ACATECH POSITION BIOTECHNOLOGISCHE ENERGIE UMWANDLUNG IN DEUTSCHLAND - STAND, KONTEXT, PERSPEKTIVEN
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> Biotechnologische Energieumwandlung in Deutschland Stand, Kontext, Perspektiven acatech (Hrsg.) acatech POSITION
> Biotechnologische Energieumwandlung in Deutschland Stand, Kontext, Perspektiven acatech (Hrsg.) acatech POSITION Juni 2012
Titel Herausgeber: acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, 2012 Geschäftsstelle Hauptstadtbüro Brüssel-Büro Residenz München Unter den Linden 14 Rue du Commerce/Handelsstraat 31 Hofgartenstraße 2 10117 Berlin 1000 Brüssel 80539 München Belgien T +49(0)89/5203090 T +49(0)30/206309610 T + 32(0)25046060 F +49(0)89/5203099 F +49(0)30/206309611 F + 32(0)25046069 E-Mail: info@acatech.de Internet: www.acatech.de Koordination: Dr. Marc-Denis Weitze Redaktion: Holger Schnell, Linda Tönskötter Layout-Konzeption: acatech Konvertierung und Satz: Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, Sankt Augustin Die Originalfassung der Publikation ist verfügbar auf www.springerlink.com
Kolumnentitel Inhalt > inhalt Kurzfassung 4 Projekt 7 Vorbemerkung 8 1 Einleitung 9 2 Biotechnologische Energieumwandlung: Erneuerbare Energie aus Biomasse 12 2.1 Aktuelle Situation der b iotechnologischen Energieumwandlung 12 2.2 Entwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu Bioenergie 18 2.3 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen 21 2.4 Gesellschaftliche Akzeptanz 23 3 Kurzcharakteristik der biotechnologischen Verfahren und Werkzeuge 24 3.1 Kommerzielle Verfahren 25 3.2 Pilot- und Demonstrationsstufe 25 3.3 Forschung und Entwicklung 25 3.4 Produktionssysteme und biotechnologische Werkzeuge 26 4 Empfehlungen 27 Anhang: Verfahren und Werkzeuge der biotechnologischen Energieumwandlung 29 Literatur 37
Biotechnologische Energieumwandlung Kurzfassung Bis 2022 wird Deutschland aus der Kernkraft aussteigen und Biomasse sollte dort zum Einsatz kommen, wo sie das Energiesystem zum Teil auf erneuerbare Energien um- unersetzlich ist: als speicherbarer Energieträger für stellen. Neben Sonnenenergie und Windkraft nimmt dabei Kraftstoffe. die Biomasse einen zentralen Platz ein: Mehr als zwei Drittel Die erneuerbare Energie aus nachwachsender Biomas- der heute bereitgestellten erneuerbaren Energie werden aus se adressiert die aktuellen Herausforderungen unseres Biomasse gewonnen. In der regenerativen Wärme- und Kraft- Energiesystems. Sie kann dem Klimawandel durch redu stoffversorgung ist Biomasse der Hauptenergieträger. Ein zierte Treibhausgasemissionen begegnen, die Abhängig- Verfahren, um aus Biomasse speicherbare Energie zu gewin- keit der Energieversorgung von den endlichen fossilen nen, ist die biotechnologische Energieumwandlung. Quellen verringern und ökologisch und sozial nachhalti- ges Wirtschaften ermöglichen. Für die Stromerzeugung Was ist biotechnologische Energieumwandlung? stehen mit Wind- und Solartechnik effektive Alternativen Wie bei allen Bioenergie-Linien werden bei der biotechno zu fossilen Energieträgern und Atomkraft zur Verfügung, logischen Energieumwandlung Strom, Wärme und Kraft- die auf der gleichen Fläche mehr Energie produzieren kön- stoffe nicht aus endlichen Rohstoffvorräten, den fossilen nen als Biomasse. Die Energieerzeugung aus Biomasse lie- Quellen, gewonnen, sondern nachwachsende Rohstoffe fert hingegen Energieträger wie Biogas, Bioethanol oder genutzt. Bei der biotechnologischen Energieumwandlung andere Stoffe. Diese sind gut speicherbar und transpor- wandeln Enzyme, Zellen oder ganze Organismen die Bio- tierbar. Damit ist Biomasse b esonders zur Versorgung mit masse in stoffliche Energieträger wie Methan (Biogas) Kraftstoffen geeignet. oder Ethanol um. Gegenüber chemischen Verfahren, die derzeit etwa zur Biodieselherstellung aus Pflanzenölen ein- „Tank oder Teller“: Biotechnologisch hergestellter gesetzt werden, kann die biotechnologische Umwandlung Kraftstoff kann den Konflikt entschärfen. unter Einsatz von weniger Prozessenergie und dezentral Die Biokraftstoffe sollten mithilfe biotechnologischer eingesetzt werden. Dazu können unterschiedlichste Aus- Verfahren der sogenannten 2. Generation hergestellt gangsstoffe verwendet werden. Biogas wird durch Vergä- werden. Das sind Verfahren, die Restrohstoffe der Land- rung von G ülle und Viehmist sowie von Pflanzenbiomasse und Forstwirtschaft sowie Abwässer und Abgase nutzen. (derzeit vor allem Mais) erzeugt. In Blockheizkraftwerken Zurzeit werden vorrangig Öle, Stärke und Zucker, die in (BHKW) wird das Biogas in Strom und Wärme umgewan- erster Linie Lebensmittel sind, in speicherbare Bioenergie delt. Biogas wird aber auch zum Heizen oder als Treibstoff träger umgewandelt, da ihre Umwandlung chemisch bzw. in Kraftfahrzeugmotoren genutzt. Bioethanol entsteht biotechnologisch relativ einfach zu erreichen ist. Aufgrund durch die Vergärung von zucker- und stärkehaltigen Pflan- des rasanten Wachstums der Weltbevölkerung und der zen; biotechnologische Verfahren zur Umwandlung von steigenden Nachfrage nach Lebens- und Futtermitteln Lignozellulosen befinden sich im Pilot- bzw. Demonstra- konkurrieren energiereiche Biomasse und Pflanzen zur tionsstadium. Es kann als Kraftstoff in Ottomotoren Ver- Lebensmittelversorgung immer stärker um die begrenzten wendung finden. Als prominentes Beispiel hierfür sorgte Agrarflächen. Der Konflikt kann nur entschärft werden, jüngst der Ethanol-Kraftstoff E10 (10 Prozent Ethanol- wenn zur Kraftstoffversorgung mit Bioethanol und -gas Anteil) für Schlagzeilen. Das neue Angebot an deutschen nicht für Lebensmittel geeignete Roh- bzw. Reststoffe ver- Tankstellen führte zu heftigen Debatten über die techni- wendet werden. So stehen die begrenzten Agrarflächen sche Anwendungssicherheit und Nachhaltigkeit. weiterhin für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung. 4
