Epidemiologisches Bulletin 8 2021 - KH+P yachtcharter.
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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH 8 Epidemiologisches 2021 Bulletin 25. Februar 2021 Antigentests zur Eigenanwendung | Reiseassoziierte COVID-19-Fälle | RKI-Frauengesundheitsbericht
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 2 Inhalt Was ist bei Antigentests zur Eigenanwendung zum Nachweis von SARS-CoV-2 zu beachten? 3 Für den Nachweis einer akuten SARS-CoV-2-Infektion stehen in Deutschland aktuell zwei Testverfahren zur Verfügung: PCR-Methoden und Antigentests. Beide sind zur Anwendung durch Fachpersonal vorgesehen. Derzeit werden Antigentests, bei denen Probennahme, Testung und Bewertung des Ergebnisses durch medi- zinische Laien vorgesehen sind, im Rahmen der CE-Kennzeichnung geprüft. Antigen-Selbsttests zum Nach- weis einer akuten Infektion mit SARS-CoV-2 bieten Chancen, haben aber auch Risiken und Limitationen.. (Dieser Beitrag erschien online vorab am 22. Februar 2021.) Betrachtung der reiseassoziierten COVID-19-Fälle im Sommer 2020 10 Die Frühphase der ersten COVID-19-Welle in Deutschland im Frühjahr 2020 war durch einen hohen Anteil reiseassoziierter Fälle geprägt. Hinzu kamen zunehmend autochthone Übertragungen, ehe die Fallzahlen nach einem ersten Lockdown zum Sommer hin deutlich abfielen. Vor Beginn der zweiten Welle war ein vo- rübergehender Anstieg der Fallzahlen zu verzeichnen. Diese „Sommerferienwelle“ reiseassoziierter COVID-19-Infektionen wird näher beschrieben und in Beziehung zu Schulferien, Angaben zur Reisetätigkeit und Testkapazitäten gesetzt. (Dieser Beitrag erschien online vorab am 8. Februar 2021.) Wie steht es um die Frauengesundheit? Neuer Bericht der Gesundheitsberichterstattung am RKI ist erschienen 24 Am 9.12.2020 wurde der neue Frauengesundheitsbericht des Robert Koch-Instituts publiziert. Der 400- seitige Bericht entstand im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes und informiert umfassend zum Gesundheitszustand, Gesundheitsverhalten und zur Gesundheitsversorgung von Frauen und Mädchen aller Altersgruppen in Deutschland. Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 7. Woche 2021 30 Impressum Herausgeber Allgemeine Hinweise/Nachdruck Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung: Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull Telefon 030 18754 – 0 Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise Redaktion die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Dr. med. Jamela Seedat Dr. med. Maren Winkler (Vertretung) Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Telefon: 030 18754 – 23 24 Namensnennung 4.0 International Lizenz. E-Mail: SeedatJ@rki.de Nadja Harendt (Redaktionsassistenz) Telefon: 030 18754 – 24 55 Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung) ISSN 2569-5266 E-Mail: EpiBull@rki.de Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 3 Was ist bei Antigentests zur Eigenanwendung (Selbsttests) zum Nachweis von SARS-CoV-2 zu beachten? Infektionen mit dem Severe Acute Respiratory Syn- steht. Von der Bearbeitung der Proben (Extraktion drome Corona Virus 2 (SARS-CoV-2) einschließlich des genetischen Materials, Vorbereitung der PCR- seiner durch Evolution entstehendenen Varianten Reaktion) bis zur Auswertung der Ergebnisse verge- präsentieren sich mit einem breiten aber unspezifi- hen mehrere Stunden. Bei hohem Probenaufkom- schen Symptomspektrum. Dieses reicht von asymp men und einem Mangel an Reagenzien oder Mate- tomatischen Verläufen oder sehr milden, vom Be- rial kann sich die Bereitstellung der Ergebnisse ggf. troffenen kaum wahrgenommen Zeichen bis hin zu entsprechend verzögern. schweren und schließlich tödlichen Verläufen. Antigentests lassen sich mit deutlich weniger Auf- Die SARS-CoV-2-Diagnostik stellt eine tragende wand und Infrastruktur durchführen und liefern Säule im Rahmen der Erkennung der Infektion, des ein Ergebnis in kurzer Zeit, weisen allerdings eine Meldewesens und der Steuerung von Maßnahmen geringere Sensitivität und Spezifität als PCR-Tests dar. Für den Nachweis einer akuten Infektion mit auf, was zu einer höheren Anzahl falsch negativer SARS-CoV-2 stehen in Deutschland derzeit zwei un- bzw. falsch positiver Testergebnisse führen kann. terschiedliche erstattungsfähige Testverfahren für Falsch positive Ergebnisse können durch einen den direkten Erregernachweis zur Verfügung: nachfolgenden PCR-Test erkannt werden. Die Ver- PCR-Methoden mittels Nukleinsäureamplifika gütung der Tests im Rahmen der SARS-CoV-2-Dia- tionstechnik (NAAT, z. B. reverse Transkriptase PCR gnostik bzw. der Umsetzung der nationalen Testra- [RT-PCR]) und Antigentests. Diese Tests sind zur tegie ist über den einheitlichen Bewertungsmaßstab Anwendung durch Fachpersonal vorgesehen (La- (EBM) oder die Coronavirus-Testverordnung (TestV) bortests und sogenannte „Point-of-Care-“(POC-) geregelt. Detaillierte Informationen zur Indikation Tests, die direkt vor Ort fachgerecht durchgeführt und Durchführung geeigneter diagnostischer Tests werden können; siehe Nationale Teststrategie und sowie zur Bewertung der Ergebnisse finden sich in die Coronavirus-Testverordnung). Für beide o. g. den „Hinweisen zur Testung von Patienten auf In- Testverfahren wird das Untersuchungsmaterial aus fektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS- den oberen Atemwegen, etwa durch einen tiefen CoV-2“. Nasen-Rachen-Abstrich gewonnen, da sich das Virus im Epithel der Atemwege vermehrt. Prüfung und Eignung von Antigentests Derzeit wird die Eignung von Antigentests für die Nachweis von SARS-CoV-2 Anwendung durch medizinische Laien im Rahmen mittels RT-PCR und Antigentests der CE-Kennzeichnung geprüft, bei denen Proben- Der Nachweis von SARS-CoV-2 mittels RT-PCR ist nahme, Testung und Bewertung des Ergebnisses der Goldstandard und zeichnet sich durch eine sehr durch Selbsttestung/Eigenanwendung, d. h. auch hohe Sensitivität und Spezifität aus. Allerdings sind durch medizinische Laien, vorgesehen sind. Als bei hohem Probenaufkommen PCR-basierte Tests In-vitro-Diagnostika unterliegen diese Tests dem eine begrenzte Ressource. Bei extensiver Anwen- Medizinproduktegesetz, welches die europäische dung kommt es zu Lieferengpässen bei Testreagen- Richtlinie über In-vitro-Diagnostika-Richtlinie zien oder Material wie Plastikwaren und Pipetten- (IVDR) (98/79/EG) umsetzt. Danach müssen Tests spitzen, die auch andere diagnostische Fragestellun- zur Eigenanwendung so hergestellt sein, dass das gen in der Bearbeitung betreffen können. Zudem Medizinprodukt (inkl. Gebrauchsinformationen, wird für die Durchführung Fachpersonal benötigt, Kennzeichnung etc.) hinsichtlich Sicherheit und welches nur in begrenztem Umfang zur Verfügung Leistungsfähigkeit ausreichend gebrauchstauglich
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 4 Abb. 1 | Die Aussagekraft von Antigen-Schnelltests hängt von der Sensitivität und Spezifität des jeweiligen Tests sowie vom Anteil der Infizierten unter den getesteten Personen ab (Vortestwahrscheinlichkeit). Die Rechenbeispiele in Abbildung 1A und 1B illustrieren, wie die Aussagekraft der Antigen-Schnelltests von der Spezifität der Tests abhängt. Weitere Rechenbeispiele können mit einer interaktiven Anwendung auf der Webseite des Robert Koch-Instituts (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/Infografik_Antigentest_Tab.html) berechnet werden. Im 1. Rechenbeispiel (A, s. Abb. oben) wird eine klinische Sensitivität von 60 % und eine klinische Spezifität von 97 % angenommen. Im Rechenbeispiel unten (B, s. Abb. unten) wird zum Vergleich eine höhere klinische Spezifität von 99 % angenommen. Zudem wird im Rechenbeispiel angenommen, dass 0,22% der Getesteten tatsächlich infiziert sind, wenn bei einer 7-Tage-Inzidenz von 35 pro 100.000 ungezielt getestet wird und ca. 33% der Infizierten im Meldewesen erfasst werden. Die Anzahl der resultierenden positiven und negativen Testresultate und die resultierenden Vorhersagewerte werden anhand eines sogenannten Natürlichen Häufigkeitsbaums illustriert. Unter den oben genannten Annahmen liegt im 1. Beispiel (A, s. Abb. oben) der positive Vorhersagewert bei ca. 4,17 %. Der negative Vorhersage- wert liegt bei ca. 99,91 %. Im 2. Beispiel (B, s. Abb. unten) liegt der positive Vorhersagewert bei ca. 11,50 %. Der negative Vorhersagewert bleibt bei ca. 99,91 %.
