data Policy“
(Teilindikator 5a5) liegen Österreich und Deutschland im Mittelfeld auf den Rängen 16 bzw. 13.

Abbildung 4-1 zeigt die Positionen Deutschlands, Österreichs und des EU-Durchschnitts für wichtige digi-
tale Bürger- und Wirtschaftsdienste im Netzdiagramm. Österreich schneidet durchweg besser ab als der
EU-Durchschnitt und nur im Bereich Studium schwächer als Deutschland. Deutschland übertrifft in der
Laufenden Geschäftstätigkeit, dem Studium und für Arbeitsplatzverlust und -suche den EU-Durchschnitt,
bei Unternehmensgründungen erreicht es den Durchschnitt. Bei bürgerorientierten Diensten wie Um-
zug, Familienleben und Automobilität wird der europäische Durchschnitt klar verfehlt.

Abbildung 4-1: Digitale Verwaltung in Deutschland und Österreich
Digitale Durchgängigkeit wichtiger Dienste für Bürger/-innen nach Lebensbereichen, Deutschland, Österreich und
EU27+ auf einer Skala von 0 (gar nicht digital) bis 100 Prozent (vollständig digital verfügbar).

EU27 sowie Vereinigtes Königreich, Island, Norwegen, Montenegro, Serbien, Schweiz, Türkei, Albanien und Nord-
mazedonien;
Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2020/2021, 318

Beim E-Government-Benchmark der EU (European Commission, 2020a) konnte sich Österreich zuletzt
auch verbessern. Tabelle A- (Anhang) stellt die Ergebnisse für Österreich und Deutschland dar. Öster-
reich erzielt in allen Haupt- und den meisten Unterdimensionen bessere Ergebnisse. Der E-Government-
Benchmark umfasst 36 Länder7 und zielt auf vier Dimensionen ab, nämlich Nutzerzentriertheit („User
Centricity“), Transparenz („Transparency“), grenzüberschreitende Mobilität („Cross-Border Mobility“)
und Schlüsseltechnologien für eine Online-Serviceabwicklung („Key Enablers“). Bewertet wird sowohl
der Stand der Implementierung als auch die Veränderung in den verschiedenen Dimensionen. In der sta-
tischen Betrachtung wird für jedes Land ein Wert von 0 bis 100 Prozent berechnet, höhere Werte zeigen
eine bessere Umsetzung von E-Government an. Österreich erreicht einen Wert von 87 Prozent des als
Optimum definierten Maximalwerts und zählt nach Malta (97 Prozent) und Estland (92 Prozent)

7
    Dies sind die EU-27-Mitgliedstaaten sowie das Vereinigte Königreich, Island, Montenegro, Norwegen, Serbien, die
      Schweiz, die Türkei, Albanien und Nordmazedonien.

Kurzgutachten                                                                                       Seite 11 von 31
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gleichauf mit Lettland zur Spitzengruppe. Damit liegt Österreich noch vor Dänemark (84 Prozent), Li-
tauen und Finnland (je 83 Prozent) (European Commission 2020a, S. 7).

Nutzerzentriertheit
Bei der Digitalisierung von staatlichen Diensten sollten die Nutzer – Bürger und Unternehmen – mit ih-
ren Interessen im Mittelpunkt stehen. Die Hauptdimension der Nutzerzentrierung („User Centricity“)
zeigt, inwieweit Dienstleistungen online abgewickelt werden können und ob die Prozesse von Online-
Anwendungen unterstützt und auch mit mobilen Geräten durchlaufen werden können. Dabei signalisiert
die Online-Verfügbarkeit, ob Prozesse überhaupt, teilweise oder vollständig digital abgewickelt werden
können. Die Nutzerfreundlichkeit zeigt, inwiefern Online-Hilfe verfügbar ist. Die mobile Anwendbarkeit
(„Mobile Friendliness“) zeigt an, ob Prozesse per Smartphone genutzt werden können. Österreich erzielt
in allen Unterdimensionen sehr gute Werte, bei der Nutzerfreundlichkeit sind Österreich und Deutsch-
land mit 95 bzw. 96 Prozent fast gleichauf. Bei der mobilen Anwendbarkeit liegt Österreich deutlich vor
Deutschland. Dies wird vor allem auf die Internetplattform „oesterreich.gv.at“ als behördenübergrei-
fende zentrale Plattform sowie auf die mobile App „Digitales Amt“ zurückgeführt.8 Hier können eine
Reihe digitaler Behördenanwendungen online genutzt werden, so das Informationsportal „help.gv.at“
oder das Rechtsinformationssystem RIS. Dabei kann auch auf das Unternehmensserviceportal USP, die
zentrale E-Government-Plattform für Unternehmen, zugegriffen werden, und es können Prozesse wie
die eGründung eingeleitet werden (s.u.).

