Abteilung Klimaüberwachung
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Abteilung Klimaüberwachung Europas Klima im Sommer 2017 zweigeteilt, be- sonders in Italien: Unwetter trennen nassen Nor- den von Hitze und Dürre in Mittel- und Süditalien Autoren: Andreas Becker, Christiana Lefebvre, Susanne Haeseler, Elke Rustemeier Stand: 11.08.2017 Einleitung Während der Juli und der bisherige August nördlich der Alpen durch wechselhaftes und rela- tiv kühles Wetter geprägt sind, leidet der Mittelmeerraum und hier insbesondere Italien unter großer Hitze, Dürre und Wasserknappheit. Wegen der Wasserkrise in Italien hat die Regie- rung in Rom den Notstand für Latium und Umbrien ausgerufen. Im Latium liegt auch die Hauptstadt Rom. Aktuell wird die Hitzewelle durch das Eindringen deutlich kühlerer Luft von Norden nach Süden und Osten abgedrängt wobei der Übergang in Norditalien von schwers- ten Unwettern mit Hagel (z.B. am 9. August am Gardasee) und Tornados (z.B. am 10. Au- gust im Badeort Cavallino nordöstlich von Venedig) begleitet wird. Dieser Bericht fokussiert sich jedoch auf die klimatologische Einordnung der Dürre in Mittel- und Süditalien. Der Grundstein für diese Dürre wurde durch die bereits im vergangenen Winter und Frühjahr weit unterdurchschnittlichen Niederschlagsmengen gelegt, die den ganzen Mittelmeerraum und auch Deutschland betroffen haben (siehe DWD Pressemitteilungen zum Deutschland- wetter im Frühling 2017 [1] und Winter 2016/2017 [2]). Im Gegensatz zu Deutschland setzte sich aber in Italien die Trockenheit in den Sommermonaten typischerweise fort, und wurde zuletzt durch eine besonders intensive Hitzewelle, für welche der DWD bereits am 3. August 2017 eine Frühwarnung [3] an die Wetterdienste der betroffenen Länder ausgegeben hatte, zusätzlich verschärft. Hitze im Sommer in Italien Seit Ende Juli leiden die Mitte und der Süden Italiens insbesondere in den dem Ligurischen und Tyrrhenischen Meer zugewandten Regionen Ligurien, Toskana, Umbrien, Latium und Kampanien unter einer massiven Hitzewelle mit Höchsttemperaturen, die verbreitet die 35 Grad Marke seit mehr als einer Woche überschreiten (Abb.1). Gebietsweise traten an meh- reren Tagen hintereinander Tageshöchsttemperaturen von mehr als 40 °C auf. In Florenz stieg die Temperatur am 1. August 2017 auf 41,3 °C. Damit wurde dort der alte Hitzerekord von 41,1 °C aus dem Jahr 2003 gebrochen [8]. Diese Hitzewelle zeichnete sich nicht nur durch sehr hohe Tagestemperaturen, sondern auch durch sehr hohe Nachttemperaturen aus. In den Nächten sanken die Temperaturen teilweise nicht unter 25 °C ab. Örtlich wurden sogar tiefste Nachtwerte um 30 °C gemessen. Die anhaltend hohen Temperaturen stellen für Mensch und Tier eine enorme Wärmebelastung dar. Die Tabelle 1 zeigt Beispiele von Ext- remwerten aus den Monaten Juli und August 2017: 1
Tab. 1: Beispiele für Tageshöchstwerte (oben) und nächtliche Tiefstwerte (unten) der Temperatur an Stationen in Italien im Juli und August 2017. [Quelle: DWD] Station Datum Maximumtemperatur Catania Sigonella 12.07.2017 44,4 °C Siracusa / Sizilien 12.07.2017 43,1 °C Frosinone 03.08.2017 42,8 °C Amendola 03.08.2017 42,6 °C Decimomannu 05.08.2017 42,4 °C Station Datum Minimumtemperatur Loreto 04.08.2017 31,0 °C Capo Spartivento 04.08.2017 30,7 °C Capo Caccia / Sardinien 01.08.2017 30,4 °C S. Giovanni Teatino 04.08.2017 29,8 °C Gela 05.08.2017 29,6 °C Diese Hitzewelle ist eine weitere Steigerung einer ungewöhnlichen Wärmeperiode, die be- reits mit der zweiten Junidekade begann. Die Zeitreihen der Monatsmitteltemperaturen von Juni und Juli in Abbildung 2 machen deutlich, dass vor allem die Mitteltemperaturen vom Juni 2017 zu den höchsten seit 1961 