Kurzfassung Die entschärfte Agrarflächenkonkurrenz kann die Prei- statt. Um das Wertschöpfungspotenzial zu heben, muss se für Lebensmittel und Bioenergiepflanzen entkoppeln; Deutschland im internationalen Wettbewerb aufholen. die stark gestiegenen Marktpreise für Lebensmittel in der jüngsten Vergangenheit wurden unter anderem auf den Bisher sind Verfahren zur Gewinnung stofflicher Energie- verstärkten Anbau von Bioenergiepflanzen zurückgeführt. träger aus Restrohstoffen noch nicht am Markt etabliert. Gegenüber der einfachen Umsetzung von Öl oder Zucker Die Verwendung von Reststoffen hat auch ökologische erfordern sie einen höheren technologischen Aufwand. Vorteile gegenüber der Nutzung von Biomasse vom Acker: Die Internationale Energieagentur (IEA) sieht bis 2050 Sie verursacht keine zusätzlichen Treibhausgasemissionen geringere Produktionskosten für konventionelles Etha- durch Düngung. Biotechnologische Verfahren können Rest- nol gegenüber Ethanol aus lignocellulosischen Reststof- und Abfallstoffe dezentral vor Ort in Energie umwandeln. fen wie Stroh, Bagasse und anderen Ernterückständen. Dies ermöglicht kurze Transportwege. Auch eine Kon kurrenzfähigkeit zu fossilen Treibstoffen wird für Lignocellulose-Ethanol erst langfristig erwartet. Biotechnologische Energieumwandlung eröffnet Die Umwandlung von Nicht-Lebensmittelrohstoffen in ökonomische Chancen. Für den Markterfolg m üssen speicherbare Energieträger ist möglich und langfristig auch Politik und Wirtschaft förderliche Rahmenbedingungen wirtschaftlich. Trotzdem ist das aufwendigere Verfahren schaffen. derzeit eine hohe Hürde für eine Etablierung am Markt. Die biotechnologische Energieumwandlung ermöglicht eine gekoppelte Produktion von Energie und höherwerti- Auch bei erfolgreicher Kommerzialisierung steht die bio- gen Chemikalien. Darüber hinaus können die Gärreste als technologische Energieumwandlung aus Restrohstoffen vor Dünger in die Landwirtschaft zurückgeführt werden und einer großen Herausforderung: Bereits heute ist abzusehen, sie dienen auch der Humusbildung. Die Weiterentwick- dass nicht genügend Biomasse für flüssige Energieträger lung dieser Verfahren eröffnet deutschen Unternehmen zur Verfügung stehen wird, um die Bioenergieziele der EU damit bedeutende Wertschöpfungsmöglichkeiten. Auch im Kraftstoffsektor zu erreichen, wenn sich Biomassever- im internationalen Wettbewerb kann sich Deutschland als brennung im gleichen Maße wie bisher steigert. Um die Anlagenexporteur mit biotechnologischen Verfahren und Verheizung von Biomasse zugunsten der biotechnologi- Energieträgern platzieren: Der weltweite Gesamtmarkt für schen Kraftstoffgewinnung zu reduzieren, muss der Dialog Ethanol liegt bei über 100 Milliarden Liter; die erwarteten mit der Bevölkerung gesucht werden. Denn trotz breiter Kapazitäten für Ethanol der 2. Generation erreichen in den Zustimmung für erneuerbare Energien kann die Biotechno- nächsten drei Jahren jedoch erst wenige Prozent der Ge- logie in der Gesellschaft auf Vorbehalte stoßen. samtproduktion. Das Potenzial für biotechnologisch herge- stellte Kraftstoffe und entsprechende Technologien ist groß. Empfehlungen in Kürze Allerdings werden sich Biokraftstoffverfahren der 2. Gene- ration zuerst in USA, Europa und Schwellenländern etablie- 1. Förderung von Forschung und E ntwicklung ren, wo es bereits Pilotanlagen gibt. Deutschland ist zwar in acatech empfiehlt, die biotechnologische Energie der Forschung zur biotechnologischen Energieumwandlung umwandlung der 2. Generation bis zur Marktreife wei weltweit führend, die Kommerzialisierung neuer Linien der ter zu entwickeln. Die im 6. Energieforschungsprogramm 2. Generation findet jedoch verstärkt in anderen Ländern der Bundesregierung genannte Unterstützung bis zur 5
Biotechnologische Energieumwandlung emonstration der großmaßstäblichen Eignung ist wesent- D 4. Ausbildung lich für eine erfolgreiche Etablierung. Die Entwicklung von acatech empfiehlt, die Interdisziplinarität der Forschung Verfahren zur Nutzung von Rest- und Abfallstoffen sollte vom „Gen bis zum Kraftstoff“ gezielt in die Ausbildung weiterhin gefördert werden. von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren zu integrie ren. Die Auseinandersetzung mit Technikfolgen und Sicher- 2. Nutzungsstrategie heitskonzepten sollte sowohl in die Ausbildung als auch in acatech empfiehlt, die Verteilung der Rohstoffe in die jedes Forschungsprojekt integriert werden. verschiedenen Segmente politisch zu steuern, insbeson dere eine Verbrennung der Rohstoffe nicht noch weiter 5. Kommunikation zu fördern. Mit der gezielten Förderung von Technologien acatech empfiehlt, in der öffentlichen Kommunikation für Biokraftstoffe, die nicht in der Konkurrenz zu Lebens- deutlich zu machen, dass eine biobasierte, nachhalti mitteln stehen, sollte daher deren Kommerzialisierung ge Wirtschaft nicht ohne Technik und neue Technolo erleichtert und unterstützt werden. Ähnlich sichere und gien möglich ist. Auch beim Thema „biotechnologische langfristig stabile gesetzliche Rahmenbedingungen, wie es Energieumwandlung“ muss die Öffentlichkeit über Vor- das Erneuerbare-Energien-Gesetz für regenerativen Strom und Nachteile der Bereitstellungswege – fossil oder bio- gewährt, werden auch für Biokraftstoffe gebraucht. Anreize massebasiert – informiert werden. für eine verstärkte V erbrennung sollten abgebaut werden. 3. Internationale Kooperationen acatech empfiehlt, internationale Kooperationen mit biomassereichen Ländern bei der Verfahrensentwicklung auszubauen. Sie sind essenziell für eine erfolgreiche Behauptung am Markt. Die Stärke der deutschen Verfah- renstechnik kann hier in der Prozessoptimierung zu beider- seitigem Vorteil eingesetzt werden. 6
Projekt Projekt >> Projektleitung >> Projektkoordination —— Prof. Dr. Thomas Bley, Technische Universität Dresden / —— Dr. Marc-Denis Weitze, acatech Geschäftsstelle acatech >> Projektverlauf >> Projektgruppe Projektlaufzeit: 7/2011 – 4/2012 —— Prof. Dr. Frank Behrendt, Technische Universität Berlin / acatech Diese acatech POSITION wurde im Mai 2012 durch das —— Prof. Dr. Thomas Bley, Technische Universität Dresden / acatech Präsidium syndiziert. acatech —— Holger Gassner, RWE Innogy GmbH Ausgehend von Workshops zum Thema, die acatech —— Dr. Jochem Henkelmann, BASF SE im Projektvorfeld am 22. Oktober 2008 in Berlin und – —— Dr. Manfred Kircher, Cluster Industrielle Biotechnologie gemeinsam mit dem BioÖkonomieRat – am 4. Februar 2011 —— Dr. Stephan Krinke, Volkswagen AG in Leipzig veranstaltet hat, wurden eine Literaturrecherche —— Prof. Dr. Alfred Pühler, Universität Bielefeld / acatech und eine Reihe von Experteninterviews durchgeführt. —— Dr. Markus Rarbach, Süd-Chemie AG —— Prof. Dr. Thomas Scheper, Universität Hannover / Auf dieser Basis wurden gemeinsam mit der Projektgruppe acatech die Position erstellt und die Empfehlungen abgeleitet. —— Prof. Dr. Ulrich Stottmeister, Sächsische Akademie der Wissenschaften / acatech Experteninterviews wurden geführt mit: —— Prof. Dr. Christian Wandrey, Forschungszentrum Jülich GmbH / acatech —— Dr. Walter Böhme, OMV —— Dr. Martin Wolf, Bayer Technology Services GmbH —— Prof. Dr. Eckhard Boles, Universität Frankfurt —— Dr. Thorsten Gottschau, FNR >> Reviewer —— Dr. Lutz Guderjahn, CropEnergies —— Prof. Dr. Utz-Hellmuth Felcht, One Equity Partners —— Prof. Dr. Katharina Kohse-Höinghaus, Universität Europe GmbH / acatech Präsidium (Leitung) Bielefeld —— Prof. Dr. Bernd Müller-Röber, Universität Potsdam / —— Dr. Achim Marx, CLIB 2021 acatech —— Dr. Murillo Villela Filho —— Prof. Dr. Günther Wess, Helmholtz Zentrum München / —— Dr. Ulrike Schmidt-Staiger, Fraunhofer IGB acatech —— Prof. Dr. Frank Scholwin, DBFZ —— Prof. Dr. Georg Gübitz, Technische Universität Graz —— Prof. Dr. Gerhard Stucki, SATW —— Prof. Dr. Christian Wilhelm, Universität Leipzig acatech dankt allen externen Fachgutachtern. Die Inhalte —— Prof. Dr. An-Ping Zeng, Technische Universität der vorliegenden Position liegen in der alleinigen Verant- Hamburg-Harburg wortung von acatech. —— Dr. Yelto Zimmer, VTI >> Aufträge / Mitarbeiter >> Finanzierung —— Dr. Anke Mondschein, Technische Universität Dresden acatech dankt dem acatech Förderverein für seine Unterstützung. 7