Transparenz
In der Hauptdimension Transparenz zielt der E-Government-Benchmark (European Commission, 2020a,
5) darauf ab, ob Behörden klare und offene Informationen bereitstellen, in welcher Form Dienste vollzo-
gen und angeboten werden, welche Aufgaben und Leistungen die Behörden haben und wie persönliche
Daten der Nutzer verwendet werden. Anhand von drei Unterdimensionen werden die Transparenz der
Dienstleistungsbereitstellung („Transparency of Service Delivery“), der Nutzung persönlicher Daten
(„Transparency of Personal Data“) sowie der behördeninternen Prozesse („Transparency of Public Orga-
nizations“) abgebildet. In allen Unterdimensionen erzielt Österreich überdurchschnittliche und auch bes-
sere Werte als Deutschland mit einem Gesamtscore von 82 gegenüber 67 Prozent.

Grenzüberschreitende Mobilität
Die Dimension der grenzüberschreitenden Mobilität für Bürger („Citizen Cross-Border Mobility“) und
Unternehmen („Business Cross-Border Mobility“) zeigt an, in welchem Ausmaß digitale Dienste aus dem
Ausland zugänglich sind. Die Unterdimension der „eID“ signalisiert, inwiefern elektronische Signaturen
über Landesgrenzen transferierbar sind und die Unterdimension der elektronischen Dokumente („e-
Documents“) zeigt an, ob elektronische Dokumente, Formulare, Bescheide etc. in andere Länder trans-
ferierbar sind. Österreich erzielt in beiden Bereichen hohe und überdurchschnittliche Werte. Die elekt-
ronische ID ist jedoch noch nicht voll grenzüberschreitend nutzbar – in Deutschland ist diese Funktion
allerdings noch gar nicht vorhanden (s.u.).

Schlüsseltechnologien
Im Rahmen der Dimension „Key Enablers“ wird dargestellt, inwiefern bestimmte Basistechnologien zur
Umsetzung von Digital Government-Lösungen etabliert sind. Hierzu zählt insbesondere die Bereitstel-
lung einer elektronischen ID, die im Rahmen von Online-Prozessen als persönliche Signatur verwendet

8
    Die App „Digitales Amt“ setzt die Plattform zur mobilen Nutzung um. Die Authentifizierung und Identifizierung
      basiert auf der „Handy-Signatur“, einer elektronischen ID, die per Smartphone benutzt werden kann (vgl. Kapi-
      tel 6). Die Erstanmeldung zur App „Digitales Amt“ erleichtert eine Videoanleitung.

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werden kann. Österreich erzielt hier mit 84 Prozent ein gegenüber Deutschland und dem Durchschnitt
der EU-Mitglieder besseres Ergebnis. Dies ist auch im Kontext der Handy-Signatur und deren Integration
in maßgebliche elektronische Verfahren etwa im Rahmen der App „Digitales Amt“ zu sehen. Die Unterdi-
mension der Authentifizierung vorhandener Daten zielt auf die Bereitstellung vorausgefüllter Formulare
durch Rückgriff auf authentifizierte Quellen ab. Hier erreicht Österreich einen Wert von 81 Prozent ge-
genüber 41 Prozent in Deutschland.