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 5 zur Eigenanwendung durch Laien ist und die Ergeb- telefonisch mit dem Hausarzt oder einem geeigne- nisqualität unter diesen Anwendungsbedingungen ten Testzentrum in Verbindung setzt, der/das dann sichergestellt werden kann. Dies umfasst die ge- eine PCR-Testung in die Wege leitet und ggf. Hin- samte Anwendung des Tests und schließt auch die weise zum weiteren Vorgehen gibt. Berücksichtigung einer entsprechend gebrauchs- tauglichen bzw. zuverlässigen Probennahme und Ein häufig nicht richtig verstandener Aspekt betrifft Ergebnisdarstellung ein. Für den Marktzugang ist die Aussagekraft eines negativen Ergebnisses, nicht die Erfüllung dieser Vorgaben gegenüber einer be zuletzt mit der Erwartung, dass eine Person sich für nannten Stelle nachzuweisen. In Produkten, die er- bestimmte Situationen, die mit engeren Kontakten folgreich durch eine benannte Stelle zertifiziert einhergehen, „freitesten“ könnte: Ein negatives wurden, darf die vierstellige Prüfziffer der benann- Testergebnis schließt eine SARS-CoV-2-Infektion ten Stelle in der Gebrauchsanweisung ausgewiesen nicht aus! Auch bei korrekter Testdurchführung ist werden. In Europa können In-vitro-Diagnostika es lediglich weniger wahrscheinlich zum Zeitpunkt alleinig unter Veröffentlichung von durch die Her- der Testung kontagiös, d. h. für andere ansteckend steller selbst generierten Validierungsdaten vertrie- zu sein. Weiterhin ist die Aussagekraft eines sol ben werden; eine unabhängige Validierung muss chen Testergebnisses zeitlich begrenzt! Es ist also hier nicht durchlaufen werden. Eine „Zulassung“ durchaus möglich, dass eine infizierte Person, die im engeren Sinne ist Medizinprodukte-rechtlich ein negatives Antigentestergebnis erhält, bereits am nicht vorgesehen. Unabhängige Überprüfungen der darauffolgenden Tag (bei gestiegener Viruslast im Herstellerangaben zur Test-Performance sollten bei Nasen-Rachenraum) ein positives Ergebnis be- der Auswahl der Teste berücksichtigt werden (siehe kommt. (Falsch) negative Testergebnisse dürfen da https://diagnosticsglobalhealth.org und Foundation her nicht als Sicherheit (etwa in der Form „Ich bin for Innovative Diagnostics (FINDDx); https://www. nicht infiziert und kann daher auf Schutzmaßnah finddx.org/sarscov2-eval-antigen/). Darüber hinaus men verzichten“) verstanden werden. Es ist in ist die Qualität der Probennahme für ein korrektes jedem Falle erforderlich, trotz eines negativen Anti Testergebnis entscheidend. Es ist wichtig, dass gentestergebnisses weiterhin die AHA+L-Regeln Untersuchungsmaterial aus Regionen des oberen einzuhalten. Treten auch trotz eines negativen Respirationstraktes gewonnen wird, welche poten- Antigentestergebnisses Symptome auf, die mit ziell eine hohe Viruslast aufweisen. Dazu muss der COVID-19 vereinbar sind, ist es erforderlich, Ärzt Hersteller leicht verständliche Angaben machen. Innen zur weiteren Klärung zwecks PCR-Testung zu kontaktieren. Aussagekraft positiver und negativer Ergebnisse von Antigentests Chancen bei der Eigenanwendung von Gerade bei der Anwendung von Antigentests durch Antigentests zum Nachweis einer akuten Laien ist es essenziell, dass der Anwender das Test Infektion mit SARS-CoV-2 ergebnis richtig interpretieren und sachgerechte Durch Antigentests zur Eigenanwendung kann eine Schlussfolgerungen daraus ziehen kann. Ein positi breite und schnelle Testung vieler Menschen erfol- ves Ergebnis mit einem geeigneten Antigentest gen. Bei korrekter und zeitgerechter Durchführung stellt zunächst einen Verdacht auf eine des Tests kann ein schnelles eigenverantwortliches SARS-CoV-2-Infektion dar. Es ist jedoch noch keine Ergreifen von Maßnahmen zu einer Verbesserung Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion. Die Diagno- des Infektionsschutzes und zu einer Verlang se wird erst durch den nachfolgenden RT-PCR-Test samung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 führen. sowie die ärztliche Beurteilung gestellt. Bei einem Vermehrtes Testen auch mittels Selbsttestung kann positiven Antigentestergebnis werden hohe Anfor- durch die zeitnahe Erkennung von Infektionen, die derungen an das daraus resultierende selbstverant- andernfalls unentdeckt geblieben wären, mehr und wortliche Handeln gestellt. Es ist erforderlich, dass frühzeitigere Kontaktreduktionen durch häusliche sich die positiv getestete Person in Absonderung be- Absonderung ermöglichen. Durch die Anwendung gibt (d. h. Kontakte konsequent reduziert) und sich der Antigentests durch medizinische Laien könnte
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 6 das ansonsten dafür benötigte medizinische Perso- Dieser Sachverhalt ist auch vielen medizinisch ge- nal teilweise entlastet werden. Des Weiteren bieten schulten Personen nicht bekannt.1–3 Ob in Fachkrei- sie die Möglichkeit bei einem positiven Testergeb- sen bekannt ist, dass die Herstellerangaben zur Sen- nis, noch vor der Bestätigung durch die PCR-Tes- sitivität und Spezifität von Antigentests auf PCR- tung und die darauffolgende Einleitung von Maß- positiven Proben beruhen und zudem in der Praxis nahmen, erinnerliche Kontaktpersonen eigenver- davon stark abweichen können, ist zustätzlich un- antwortlich frühzeitig zu warnen. Zu bedenken ist klar. Sogenannte Natürliche Häufigkeitsbäume aber, dass ein korrektes Ergebnis stark von der re (s. Abb. 1A und 1B) können sowohl medizinisch ge- gelrechten Probengewinnung und Testdurchfüh schulte wie auch ungeschulte Personen unterstüt- rung abhängt und in seiner Bedeutung von dem zen, den Zusammenhang zwischen Prävalenz (An- Betroffenen und seiner Umgebung verstanden wer teil der Infizierten unter den Getesteten, Vortest- den muss. In Studien konnte gezeigt werden, dass wahrscheinlichkeit), Sensitivität, Spezifität und posi- bei richtiger Anleitung, die Probenentnahme und tivem und negativem Vorhersagewert zu verstehen.4 daraus resultierende Antigentestergebnisse durch Der positive Vorhersagewert beziffert die Wahr- Privatpersonen vergleichbar mit der Entnahme scheinlichkeit, dass eine Person infiziert ist, wenn durch medizinisches Personal war, was die Wich- sie positiv getestet wurde. Der negative Vorhersage- tigkeit einer einfachen Darstellung der Anwendung wert beziffert die Wahrscheinlichkeit, dass eine Per- durch Piktogramme von Seiten der Hersteller un- son nicht infiziert ist, wenn sie negativ getestet wur- termauert.4,5 