Biotechnologische Energieumwandlung Vorbemerkung Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Nutzung von öglichkeiten einer effektiveren Bioenergienutzung auf M Biomasse für die Energieerzeugung insgesamt und für und stellt vielversprechende Ansätze zur biologischen Er- Biokraftstoffe im Besonderen haben acatech – Deutsche zeugung von Wasserstoff vor.2 Akademie der Technikwissenschaften, Leopoldina – Natio nale Akademie der Wissenschaften und der bei acatech acatech geht von den derzeitigen politischen und ökono- angesiedelte BioÖkonomieRat das Thema aufgegriffen mischen Rahmenbedingungen aus und leitet von diesem und im Jahr 2011 Arbeitsgruppen zu dessen Bearbeitung Standpunkt Empfehlungen ab. Wie können die durch die eingesetzt. Unter gegenseitiger Abstimmung wurden unter Legislative gesetzten Ausbauziele für regenerative Energien schiedliche Schwerpunkte für die von ihnen erarbeiteten mit der verfügbaren Biomasse mit welchen Technologien Positionspapiere bzw. Stellungnahmen gesetzt und Empfeh- am besten erreicht werden, ohne die Nahrungsmittelversor- lungen dazu vorgelegt. gung zu beeinträchtigen? Das Papier des BioÖkonomieRats1 fordert eine politische Die Empfehlungen des BioÖkonomieRats wurden am 2 0. Ja- Neubewertung der kohlenstoffbasierten Quellen unter Be- nuar 2012 in der Bundespressekonferenz vorgestellt und den rücksichtigung aller Nutzungspfade: Ernährung, stoffliche fünf hauptsächlich betroffenen Ressorts übergeben. Nutzung, Energie. Das acatech Positionspapier wurde erstmals am 21. Juni Leopoldina setzt den Schwerpunkt auf eine kritische Ana- 2012 auf dem „Biotechnological Energy Conversion: Chal- lyse der Verfügbarkeit von Biomasse unter den Aspekten lenges and Opportunities“ Kongress im Rahmen der Ache- Klimaschutz und Nachhaltigkeit, zeigt technologische ma in Frankfurt / Main der Öffentlichkeit präsentiert. 1 BioÖkonomieRat 2012. 2 Leopoldina 2012. 8
Einleitung 1 Einleitung Bis 2022 wird Deutschland aus der Kernkraft aussteigen Was ist biotechnologische Energieumwandlung? und das Energiesystem zum Teil auf erneuerbare Energien Bei allen Bioenergie-Linien werden Strom, Wärme bzw. umstellen. Neben Sonnenenergie und Windkraft nimmt Kraftstoffe nicht aus endlichen Rohstoffvorräten, den fos- dabei die Biomasse einen zentralen Platz ein: Mehr als silen Quellen, gewonnen, sondern nachwachsende Roh- zwei Drittel der heute bereitgestellten erneuerbaren Ener- stoffe genutzt. Bei der Pflanzenölproduktion (Raps- und gie werden aus Biomasse gewonnen. In der regenerativen Palmöl) aus Biomasse und gegebenenfalls nachfolgenden Wärme- und Kraftstoffversorgung ist Biomasse sogar der Umsetzungen zur Biodieselherstellung kommen chemi- Hauptenergieträger. Die Nutzung von erneuerbaren Ener sche Verfahren zum Einsatz. Bei der biotechnologischen gien aus nachwachsender Biomasse zielt auf die Bekämp- Energieumwandlung leisten hingegen Enzyme, Zellen fung des Klimawandels, auf eine Verringerung der Abhän- (Bakterien) oder ganze Organismen (Pilze) die Umwand- gigkeit der Energieversorgung von den endlichen fossilen lung der Biomasse in Energieträger wie Biogas oder Etha- Quellen und auf ökologisch und sozial nachhaltiges Wirt- nol. Dazu können unterschiedlichste Ausgangsstoffe ein- schaften. Die Energieerzeugung aus Biomasse kann da- gesetzt w erden. Biogas wird durch Vergärung von Gülle rüber hinaus speicherbare, stoffliche Energieträger und und Viehmist und von Pflanzenbiomasse (derzeit vor al- Kraftstoffe liefern. lem Mais) erzeugt. In Blockheizkraftwerken (BHKW) wird das Biogas in Strom umgewandelt. Biogas wird aber auch Dennoch wurde Bioenergie in den vergangenen Jahren in zum Heizen oder als Treibstoff in Kraftfahrzeugmotoren Politik und Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. So hatte Bio- genutzt. Bioethanol entsteht durch die Vergärung von zu- energie ökologisch bedenkliche landwirtschaftliche Mono- cker- und stärkehaltigen P flanzen wie Zuckerrüben, Mais kulturen zur Folge und trug zur Zerstörung von Regenwald oder Getreide. Es kann als Kraftstoff in Ottomotoren Ver- sowie anderen naturnahen Lebensräumen bei. Aufgrund wendung finden. Als prominentes Beispiel hierfür sorgte begrenzter Agrarflächen steht der Anbau energiereicher jüngst der Ethanol-Kraftstoff E10 (10 Prozent Ethanol- Biomasse in Konkurrenz zum Anbau von Pflanzen zur Anteil) für Schlagzeilen. Das neue Angebot an deutschen Lebensmittelversorgung. Tankstellen führte zu heftigen Debatten über die techni- sche Anwendungssicherheit und Verwendung von Lebens- Grundsätzlich kann Bioenergie je nach Umwandlungsver- mittel-Rohstoffen zur Energieerzeugung. fahren der Strom-, Wärme- und Kraftstoffversorgung dienen. Zur Bioenergie zählt Zum Verbrennen zu schade: Umwandlung zu speicherbaren Energieträgern —— die Verbrennung von Biomasse zur Wärme- oder Strom- Der Vorteil biotechnologischer oder chemischer Verfahren erzeugung (thermische Umwandlung), gegenüber der Verbrennung von Biomasse zur Wärme- oder —— die Gewinnung von Pflanzenöl aus Biomasse beispiels- Stromerzeugung ist, dass sie stoffliche Energieträger hoher weise als Grundstoff für Biodiesel (physikalisch-chemi- Energiedichte (zum Beispiel Biogas, Ethanol) liefern. Diese sche Umwandlung), sind gut speicherbar und transportierbar. Während Strom —— die Vergasung oder Verkohlung von Biomasse (thermo- auch e ffektiv durch andere erneuerbare Energien wie Son- chemische Umwandlung) nen- und Windkraft erzeugt wird, sollte Biomasse als Rohstoff —— sowie die biotechnologische Energieumwandlung. dort Verwendung finden, wo sie strategisch im regenerativen Energiemix benötigt wird: für speicherbare Energieträger. 9