5             Gründe für die erfolgreiche Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in
              Österreich
Mit der Erweiterung von Möglichkeiten und Anwendungsfeldern unterliegt die Digitalisierung von Ver-
waltungsdienstleistungen einem technologischen, institutionellen und auch begrifflichen Wandel. In ei-
ner ersten Implementationsphase von E-Government ab Ende der 1990er bzw. in den frühen 2000er
Jahren wurden Informationsseiten sowie einzelne Prozesse zwischen Behörden und Bürger in digitaler
Form entwickelt und angeboten (OECD 2020, S. 6). Auch in Österreich geht der Start von E-Government
auf die 1990er Jahre zurück.9 Für einzelne Prozesse wurden schrittweise digitale Anwendungen entwi-
ckelt. Diese Anwendungen ließen sich in dieser Phase fünf Bereichen zuordnen (siehe EU 2019, S. 15):
Information, Zwei-Wege-Kommunikation, Transaktion, Integration und politische Partizipation.

Österreich war in der Frühphase der Einführung von E-Government führend und belegte im E-Govern-
ment-Benchmark 2006 den ersten Platz (Falb et al., 2006, 490). Ein frühes „Aushängeschild“ war dabei
die Digitalisierung der zentralen Datenregister, in denen Stammdaten wie Melde-, Adresse-, Gebäude-
und Wohnungs- oder Personenstandsdaten gespeichert sind (Sallmann, 2021, 11) und darauf aufbau-
ende Anwendungen. Viele der E-Government-Innovationen des Bundes wurden dabei im oder mit dem
Bundesrechenzentrum (BRZ) entwickelt. 10 Das BRZ wurde 1997 als GmbH aus dem Bundesrechenamt
ausgegliedert. Das Bundesrechenzentrum ist ein entscheidender Akteur als „Digitalisierungsagentur“
des Bundes, der zugleich als Schnittstelle zwischen Ressorts, Behörden und Gebietskörperschaften fun-
giert. Als ausgegliederte Organisation kann es frei von Ressortzuständigkeiten agieren. Abnehmer von
Entwicklungen und Leistungen des Bundesrechenzentrums sind in erster Linie die Bundesministerien,
das Bundeskanzleramt, oberste Organe, Universitäten und ausgegliederte Organisationen wie etwa der
(österr.: das) Arbeitsmarktservice (AMS). Das BRZ fungierte damit quasi als Österreichs Digitalisierungs-
agentur; was einen Hinweis auf die Vorteilhaftigkeit einer ähnlichen Digitalagentur für Deutschland gibt.

BRZ PortalAustria
Ein Kernelement erfolgreichen E-Governments bilden Online-Portale, die Bürgern und Unternehmen ei-
nen leicht verständlichen Zugang zu online verfügbaren Verwaltungsdienstleistungen geben. Österreich
ist in diesem Bereich deutlich weiter fortgeschritten als Deutschland. Das „BRZ PortalAustria“ (PAT) ist
ein elektronisches Zugangssystem, das ermöglicht, Verfahrens- und Informationsdienste der einzelnen
Verwaltungsbereiche im jeweiligen Berechtigungsumfang den berechtigten Benutzern in gesicherter

9
  1997 wurde das bestehende „Rechtsinformationssystem“ (RIS) über Internet kostenfrei für die Öffentlichkeit frei-
    geschaltet (Falb et al., 2006, 483), das Bürgerportal „help.gv.at“ (mittlerweile „oesterreich.gv.at“) eröffnet und
    der „elektronische Akt“ (ELAK) in der Bundesverwaltung implementiert.
10
   Zu den Entwicklungen des BRZ zählen „FinanzOnline“, SAP-basierte Dienste wie die Haushaltsverrechnung und
    das Personalmanagement des Bundes, das „Unternehmensserviceportal“ USP inklusive der „eGründung“, Re-
    gisterlösungen wie das Firmen- und Grundbuch, Anwendungen des elektronischen Zahlungsverkehrs wie „e-
    Rechnung“ und „eZahlungsverkehr“, der „elektronische Akt“ im Bund (ELAK), „help.gv.at“, die AMS „JobApp“,
    die Open Data Plattform „data.gv.at“, die „elektronische Gesundheitsakte“ (ELGA), das „BRZ PortalAustria“
    (PAT) der „Amtssignaturservice“ oder die elektronische Zustellung („Mein Postkorb“) (BRZ, 2021).

