Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF

Die Seite wird erstellt Robert Bernhardt
 
WEITER LESEN
Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF
Materialinnovationen
made in Europe
Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung
Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF
Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF
1

Inhaltsverzeichnis

Informationen zur europäischen Forschungsförderung                2

SENSIndoor: Nanosensor steuert die Luftqualität                   6

WALiD: Rotorblatt in neuem Gewand                                 8

LaWin: „Flüssige Gebäudehüllen“, inspiriert vom Wasserfall       10

CO-PILOT: Nanopartikel nach Maß                                  12

DIMAP: Tinten mit exquisiten Eigenschaften                       14

FlexHyJoin: Das richtige Material am richtigen Ort               16

Bio4Self: Kunststoffe sind längst bio                            18

ADIR: Urban Mining der nächsten Generation                       20

SINTBAT: Batterien mit bester Ökobilanz                          22

N2B-patch: Innovation in der Behandlung von Multipler Sklerose   24

Hinweise zur Antragsstellung                                     26

Impressum                                                        29
Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF
2                                                                              MATERIALINNOVATIONEN MADE IN EUROPE

Informationen zur europäischen
Forschungsförderung
Horizont 2020 ist das Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovation. Das Förderprogramm
zielt darauf ab, EU-weit eine wissens- und innovationsgestützte Gesellschaft und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft
aufzubauen. Gleichzeitig trägt es zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Um gezielt in die Gesellschaft wirken zu können,
setzt das Programm Schwerpunkte und enthält einen umfassenden Maßnahmenkatalog.

Programmaufbau Horizont 2020                                   ∙∙ Säule Führende Rolle der Industrie
                                                                  Nicht allein in Universitäten und Hochschulen
Das aktuelle EU-Rahmenprogramm für Forschung und                  findet Forschung und Entwicklung statt – sie spielt
Innovation – Horizont 2020 – ist darauf ausgelegt, eine           auch eine zentrale Rolle in der Industrie. Gezielt
EU-weite Wissensbasis zu schaffen und eine wettbewerbs-           werden Schlüsseltechnologien – Leadership in
fähige Wirtschaft zu erhalten. Das Programm unter-                Enabling and Industrial Technologies (LEIT) – zur
gliedert sich in mehrere Teile.                                   Förderung von neuen Produkten und mehr Wettbe-
                                                                  werbsfähigkeit gefördert. Die Entwicklung neuer
Horizont 2020 basiert auf drei Säulen und ist weit mehr           Materialien oder Produktionstechnologien ist zum
als ein Forschungsrahmenprogramm (FRP). Indem                     einen als Geschäftsfeld relevant, zum anderen bietet
es erstmals die bisher getrennten EU-Programme der                sie darüber hinaus eine Grundlage für Lösungen
Forschungs- und Innovationsförderung weitgehend                   gesellschaftlicher Herausforderungen. Nicht zuletzt
bündelt, soll es dazu beitragen, dass weltweit wettbe-            soll der Zugang zu Risikofinanzierung geschaffen
werbsfähige Forschung besser in Wachstum und                      werden, da immer erhebliche Investitionen
Arbeitsplätze übertragen wird. Der Europäische                    notwendig sind, um gute Ideen zur Anwendung zu
Forschungsraum ist ein politisches Konzept der                    bringen. Durch die Etablierung eines spezifischen
­Europäischen Union. Ziel ist es, einheitliche Rahmen­            KMU-Instruments werden innovationsstarke
 bedingungen für Forschung und Innovation in Europa               kleine und mittelständische Unternehmen wirk­
 zu schaffen. Im Zentrum stehen die Mobilität von                 samer eingebunden.
 Forschenden und der freie Austausch von wissenschaft-
 lichen und technologischen Erkenntnissen.                     ∙∙ Säule Gesellschaftliche Herausforderungen
                                                                  Ein Großteil der Fördermittel wird für Projekte aufge-
∙∙ Säule Wissenschaftsexzellenz                                   wendet, die sich mit der Lösung gesellschaftsrelevanter
   Führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler              Fragestellungen beschäftigen: Der demografische
   in Europa werden nachhaltig unterstützt und gefördert.         Wandel etwa führt zu Veränderungen und Herausforde-
   Der Europäische Forschungsrat (ERC) vergibt Grants             rungen in der medizinischen Versorgung und Pflege.
   an exzellente Institute sowie Wissenschaftlerinnen             Daher müssen Konzepte für moderne Gesundheitsver-
   und Wissenschaftler zur Verwirklichung erfolgver-              sorgung und Pflege entwickelt werden. Um die Lebens-
   sprechender Projekte. Mittels der Future and Emer­-            mittelversorgung der wachsenden Bevölkerung
   ging Technologies (FET) wird neuartige Grundlagen-             sicherzustellen, muss in nachhaltige Agrarwirtschaft,
   forschung vorangetrieben, die den Grundstein zu                Fischerei, Biowirtschaft und maritime Forschung
   neuen Technologien und Forschungsfeldern legen soll.           investiert werden.
   Wissenschaftliche Karrieren werden gefördert, indem            Der Klimawandel selbst und seine Folgen müssen
   grenzüberschreitende Forschungsaufenthalte mittels             begrenzt werden. Zur Erzielung der Ziele zur
   Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen ermöglicht                    Limitierung der Treibhausgasemissionen (bis 2050 um
   werden. So werden Nachwuchswissenschaftlerin-                  95 Prozent) sollen beispielsweise alternative, nach­haltige
   nen und Nachwuchswissenschaftler bestärkt,                     Brennstoffe für die Mobilität entwickelt und eine
   Erfahrungen in anderen Ländern zu sammeln.                     kostengünstige CO2-neutrale Energieversorgung
   Die Schaffung von Forschungsinfrastrukturen führt              geschaffen werden. Ein ressourcenschonender, umwelt-
   zu einer besseren Vernetzung von Forscherinnen                 freundlicher Verkehr muss vorange­trieben werden.
   und Forschern in Europa und gilt mit Blick auf                 Dazu zählen auch Konzepte für ein geringeres Verkehrs-
   Inno­vationen als weltweites Alleinstellungsmerkmal.           aufkommen.
Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF
INFORMATIONEN ZUR EUROPÄISCHEN FORSCHUNGSFÖRDERUNG                                                                       3