zählen. Von den hier aufgeführten Stationen war meist nur der Juni 2003 noch wärmer als der diesjährige. In Marina di Ginosa am Golf von Tarent fiel der Juni 2017 sogar noch wärmer aus als der Juni 2003. Dürre und Trockenheit in den vergangenen 12 Monaten in Italien Die Hitzewelle bildet den bisherigen Höhepunkt einer seit November 2016 von unterdurch- schnittlichen Niederschlägen bestimmten Dürreperiode. Dabei hat sich inzwischen im Flä- chenmittel über Mittel- und Süditalien (Abb. 3a) ein Niederschlagsdefizit von über 200 mm aufgebaut, was aber an einzelnen Stationen noch deutlich stärker ausfällt. So liegt der seit Juli 2016 an der Station Vigna di Valle, unweit Rom, akkumulierte Niederschlag (Abb. 3b) bei lediglich 625 mm und damit um 361 mm unter dem Soll von 986 mm für diesen Zeitraum. Auffällig bei dieser Station ist, dass sich wie im Flächenmittel das Defizit erst seit November 2016 aufbaut. Die Niederschläge waren im Herbst 2016 noch im Soll oder sogar leicht über- durchschnittlich ausgefallen und erlaubten zu der Zeit, bei Annahme normaler Winternieder- schläge, einen Ausblick auf ein auskömmliches Niederschlagsangebot zur Grundwasserbil- dung. Abbildungen 3d,e zeigen den Höhepunkt der Dürresituationen an Stationen in Ligurien (Genua) und der Toskana (Grossetto), wo seit Mitte Mai 2017, kaum noch Niederschlag ge- fallen ist. WZN Dürreindex zeigt charakteristische Zeit und Ausmaß der italienischen Dürre: Abbildung 4 zeigt den vom Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie operationell berech- neten Dürreindex [4] für den Stichtag 31. Juli 2017, mit Rückschauzeiten von 1, 3, 6, 9, 12 und 24 Monaten. Offensichtlich dauert die Dürre in Mittelitalien südlich der Po-Ebene bereits seit über 12 Monaten an (Abb. 4e,f) und nur Sizilien und der äußerste Süden sind weniger stark, weil erst seit 6 Monaten, betroffen (vergleiche Abb. 3d mit 3c). Der Grund dafür sind stark überdurchschnittliche Niederschläge ausgerechnet in den Sommermonaten 2016, an denen es normalerweise im Süden Italiens extrem trocken ist. So zeigt die Station Messina (Abb. 3c) für den seit Juli 2016 akkumulierten Niederschlag bis zum heutigen Tag tatsächlich gefallene Summen über dem Soll an, die aber ausschließlich auf die hohen Niederschläge in 2016 zurückzuführen sind. Bei guter Speicherung des Überangebotes steht dieses Nieder- schlagswasser derzeit noch zur Verfügung. Die anderen Regionen Italiens hatten aber im 2
Sommer 2016 nur die für die Jahreszeit üblichen geringen Niederschlagsmengen zu verbu- chen, sodass hier keine Reserven angelegt werden konnten, wie es normalerweise auch im Herbst und Winter geschieht. Der Winterniederschlag fiel aber dieses Mal als Quelle zur Re- generation der Wasserressourcen zu einem erheblichen Anteil aus. Lediglich Norditalien mit Alpenraum und Poebene sind gar nicht oder nur marginal von der Dürre betroffen. Italien im Klimawandel: Dürre und Hitze wie aktuell werden häufiger a) Wasserknappheit aufgrund ausbleibender saisonaler Niederschläge Die laut Medienberichten prekäre Situation für die Wasserversorgung Roms erinnert an eine ähnliche Situation in Sao Paolo, Brasilien (der DWD berichtete am 5. März 2015 [4]), als ebenfalls durch das Ausbleiben der winterlichen Niederschläge sich ein massives Nieder- schlagsdefizit in ähnlicher Größenordnung (etwa 400 mm) aufgebaut hatte. Wie aktuell in Italien, waren auch in Brasilien 2015 zu Beginn der niederschlagsreichen Zeit die Nieder- schläge überdurchschnittlich, um danach aber weit unter den Durchschnitt abzufallen. Eine abnehmende Verlässlichkeit saisonaler Niederschläge aufgrund erhöhter Variabilität des Niederschlagsgeschehens gehört exakt zu den Szenarien, die der