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Form zur Verfügung zu stellen (BRZ, 2018; 2020). Das Portal stellt allen Bereichen der Verwaltung Au-
thentisierungs-, Autorisierungs- und Personalisierungsdienste zur Verfügung und bietet eine Vermitt-
lungsplattform für unterschiedliche Verwaltungsbereiche und Behörden. Nutzer sind Verwaltungsbe-
dienstete und Personen mit übertragenen Verwaltungsaufgaben. Das auch mobil per App nutzbare Por-
talAustria bietet laut Bundesrechenzentrum (BRZ, 2020) einen gesicherten Zugriff auf etwa 450 Anwen-
dungen der österreichischen Verwaltung. Dabei sind die großen Publikumsportale der österreichischen
Bundesverwaltung, wie „oesterreich.gv.at“, das Unternehmensserviceportal USP und das Gesundheits-
portal „gesundheit.gv.at“ integriert. Über 120.000 Nutzer haben Zugriff auf alle integrierten Anwendun-
gen, pro Tag erfolgen rund 350.000 Authentifizierungen und Zugriffe auf Websites. Auf Basis digitaler
Identitäten ermöglicht das automatisierte Rechte- und Zugangsmanagement den Nutzern, die integrier-
ten Services und Verfahren im Berechtigungsumfang zu nutzen. Die Einführung des PortalAustria als
Cloud-Computing-Anwendung geht auf die frühen 2000er Jahre zurück. 2012 wurde es mit dem „Euro-
pean Cloud Award“ als beste Cloud-Anwendung der öffentlichen Verwaltung ausgezeichnet (BRZ, 2018).

Verwaltungsplattform „oesterreich.gv.at” und mobile App „Digitales Amt“
Die Plattform „oesterreich.gv.at“ ist die übergreifende Verwaltungsplattform Österreichs. Hier können
über Webdienste oder mobile Geräte Informationen abgerufen werden, und es kann auf Anwendungen
zur Erledigung von digitalen Behördenwegen zugegriffen werden. Über „Single Sign-On“ Zugang, etwa
mittels Handy-Signatur, sind viele Services direkt erreichbar, wie etwa das elektronische Postfach „Mein-
Postkorb“, der Familienbonus Plus-Rechner für steuerliche Familienförderungen sowie die Portale „Fi-
nanzOnline“, das Unternehmensserviceportal USP (s.u.), das Transparenzportal oder der „e-Tresor“11 für
digitale Dokumente. Das Portal löste die ursprüngliche reine Informationsseite „help.gv.at“ ab. Die mo-
bile App „Digitales Amt“ setzt die Plattform „oesterreich.gv.at“ in eine mobile Anwendung um.

Open Data Plattform „data.gv.at”
Eine Komponente von offensiven politischen Strategien zur Implementation der digitalen Verwaltung ist
die Bereitstellung offener Daten im Rahmen von „Open Government Data“ (OECD 2020, 10; Ubaldi,
2013). Unter diesem Konzept die Bereitstellung von Daten der öffentlichen Verwaltung und deren freie
Nutzung, etwa durch Unternehmen, Wissenschaftler, Einzelpersonen oder Nichtregierungsorganisatio-
nen verstanden. Österreich hat unter der Website „data.gv.at“ eine Open Data Plattform eingerichtet,
die von der OECD als Good Practice-Beispiel für Digital Government geführt wird.12 Grundlagen für die
Open Data Plattform sind in einem Kooperationsvertrag zwischen Bund und Ländern geregelt (BMDW,
2021). Das Bundeskanzleramt hat mit dem Bundesrechenzentrum (BRZ) einen Vertrag zum Betrieb und
zur Nutzung von „data.gv.at“ geschlossen. Öffentlichen Stellen können nicht nur Metadatensätze auf
„data.gv.at“ einbringen, sondern auch ihre Daten speichern.13