 Programmaufbau Horizont 2020

                                                                                                     Ausweitung
    I. Wissenschafts-              II. Führende Rolle              III. Gesellschaftliche
                                                                                                         der
        exzellenz                     der Industrie                Herausforderungen
                                                                                                     Beteiligung

   Europäischer Forschungsrat     Grundlegende und industrielle     Gesundheit, demografischer
             (ERC)                    Technologien (LEIT)            Wandel und Wohlergehen
                                   Informations- und Kommu­                                            Wissenschaft
                                      nikationstechnologien                                            mit der und
                                    (IKT); Nanotechnologien,                                              für die
                                   Fortschrittliche Materialien,                                       Gesellschaft
  Künftige und neu entstehende    Biotechnologie, Produktions-     Europäische bioökonomische
       Technologien (FET)         techniken (NMBP); Raumfahrt          Herausforderungen

    Marie-Skłodowska-Curie-                                              Sichere, saubere
                                        Risikofinanzierung
          Maßnahmen                                                    und effiziente Energie
                                                                                                       Gemein­same
                                                                                                     Forschungsstelle
                                                                                                          (JRC)
                                                                    Intelligenter, umweltfreund­
    Forschungsinfrastrukturen           Innovation in KMU
                                                                   licher und integrierter Verkehr

                                                                       Klimaschutz, Umwelt,
                                                                        Ressourcen­effizienz
                                                                           und Rohstoffe
                                                                                                       Europäisches
                                                                                                        Institut für
                                                                                                      Innovation und
                                                                                                     Technologie (EIT)
                                                                      Integrative, innovative
                                                                    und reflexive Gesellschaften

                                                                      Sichere Gesellschaften
 Bezeichnungen teilweise verkürzt wiedergegeben;
 vgl. horizont2020.de/einstieg-programmstruktur.htm
Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF
4                                                                          MATERIALINNOVATIONEN MADE IN EUROPE