de. Das folgende Rechenbeispiel illustriert diesen Zusammenhang. Weitere Rechenbeispiele können mit einer interaktiven Anwendung auf der Webseite Risiken und Limitationen bei der des Robert Koch-Instituts (https://www.rki.de/DE/ Eigenanwendung von Antigentests Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Info- (Selbsttests) zum Nachweis einer grafik_Antigentest_Tab.html) berechnet werden. In akuten Infektion mit SARS-CoV-2 unserem Rechenbeispiel wird angenommen, dass Die Nationale Teststrategie sieht ein zielgerichtetes 0,22 % der Getesteten tatsächlich infiziert sind, und anlassbezogenes Testen vor. In der Öffentlich- wenn bei einer 7-Tage-Inzidenz von 35 pro 100.000 keit wird eine umfangreiche, auch anlasslose Tes- ungezielt getestet wird und ca. 33 % der Infizierten tung im Rahmen der Beherrschung der pandemi- im Meldewesen erfasst werden. Bei der Verwen- schen Situation viel diskutiert. Für eine bessere Be- dung eines Antigentests mit einer klinischen Sensi- wertung ist die Kenntnis der Leistungsfähigkeit tivität von 60 % bei asymptomatischen Personen und Aussagekraft dieser Antigentests von Bedeu- und einer Spezifität von 97 % beträgt der negative tung. Auch sollten den Anwendern die Situationen, Vorhersagewert des Antigentests ca. 99,91 %. Der in denen eine solche Testung zu einem sachgerech- positive Vorhersagewert beträgt dann 4,17 %. Diese ten Verhalten beitragen kann, bekannt sein, z. B. Werte hängen jedoch stark von weiteren Variablen frühzeitige Erkennung einer SARS-CoV-2-Infek ab (Testzeitpunkt; Qualität der Probennahme; Qua- tion und nachfolgende Unterbrechung von Infek lität des verwendeten Tests). tionsketten. Ein äußerst wichtiger Punkt muss ver standen werden: Diese Antigentests eignen sich Bei positivem Ergebnis eines Antigentests zur Ei- nicht zur Anwendung bei Kontaktpersonen, um in genanwendung besteht das Risiko, dass eine positiv eigener Verantwortung eine Quarantäne zu umge getestete Person keine Nachtestung durch Ärzt hen oder zu verkürzen. Innen oder ein geeignetes Testzentrum veranlasst. In diesem Fall erfolgt keine Diagnose mit anschlie- Die Frage, wie wahrscheinlich eine Person mit ei- ßender Meldung an die Gesundheitsbehörden. Da- nem positiven (oder negativen) Testergebnis tat- durch können ggf. eine notwendige Behandlung sächlich (nicht) infiziert ist, lässt sich aus der Sensi- oder Maßnahmen durch die Gesundheitsbehörden tivität und Spezifizät nur unter Berücksichtigung nicht eingeleitet werden (Meldung, Isolation, Kon- des Anteils der tatsächlich Infizierten unter den Ge- taktnachverfolgung, Quarantäne). Gemäß den Ver- testeten berechnen (Vortestwahrscheinlichkeit). ordnungen einiger Bundesländer löst ein positives
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 7 Antigentestergebnis bereits die Verpflichtung zur können in der Regel die Probenqualität nicht kon häuslichen Absonderung aus. Ein positives Anti- trollieren. Die Qualität der Probennahme ist jedoch gentestergebnis ohne sachkundige Erläuterung für die Testung entscheidend. Ein fälschlicherweise oder niedrigschwelliges Angebot zur Beratung (On- negatives Testergebnis, welches durch nicht sachge- line, Telefon) und Nachtestung kann außerdem zu rechte Abstrichentnahme oder Testdurchführung einer Fehleinschätzung des Betroffenen und damit entstanden ist, birgt beispielsweise die Gefahr, dass zu einer erhöhten Verunsicherung führen. eine nichterkannte akut infizierte Person SARS- CoV-2 weiter verbreitet, mit möglicherweise schwer Aufgrund der geringeren Spezifität von Antigen- wiegenden Konsequenzen. Durch eine breite und tests im Vergleich zur RT-PCR muss ein positives den besonderen Umständen der Eigenanwendung Resultat eines Antigentests immer durch Methoden Rechnung tragende Kommunikation und Informa der NAAT (u. a. RT-PCR-Test) bestätigt werden. tionsvermittlung kann ein wichtiger Beitrag geleis- tet werden, diese Risiken zu minimieren. Die Infor- Eine breite Anwendung von Antigentests zur mationsvermittlung sollte nicht nur medizinisch Eigenanwendung in der Bevölkerung, die Anforde- ungeschulte Personen erreichen, sondern auch rungen an die Spezifität nicht erfüllen, kann zudem medizinisch geschultes Personal. Die Hersteller dazu führen, dass es zu einem erhöhten Bedarf an angaben zur Qualität der Tests beziehen sich auf die Bestätigungstests (NAAT-Methoden, u. a. RT-PCR) Sensitivität und Spezifität der Tests. Daraus lassen und somit zur Bindung von Personalkapazitäten in sich die positiven und negativen Vorhersagewerte Praxen und dem ÖGD sowie den Laboren kommt. der Tests nicht direkt ableiten. An Verständnis und Eigenverantwortlichkeit der Anwender werden daher sehr hohe Anforderungen Grundsätzlich dürfen Produkte für den Nachweis gestellt. So kann zum Beispiel das sichere Ablesen von SARS-CoV-2 nun entsprechend der Medizin- schwacher Testreaktionen für medizinische Laien produkte-Abgabeverordnung (MPAV) auch befristet schwierig sein. Ggf. könnte eine fotografische an Laien abgegeben werden. Für diese Produkte Dokumentation der Testreaktion („Banden“), mit muss allerdings ein Konformitätsbewertungs anschließender professioneller Bewertung, oder die verfahren gemäß IVDR 98/79/EG Anhang III Ab- Entwicklung entsprechender begleitender Apps hier schnitt 6 durchgeführt worden sein. Einer der wich- hilfreich sein. Dies würde auch eine von der Ablese- tigsten Unterschiede zwischen den Produkten für zeit unabhängige Verfügbarkeit des Ergebnisses Laienanwender und professionelle Anwender ist ermöglichen. hierbei, dass das Konformitätsbewertungsverfah- ren, inklusive einer Gebrauchstauglichkeitsstudie Erfahrungen mit entsprechend geeigneten Antigen- durch eine benannte Stelle geprüft wird. Neben tests liegen in Deutschland kaum vor. Eine niedrige einer allgemeinen Übereinstimmung mit den An- Vortestwahrscheinlichkeit in der Allgemeinbevölke- forderungen an eine Gebrauchsinformation, wie in rung (niedrige 7-Tage-Inzidenz) geht je nach Spezi- der IVDR 98/79/EG Anhang I Absatz 3 und 8 defi- fität und Sensitivität des Tests in der praktischen niert, muss in diesen Produkten eine eindeutige Anwendung mit einer höheren Anzahl falsch posi- und an prominenter Stelle platzierte Zweckbestim- tiver Testergebnisse einher (siehe auch folgende mung für die Laienanwendung und die vierstellige Infografik). Prüfziffer der benannten Stelle zu finden sein. Für die klinische Leistung der Produkte (Sensitivität Bei unsachgerechter Abstrichentnahme kann die und Spezifität) gibt es keine Mindestanforderungen Aussagekraft des Testes limitiert sein. Dadurch, in der Bewertung. dass Anwender die Probennahme und Testung selbstständig durchführen, kann die korrekte Bei vollkommen freiem Zugang zu Antigentests zur Durchführung insbesondere der Probennahme und Eigenanwendung besteht das Risiko, dass auf die der für eine möglichst zuverlässige Aussagekraft Qualität der Tests (Sensitivität, Spezifität, Informa- richtige Untersuchungszeitpunkt nicht sicherge- tionen in der Fachinformation, Angaben zur Ge- stellt werden. Selbsttestende medizinische Laien brauchsanweisung) und auch auf die Lieferwege