Digitalisierung kommunaler Dienstleistungen
Gerade auf der lokalen Ebene finden sich Beispiele für regelgesteuerte Prozesse mit hohem Potenzial für
Technisierung und Digitalisierung. In Deutschland ist der Stand der Digitalisierung in den Kommunen von
großen Unterschieden und Hemmnissen in der Implementierung geprägt, wie die Corona-Pandemie
schlagartig verdeutlichte (Hüther, 2021). Merkmal von kommunalen Aufgaben sind ihre Heterogenität,
etwa das Bestehen von kleinteiligen, stärker standardisierbaren oder stärker einzelfallbezogenen

11
   Der e-Tresor ist ein elektronischer „Datensafe“, der auf das Speichern von Dokumenten, Formularen, Beschei-
    den, Verträgen oder Rechnungen ausgerichtet ist und eine hohe Datensicherheit gewährleistet. Zielgruppe sind
    in erster Linie Unternehmen. Die Daten werden in einem Hochsicherheits-Rechenzentrum gespeichert.
12
   Im „Digital Government Toolkit” (OECD, o.J.) sind länderbezogene Beispiele der guten Praxis angeführt. Für Ös-
    terreich wird die Open Government Data Plattform als eines von vier Beispielen angeführt.
13
   Anzumerken ist hier, dass über das Datenportal keine personenbezogenen Daten veröffentlicht werden.

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Aufgaben nebeneinander.14 Die österreichischen Gemeinden haben in den letzten Jahren erhebliche
Fortschritte in der digitalen Verwaltung erzielt. Erste Gemeinden (z.B. Engerwitzdorf) bieten allen Bür-
gern, Unternehmen und Vereinen mit Handy-Signatur die Möglichkeit, kommunale Sendungen, Gebüh-
renvorschreibungen, amtliche Mitteilungen und Dokumente elektronisch zu erhalten. Das Bundesre-
chenzentrum hat Anwendungsbeispiele für eine „virtuelle Gemeinde“ entwickelt. Die Anwendungsbei-
spiele bauen auf den bestehenden Systemen und Technologien auf, umfassen etwa „Robotic Process
Automation“, Blockchain-Technologien, „Conversational Interfaces“ wie Chatbots und Anwendungen
der künstlichen Intelligenz. Zu konkreten Anschauungsbeispielen zählt eine „Smart City“ Plattform: Da-
bei sammeln Sensoren Daten, die über eine intelligente Plattform miteinander in Beziehung gestellt und
verarbeitet werden.

Digitalisierung der Sozialversicherungen
Die öffentliche Sozialversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) ist in Österreich ähnlich
wie in Deutschland in weiten Teilen in Form der Selbstverwaltung organisiert. Aktuell fünf Sozialversi-
cherungsträger sind im Dachverband der Sozialversicherungsträger (vormals Hauptverband) organisiert.
Digitale Anwendungen und IT-Lösungen im SV-Bereich sind hier von besonderem Interesse, weil sich in
der vorzufindenden Organisationsstruktur die föderalen staatlichen Muster nicht widerspiegeln. Das
Elektronische Datenaustauschsystem (ELDA) ist schon Mitte der 1990er Jahre für den elektronischen Da-
tenaustausch mit und unter den österreichischen Sozialversicherungsträgern eingerichtet worden. In
Deutschland gibt es keine entsprechende Dachorganisation der Sozialversicherungen, die ein einheitli-
ches Datenaustauschsystem etablieren könnte. Dienstgeber und Vertragspartner nutzen ELDA seit 1995
zur Übermittlung ihrer Meldungen an die österreichische Sozialversicherung und die Finanzverwaltung.
Für den elektronischen Austausch wurde die Standardisierung und Harmonisierung von sozialversiche-
rungsrelevanten Daten vorangetrieben; ein Punkt, der für Deutschland ebenfalls hoch relevant ist. Das
Datenportal „MeineSV“ ist das Serviceportal der Sozialversicherungsträger für die Versicherten. Das Por-
tal ist mit Handy-Signatur oder Bürgerkarte zugänglich und kann über FinanzOnline freigeschaltet wer-
den. Hier sind alle Onlinedienste der Sozialversicherung zugänglich. Nutzer können Informationen ge-
sammelt aufrufen und erhalten einen Überblick über Versicherungszeiten, Arztbesuche, Behandlungen,
in Anspruch genommene Leistungen oder ihr Pensionskonto (Österreichische Sozialversicherung, 2021).