    Migration, Integration und soziale Ungerechtigkeit      Vergleich zu anderen Programmteilen besonders erfolg-
    machen die Schaffung eines gemeinsamen Verständnis-     reich ab. Eine andere Kennzahl unterstreicht noch
    ses der gesellschaftlichen Herausforderungen unab-      eindrucksvoller die Bedeutung europäischer Projekte für
    dingbar. Kriminalität, Terrorismus und Katastrophen     die nationale Forschungslandschaft: 84 Prozent aller
    erfordern verschiedenste Forschungsschwerpunkte zur     NMBP-Projekte laufen mit deutscher Beteiligung.
    Entwicklung unterschiedlicher Gegenmaßnahmen.
                                                            Die Motivation für eine Teilnahme an EU-Projekten ist
                                                            unterschiedlich. Die meisten Antragsteller schätzen
Weitere Aktivitäten                                         insbesondere die Komplementarität der europäischen
                                                            Programme zur nationalen Förderung. Denn viele
Neben diesen drei Säulen werden noch weitere Ziele          Forschungsfragen können nur im internationalen
verfolgt. Wirtschafts- und forschungsschwache Regionen      Kontext angegangen werden und wären mit einem rein
werden gefördert, um eine möglichst breite Basis            nationalen Konsortium nicht lösbar. Die internationale
innovationsfreudiger Spitzenforschung zu schaffen.          Vernetzung im spezifischen Themenfeld, die Erschlie-
Ebenso soll die Gesellschaft mehr in die Wissenschaft       ßung neuer Märkte sowie der Zugang zu europäischen
mit eingebunden werden. Die Gemeinsame Forschungs-          Forschungs- bzw. Industrie-Infrastrukturen (z. B.
stelle (JRC) ist der wissenschaftliche Dienst der EU-­      Pilotlinien, Open Innovation Test Beds) stellen weitere
Kommission und berät die EU in wissenschaftlichen           Gründe für das Engagement deutscher Projektpartner
Fragen zur Politikgestaltung. Das Europäische Innova-       dar. In Horizont 2020 stammt mehr als die Hälfte aller
tions- und Technologieinstitut (EIT) fördert und stärkt     deutschen Antragsteller aus der Industrie. Dies
Synergien zwischen Wirtschaft, Bildung und Forschung.       ist ein weiterer Beleg für die Attraktivität der EU-For-
                                                            schungsprogramme sowohl für Großunternehmen als
                                                            auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
Ausblick Horizont Europa
                                                            In dieser Broschüre werden die Erfolgsgeschichten zehn
Nach Auslaufen des EU-Rahmenprogramms Horizont              deutscher Partner skizziert, um den Mehrwert der EU-
2020 (Laufzeit 2014–2020) wird das Nachfolgepro-            Forschungsförderung zu verdeutlichen. Die vorge-
gramm Horizont Europa starten und den Zeitraum              stellten Vorhaben zeigen dabei nicht nur die große
zwischen 2021 und 2027 abdecken. Dabei werden viele         thematische Bandbreite und Vielfalt der Materialforschung,
bewährte Bestandteile aus Horizont 2020 aller Voraus-       sondern legen auch exemplarisch dar, dass sich grenzüber-
sicht nach beibehalten, sodass sich das neue Programm       schreitende Zusammenarbeit für jeden Einzelnen auszahlt.
wiederum in drei Säulen untergliedert:                      So sollen potenzielle Antragsteller aus Forschung und
∙∙ Excellent Science                                        Industrie für eine aktive Teilnahme am nächsten Rahmen-
∙∙ Global Challenges and European                           programm Horizont Europa gewonnen werden.
   Industrial Competitiveness
∙∙ Innovative Europe                                        Die vorgestellten Projekte wurden im Rahmen des
                                                            Forschungs- und Innovationsprogramms der Euro­
Einen Überblick über den aktuellen Diskussionsstand         päischen Union Horizont 2020 auf Grundlage der
findet sich auf http://ec.europa.eu/horizon-europe.         nachfolgenden Finanzhilfevereinbarungen gefördert:
                                                            SENSindoor:       604311
                                                            WALiD:            309985
Deutsche Erfolgsgeschichten                                 LaWin:            637108
                                                            CO-PILOT:         645993
Von den rund 2 Mrd. Euro Fördermitteln, die in den ersten   DIMAP:            685937
vier Jahren von Horizont 2020 im Programmbereich            FlexHyJoin:       677625
Nanotechnologies, Advanced Materials, Biotechnology and     BIO4SELF          685614
Advanced Manufacturing and Processing (NMBP) bewilligt      ADIR:             680449
wurden, gingen 17,5 Prozent an deutsche Partner. Damit      SINTBAT:          685716
schneiden deutsche Antragsteller in diesem Bereich im       N2B-patch:        721098
Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF
5

Deutsche Erfolgsgeschichten
aus der europäischen Forschungsförderung
Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF
6                                                                             MATERIALINNOVATIONEN MADE IN EUROPE

 Nanosensor steuert die Luftqualität
 Neun Forschungspartner arbeiteten länderübergreifend daran, mit fortschrittlichen Sensorsystemen die Luftqualität
 in Innenräumen zu überwachen und durch bedarfsgerechte Lüftung für saubere Luft zu sorgen. Im internationalen
 Projekt SENSIndoor wurden massentaugliche Produktionsmethoden entwickelt, die die Herstellung günstiger
 Sensoren ermöglichen.