Biotechnologische Energieumwandlung Vor allem für die Gewährleistung von Mobilität sind Biotechnologie kann die Konkurrenz „Tank oder Teller“ Energieträger mit einer hohen Energiedichte (flüssige Kraft entschärfen. stoffe) unverzichtbar. Trotz der fortschreitenden Erfolge bei Das Potenzial für die Erzeugung von Energie aus Biomasse ist der E-Mobilität werden für Last- und Flugverkehr Batterien jedoch nicht unendlich. Es ist Konsens, dass die Energiegewin- wirtschaftlich voraussichtlich nicht realisierbar sein. Auch nung nicht zulasten der Lebensmittelproduktion, vor allem in bei PKWs wird der Anteil der Elektromobilität an der deut- Entwicklungsländern, ausgebaut werden darf. Die „Tank- oder schen Kraftfahrzeugflotte bis 2020 nur wenige Prozent Teller“-Diskussion der zurückliegenden Jahre zeigte deutlich, erreichen. Flüssige Kraftstoffe sind jedoch bislang nur auf dass auch der Ausbau der Bioenergienutzung durch geeigne- fossiler Basis herstellbar – oder mit Biomasse. Am Markt te Rahmenbedingungen gesteuert werden muss und kann. bewährt haben sich bisher neben der chemischen Umset- So weisen etwa das Büro für Technikfolgenabschätzung3, zung von pflanzlichen Ölen vor allem biotechnologische die Leopoldina4 und der BioÖkonomieRat5 darauf hin, dass Verfahren zur Konversion von Biomasse in Kraftstoffe und aufgrund der prognostizierten Zunahme der Weltbevölke- speicherbare Energieträger. rung und des Verbrauchs tierischer Produkte die Nachfrage nach Lebens- und Futtermitteln noch steigen wird. Damit Abbildung 1: Zusammensetzung der terrestrischen Biomasse – Potenzial für biotechnologische Energiegewinnung der 2. Generation. (Die gesamte terrestrische Biomasseproduktion liegt bei 120 Milliarden Tonnen pro Jahr.) Quelle: GDCh Fachgruppe, Umweltchemie und Ökotoxikologie 0,1 5,0 0,1 1,0 24,0 20,0 Stärke Zucker (Sucrose) Lebensmittel < 10 % Pflanzenöl Proteine, andere Inhaltsstoffe Lignin Lignocellulose Cellulose 50,0 > 90 % Hemicellulosen 3 TAB 2010. 4 Leopoldina 2012. 5 BioÖkonomieRat 2012. 10
Einleitung nimmt auch die Konkurrenz um landwirtschaftliche Nutz- Gegenüber der einfachen Umsetzung von Öl oder Zucker er- flächen zu. Dieser Konflikt kann entschärft werden, wenn fordern diese Verfahren einen höheren Aufwand.6 Trotzdem sich der weitere Ausbau der energetischen Nutzung von Bio- haben biotechnologische Verfahren gegenüber chemischen masse vorrangig auf die Nutzung von nicht für Lebensmittel Verfahren und gegenüber der Verbrennung von Biomasse geeigneten Roh- bzw. Reststoffen konzentriert. So kann der zur Wärme- oder Stromerzeugung spezifische Vorteile: ethische Konflikt “Tank oder Teller“ vermieden werden. Die Verwendung von Reststoffen verursacht keine zusätzlichen 1. Abfälle werden mithilfe biotechnologischer Verfahren Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) durch Düngung. zu Energieträgern. Biotechnologische Verfahren können Die entschärfte Agrarflächenkonkurrenz kann darüber hinaus unter milden Bedingungen Rest- und Abfallstoffe um- die Preise für Lebensmittel und Bioenergiepflanzen entkop- setzen und sind damit auch für dezentrale Anwendun- peln; die stark gestiegenen Marktpreise für Lebensmittel in gen gut geeignet. Rohstoffe können vor Ort verwendet der jüngsten Vergangenheit wurden unter anderem auf den werden und ermöglichen kurze Transportwege. verstärkten Anbau von Bioenergiepflanzen zurückgeführt. 2. Biotechnologische Verfahren produzieren im Gegensatz Verfahren, die Restrohstoffe, wie die lignocellulosischen zur thermischen Verwertung (Verbrennung) von Bio- Nebenprodukte der Land- und Forstwirtschaft (wie Stroh) masse einfach lagerfähige stoffliche Energieträger einer sowie Abwässer nutzen, werden auch als biotechnologi- hohen Energiespeicherdichte. Sie ergänzen damit ande- sche Energieumwandlung der „2. Generation“ bezeichnet. re, weniger gut speicherbare regenerative Energien. Bislang sind Verfahren zur Gewinnung stofflicher Energie- träger aus Restrohstoffen jedoch noch nicht am Markt etab- 3. Biotechnologische Verfahren benötigen weniger liert. Abb. 1 illustriert, wie groß deren Potenzial gegenüber Prozessenergie – sowohl bei der Stoffwandlung als der Lebensmittelproduktion ist. Proteine, Stärke und Zucker, auch bei der Stoffproduktion – als vergleichbare, klas- die wesentlichen Bestandteile in Lebensmitteln, machen sische chemische Verfahren. Die Weiterentwicklung der wenige Prozente der terrestrischen Biomasse aus, der Anteil Verfahren für eine gekoppelte Produktion von Energie der Lignocellulosen an der Gesamtbiomasse liegt hingegen und höherwertigen Chemikalien eröffnet bedeutende deutlich über 90 Prozent. Wertschöpfungspotenziale in Deutschland. Zurzeit werden vorrangig Öle, Stärke und Zucker, die auch Die vorliegende POSITION hebt die Bedeutung der als Lebensmittel dienen können, in speicherbare Bioenergie biotechnologischen Energieumwandlung aus anwendungs- träger umgewandelt, da ihre Umwandlung chemisch bzw. und verfahrenstechnischer Sicht heraus. In den folgenden biotechnologisch relativ einfach zu erreichen ist. Mithilfe Kapiteln wird weiter ausgeführt, wie die biotechnologische biotechnologischer Verfahren könnte auch das große Poten- Energieumwandlung insbesondere dann einen heraus zial lignocellulosischer Rohstoffe für speicherbare Energie- ragenden Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland träger oder Kraftstoffe genutzt werden. Diese Energieträger und zur Reduktion von Treibhausgasemissionen leisten sind in einem regenerativen Energiemix unverzichtbar und kann, wenn Nachhaltigkeitskriterien angelegt werden – erweitern sinnvoll die bisherige energetische Nutzung von und dass sich in diesem Feld gerade für Deutschland be- Lignocellulosen durch Verbrennung. deutende Wertschöpfungsmöglichkeiten eröffnen. 6 Pflanzen synthetisieren Lignocellulosen auch deswegen, weil diese durch Mikroorganismen schwer abbaubar sind (vgl. Thauer 2008). 11