6               Digitale Signatur und E-Identität als Gamechanger: Wo stehen Deutschland
                und Österreich?
Eine eindeutige und rechtssichere Identifizierung von Personen, die mit der Verwaltung in Kontakt tre-
ten, ist eine grundlegende Voraussetzung für Online-Anwendungen im E-Government. In Estland wurde
die digitale Signatur bereits vor über 10 Jahren eingeführt und inzwischen mit diversen Online-Anwen-
dungen unterlegt. Die fehlende digitale Signatur und das Fehlen eines digitalen Ausweises (eID) in
Deutschland ist ein maßgeblicher Punkt, der die rechtssichere Online-Kommunikation zwischen Unter-
nehmen und Verwaltung ausbremst. Gleichzeitig kommen Initiativen zur Abschaffung des

14
     Beispiele für Aufgaben sind die Verwaltung der Gemeindefinanzen, der Betrieb von wirtschaftlichen Unterneh-
      mungen, das Hilfs- und Rettungs-, und Bestattungswesen, das Ausstellen von Heirats-, Geburts- oder Sterbeur-
      kunden, das Meldewesen, die Erteilung von Baubewilligungen, Abfall- und Abwasserbeseitigung, Wasserversor-
      gung, die Schulerhaltung im Pflichtschulbereich, die Verwaltung von Immobilien, Sport- und Freizeitanlagen
      sowie Kultureinrichtungen sowie Bau und Verwaltung von Gemeindewohnungen.

Kurzgutachten                                                                                      Seite 15 von 31
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Schriftformerfordernis nicht voran (NKR, 2021, 15).15 Österreich ist in der Entwicklung hin zur digitalen
Authentifizierung und darauf basierenden Nutzungen hingegen spürbar weiter fortgeschritten; es gibt
bereits Online-Anwendungen, die auf Basis der digitalen Signatur funktionieren. Dies betrifft auch Un-
ternehmensgründungen. Für Personenunternehmen und Ein-Personen-GmbHs gibt es bereits die Mög-
lichkeit, per Handy-Signatur eine Online-Gründung vorzunehmen (vgl. Kapitel 7). In Deutschland ist man
für vergleichbare Anwendungsoptionen in der Versuchs- oder Testphase. Die Zeit drängt jedoch, da die
SDG-Verordnung der EU (2018) die Möglichkeit zur Online-Gründung bis Ende 2023 verlangt (s. Kasten).

Der Koalitionsvertrag für die aktuell auslaufende Legislaturperiode sah vor, den elektronischen Personal-
ausweis (ePA) zu einem „universellen, sicheren und einfach einsetzbaren Authentifizierungsmedium“ zu
machen (NKR, 2020b, 16f). Die Anwendungen bleiben jedoch weit hinter der österreichischen „Bürger-
karte“ zurück, die mit der Novelle zum E-Government-Gesetz 2017 zu einem elektronischen Identitäts-
nachweis (eID) erweitert wurde (Oesterreich.gv.at, 2021). Mit Verimi und YES haben sich in Deutschland
zwei privatwirtschaftliche Konsortien zur Entwicklung von eID-Lösungen formiert. Ziel ist es, nutzer-
freundliche Alternativen zum ePA anzubieten. Entscheidend ist die Interoperabilität der verschiedenen
Systeme zur elektronischen Authentifizierung und Signierung. Apple- und Android-Smartphones können
den ePA inzwischen auslesen. Das Bundesinnenministerium hat 2020 angekündigt, eine mobile Version
des ePA zu entwickeln, die eine Authentifizierung auf hohem Schutzniveau ermöglicht (NKR, 2020b).