 Die Innenraumluftqualität hat einen großen Einfluss auf        extrem empfindlich und selektiv bezüglich der Detektion
 unsere Gesundheit, denn wir verbringen etwa 80 bis 90          von gesundheitsschädlichen Verbindungen. Außerdem hat
 Prozent des Tages in geschlossenen Räumen.¹ Um eine gute       das Konsortium eine massentaugliche Produktionsmetho-
 Luftqualität gewährleisten zu können, sind fortschrittliche    de entwickelt, um so kostengünstige Sensoren herzustellen.
 Sensorsysteme erforderlich, die laufend die Luftqualität
 insbesondere im Hinblick auf gesundheitsschädliche flüch-
 tige organische Verbindungen überwachen. Wenn die              Entwicklung von neuen
 Konzentration dieser gesundheitsschädlichen Verbindun-         Mikro-Präkonzentratoren
 gen zu hoch ist, kann durch eine bedarfsgerechte Lüftung
 ein optimaler Kompromiss zwischen Energieverbrauch             In der Praxis konzentrierte sich das Projekt auf die drei
 und gesunder Raumluft erzielt werden.                          Schadgase Benzol, Formaldehyd und Naphthalin, die eine
                                                                besonders hohe Gesundheitsgefahr darstellen. Diese Ver-
 Im Projekt SENSIndoor wurden länderübergreifend in             bindungen sind häufig in Farbanstrichen, Fußböden oder
 Frankreich, Finnland, Schweden sowie in der Schweiz und        Möbeln enthalten und schon in kleinen Konzentrationen
 Deutschland Sensorsysteme erforscht, die exakt diese           sehr toxisch aufgrund ihrer krebserregenden Eigenschaften.
 Anforderungen erfüllen. Die entwickelten Sensoren, die
 eine wohldefinierte Nanostrukturierung aufweisen, s­ ind       Ein zentraler innovativer Ansatz im Projekt war die
                                                                Entwicklung von neuen Mikro-Präkonzentratoren
                                                                auf Basis von porösen metallorganischen Gerüsten
                                                                und Polymerschichten, die bestimmte Moleküle sehr
        SENSIndoor                                              selektiv binden. Erstmals konnten Präkonzentratoren
                                                                demonstriert werden, bei denen der Gastransport
        PROJEKTLAUFZEIT: 01.01.2014–31.12.2016                  allein durch Diffusion erfolgt und somit keine teuren
        PROJEKTVOLUMEN: 4 619 315,60 Euro
                                                                und anfälligen Mikropumpen erfordert.
        EU-FÖRDERUNG:    3 399 995,00 Euro

        WEBSITE ZUM PROJEKT:                                    Durch die Aufkonzentration der Zielgase konnte eine
        sensindoor.eu                                           Steigerung der Sensitivität um etwa zwei Größenord-
                                                                nungen demonstriert werden. Durch eine gleichzeitige
        ANSPRECHPARTNER:
                                                                Reduzierung von Störeinflüssen durch Permanentgase
        Prof. Dr. Andreas Schütze, Universität des Saarlandes
                                                                wie CO, H und Wasser wurde eine bis dato unerreichte
                                                                           ²
        KONSORTIUM:                                             Selektivität von mehr als vier Größenordnungen (z. B. für
        §§ Koordinator: Universität                             1 ppb Benzol in einem Hintergrund von 10 ppm Ethanol)
           des Saarlandes, Deutschland                          erzielt. Die Sensorsysteme wurden in umfangreichen
        §§ NanoSense SARL, Frankreich
                                                                Labor- und Feldversuchen erprobt und die Ergebnisse
        §§ Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung
           der angewandten Forschung e. V., Deutschland         durch Vergleichsstudien in metrologischen Forschungs-
        §§ Oulun yliopisto, Finnland                            einrichtungen in Deutschland und Italien verifiziert.
        §§ Universitet Linköping, Schweden
        §§ SenSiC AB, Schweden                                  „Das SENSIndoor-Projekt bringt eine erhebliche Multipli-
        §§ SGX Sensortech S.A., Schweiz
                                                                kationswirkung für die beteiligten Partner mit, deren
        §§ 3S – Sensors, Signal Processing,
           Systems GmbH, Deutschland                            Gesamtpotenzial heute noch nicht endgültig absehbar ist.
        §§ Picodeon Ltd Oy, Finnland                            Die Vernetzung der beteiligten Arbeitsgruppen aus
        §§ Eurice GmbH, Deutschland                             Forschung und Industrie hat sich durch das EU-Projekt
                                                                und die damit verbundene internationale Sichtbarkeit