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 8 und den Zugang zum Test (z. B. Kaufmöglichkeit in der Apotheke) kaum Einfluss genommen werden Faktenbox kann. Es könnte passieren, dass sich Testanwen Bereits das Erkennen von Symptomen, die mit dende aufgrund des auf sie einströmenden massi- COVID-19 vereinbar sind, soll im Hinblick auf ven Angebots und der damit einhergehenden Wer- die Eindämmung des Infektionsgeschehens zum bung nur schwer orientieren und somit qualitativ Arztbesuch oder (bei sehr gering ausgeprägten hochwertige Tests nur schwer ausfindig machen Symptomen) zur eigenverantwortlichen häus können. Hier werden Berichte zu den Erfahrungen lichen Absonderung führen. der praktischen Umsetzung außerordentlich hilf- Antigentests zur Anwendung vor Ort oder zur reich sein. Eigenanwendung erkennen nur eine sehr hohe Viruslast in den oberen Atemwegen. Zusammengefasst sollte eine sachgerechte Infor- Die Richtigkeit der Ergebnisse hängt von der mation die Anwender (medizinische Laien) dazu Verbreitung der Infektion in der Bevölkerung mit befähigen: SARS-CoV-2 zum Zeitpunkt des Antigentests ab. 1) vor dem Testen zu verstehen, welchem Zweck Ein positives Ergebnis im Antigentest löst der Test dienen kann (z. B. nicht zum „Frei zunächst einen Verdacht auf das Vorliegen einer testen“ mit Verzicht auf Schutzmaßnahmen, Infektion mit SARS-CoV-2 aus, soll ebenfalls zur nicht zur „Selbstdiagnose“, sondern zur Früh- eigenverantwortlichen häuslichen Absonderung erkennung sonst nicht erkannter Infektionen), führen und muss durch einen PCR-Test bestätigt werden. 2) qualitativ hochwertige Tests zu erkennen (z. B. auch Rücksprache mit der Apotheke), Ein negatives Ergebnis im Antigentest hat nur 3) die Probengewinnung sachgerecht durchzu eine zeitlich begrenzte Aussagekraft („Gültigkeit“). Es ist immer nur eine Momentaufnahme. Es darf führen, nicht zu falscher Sicherheit und der Vernachläs 4) das Testergebnis sicher zu bewerten und sigung von Schutzmaßnahmen führen. 5) aufgrund des ermittelten Testergebnisses Antigentests können eine sonst unerkannte informiert und verantwortungsvoll zu handeln. Infektion am ehesten erkennen, wenn sie – kurz vor Auftreten von Symptomen bzw. Für die entsprechende Kommunikation der ver- – in der frühen symptomatischen Phase einer schiedenen Aspekte eignen sich z. B. zu 1) einfache Infektion durchgeführt werden. Die Sensitivität Checklisten, für 2) und 5) z. B. einfache Entschei- ist deutlich geringer, wenn die Tests ungezielt dungsbäume sowie Informationen in der Apotheke, ohne Vorliegen von Symptomen und nur für 3) und 4) gute Infografiken und Filme sowie ggf. sporadisch eingesetzt werden. eine zusätzliche Kurzzusammenfassung der Fakto- Antigentests können bei serieller/regelmäßig ren, die die Interpretation des Testresultats beein- wiederholter Anwendung Hygienekonzepte in flussen können (Testzeitpunkt, Probenqualität, bestimmten Einrichtungen ergänzen, so z. B. aktuelle Verbreitung des Virus, Temperatur, bei der – in Heimen für die Betreuung älterer Menschen – beim Personal von Praxen und Krankenhäusern der Test durchgeführt wird, etc.). – in Schulen und Kindertagesstätten – in betrieblichen Kontexten Der Einsatz von Antigentests zur Eigenanwen- Fazit dung sollte im Hinblick auf korrekte Anwendung Bei dem Einsatz von Antigentests zur Anwendung und Beurteilung des Ergebnisses sowie den damit durch Laien als ergänzende Maßnahme für die Ein- zu erzielenden Zusatznutzen für die Prävention dämmung der Pandemie bestehen neben Chancen wissenschaftlich begleitet werden. So hat zum der niederschwelligen Erkennung sonst nicht er- Beispiel das Forschungsnetzwerk B-FAST sich mit kannter Fälle und der Förderung eigenverantwort derartigen Fragestellungen bereits beschäftigt und lichen Handelns relevante Risiken (z. B. Nicht- Expertisen erstellt. Einleiten notwendiger Schritte nach positivem Test, Die Einhaltung von Hygieneregeln und die Erhöhung des Bedarfs an PCR-Bestätigungstests bei Impfung sind der beste Schutz vor COVID-19. geringer Spezifität der zur Anwendung kommen-
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 9 den Tests, fehlerhafte Anwendung, Vermittlung nisses die Einleitung entsprechender nachfolgender einer Scheinsicherheit). Derzeit wird ein zusätz Maßnahmen sichergestellt ist. Dies könnte z. B. ein licher Nutzen von Antigentests insbesondere bei ei- durch BetriebsärztInnen geschulter Einsatz von nem gezielten und wiederholten Einsatz in be- Selbstanwendertests bei LehrerInnen oder anderen stimmten Bevölkerungsgruppen und dies unter fol- Berufsgruppen mit umfangreichen Personenkon- genden Voraussetzungen gesehen: (i) wenn der Ein- takten in systemrelevanten Bereichen sein. satz der Antigentests zur Eigenanwendung intensiv durch leicht zugängliche und jederzeit verfügbare Wesentliche Aspekte sind in der Faktenbox zusam- Beratungs- und Informationsangebote begleitet mengefasst. wird und (ii) wenn im Falle eines positiven Testergeb Literatur a) 1 Keller N, Jenny MA: How to Determine When RKI, Abt. 3 Infektionsepidemiologie b) SARS-CoV-2 Antibody Testing Is or Is Not Useful RKI, Abt. 1 Infektionskrankheiten, FG 15 Virale for Population Screening: A Tutorial. https://doi. Gastroenteritis- und Hepatitiserreger und Enteroviren c) org/10.1177/2381468320963068. RKI, Abt. 1 Infektionskrankheiten, FG 17 Influenza 2 Jenny MA, Keller N, Gigerenzer G: Assessing viren und weitere Viren des Respirationstraktes d) minimal medical statistical literacy using the Quick RKI, ZBS 1 Hochpathogene Viren e) Risk Test: a prospective observational study in RKI, P1 Wissenschaftskommunikation f ) RKI Germany. https://doi.org/10.1136/bm- g) RKI, Abt. 3 Infektionsepidemiologie, jopen-2017-020847. FG 