Übersicht 6-1: Das Onlinezugangsgesetz (OZG)
Zur Beschleunigung der schleppenden Digitalisierung in Deutschland wurde 2017 das Onlinezugangsge-
setz (OZG) verabschiedet. Bund, Länder und Gemeinden werden darin verpflichtet, bis Ende 2022 „ihre
Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten“ (NKR, 2021, 1). In die
gleiche Richtung zielt die Verordnung über die Einrichtung eines einheitlichen digitalen Zugangstors zu
Informationen, Verfahren, Hilfs- und Problemlösungsdiensten der EU (SDG-Verordnung; EU, 2018), wel-
che ein digitales Verwaltungsangebot der 73 wichtigsten Leistungen auf europäischer Ebene bis 2023
festlegt. Dies schließt auch die Unternehmensgründung ein. Als Verordnung besitzt sie eine strikte Bin-
dungswirkung für die EU-Mitgliedsländer und ist bei Nichteinhaltung einklagbar. Aktuell sind 71 von 575
Verwaltungsleistungen – darunter 14 Bundesleistungen – aus dem OZG-Programm digital verfügbar, je-
doch befindet sich darunter keine einzige der 73 SDG-Leistungen, die verpflichtend bis 2023 online an-
geboten werden müssen (NKR, 2021, 7). Weitere 159 Leistungen befinden sich in der Umsetzungs- oder
Konzeptionsphase, 331 Leistungen wurden noch nicht begonnen oder werden gar nicht erst berücksich-
tigt. Die Ausarbeitung „der Konzepte von Portalverbund, Unternehmenskonto und eID oder der Einer-
für-Alle-Leistungen (EfA) sowie für … Grundlagenbeschlüsse wie dem Registermodernisierungsgesetz”
benötigt aber viel Zeit (NKR, 2021, 3). Dass das OZG bis Ende 2022 vollständig umgesetzt wird, ist somit
unrealistisch. 2021 markiert den Beginn der Leistungsphase der OZG-Umsetzung; so sollen bis Ende des
Jahres 115 Bundesleistungen digitalisiert sein sowie auf föderaler Ebene über 200 EfA-Leistungen zur
Nachnutzung verfügbar sein. Wenn die neuen Strukturen längerfristig leistungsfähig sind, wäre das OZG
auch bei Fristüberschreitung als Erfolg zu werten. Dementgegen steht, dass viele Kommunen nicht wis-
sen, ob und wenn ja, wie sie von EfA-Lösungen Gebrauch machen können. Als Reaktion auf die föderale
Komplexität werden für Verwaltungsleistungen wie die Umsetzung des E-Government von der Kommu-
nalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt, 2020) zentrale Lösungen gefordert.

15
     Das „Normenscreening“ der Bundesregierung, in dem bestehende Normen auf Vereinfachungen zur Einführung
      digitaler Verfahren hin untersucht wurden, sah eine Überprüfung von Unterschriftserfordernissen und Papier-
      formularen vor. Aufgrund der bescheidenen Ergebnisse wurde es inzwischen eingestellt (NKR, 2021).

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Institut der deutschen Wirtschaft                                  E-Government in Deutschland und Österreich

Diese guten Ansätze müssen schnellstmöglich zu einem funktionierenden Gesamtsystem der eID weiter-
entwickelt werden. Der Bedarf nach einer sicheren, allgemein verfügbaren und nutzerfreundlichen digi-
talen Authentifizierung ist hoch, auch im privatwirtschaftlichen Sektor. Parallele Entwicklungen sollten
vermieden werden, sofern sie zu wechselseitig inkompatiblen eID-Lösungen führen (NKR, 2020b, 16).
Eine mobile ePA-Lösung erleichtert die Nutzung; der smartphonebasierte ePA sollte deshalb nach An-
sicht des NKR als Standard-eID-Lösung etabliert werden. Notwendig ist zudem, auch die Schutzniveaus
diverser Anwendungen und Leistungen von Elterngeld bis Unternehmensgründung auf eine Stufe zu set-
zen, für die die eID ausgelegt ist, und die Nutzung nicht durch überzogene Anforderungen zu blockieren.