1)
     Quelle: bmu.de
Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF
NANOSENSOR STEUERT DIE LUFTQUALITÄT                                                                                                 7

wesentlich erhöht. Dies ermöglichte schließlich auch den
Einstieg in neue Anwendungsfelder“, betont Prof. Dr.
Andreas Schütze von der Universität des Saarlandes, der
mit der Koordination des Projektes betraut war.

Auf dem Weg zu marktreifen
Sensorsystemen
Inzwischen wurde an der Universität Linköping das
Spin-off DANSiC ausgegründet, das Gas-Sensorsysteme
für die Bewertung der Innenraumluftqualität auf Basis der
Forschungsergebnisse entwickelt und vermarktet. Das
teilweise im Rahmen des Projektes entwickelte Software-
paket DAV³E (Data Analysis and Verification/Visualization/
Validation Environment) steht als Open-Source-Projekt
zur Verfügung. Es handelt sich um ein Tool, das sowohl in      Batch aus Sensor-Präkonzentrator-Systemen, zum Teil abgedeckt mit exakt
der Forschung als auch in der Produktentwicklung eine          positioniertem Gaszutritt
schnelle Entwicklung und sichere Bewertung von Auswer-
tealgorithmen ermöglicht. Durch die freie Verfügbarkeit ist    Im Bereich der Messtechnik für flüchtige organische
dieses Tool für weitere interessierte Gruppen nutzbar.         Verbindungen in der Geruchsmessung ist das BMBF-
                                                               Projekt SEPEG entstanden. Zudem wird auch ein
Derzeit arbeiten die industriellen Partner auf der Basis der   umfassendes Aus- und Weiterbildungskonzept verfolgt,
Projektergebnisse an der Entwicklung verschiedener             dass einerseits industrielle Nutzer und andererseits den
Produkte bis zur Marktreife, sowohl im Bereich von Sensor-     akademischen Nachwuchs adressiert. Als eine Kompo-
elementen als auch von Sensorsystemen. Hierfür kooperie-       nente ist ein Projekt entstanden, das bereits Schülerin-
ren die Projektpartner in unterschiedlichen Konstellatio-      nen und Schüler an die Gasmesstechnik heranführt
nen und mit weiteren Partnern. Mehrere wissenschaftliche       und für eigene Umweltstudien begeistert, z. B. zur
Mitarbeiter der akademischen Projektpartner wechselten         Erfassung der Innenraumluftqualität in Schulen
zu industriellen Projektpartnern, um dort die im Projekt       (DBU-Projekt SUSmobil; susmobil.de). Hierdurch sollen
begonnenen Arbeiten im Hinblick auf eine Vermarktung           frühzeitig Nachwuchskräfte auf dieses spannende
der Technologien fortzusetzen. Das Anwendungsspektrum          Themengebiet aufmerksam gemacht und gleichzeitig
erstreckt sich dabei nicht nur auf die Innenraumluftquali-     ihr Umweltbewusstsein gestärkt werden.
tät, sondern auch auf Sensoren für die Außenluftqualität
sowie auf die Geruchsbewertung. Damit sollen weitere Anwen-    Das SENSIndoor-Projekt wurde im Juni 2017 mit dem
dungsbereiche wie die Atemgasanalyse oder das Geruchs-         Best Project Award beim EuroNanoForum 2017 in
monitoring erschlossen werden. Hierdurch wird auch die         Malta ausgezeichnet. Der Preis würdigt aktuelle und
Tür für neue Ansätze im Bereich des Umweltmonitorings          abgeschlossene EU-Projekte aus dem Bereich Nano-
ergänzend zu den wenigen bestehenden offiziellen Mess-         und Materialwissenschaften im Hinblick auf ihr
stationen aufgestoßen, z. B. für Smart Citys mit neuen Um-     herausragendes Potenzial für Industrie und Gesell-
weltinformationsdiensten und für Citizen-Science-Projekte.     schaft. Die binationale Dissertation von Dr. Christian
                                                               Bur, Universität des Saarlandes und Universität
                                                               Linköping, wurde 2015 mit dem Messtechnik-Preis des
Frühzeitige Begeisterung                                       AHMT (Arbeitskreis der Hochschullehrer für Mess­
der Nachwuchskräfte                                            technik) als beste Dissertation im deutschsprachigen
                                                               Raum im Gebiet Messtechnik ausgezeichnet.
Des Weiteren entstanden zum Teil bereits während der
Projektlaufzeit neue Kontakte und Kooperationsprojekte.
Materialinnovationen made in Europe - Deutsche Erfolgsgeschichten aus der europäischen Forschungsförderung - BMBF
8                                                                                MATERIALINNOVATIONEN MADE IN EUROPE