Biotechnologische Energieumwandlung 2 Biotechnologische Energieumwandlung: Erneuerbare Energie aus Biomasse 2.1 Aktuelle Situation der chemischen Verfahren der Energiegewinnung. Spezifische biotechnologischen Energieumwandlung Vorzüge biotechnologischer Verfahren sind hierzu im Ver- gleich vor allem zu sehen in: Die Bedeutung der Bioenergie innerhalb der regenerativen Energien ist weltweit und auch in Deutschland hoch. Die —— der Nutzung wasserhaltiger Ausgangssubstanzen und Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 geht der Nutzung wässriger Abfallströme, die thermisch davon aus, dass die Bedeutung von Bioenergie noch zu- nicht genutzt werden können, nehmen wird.7 Die Zahlen der vergangenen Jahre verdeut- —— der Generierung von Energieträgern hoher Energie lichen dies: Der Biomasseanteil an erneuerbarer Energie in speicherdichte und Deutschland wuchs von 2000 bis 2010 von 61 auf 71 Pro- —— der Schließung regionaler (Nährstoff-) Kreisläufe durch zent. Biomasse stellt in Deutschland mehr als zwei Drittel die Nutzung der Gärreste für die Humusreproduktion.8 der erneuerbaren Energie (Abb. 2 A). Abb. 2 A zeigt, dass der größte Anteil der Biomasse zur Wär Biotechnologische Verfahren konkurrieren um die verfüg meerzeugung genutzt, also verbrannt wird. Biotechnologi- bare Biomasse mit thermischen (Verbrennung) oder thermo- sche Prozesse zeigen ihre Vorteile bei der Kraftstofferzeugung Abbildung 2 A: Anteil der Bioenergie9 an der gesamtem regenerativen Energieerzeugung in Deutschland 2010 (Daten: FNR 2011) Biokraftstoffe 13,0 % 7,2 % Wasserkraft Biomasse 12,1 % 13,3 % Windenergie (Strom) gesamt 275,4 TWh ca. 71 % durch 1,9 % Solarthermie Bioenergie 2,0 % Geothermie 4,4 % Photovoltaik Biomasse 46,1 % (Wärme) 7 BMBF 2010. 8 Im Sinne der Rohstoffstrategie der Bundesregierung (BMWi 2010) werden auch unverzichtbare Pflanzennährstoffe (insbesondere Phosphor) in Kreisläufen effizient genutzt. 9 Strom und Wärme aus Biomasse inkl. Klär-, Deponiegas und biogener Anteil des Abfalls. 12
Erneuerbare Energie aus Biomasse und Herstellung von Biogas als stofflichem Energieträger in Abbildung 2 B: Anteil der biotechnologischen Energieumwand- der Verstromung. Im Bereich Wärme spielen biotechnologi- lung an der Energieerzeugung aus Biomasse in Deutschland 2010 (Daten: FNR 2011) sche Prozesse wesentlich nur im Sinn der Abwärmenutzung eine Rolle. 100 Am Markt eingeführte biotechnologische Verfahren zur Energieumwandlung beschränken sich derzeit auf die Bio- gasherstellung und Ethanol als Kraftstoff der 1. Generation 75 (Vergärung von zucker- bzw. stärkereicher Biomasse, die prinzipiell auch für Lebens- bzw. Futtermittel geeignet wä- ren). Verfahren zur Nutzung von Rohstoffen, die nicht mit der Lebensmittelproduktion in Konkurrenz stehen (Biokraft- 50 stoffe der 2. Generation), befinden sich in der Pilot- bzw. Demonstrationsphase (vgl. Anhang S. 31). In Deutschland wurden 2010 43 Prozent des aus Biomas- 25 se erzeugten Stroms und 24 Prozent der aus Biomasse erzeugten Kraftstoffe mit biotechnologischen Methoden bereitgestellt (vgl. Abb. 2 B). Der größere Teil der aus Bio- masse erzeugten Kraftstoffe basiert jedoch auf Pflanzen 0 ölen, insbesondere aus Rapssaat, die mit chemischen [%] Strom Kraftstoffe Methoden zu Biodiesel weiterverarbeitet werden. Der Biomasse davon Biotechnologie Energie pflanzenanbau in Deutschland belief sich 2011 auf rund 16 Prozent der Ackerfläche. Biogaskulturen be- anspruchten davon 40 Prozent, für die Ethanolerzeugung in der Biodieselproduktion ist (vgl. Abb. 3). In Brasilien wurden ca. 13 Prozent der Energiepflanzenfläche genutzt waren bereits 2008 21 Prozent des Kraftstoffverbrauchs (der überwiegende Anteil entfällt mit 47 Prozent auf Raps). Biokraftstoffe.12 Im europäischen Vergleich ist Deutschland bei der Biogas produktion führend und produzierte 2009 mit 4,2 Millio- Preislich ist derzeit nur die Ethanolherstellung aus brasilia nen Tonnen Öläquivalent mehr als die Hälfte der gesamt- nischem Zuckerrohr mit fossilen Kraftstoffen konkurrenzfähig, europäischen Biogasleistung.10 auch wenn sich der Preisabstand zwischen europäischem und brasilianischem Ethanol durch die auf dem Weltmarkt Global spielt die biotechnologische Umwandlung für er- seit 2007 gestiegenen Zuckerpreise verringert haben dürfte. neuerbare Kraftstoffe eine erheblich größere Rolle: 82 Pro- zent der erneuerbaren Kraftstoffe wurden weltweit 2008 Abb. 4 zeigt, dass vor allem in den USA, Brasilien und in biotechnologisch erzeugt.11 Brasilien und die USA sind die Ländern der EU an diesen Verfahren gearbeitet wird.13 Haupterzeugerländer von Ethanol, während die EU führend Wenn auch der weltweite Gesamtmarkt für Ethanol bei 10 AEBIOM 2011. 11 OECD 2011. 12 IEA 2011a. 13 BiofuelsDigest 2011. 13
Biotechnologische Energieumwandlung über 100 Milliarden Liter liegt (aufsummiert aus Abb. 3), aus lignocellulosischen Rohstoffen (Abb. 5).14 Nach dieser erreichen die erwarteten Kapazitäten für Ethanol der 2. Ge- Prognose wird die Umwandlung von Nicht-Lebensmittel- neration (Lignocellulose-Ethanol) in den nächsten drei Jah- rohstoffen in speicherbare Energieträger erst langfristig ren nur wenige Prozent davon. Deutschland ist hier kaum (Perspektive 2050) unter Kostengesichtspunkten konkur- sichtbar. renzfähig – unter Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspek- ten ist das freilich schon früher gegeben. Sicherlich ist das Klassische Biokraftstoffverfahren werden sich zunehmend aufwendigere Verfahren derzeit eine hohe Hürde für eine in Entwicklungsländern etablieren, Verfahren der 2. Gene- erfolgreiche Etablierung am Markt. Um auch zukünftig ration zuerst in USA, Europa und Schwellenländern, wo es erfolgreich im internationalen Vergleich bei der biotechno bereits Pilot-Anlagen gibt. Für die Durchsetzung am Markt logischen Energieumwandlung zu bestehen, muss jetzt in ist neben technologisch effizienten Lösungen die Wirt- die Verfahrensentwicklung investiert werden. schaftlichkeit entscheidend. Die Internationale Energie- agentur (IEA) sieht hier noch bis 2050 geringere Produk- Soll aus gesellschaftspolitischen Gründen (Reduzierung tionskosten für konventionelles Ethanol gegenüber Ethanol von THG-Emissionen, Vermeidung von Nahrungskonkurrenz Abbildung 3: Weltweite Biokraftstoffproduktion 2010 (Daten: OECD 2011) Biokraftstoffproduktion 2010 50 40 30 20 [Milliarden Liter] 10 0 Vereinigte Brasilien Europäische China Indien Staaten Union Biodiesel Ethanol 14 IEA 2011b. 14