Weltklimarat auf Ba- sis der Berechnungen von Klimamodellen als Folge des Klimawandels aufzeigt. Sie weisen auf einen zusätzlichen Anpassungsbedarf im Bereich Wasserressourcenmanagement in der Zukunft hin. b) Negative Trends im Niederschlag mit saisonalen Verschiebungen Der Blick auf die nach Jahreszeit differenzierten Trends im Niederschlag (Abb. 5) auf Basis einer speziell für die Betrachtung von Trends über Europa homogenisierten Nieder- schlagsanalyse [6] verdeutlicht, dass der Klimawandel in Italien nicht nur zu der allgemein beobachteten Erwärmung mit einer erhöhten Häufigkeit von Hitzewellen führt. Darüber hin- aus zeigen die nach Jahreszeiten differenzierten Trends im Niederschlag insbesondere im Winter einen robusten und regional auch signifikanten negativen Trend, ein Muster, das eu- ropaweit nur über dem westlichen Balkan auf der anderen Seite der Adria noch stärker aus- geprägt ist. c) Nordverschiebung des subtropischen Hochdruckgürtels Wie bereits im 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates [7] festgehalten, wird im Zuge des Klimawandels eine im vieljährigen Mittel nördliche Verschiebung der sub-tropischen Hoch- druckgürtel erwartet. Dies geht einher mit einer Vergrößerung der Nord-Südausdehnung der tropischen Hadley-Zellen, welche die nördlich und südlich sich anschließenden Hochdruck- gürtel verschiebt. Letztendlich hat dies zur Folge, dass die winterlichen Episoden mit tiefem Luftdruck und den insbesondere für den westlichen und mittleren Mittelmeerraum typischen Winterniederschlägen seltener werden. Dieser Effekt müsste eigentlich auch die Herbstnie- derschläge erfassen, aber hier dominiert der Effekt der erhöhten Wassertemperaturen im Mittelmeer, die im September und Oktober zum Ausklang des Sommers am höchsten sind und im Zuge des Klimawandels noch ansteigen. Sie führen zu einem häufigeren Auftreten von „Medicanes“, das sind Hurrikanen ähnliche Wirbelstürme im Mittelmeerraum, und mehr Niederschlag im nördlichen Mittelmeerraum in den Herbstmonaten, was ebenfalls bereits in den saisonalen Trends des Niederschlags (Abb. 5, SON) über Nord- und Mittelitalien zu be- obachten ist. 3
Abbildung 1: Tägliche Maximumtemperaturen im Mittelmeerraum zu Beginn der Hitzewelle in Italien an 31. Juli 2017 (oben) und aktuell (unten, 10. August 2017), allgemein verfügbar unter http://www.dwd.de/DE/leistungen/rcccm/int/rcccm_int_txtn.html. An den Tagen dazwi- schen bot sich über Italien andauernd ein ähnliches Bild mit Maxima, die verbreitet über 35 °C lagen. 4
Abbildung 2: Monatsmitteltemperaturen (in °C) von mehreren Stationen in Italien von 1961 bis 2017. Info: Einige Reihen weisen Datenlücken auf. [Quelle: DWD] 5
(a): Kumulierter Niederschlag Mittel- und Süditaliens von Juni 2016 bis Juli 2017 auf Basis der geras- terten Analysen des Weltzentrums für Niederschlagsklimatologie. Die für die Aggregation verwendeten Rasterzellen sind in der Karte markiert. Die meteorologische Dürre beginnt ab November 2016 und akkumuliert ein Defizit von über 200 mm im Flächenmittel bis Ende Juli 2017. (b): Verlauf der Summe des monatlichen (c): Wie (b) aber für die Station Messina Niederschlags von Juli 2016 bis Juli 2017 an der Station Vigna di Valle, bei Rom (d): Tägliche Niederschläge in Genua (oben (e): Wie (d) aber für Grossetto in der Toskana kumuliert) seit 11. Mai 2017 Abbildung 3: Illustration der seit November 2016 andauernden Dürre in Mittel- und Südita- lien 6
(a) 1 Monat (b) 3 Monate (c) 6 Monate (d) 9 Monate (e)12 Monate (f) 24 Monate σ Abbildung 4a-f: Verteilung des WZN Dürreindizes nach Ziese et al. (2013), Stichtag, 31. Juli 2017 für sechs verschiedene Rückschauzeiten von (a) 1 Monat bis (f) 24 Monate 7