Neben Ländern wie Australien wird Österreich als internationales Best-Practice-Beispiel für die Entwick-
lung der digitalen Identität genannt (Scholta et al., 2019). Bei der digitalen Identität kann die sichere On-
line-Identifizierung per digitaler Signatur noch einen Schritt weitergeführt werden, indem die Datensou-
veränität geändert wird: Hier wird das Eigentum an den Daten auf den Bürger übertragen16, der gemäß
seinen Interessen und Vorhaben über die Bereitstellung an staatliche, aber auch nicht-staatliche Organi-
sationen entscheiden kann (Scholta et al, 2019, 16).

Elektronische ID mit Bürgerkarte und Handy-Signatur in Österreich
Die elektronische ID bzw. Signatur bildet eine Schlüsseltechnologie für eine Vielzahl von elektronischen
Leistungsangeboten, wie Österreich zeigt. Dabei ist die Handy-Signatur eine Übersetzung einer elektro-
nischen ID in mobile Anwendungen. Mittlerweile steht eine Handy-Signatur App als Erweiterung der
etablierten Handy-Signatur zur Verfügung17. Die Handy-Signatur ist eine mobile Alternative zur etablier-
ten „Bürgerkarten-Funktion“, einer eID, die schon Mitte der 2000er Jahre eingeführt wurde. Deren Ver-
wendung setzt die Einrichtung eines Chipkarten-Lesegerätes am PC voraus, sonst sind die Funktionswei-
sen ähnlich: Bürgerkarte und Handy-Signatur sehen jeweils eine rechtsgültige elektronische Unterschrift
vor. Sie sind der handgeschriebenen Unterschrift gleichgestellt und gelten als digitaler Ausweis, mit dem
Dokumente, Formulare oder Rechnungen rechtsgültig unterschrieben werden können. Über die inte-
grierte elektronische ID können Prozesse zwischen Bürgern und Administration verwaltet und auch be-
hördenübergreifend integriert werden. Dies erhöht die Funktionalität, insbesondere die Interoperabili-
tät und Abschlussfähigkeit.

Prozesse, in denen die elektronische ID akzeptiert wird, sind vor allem auf Bundesebene zu finden. Hier
können Amtswege online vollzogen werden, etwa Versicherungsdatenabfragen, Abfragen im Pensions-
konto, die Einholung eines Strafregisterauszugs, einer Geburten- bzw. Todesanzeige oder einer Melde-
bestätigung aus dem Zentralen Melderegister. Die digitale Signatur gilt auch für den Zugang und zum
Abschluss von Prozessen in den großen E-Government-Plattformen, etwa FinanzOnline, Transparenzpor-
tal, Unternehmensserviceportal, JustizOnline oder den Service-Portalen der Sozialversicherungsträger,
etwa „meineSV.at“. Über das Unternehmensserviceportal kann beispielsweise eine „eGründung“, die
elektronische Gründung eingeleitet und abgeschlossen werden.

In Deutschland befinden sich die Voraussetzungen für die eID hingegen noch immer in der Testphase:
Ein interessanter Ansatz ist IDunion, das auf eine Verwendung von Blockchain-Technologie setzt. Im Ap-
ril 2021 war der Beginn der Umsetzungsphase als zweite vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte
Projektphase (BMWi, 2021b). Für 2021 plant die Bundesregierung gemeinsam mit EU-Partnern die

16
   “A digital identity describes a data platform wherein each citizen owns and manages his or her own data and
    decides which private and public organizations can access which parts of the data” (Mertens/Rosemann, 2015).
17
   Zur Aktivierung und Verwendung der digitalen Signatur im Rahmen der Handy-Signatur App per Smartphone ist
    eine Internetverbindung erforderlich. Bei Verwendung der App erfolgt die Authentifizierung mittels QR-Code,
    anstatt wie bisher über einen TAN-Code.

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