Erneuerbare Energie aus Biomasse und unerwünschter Landnutzungsänderung) die Nutzung gesetzlichen Fristen zu kurz. Welche biomassebasierten lignocellulosischer Rohstoffe für Kraftstoffe gegenüber Energieträger sich durchsetzen werden, hängt wesent Zucker- und Stärke-basierten Verfahren vorangetrieben lich von diesen politischen Weichenstellungen ab. und zur Marktreife gebracht werden, sind entsprechende flankierende Maßnahmen nötig. Bereits in der Nationalen Die Auswirkungen der politischen Rahmenbedingungen Forschungsstrategie Bioökonomie 203015 wird das Fehlen zeigen sich beim Vergleich zwischen amerikanischer und von ausreichendem Wagniskapital als ein Hindernis für europäischer Förderpolitik. Wesentliches Ziel beim Einsatz die Durchsetzung neuer Technologien am Markt gesehen. von Bioenergie in Europa sind Treibhausgaseinsparungen, Das EEG gibt langfristig stabile Rahmenbedingungen für während die Förderpolitik in den USA stärker auf Erdölun regenerativen Strom. acatech empfiehlt, ähnlich klare abhängigkeit zielte. Dementsprechend wurden in den USA und langfristig stabile Rahmenbedingungen auch für kontinuierlich auch aus Klimaschutzsicht weniger geeignete Biokraftstoffe der 2. Generation zu schaffen. Gerade Verfahren (zum Beispiel Ethanol aus Mais) gefördert und ein für investitionsintensive Anlagen sind die bestehenden volumenmäßiger Marktausbau vorangetrieben. Wesentliche Abbildung 4: Im Jahr 2010 prognostizierter Ausbau der Kapazitäten für die biotechnologische Produktion von Kraftstoffen der 2. Generation. In Deutschland wurden für 2011 nur insgesamt 2 Millionen Liter pro Jahr prognostiziert. (Man beachte die Skalierung der Ordinate in Vergleich zur Abbildung 3.) (Daten: BiofuelsDigest 2011) 6 EU-27 China 5 Kanada Brasilien 4 USA 3 2 [Milliarden Liter/a] 1 0 2009 2010 2011* 2012* 2013* 2014* 2015* *Prognose 15 BMBF 2010. 15
Biotechnologische Energieumwandlung THG-Einsparungen werden erst für Biokraftstoffe der 2. Ge- anlagen; 2011 wurde der Grundstein für eine erste kommerzi- neration erwartet.16 elle Anlage für Ethanol aus Lignocellulosen gelegt. Der US Renewable Fuels Standard (RFS) ist einer der Haupt- Die Bioenergienutzung in Deutschland stand von Beginn an treiber für die 2. Generation der Biokraftstoffe, da er eine ste- stärker unter Effizienz- und damit THG-Einsparungskriterien. tige Erhöhung des Lignocellulose-Ethanol-Anteils festschreibt. Die Erfahrungen bei Anbau und Nutzung von Biomasse zeig- Der Ausbau erneuerbarer Energien im Strom- und Wärme- ten, dass THG-Einsparungen durch Produktions methoden markt genießt dagegen deutlich geringere Aufmerksamkeit. (insbesondere hoher Düngemitteleinsatz, niedrige Umwand- Mit den vorhandenen Kapazitäten bei der Ethanolherstellung lungseffizienzen) und Landnutzungsänderungen (Kohlen sowie der gesetzlichen Grundlage entstand in den USA eine stoffsenke des Bodens17) durchaus konterkariert werden gute Startposition zur Kommerzialisierung lignocellulosischer können. Großvolumige Ausbauziele wurden in der Folge kri- Verfahren. Es gibt dort mehrere Pilot- und Demonstrations tischer begleitet. Abbildung 5: Prognostizierte Entwicklung der Produktionskosten ausgewählter Biokraftstoffe in US-Dollar nach IEA 2011b 1,2 1,0 0,8 0,6 USD/l Benzinäquivalent 0,4 0,2 0,0 2010 2015 2030 2050 Ethanol Zuckerrohr Ethanol konventionell Ethanol 2. Generation (Lignocellulose) fossile Kraftstoffe 16 WBGU 2009. 17 Im Boden liegt Kohlenstoff gebunden im Humus vor. Dieser Kohlenstoffvorrat kann jedoch durch erhöhte mikrobielle Aktivität abgebaut werden. Erhöhte mikrobielle Aktivität wird vor allem durch Umpflügen des Bodens (Sauerstoffeintrag) und Düngung (Nährstoffversorgung) hervorgerufen. Exemplarisch für besonders Kohlenstoff-reiche Böden sind Moore und Regenwald. Hier führt Landnutzungsänderung zu beson- ders hohen CO2-Emissionen. 16
Erneuerbare Energie aus Biomasse Die THG-Einsparungen verschiedener Verfahren wurden in Ersatz eines weniger umweltbelastenden fossilen Energie- einer von der IEA 2010 veröffentlichten Studie18 zusammen- trägers resultiert in einem geringeren Einsparpotenzial. So gefasst. Abb. 6 zeigt die große Bandbreite der Berechnun- haben alle Wege, die zum Beispiel Erdgas ersetzen, schon gen zu den Einsparungspotenzialen der biotechnologischen per se ein geringeres Treibhausgasreduktionspotenzial als Verfahren. Diese zum Teil um mehr als 100 Prozent diffe- alle Wege, die Erdöl ersetzen, da die Förderung von Erdöl rierenden Angaben beruhen zum einen auf unterschied umweltbelastender ist als die Erdgasförderung. Trotzdem lichen zugrunde gelegten Annahmen, Verfahrensvarianten sind Trendaussagen möglich. Kommerzialisierte biotechno- und Rohstoffen, zum anderen werden Nebenprodukte un- logische Verfahren, die das in der EU für 2017 verbindliche terschiedlich berücksichtigt. Die besonders hohen Spann- 50 Prozent-Einsparungsziel erfüllen können, sind Ethanol breiten für Algen-Biodiesel und Butanol sind zusätzlich auf aus Zuckerrohr, Biogas (insbesondere mit Gülleverwertung) die Unsicherheiten aufgrund der noch nicht beendeten Ver- und Ethanol aus Zuckerrübe, während Ethanol aus Weizen fahrensentwicklung zurückzuführen. Zudem verändern sich und insbesondere Mais höhere Risiken aufweisen.19 die Verfahren und damit verbunden die THG-Einsparungen Ethanol aus Lignocellulosen als Kraftstoff der 2. Generation durch technischen Fortschritt. In die Bewertung fließt zeigt ein besseres Potenzial zur Reduktion der Treibhausgas- auch ein, welcher fossile Energieträger ersetzt wurde. Der emissionen, wenn auch hier der Unsicherheitsgrad aufgrund Abbildung 6: Erzielbare Treibhausgaseinsparungen durch Nutzung biotechnologischer Verfahren im Vergleich mit fossilen Energieträgern. Zusam- menfassung aus 60 Ökobilanz-Studien (IEA 2010). Die Werte enthalten keine Beiträge durch indirekte Landnutzungsänderung. Einsparungen von mehr als 100 Prozent sind möglich durch die Anrechnung von Koppelprodukten 140 Einsparung des Treibhausgas-Ausstoßes in Prozent 120 100 80 Reduktionsziele verglichen mit fossilem Kraftstoff 60 2018 40 2017 20 2011 0 -20 -40 -60 n) l l ol ol ol ol as l io no no e es n n n n og at a ta ha ha ha ha di er th Bi Bu t t t t io en se-E s-E n-E n-E r-E n-B h ai ze be . G lo ro ge M ei (2 ellu rü er Al W er ck C ck Zu Zu 18 IEA 2011b. 19 Pflanzenöle und Pflanzenöl-Kraftstoffe sind im Sinne dieser Studie keine biotechnologisch hergestellten Energieträger. Sie sind deshalb nicht berücksichtigt. 17