32 Surveillance 3 Lein, Ines, et al.: SARS-CoV-2: Testergebnisse h) RKI, Abt. 3 Infektionsepidemiologie, richtig einordnen. Deutsches Ärzteblatt 117.47 FG 36 Respiratorisch übertragbare Erkrankungen (2020): A-2304. i) RKI, Abt. 3 Infektionsepidemiologie, 4 McDowell, Jacobs: Meta-analysis of the effect of FG 37 Nosokomiale Infektionen, Surveillance von natural frequencies on Bayesian reasoning. https:// Antibiotikaresistenz und -verbrauch doi.org/10.1037/bul0000126 j) RKI, Abt. 1 Infektionskrankheiten 5 Hoehl et al.: At-home self-testing of teachers with a Korrespondenz: MielkeM@rki.de SARS-CoV-2 rapid antigen test to reduce potential transmissions in schools. https://doi. org/10.1101/2020.12.04.20243410 Vorgeschlagene Zitierweise 6 Lindner et al.: Head-to-head comparison of Seifried J, Böttcher S, Oh DY, Michel J, Nitsche A, SARS-CoV-2 antigen detecting rapid test with self- Jenny MA, Wieler LH, Antão E-M, Jung-Sendzik T, collected anterior nasal swab versus profeccional Dürrwald R, Diercke M, Haas W, Abu Sin M, collected nasopharyngeal swab. https://doi. Eckmanns T, Hamouda O, Mielke M: Was ist bei org/10.1101/2020.10.26.20219600 Antigentests zur Eigenanwendung (Selbsttests) zum Nachweis von SARS-CoV-2 zu beachten? Autorinnen und Autoren Epid Bull 2021;8:3-9 | DOI 10.25646/8040 a) b) Dr. Janna Seifried | Dr. Sindy Böttcher | (Dieser Artikel ist online vorab am 22. Februar 2021 c) Dr. Djin-Ye Oh | d) Dr.-Ing. Janine Michel | erschienen.) d) Prof. Dr. Andreas Nitsche | e) Dr. Mirjam A. Jenny | f) Prof. Dr. Lothar H. Wieler | e) Dr. Esther-Maria Antão | a) Dr. Tanja Jung-Sendzik | c) Dr. Ralf Dürrwald | Interessenkonflikt g) Michaela Diercke | h) Prof. Dr. Walter Haas | Die Autorinnen und Autoren erklären, dass kein i) Dr. Muna Abu Sin | i) Dr. Tim Eckmanns | Interessenkonflikt besteht. a) Dr. Osamah Hamouda | j) Prof. Dr. Martin Mielke
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 10 Betrachtung der reiseassoziierten COVID-19-Fälle im Sommer 2020 unter Berücksichtigung der Schulferien, Reisetätigkeit und Testkapazitäten Bezogen auf die Meldewoche (MW), in der Corona- land erworbene („autochthone“) Übertragungen, virus Disease 2019-(COVID-19-)Fälle an das Ge- ehe die Fallzahlen nach einem ersten Lockdown sundheitsamt gemeldet wurden (Meldewoche = zum Sommer hin deutlich abfielen. Bevor im Herbst Kalenderwoche), war die Frühphase der ersten 2020 eine zweite COVID-19-Welle Deutschland er- COVID-19-Welle in Deutschland ab MW 10 durch fasste, war über den Hochsommer ein vorüberge- einen hohen Anteil reiseassoziierter Fälle geprägt hender Anstieg der Fallzahlen zu verzeichnen. Diese (s. Abb. 1). Hinzu kamen zunehmend in Deutsch- „Sommerferienwelle“ reiseassoziierter COVID-19- Anzahl Anteil in % 45.000 100 % 40.000 90 % 80 % 35.000 70 % 30.000 60 % 25.000 50 % 20.000 40 % 15.000 30 % 10.000 20 % 5.000 10 % 0 0 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 März April Mai Juni Juli August September Okt. 1. Welle Ferienwelle Meldewoche/Monat Anzahl mit Exposition im Ausland Anzahl alle anderen COVID-19-Fälle Anzahl der Testungen (x 50) Anzahl Flugankommende aus dem Ausland (x 100) % Exposition Ausland bei allen Fällen % Bevölkerung mit Schulferien Positivenanteil Reiserückkehrer (x 10) Positivenanteil (x 10) Abb. 1 | Dargestellt sind zwischen den MW 10 – 41 an das RKI übermittelte COVID-19-Fälle, mit und ohne Exposition im Ausland, der Anteil der Expositionen im Ausland an allen Fällen (%), die Testkapazitäten (mit 50 zu multiplizieren), die Anzahl der Flugankommenden (mit 100 zu multiplizieren) und der Anteil der Bevölkerung mit Sommerferien (%). Grau unterlegt auf der Zeitachse sind die erste COVID-19-Welle (MW 10 –17) und eine „Sommerferienwelle“ von COVID-19-Fällen mit Auslands expositionen (MW 30 – 38), Datenstand 15.10.2020. (Bei der Zuweisung von Monats- zu Wochendaten, wurden Meldewochen an Monatsübergängen dem Monat zugeordnet, zu dem jeweils vier oder mehr Tage beitrugen. Monatsdaten wurden immer in der 2. Woche des Monats eingetragen)
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 11 Infektionen wird hier beschrieben und in Beziehung sen. Am 17.03.2020 wurde eine Reisewarnung für zu den Schulferien, Angaben zur Reisetätigkeit und alle ca. 200 Länder der Welt ausgesprochen. Erste den Testkapazitäten gesetzt. Grenzöffnungen gab es Mitte Mai 2020 in Form von Lockerungen der Grenzkontrollen. Am 15.06.2020 hob das Auswärtige Amt die Reisewarnungen für Hintergrund und Methodik Staaten der Europäischen Union (EU) sowie die In Deutschland muss gemäß Infektionsschutz Schweiz, Liechtenstein, Norwegen, Island und Groß- gesetz (IfSG) § 6 und § 7 jeder Verdacht, die Erkran- britannien auf. Zu diesem Zeitpunkt wurden anstel- kung und der Tod in Bezug auf COVID-19 sowie le der Reisewarnungen vom Bundesgesundheitsmi- jeder Nachweis einer akuten Infektion mit Severe nisterium in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Acute Respiratory Syndrome Coronavirus Type 2 Amt und dem Bundesministerium des Innern, für (SARS-CoV-2) an das zuständige Gesundheitsamt Bau und Heimat, Risikogebiete definiert. Die Defi- gemeldet werden. Dort werden die Fälle gemäß Fall- nition basierte auf erhöhter 7-Tage-Inzidenzen sowie definition des Robert Koch-Instituts (RKI) bewertet weiteren Kriterien zur Lage vor Ort, wie Testkapazi- und weitere Ermittlungen durchgeführt. Gemäß § 11 täten und Eindämmungsmaßnahmen (s. www.rki. IfSG werden verschiedene Informationen, die in den de/covid-19-risikogebiete). Gesundheitsämtern bei der Fallermittlung erhoben werden, auch an die zuständigen Landesbehörden Die Zahlen der ankommenden Flugreisenden wur- und weiter an das RKI übermittelt: Dazu gehören den beim Statistischen Bundesamt abgerufen.1 Die demografische Angaben zu den Fällen, Angaben zu Zahl der Flugreisenden ist ein Indikator für Trends Symptomen, das wahrscheinliche Infektionsrisiko in der Reisetätigkeit insgesamt, auch wenn Flugrei- sowie der Ort/das Land, in dem die Infektion wahr- sen je nach Zielland neben z. B. Auto-, Bahn- und scheinlich erfolgte (im Folgenden als Expositions- Busreisen, unterschiedlich hohe Anteile an Reisen ort/-land bezeichnet). Diese Fallinformationen sind in das jeweilige Land ausmachen. Im Rahmen der nicht immer vollständig. Dies trifft vor allem für An- weltweiten Maßnahmen reduzierte sich der Reise- gaben zum Vorliegen von Symptomen zu, aber