Abbildung 5: Trends im Niederschlag über Europa für den Zeitraum 1951-2005, differenziert nach Jahreszeiten. Das deutlichste Trendmuster tritt im Winter (DJF) auf mit einem klaren Trend zu trockeneren Verhältnissen über Italien und dem westlichen Balkan. Fazit Die Resilienz von Mittelmeerländern wie Italien gegen die eigentlich typische Sommertro- ckenheit wird durch den Klimawandel gleich zweifach zusätzlich herausgefordert. Zum einen führt die globale Erwärmung zu allen Jahreszeiten für eine anhaltend erhöhte Verdunstung, die zunehmend auch die Zwischenjahreszeiten und den Winter betrifft. Zum anderen sorgt die bereits vom Weltklimarat im 5. Sachstandsbericht [7] prognostizierte Nordverschiebung des subtropischen Hochdruckgürtels aufgrund der Ausdehnung der tropischen Hadley-Zelle zu häufigeren und länger anhaltenden Hochdruckwetterlagen über Italien und damit für Nie- derschlagsarmut auch im Winter, wo normalerweise der größte Teil des Jahresniederschlags fällt. Sowohl die positiven Trends in der Temperatur als auch die negativen Trends in den saisonalen Niederschlägen insbesondere für den Winter sind robust und signifikant, was eine andauernde Herausforderung für die zukünftige Versorgung Italiens mit Niederschlägen an- zeigt, mit hohem resultierendem Anpassungsdruck insbesondere für Regionen, in denen die Trinkwasserversorgung stark vom rezenten Niederschlagsangebot abhängt. Quellen und weitere Informationen [1]; DWD Pressemitteilung vom 27.02.2017: Deutschlandwetter im Winter 2016/2017. Ein außergewöhnlich trockener und sehr sonnenscheinreicher Winter. http://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen_archiv_2017_node.html [2] DWD Pressemitteilung vom 30.05. 2017: Deutschlandwetter im Frühjahr 2017. Deutlich zu warm, gebietsweise äußerst trocken und viel Sonnenschein. [3] WMO RA VI, RCC Network, Climate Watch Advisory, 3 August 2017: Guidance on heat wave / above-normal temperature. http://rcccm.dwd.de/DWD- 8
RCCCM/EN/products/cwa/cwa_node.html;jsessionid=98E4069BA1BAC34368612D897DF 866FC.live21062 [4] Ziese, M., Becker, A., Finger, P., Meyer-Christoffer, A., Rudolf, B., U. Schneider, 2013: GPCC Drought Index Product (GPCC_DI) at 1.0° DOI: 10.5676/DWD_GPCC/DI_M_100 [5] DWD Hintergrundbericht, 5. März 2015: Niederschlagsdefizit und Dürre verschärfen sich in Südost-Brasilien trotz der Februar-Niederschläge. http://www.dwd.de/DE/presse/hintergrundberichte/2015/Duerre_Brasilien_PDF.pdf?__blob =publicationFile&v=2 [6] Rustemeier, E., Meyer-Christoffer, A., Becker, A., Finger, P., Schneider, U. und M. Ziese, 2017: GPCC Homogenized Precipitation Analysis HOMPRA for Europe Version 1.0 (at 0.5°, 1.0°, 2.5°): Homogenized Monthly Land-Surface Precipitation and Precipitation Normals from Rain-Gauges built on GTS-based and Historic Data. DOI: 10.5676/DWD_GPCC/HOMPRA_EU_M_V1_050 [7] Hartmann, D.L., A.M.G. Klein Tank, M. Rusticucci, L.V. Alexander, S. Brönnimann, Y. Charabi, F.J. Dentener, E.J. Dlugokencky, D.R. Easterling, A. Kaplan, B.J. Soden, P.W. Thorne, M. Wild and P.M. Zhai, 2013: Observations: At- mosphere and Surface. In: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribu- tion of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Stocker, T.F., D. Qin, G.K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Bo- schung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA. [8] Weather Underground: Roasting and Gasping in Pac NW; All-Time Record Heat in Southeast Europe. (August 04, 2017) https://www.wunderground.com/cat6/roasting-and-gasping-pac-nw-all-time-record-heat- southeast-europe Hinweis: Die im Bericht aufgeführten Daten geben den Stand der Niederschrift wieder. 9
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