Biotechnologische Energieumwandlung der noch nicht beendeten Technologieentwicklung entspre- Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der Wertschöpfung, chend hoch ist. Für Butanol ist die große Spanne auch in der die in Deutschland durch Technologieexport generiert wird, Variabilität der Einsatzstoffe begründet. Wie für Ethanol ste- wichtig. Regional besteht auch in Deutschland ein nutz- hen alle Routen über Zucker, Mais, Weizen und – bei erfolg- bares Potenzial, um Verfahren für die biotechnologische reicher Einführung – über Lignocellulosen zur Verfügung. Die Energieerzeugung zu kommerzialisieren, weltweit sind Reduktion von THG-Emissionen um mehr als 100 Prozent ist jedoch bedeutend größere Potenziale vorhanden. auf die Anrechnung von Koppelprodukten zurückzuführen. Zum Beispiel sind Reste der Ethanolherstellung aus Weizen als proteinreiches Tierfutter verwertbar und können so Soja- 2.2 Entwicklung der gesetzlichen Rahmen anbau in anderen Teilen der Welt ersetzen. bedingungen zu Bioenergie Aufgrund dieser unterschiedlichen Einflüsse bei der Pro- Mit dem im Jahr 1997 von der Europäischen Kommis duktion wurde die Gesetzgebung in Europa weniger ein- sion veröffentlichten Weißbuch über erneuerbare Energie deutig in Bezug auf konkrete Zielprodukte gefasst, son- träger20 wurden erstmals verbindliche Ziele über den Anteil dern sie orientiert sich an Nachhaltigkeitsaspekten. Die erneuerbarer Energien am Energiemix in der Europäischen Renewable Energy Directive (RED) setzt keine spezifischen Union festgelegt. Stabile politische und gesetzliche Rah- Quoten für Kraftstoffe der 2. Generation, sondern fördert menbedingungen und der verbesserte Zugang erneuerbarer ihre Nutzung indirekt über die einzuhaltenden THG- und Energien zum Stromnetz sollten im hoch regulierten und Nachhaltigkeitsstandards. Die Auswirkungen dieser Rege- auch subventionierten Energiemarkt die Voraussetzung für lungen auf die Entwicklung der Industrie sind allerdings den Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen.21 deutlich unsicherer, verglichen mit den US-amerikani- schen. Dies führt dazu, dass die deutsche Wissenschaft Ziele für den Anteil von Strom aus erneuerbaren Energiequel- und deutsche Wissenschaftler zwar weltweit mit führend len und den Anteil von Biokraftstoffen wurden mit europäi- auf dem Gebiet der biotechnologischen Energieum- schen Richtlinien für das Jahr 2010 definiert, die jedoch kei- wandlung sind, die Kommerzialisierung neuer Linien der nen bindenden Charakter hatten. Die EU als Ganze verfehlte 2. Generation jedoch verstärkt in anderen Ländern der diese Ziele. Abb. 7 zeigt, dass ein Anteil von 18 Prozent für er- Erde stattfindet. acatech empfiehlt daher, internationale neuerbaren Strom gegenüber den angestrebten 22,1 Prozent Kooperationen bei der Entwicklung und Kommerziali und ein Anteil von 5,1 Prozent Biokraftstoffen gegenüber sierung auszubauen. den angestrebten 5,75 Prozent im Kraftstoffsektor erreicht wurden. Während Deutschland seine Ziele in beiden Berei- Es sind verstärkte Aktivitäten nötig, um bei der groß chen sogar überschritt, konnten nur sieben bzw. neun weitere technischen Umsetzung der Technologien Anteil zu ha- der 27 EU-Staaten ihre Ziele (über)erfüllen.22 Als Gründe für ben. Kooperationen mit biomassereichen Ländern bei der das Nichterreichen der Vorgaben wurde unter anderem an- Verfahrensentwicklung sind essenziell für eine weitere er- geführt, dass die Vorgaben nicht verbindlich gewesen seien folgreiche Behauptung am Markt. und der bestehende Rechtsrahmen für ein unsicheres Investi- tionsklima gesorgt habe.23 20 Europäische Kommission 1997. 21 Strategie und Aktionsplan zur Förderung erneuerbarer Energien wurden für alle erneuerbaren Energieträger entwickelt; sie sind nicht spezifisch für die biotechnologische Energieumwandlung. 22 Europäische Kommission 2011a. 23 Europäische Kommission 2009. 18
Biotechnologische Erneuerbare Energie Energieumwandlung aus Biomasse Mit der Richtlinie des Europäischen Parlaments zur Förde- Ausweitung agrarischer Produktion, also auch für Rohstof- rung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen fe der Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie. Die (Renewable Energy Directive: RED)24 wurden daher gesetz- Vermeidung unerwünschter Landnutzungsänderungen lich bindende Zielvorgaben gemacht. Sie beinhalten einen ist möglicherweise effektiver durch bi- oder multilaterale Anteil von 20 Prozent erneuerbarer Energie am Bruttoend- energieverbrauch und von 10 Prozent im Verkehrssektor (vgl. Abb. 7). Es wurden nationale Aktionspläne mit jeweils Abbildung 7: Anteil der erneuerbaren Energien am Brutto-Endenergie- unterschiedlichen zu erreichenden Zielen sowie Modali- verbrauch im Jahr 2010. Zielvorgaben gemäß EU-Richtlinien 2001 und 2003 sowie Novellierung des deutschen EEG Gesetzes 2012 (Daten: täten für die Nutzung von Biokraftstoffen festgelegt, um Europäische Komision 2011a) den bereits erreichten Stand der Nutzung erneuerbarer Energien in den Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen. Die 40 Bundesregierung beschloss im August 2010 ihren Natio- Ziel 2020 nalen Aktionsplan für erneuerbare Energie. Darin legte sie für Deutschland ein Ziel von 18 Prozent erneuerbarer Ener- gie am Brutto-Endenergieverbrauch, im Verkehrssektor von 30 10 Prozent fest, das im Jahr 2020 erreicht werden soll. Ziel 2010 Neben Zielvorgaben legt die RED gleichzeitig verbindliche Ziel 2020 Nachhaltigkeitskriterien fest. Dadurch wächst der Druck auf 20 eine erfolgreiche Kommerzialisierung solcher Verfahren zur Ziel 2020 Energiegewinnung. Insbesondere für die Nutzung von Bio- energie gilt die Forderung einer nachhaltigen Erzeugung, der Einhaltung von Mindeststandards für die Treibhausgas 15 einsparung und die Vermeidung von Schäden durch eine veränderte Flächennutzung sowie einer Diversifizierung der Ziel 2010 Rohstoffquellen. Ziel 2010 Ziel 2020 10 Mit der Festlegung der Nachhaltigkeitsstandards wird eine direkte Landnutzungsänderung zum Anbau von Energiepflanzen ausgeschlossen. Festlegungen zur Ziel 2010 Berücksichtigung bzw. Vermeidung von Verschiebung 5 der Lebensmittelanbauflächen in Gebiete mit wichtigen ökologischen Funktionen durch einen ausgeweiteten Energiepflanzenanbau (indirekte Landnutzungsänderung) sind hingegen noch in der Diskussion. Eine von der EU 0 veröffentlichte Studie weist darauf hin, dass die Auswir- [%] Brutto-End- Strom Verkehrssektor energieverbrauch kungen indirekter Landnutzungsänderungen nicht unter- EU Deutschland schätzt werden dürfen.25 Sie gelten aber für jede Form der 24 RED 2009. 25 IFPRI 2011. 19