auch verkehr. Die Zahl der in Deutschland aus dem Aus- für den Expositionsort. Fälle mit fehlender Angabe land ankommenden Flugreisenden nahm im Ver- des Expositionsortes ähneln bezüglich demografi- gleich zum Vorjahr in den Monaten März 2020 um scher und klinischer Charakteristika eher den Fällen 60 %, im April und Mai um 98 % ab, um dann bis mit Expositionsort Deutschland als Fällen mit einer August langsam auf 25 % der Zahl des Vorjahres Exposition im Ausland (s. Tabelle im Anhang). Da- wieder anzusteigen. Anders als in den Vorjahren, her wurde für diese Auswertung angenommen, dass in denen das Flugreiseaufkommen nach Höchst- Fälle ohne Angabe des Expositionsortes sich nicht werten im Sommer und Herbst erst im November im Ausland infiziert hatten. Für die deskriptive Aus- abnahm, ist ein leichter Rückgang der Anzahl der wertung der Expositionsland-Nennungen wurden Flugankommenden im Jahr 2020 bereits im Sep- von den möglichen Mehrfachnennungen nur sol- tember zu beobachten. che, die an erster und zweiter Stelle genannt wur- den, berücksichtigt. In der vorliegenden Auswertung wurden außerdem die Anpassungen der Teststrategie an die epidemio- Relevant für diese Auswertung war zudem der Ver- logischen Entwicklungen sowie die Testkapazitäten lauf der Eindämmungsmaßnahmen, insbesondere berücksichtigt: So wurden im Frühjahr 2020 wäh- Grenzschließungen und -wiedereröffnungen. So rend der ersten COVID-19-Welle vor allem sympto- wurden mit Wirkung ab 16.03.2020 vorübergehende matische Personen getestet, die entweder Kontakt Grenzkontrollen an den Binnengrenzen zu Öster- mit einem laborbestätigten COVID-19-Fall hatten reich, der Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dä- oder die aus einem Risikogebiet kamen (https:// nemark eingeführt. Der grenzüberschreitende Be- edoc.rki.de/handle/176904/6484; Maßnahmen_ rufspendler- und Warenverkehr blieben gewährleis- Verdachtsfall_Infografik_2xDIN4.pdf)2. Nach Schlie- tet. Reisende ohne triftigen Reisegrund durften an ßung der Grenzen Mitte März 2020 und vor dem den benannten Grenzen nicht mehr ein- und ausrei- Hintergrund der steigenden Testkapazität, fokus-
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 12 sierten sich Testkriterien auf die möglichst umfas- Für Bundesländer mit Ferienbeginn am Montag sende Erkennung von SARS-CoV-2-Infektionen bei oder Ferienende am Freitag, wurde das Wochenende Personen mit COVID-19-relevanter Symptomatik, zur schulfreien Zeit hinzugerechnet, die in der Folge auch unabhängig von Kontakt mit bestätigten Fällen 42 bis 46 Tage betrug. Um die bundeslandspezifi- (https://edoc.rki.de/handle/176904/6484.7). Nach schen Ferienzeiten einander gegenüberstellen zu Wiederöffnung der Grenzen und der graduellen können (Normalisierung), wurde eine weitere Zeit Zunahme der Reisetätigkeiten nach dem skala eingeführt. Die Ferien liegen in den Tagen 15.06.2020, wurden Einreisende aus Risikogebie- 1 bis 42. Den Tagen vor den Ferien wird ein negativer ten verpflichtet, ein negatives molekular-diagnosti- Wert zugeordnet, den Tagen nach den Ferien ein po- sches SARS-CoV-2-Testergebnis kurz vor oder nach sitiver, beginnend mit + 1. In Bundesländern mit > 42 Einreise aus Risikogebieten vorzulegen, um eine Ferientagen wurden die entsprechenden Tage zu 14-tägige Quarantäne zu vermeiden. Zwischen dem Ferienbeginn auf – 1 bis – 4 verschoben, da der Fokus 08.08.2020 (MW 32) und 15.09.2020 (MW 38) in dieser Analyse auf dem Ferienende liegt. konnten sich Einreisende aus allen Ländern kos- tenlos an Flughäfen oder anderen Teststellen testen Die deskriptiven Auswertungen wurden in Microsoft lassen, nach dem 15.09.2020 nur noch Einreisende Excel und Stata/SE 15.1a vorgenommen. aus Risikogebieten. Beginnend in MW 11 wurden Daten zu Laborkapa Ergebnisse zitäten deutschlandweit von Universitätskliniken, Forschungseinrichtungen sowie klinischen und in 1. Zeitlicher Verlauf der übermittelten der ambulanten Versorgung tätigen Laboren auf COVID-19-Fälle mit Angabe freiwilliger Basis erhoben und am RKI zusammen- eines Expositionsorts im Ausland geführt.3 Für die MW 33 bis 38 liegen zudem Test- Abbildung 1 stellt die in MW 10 – 41 2020 an das zahlen aus einigen an Testzentren angebundenen RKI übermittelten COVID-19-Fälle mit und ohne Laboren vor. Eine gesonderte Erfassung und Aus- Expositionsort im Ausland dar. Zu Beginn der ers- wertung der Tests, die direkt bei bzw. kurz nach der ten COVID-19-Welle (MW 10 – 13) wurde bei einem Einreise durchgeführt werden, ist nicht für alle La- größeren Anteil der übermittelten COVID-19-Fälle bore möglich. Die Zahl der meldenden Labore stieg eine Exposition im Ausland angegeben (bis 45,1% bis MW 16 auf über 100 an, danach erhöhte sie sich in MW 11). Mit zunehmender Übertragung in die kontinuierlich weiter bis auf > 180 (MW 42). Die lokale Bevölkerung und Schließung der Grenzen tatsächlich täglich durchgeführten Testungen stie- nahm dieser dann wieder ab (0,4% bis 1,8% in den gen von rund 470.000 in MW 26 auf über eine Mil- MW 15 – 25). Mit Wiederöffnung der Grenzen im lion ab MW 34 (Daten abrufbar unter www.rki.de/ Sommer (MW 25) stieg der Anteil der Fälle mit ei- covid-19-testzahlen). Zahlen zu Ergebnissen der ner Exposition im Ausland anfangs langsam und Testungen an den Testzentren für Einreisende wur- ab MW 31 stärker an. Der Höhepunkt bei den über- den für die MW 33 – 38 teilweise an das RKI berich- mittelten reiseassoziierten COVID-19-Fällen wur- tet und jeweils mittwochs in den wöchentlichen La- de in MW 34 erreicht (48,0%). In MW 40, zwei geberichten veröffentlicht. Wochen nachdem in Baden-Württemberg als letztem Bundesland die Ferien beendet waren, war Die Saison der Sommerschulferien begann in der Anteil der Auslandsexpositionen auf 8,6% Deutschland in MW 26 mit Mecklenburg-Vorpom- gesunken. mern. In MW 27 begannen in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsstärksten Bundesland, die Ferien. Bereits vor Zunahme der übermittelten Fälle mit In den MW 30 bis 34, Mitte Juli bis Mitte August, hat- Auslandsexposition hatte der Flugverkehr wieder ten Bundesländer, in denen über 70 % der Bevölke- zugenommen. Ab Juni stieg die Zahl der mit dem rung leben, gleichzeitig Schulferien. Das Ende der Flugzeug aus dem Ausland Einreisenden an, er- Saison markierte das Ferienende in Bayern und reichte ihr Maximum im August und sank zum Baden-Württemberg Anfang bzw. Ende von MW 37. Herbst wieder ab.
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 13 Mit einem Zuwachs von jeweils 17 – 20 % nahm die 116 79 322 100 % Anzahl der durchgeführten Tests in den MW 32 – 34, 2.091 526 975 695 80 + 907 der Mitte der Ferienzeit, stark zu. Beginnend mit 1.592 1.721 1.989 70 –79 90 % 2.162 MW 34 blieb die Anzahl der Tests mit ca. 1,1 bis 1,2 60 –69 Millionen/Woche bis MW 41 annähernd konstant. 3.694 80 % 3.242 3.396 50 –59 Der Positivenanteil in der Allgemeinbevölkerung 40 –49 lag in den MW 26 – 30 zwischen 0,6 % und 0,8 %, 70 % 4.027 30 –39 4.066 in den MW 31 – 33 bei 1,0 %, in den MW 34 – 36 zwi- 6.229 20 –29 4.156 schen 0,7 – 0,9 %. In den Wochen danach stieg er 60 % 10 –19 bis auf 2,5 % in MW 41. Der Positivenanteil von Ein- 4.637 0 –9 reisenden war anfangs laut Testzentren mit Beginn 50 % der Testungen in der MW 33 mit 1,6 % sehr hoch, in 4.493 2.606 den MW 34 – 36 mit 0,9 – 1,0 % leicht über dem 40 % 6.399 Positivenanteil in der Allgemeinbevölkerung und ab 6.528 MW 37 – 41 leicht unterhalb (0,7 % – 1,6 %) der Posi- 30 % 4.204 2.453 tivenquote in der Allgemeinbevölkerung. In den be- 20 % richtenden Testzentren wurden während der Ferien- 3.844 3.964 2.283 3.515 zeit zwischen 7 % und 19 % der gesamten Tests 10 % durchgeführt, danach 4 % – 8 %. 1.219 2.056 415 1.493 0 554 2. Vergleich reiseassoziierter Fälle während 77 Alle Fälle mit Alle Fälle mit der ersten Welle und der Sommerferienwelle anderen Expositions- anderen Expositions- Fälle ort im Fälle ort im In der frühen Pandemiephase im März (MW 10 – 13, Ausland Ausland MW 10–13 MW 30–38 s. Abb. 1) waren sowohl reiseassoziierte Fälle als auch Fälle ohne Angabe eines Expositionsortes im Ausland älter als in der Sommerferienwelle Abb. 2 | Darstellung der Anteile der an das RKI nach IfSG übermittelten COVID-19-Fälle nach Meldewoche, Alters- (MW 30 – 38). In beiden Wellen waren die reiseasso- gruppe und Expositionsort. Zudem sind die absoluten Fall- ziierten Fälle jedoch etwas jünger als alle anderen zahlen pro Altersgruppe angegeben. Frühphase der Pandemie Fälle (s. Tab. 1). In der frühen Pandemiephase war (MW 10 –13) und den Sommermonaten (MW 30 –38), Deutschland (Datenstand 15.10.2020) der Anteil der Fälle mit Angabe von Symptomen mit Frühe Pandemiephase MW 10 –13 Sommermonate MW 30 –38 Expositionsort Ausland Alle anderen Fälle Expositionsort Ausland Alle anderen Fälle (N = 14.099, 22 % der Fälle) (N = 49.672, 78 % der Fälle) (N = 22.067, 31 % der Fälle) (N = 49.580, 69 % der Fälle) Altersmedian (IQR) 47 (32 – 55) 49 (32 – 60) 29 (20 – 42) 33 (21 – 50) % Männlich 62 % (0,04 % o. A.) 49 % (0,1 % o. A.) 56 % (0,5 % o. A.) 51 % (0,5 % o. A.) % Asymptomatisch 4 % (4 % o. A.) 4 % (11 % o. A.) 37 %% (18 % o. A.) 22 % (30 % o. A.) % Hospitalisiert 7 % (8 % o. A.) 17 % (15 % o. A.) 3 % (9 % o. A.) 8 % (23 % o. A.) % Verstorben* 0,50 % 3,90 % 0,10 % 0,60 % Tab. 1 | Beschreibung der an das RKI nach Infektionsschutzgesetz übermittelten reiseassoziierten Fälle im Vergleich zu den anderen COVID-19-Fällen in der Frühphase der Pandemie (MW 10– 13) und den Sommermonaten (MW 30 – 38), Deutschland, (Datenstand 15.10.2020) * Prozente beziehen sich immer auf alle Fälle mit der jeweiligen Angabe, außer bei % Verstorben, die sich auf alle Fälle beziehen; IQR: Interquartilsabstand; o. A.: ohne Angabe
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 14 7-Tage-Inzidenz der COVID-19-Fälle 25 Sommerferien A 20 15 10 5 0 20 Tage vor den Sommerferien 42 Tage während der Sommerferien 20 Tage nach den Sommerferien 7-Tage-Inzidenz der COVID-19-Fälle mit Expostion im Ausland 12 Baden-Württemberg Bayern Sommerferien B Berlin 10 Brandenburg Bremen Hamburg 8 Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen 6 Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland 4 Sachsen Sachsen-Anhalt 2 Schleswig-Holstein Thüringen 0 20 Tage vor den Sommerferien 42 Tage während der Sommerferien 20 Tage nach den Sommerferien 7-Tage-Inzidenz der COVID-19-Fälle ohne Exposiiton im Ausland 14 Sommerferien C 12 10 8 6 4 2 0 20 Tage vor den Sommerferien 42 Tage während der Sommerferien 20 Tage nach den Sommerferien Abb. 3 | Dargestellt sind die nach IfSG an das RKI übermittelten COVID-19-Fälle/100.00 Einwohner der letzten 7 Tage in Deutschland, normalisiert auf das Ferienende mit den letzten 20 Tagen vor den Ferien, den 42 Ferientagen (grau) und den ersten 20 Tagen nach den Ferien. A) zeigt alle Fälle, B) nur Fälle mit Exposition im Ausland und C) nur Fälle, für die keine Exposition im Ausland angegeben war. Der dargestellte Zeitraum liegt zwischen MW 26 und MW 37 2020, Datenstand 15.10.2020.
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 15 Relevanz für COVID-19, im Folgenden symptoma- allen anderen. Der Anteil der Kinder und Jugendli- tisch genannt, sehr hoch; damals wurden aber auch chen sowie jüngeren Erwachsenen hatte dagegen vorrangig Personen mit Symptomen getestet. Hin- im Sommer besonders unter den reiseassozierten gegen nahm in den Sommermonaten, insbesondere Fällen, aber auch unter allen anderen Fällen, im Ver- bei den reiseassoziierten Fällen, der Anteil der Fälle gleich deutlich zugenommen. ohne Symptomatik mit Relevanz für COVID-19, im Folgenden asymptomatisch genannt, zu. Vor allem 3. Übermittelte COVID-19-Fälle in den in der frühen Pandemiephase, aber auch weniger einzelnen Bundesländern vor, ausgeprägt in den Sommermonaten, war der Fall- während und nach den Sommerferien Verstorbenenanteil bei reiseassoziierten Fällen Mit der zweiten Ferienwoche in Bayern und Baden- niedriger als bei den anderen Fällen. In den Som- Württemberg (MW 32) wurden Einreisende ver- mermonaten hatte er in beiden Gruppen, aber be- mehrt getestet (z. B. an Autobahnraststätten, Flug- sonders stark bei Fällen ohne ausländischem Expo- häfen, Bahnhöfen). Die veränderte Teststrategie sitionsort, deutlich abgenommen. Reiseassoziierte deckt somit hier fast die gesamte Ferienzeit ab. Zu Fälle wurden in beiden Perioden deutlich seltener diesem Zeitpunkt waren in über der Hälfte der Bun- hospitalisiert als andere Fälle; zudem hatte der Hos- desländer die Ferien bereits mindestens zu zwei pitalisierungsanteil sich in beiden Gruppen im Dritteln vorüber bzw. sogar beendet (s. Abb. 1). In Sommer halbiert. Reiseassoziierte Fälle waren in Abbildung 3 werden die auf das Ferienende zeitlich beiden Perioden deutlich jünger und zu höheren normalisierten COVID-19-Fallzahlen dargestellt Anteilen Männer. Abbildung 2 zeigt, dass der Anteil (A – C). Es ist ein Anstieg der übermittelten Fälle älterer Fälle ab 60 Jahren in den Sommermonaten während der Ferien zu beobachten, der seinen Peak deutlich niedriger war als noch im Frühjahr; dies in der Woche nach den Ferien findet und dann war bei reiseassoziierten Fällen ausgeprägter als bei leicht abklingt (A). In Bayern und Baden-Württem- Expositionsland Anzahl Fälle Risikogebiet Anteil symptomatischer MW 30 – 38 COVID-19-Fälle Kosovo 4.369 Seit 15.06.2020, MW 25 48 % Kroatien 3.903 Dubrovnik-Neretva und Požega-Slawonien (seit 09.09.2020; MW 37) 68 % Split-Dalmatien (seit 20.08.2020, MW 34) Türkei 3.131 Seit 15.06.2020, MW 25 63 % Bosnien und 1.193 Seit 15.06.2020, MW 25 50 % Herzegowina Rumänien 1.096 Argeș, Bihor, Buzău, Neamt, Ialomita, Mehedinti, Timis (seit 07.08.2020, MW 49 % 32) Bacău, Brăila, Brașov, Dâmbovița, Galați, Gorj, Ilfov, Prahova, Vaslui, Vrancea sowie die Metropolregion der Hauptstadt Bukarest (seit 12.08.2020; MW 33) Spanien 1.059 Aragón, Katalonien und Navarra (seit 31.07.2020; MW 31) 66 % Baskenland und Madrid (seit 11.08.2020; MW 33) Festland Spanien und die Balearen (seit 14.08. 2020, MW 33) Kanarische Inseln (seit 02.09.2020; MW 36) Frankreich 760 Île-de-France und Provence-Alpes-Côte d’Azur (seit 24.08.2020; MW 35) 80 % Occitanie, Nouvelle-Aquitaine, Auvergne-Rhone-Alpes sowie Korsika (seit 09.09.2020; MW 37) Region Hauts-de-France (seit 16.09.2020 ; MW 38) Bretagne, Centre-Val de Loire und Normandie (seit 23.09.2020 ; MW 39) Bulgarien 693 Regionen Blagoevgrad, Dobritch, Varna (seit 07.08.2020; MW 32) 64 % Italien 548 Kein Risikogebiet bis MW 38 75 % Nordmazedonien 535 Seit 15.06.2020, MW 25 40 % Tab. 2 | An das RKI nach IfSG übermittelte COVID-19-Fälle mit Nennung einer Exposition im Ausland nach Expositionsland bzw. COVID-19-Risikogebiet und Angabe von für COVID-19 relevanter Symptomatik, MW 30 – 38, 2020 (Datenstand 15.10.2020).