Biotechnologische Energieumwandlung Abkommen mit den Erzeugungsländern zu erreichen und Die mit der Förderung von erneuerbaren Energien verbun- sollte nicht nur die Produktion von Rohstoffen für Bioener- denen Ziele der Bekämpfung des Klimawandels und Ver- gie betreffen. besserung der Versorgungssicherheit werden flankiert von Bestimmungen zur Energieeffizienz.27 Die Mitgliedsstaaten Das Nachhaltigkeitskonzept ist nicht nur auf flüssige Ener- haben sich verpflichtet, ihren Primärenergieverbrauch gieträger/Kraftstoffe anzuwenden. Es muss auch für die bis 2020 um 20 Prozent zu verringern („20-20-20-Ziel“). Nutzung fester und gasförmiger Energieträger aus Biomas- Energieeffizienz soll in die allgemeine Energiepolitik und se bei Stromerzeugung, Heizung und Kühlung gelten. Die das Maßnahmenpaket für Energie und Klima integriert wer- von der Europäischen Kommission für 2013 vorgeschlagene den; nur so sind die ambitionierten Ausbauziele nachhaltig CO2-Besteuerung26 könnte die Konkurrenzfähigkeit von re- erreichbar. generativen Energieträgern gegenüber fossilen weiter stär- ken. Diese Besteuerung kann als flankierende Maßnahme Die Vorgaben der RED wurden unter anderem mit der auch die Markteinführung neuer, nachhaltiger Bioenergie- Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung, der Biomasse- Technologien begleiten. Ein erfolgreicher Strukturwandel strom-Nachhaltigkeitsverordnung und Änderungen zum bedarf weiterer politischer Steuerungsmaßnahmen. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in deutsches Recht überführt. Dabei müssen flüssige Bioenergieträger Mindest- In der Entwicklung der gesetzlichen Vorgaben zur Bioener- anforderungen zur Einsparung von Treibhausgasen gegen- gie spiegelt sich die Lernkurve wider, die seit Beginn der über dem jeweiligen konventionellen Energieträger erfüllen intensivierten Nutzung regenerativer Energien durchlau- (Minderung von 35 Prozent ab 2011, 50 Prozent ab 2017 fen wurde. Während im Kyoto-Protokoll von 1997 Bioener- und 60 Prozent ab 2018). Die im deutschen EEG-Gesetz ge- gie noch als CO2-neutral angesehen wurde, rückte durch troffenen Festlegungen zu Einspeisevorrang und Einspeise wissenschaftliche Studien und Untersuchungen zuneh- vergütung haben den stabilen Netzzugang für erneuerbare mend ins Bewusstsein, dass intensive Landwirtschaft vor Energien ermöglicht. Die für 2012 vorgesehene Novellie- allem durch direkte und indirekte Landnutzungsänderung rung28 hält an diesen bewährten Grundprinzipien fest und auch zu deutlich negativen Effekten hinsichtlich Treib- richtet die Förderung nun stärker auf die notwendige Stei- hausgasemissionen führen kann: Die Zerstörung der gerung der Kosteneffizienz und die verbesserte Markt-, Netz- Kohlenstoffsenkenfunktion von naturnahen Böden und und Systemintegration aus. Für Planungssicherheit sorgt erhebliche Emissionen durch intensive Düngung haben eine langfristige Perspektive: Der Anteil der erneuerbaren daran den größten Anteil. Konsequenterweise folgten ver- Energien am Stromverbrauch soll 2020 mindestens 35 Pro- bindliche Regelungen für eine ausreichende Berücksich zent betragen. 2030 sollen es 50 Prozent, 2040 65 Prozent tigung der Nachhaltigkeit. Mittlerweile werden Nach- und 2050 80 Prozent sein. haltigkeitskriterien nicht nur in Bezug auf Emissionen, sondern auch in sozialer und ökologischer Hinsicht ge- Diese Ziele unterstreichen den politischen Willen, den auf- fordert. Die Beachtung dieser Kriterien ist für die weitere grund des 2011 beschlossenen Ausstiegs aus der Atomkraft Forschung und Entwicklung in der Bioenergie und deren notwendigen Umbau der Strombereitstellung zum verstärk- erfolgreichen Ausbau essenziell. ten Ausbau der erneuerbaren Energien zu nutzen. 26 Europäische Kommission 2011b. 27 Europäische Kommission 2008. 28 EEG 2012. 20
Erneuerbare Energie aus Biomasse Für die Stromerzeugung stehen mit Wind- und Solartech die erhöhte CO2-Produktion durch die Verbrennung fossiler nik effektive Alternativen zu fossilen Energieträgern / Energieträger und der damit verknüpfte Klimawandel ver- Atomkraft zur Verfügung, die einen höheren Flächen ringert werden. nutzungsgrad29 als Bioenergie aufweisen. Biomasse ist zudem nur begrenzt verfügbar. Die Verwendung von Der Nationale Biomasseaktionsplan der Bundesregierung31 Biomasse sollte mit stabilen Rahmenbedingungen lang setzt die Schwerpunkte der Bioenergienutzung daher fristig in Richtung stofflicher Energieträger als Ersatz für fossile Kraftstoffe gelenkt werden. Biotechnologische —— auf einen optimalen Beitrag zum Klimaschutz, Verfahren zur Herstellung von speicherbaren Energieträ —— auf Versorgungssicherheit und gern und von Kraftstoffen erfüllen daher eine strategisch —— auf wirtschaftliche Entwicklung und inländische Wert- wichtige Aufgabe gegenüber der Verbrennung zur Strom- schöpfung, insbesondere im ländlichen Raum. und Wärmegewinnung. Die Verschränkung von Klimaschutzzielen und wirtschafts- Zwar würden prinzipiell durch die Verbrennung von Bio- politischen Zielen wie die Versorgungssicherheit und masse mehr fossile Energieträger für Kraftstoffe zur Ver- Unabhängigkeit von Rohstoffimporten ist dabei höchst fügung stehen. Sollen aber auch im Bereich Kraftstoffe anspruchsvoll. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundes wesentliche Anteile regenerativ erzeugt werden – wie es in regierung Globale Umweltfragen (WBGU) weist in seinem den EU-Richtlinien festgehalten ist –, kann auf Biomasse Hauptgutachten „Gesellschaftsvertrag für eine Große Trans- nicht verzichtet werden. Hier sind vor allem Verfahren der formation“32 darauf hin, dass trotz der programmatischen „2. Generation“ hervorzuheben, die nicht in Konkurrenz zur Ebenbürtigkeit die Erfüllung beider Ziele in der Praxis nicht Lebensmittelproduktion stehen immer zeitgleich stattfinden kann. Die Transformation des Energiesystems erfolge nicht primär aus Mangel an fossilen Ressourcen, sondern zur Vermeidung gefährlicher Klima 2.3 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen veränderungen. Bereits im Hauptgutachten Bioenergie33 wird darauf hingewiesen, dass „Bioenergie nicht als bloßer In der Politik und in der Bevölkerung besteht allgemein quantitativer Beitrag zur Energiemenge zu sehen [ist], son- ein breiter Konsens zum Ausbau erneuerbarer Energien.30 dern allgemein die qualitativen Eigenschaften von Biomas- Die mit der Nutzung gewünschten Ziele sind jedoch se daraufhin zu überprüfen [sind], wie sie zu den Zielen nicht immer kohärent: Erneuerbare Energien unterliegen eines nachhaltigen Energiesystems beitragen können.“ verschiedenen Beurteilungskriterien. Aus wirtschaftspoli- tischer Sicht soll mit regenerativer Energie die Abhängig- Auch das Umweltbundesamt34 weist darauf hin, dass bei keit von Rohstoffimporten verringert werden. Zusätzlich den derzeitigen Ausbauzielen für Bioenergie die global ist Klimaschutz ein wichtiges gesellschaftspolitisches Ziel pro Kopf zur Verfügung stehende Landwirtschaftsfläche und ein wesentlicher Treiber für den verstärkten Umbau leicht überschritten werden kann und eine Bioenergie- der Energieerzeugung. Mit regenerativer Energie sollen erzeugung nicht nur auf landwirtschaftlich angebauten 29 Der Flächennutzungsgrad beschreibt, wie viel Energie in einem Jahr pro Flächeneinheit gewonnen werden kann. 30 Europäische Kommission 2010. 31 BMU und BMELV 2009. 32 WBGU 2011. 33 WBGU 2009. 34 Bringezu et al. 2009. 21
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