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 16 Expositionsland-Nennungen 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 Meldewoche 2020 Kosovo Kroatien Türkei Bosnien und Herzegowina Rumänien Spanien Frankreich Bulgarien Italien Nordmazedonien Alle anderen Abb. 4 | Nennungen der häufigsten Expositionsländer nach Deutschland für die MW 10 – 41, Datenstand 15.10.2020 berg stiegen die Fallzahlen dagegen bereits während Ferienende erkennbar. Die Peaks in Nordrhein-West- der ersten Ferienhälfte deutlich auf ein Plateau an, falen und Berlin vor Ferienanfang und in Bayern mit einem weiteren Anstieg nach Ferienende. nach Ferienende sind auf größere lokale Ausbruch- geschehen in einem großen Fleischverarbeitungs- Aufgeschlüsselt nach COVID-19-Fällen mit (B) und betrieb im Landkreis Gütersloh, in einem Häuser- ohne (C) Exposition im Ausland wird deutlich, dass block in Berlin-Neukölln und auf einem Spargelhof/ in den Bundesländern mit frühem Ferienbeginn Konservenfabrik im Landkreis Dingolfing-Landau (und später einsetzender Testung) der Peak der zurückzuführen. diagnostizierten Fälle in der ersten Woche nach Schulbeginn auf Fälle mit Auslandsexpositionen zu- 4. Wichtige Expositionsländer rückzuführen ist (B). In Baden-Württemberg und in der Sommerferienwelle Bayern, wo die Sommerschulferien als letztes be- Tabelle 2 zeigt die ausländischen Staaten, die in gannen, kam die neue Teststrategie während der ge- MW 30 – 38 bei übermittelten COVID-19-Fällen am samten Ferien zum Einsatz. Hier kommt es zu ei- häufigsten als möglicher Expositionsort genannt nem breiten Plateau der Fälle mit Angabe eines Ex- wurden. Mit Ausnahme von Italien waren während positionsorts im Ausland, das ca. in der dritten Fe- der Sommerferienzeit wenigstens Teile der Länder rienwoche beginnt und gegen Ferienende abnimmt. als Risikogebiete eingestuft. Bei Fällen mit der An- gabe Kroatien, Spanien, Frankreich und Italien als Das Gesamtbild für Fälle ohne Auslandsexposition Expositionsland war der Anteil der symptomati- ist divers (C). In vielen Bundesländern ist ein An- schen Fälle mit 66 – 80% recht hoch, bei Angabe stieg der Inzidenz zwei bis drei Wochen nach der anderen Länder niedriger, besonders niedrig
Epidemiologisches Bulletin 8 | 2021 25. Februar 2021 17 bei Angabe von Bosnien und Herzegowina, dem Kum. 14-tägige Fallzahlen Kum. 14-Tages- in DE mit Exp. im Reiseland Inzidenz im Reiseland Kosovo, Nordmazedonien, Rumänien und Serbien. 2.000 200 Die im Sommer wichtigen Expositionsländer aus Reiseland Kosovo 1.500 150 Süd- und Südosteuropa spielten in der ersten Welle fast keine Rolle (s. Abb. 4). Von diesen waren nur 1.000 100 Italien, Spanien und Frankreich in beiden Wellen substantiell vertreten. 500 50 Der Peak der eingetragenen Fälle aus den Top 10 0 0 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 Expositionsländern wurden im Sommer für die MW 33 – 36 registriert. Allerdings verschob sich die 200 2.000 relative Bedeutung der einzelnen Expositionslän- Reiseland Kroatien der innerhalb der Sommerzeit: Pro MW betrachtet 1.500 150 kamen in den MW 28 – 33 die meisten Fälle aus dem Kosovo, in MW 34 – 36 aus Kroatien und in 1.000 100 MW 37 – 40 aus der Türkei. In diesen Phasen waren 500 50 das Kosovo und die Türkei jeweils als Risikogebiete ausgewiesen, in Kroatien Teile des Landes. Für das 0 0 Kosovo und Kroatien stimmen diese Phasen mit 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 COVID-19-Infektionswellen in diesen Ländern 2.000 200 überein (s. Abb. 5). Ähnlich war es für Spanien und Reiseland Türkei Frankreich (nicht gezeigt), hier waren jedoch die 1.500 150 Landesinzidenzen sehr viel höher als in den ande- ren Ländern und die eingetragenen gemeldeten 1.000 100 Fallzahlen vergleichsweise niedrig. In den Inzidenz- daten der Türkei ist im Sommer keine große Infek- 500 50 tionswelle feststellbar, wohl aber eine große Anzahl 0 0 an Fällen mit der Angabe Türkei als Expositionsort 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 in den deutschen Meldedaten. 2.000 200 Die bundesweit am häufigsten genannten Länder Reiseland Spanien das Kosovo, Kroatien und die Türkei wurden auch 1.500 150 in den meisten Bundesländern am häufigsten ge- 1.000 100 nannt (s. Tab. 3). In Sachsen und Sachsen-Anhalt wurde Bulgarien als häufigstes Expositionsland ge- 500 50 nannt, in Thüringen lagen das Kosovo, Kroatien, Bulgarien und Rumänien gleich auf. 0 0 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 In Bayern und Baden-Württemberg kam wegen des Meldewoche 2020 späten Ferienbeginns die im Sommer veränderte Kum. 14-tägige Fallzahlen in DE mit Exp. im Reiseland Teststrategie durchgehend zum Tragen. In diesen Kum. 14-Tages Inzidenz im Reiseland beiden Bundesländern lag zudem eine Überschnei- dung zwischen Ferienzeit und Einteilung in Risiko- Abb. 5 | Vergleich der kumulativen 14-tägigen Anzahl von gebiete für die am häufigsten genannten Expositi- Fällen mit Nennung eines bestimmten Reiselandes mit den kumulativen 14-tägigen Fall-Inzidenzen in diesem Reiseland, onsländern vor (s. Tab. 4). Nur Teile von Kroatien für das Kosovo, Kroatien, der Türkei und Spanien und Frankreich wurden erst zum Ferienende in die- (Datenquelle: ECDC, https://www.ecdc.europa.eu/en/ sen beiden Bundesländern zu Risikogebieten. publications-data/download-todays-data-geographic-distribu- tion-covid-19-cases-worldwide) Italien war zu keinem Zeitpunkt Risikogebiet in der
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