Rotorblatt in neuem Gewand
Rotorblätter mit wirtschaftlichem, fortschrittlichem und leichtem Verbundwerkstoffdesign (Wind Blade Using Cost-
Effective Advanced Composite Lightweight Design, kurz WALiD) eines internationalen Forschungskonsortiums mit
15 Beteiligungen begeistern die Fachwelt. Gemeinsames Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie der
beteiligten Firmen ist die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Rotorblattdesigns für die europäische Offshore-
Windindustrie. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaziele.

Offshore-Windenergieanlagen werden immer größer.                 die gleichzeitig eine hohe Materialfestigkeit bieten. Denn
Transport, Montage, Demontage und auch die Entsorgung            das geringere Gewicht erleichtert den Auf- und Abbau der
der gigantischen Rotorblätter stellen die Betreiber stets vor    Windturbinen und verbessert die Stabilität auf See.
neue Herausforderungen. Windkraftanlagen mit bis zu 80
Meter langen Rotorblättern und einem Rotordurchmesser
von mehr als 160 Metern sind auf maximale Energieerträge         Entwicklung neuer thermoplastischer
ausgelegt. Da die Länge der Blätter durch ihr Gewicht            Tape-Materialien für einen
begrenzt ist, ist es notwendig, leichte Systeme zu entwickeln,
                                                                 automatisierten Tapelegeprozess
                                                                 Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nehmen
    WALiD                                                        die Form der Rotorblätter wie auch die Materialien in den
                                                                 Fokus. So wurde unter anderem das Design des Rotorblatts
    PROJEKTLAUFZEIT: 01.02.2013–31.01.2017                       an thermoplastische Tape-Materialien angepasst und die
    PROJEKTVOLUMEN: 5 499 110,65 Euro
    EU-FÖRDERUNG:    3 964 797,00 Euro                           Blattanbindung mit einem neuen Anschlusskonzept
                                                                 versehen. Thermoplastische Tape-Materialien wurden im
    WEBSITE ZUM PROJEKT:                                         Rahmen des Projekts für einen automatisierten Tapelege-
    eu-walid.com/the-project                                     prozess für verschiedene strukturelle und semistrukturelle
                                                                 Rotorblattkomponenten entwickelt. Dabei wurden auch
    ANSPRECHPARTNER:
    Björn Beck und Carolyn Fisher,                               die Eigenschaften von thermoplastischen Schäumen als
    Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT            Kernmaterialien für Sandwichkomponenten im Bereich
                                                                 des „shear webs“ (Scherstegs) genauer in Augenschein
    KONSORTIUM:                                                  genommen. Zusätzlich wurde die Umweltbeständigkeit
    §§ Koordinator: Fraunhofer-Gesellschaft
                                                                 von thermoplastischen Beschichtungen verbessert.
       zur Förderung der angewandten
       Forschung e. V., Deutschland
    §§ WPS Windrad Power                                         Derzeit werden Rotorblätter für Windkraftanlagen mit
       Systems GmbH, Deutschland                                 einem hohen Anteil an manuellen Arbeitsschritten aus
    §§ Norner Innovation AS, Norwegen                            duroplastischen Harzsystemen hergestellt. Einer der
    §§ Smithers Rapra and Smithers
                                                                 Hauptnachteile ist, dass diese nicht recycelbar sind, da sie
       Pira Limited, Vereinigtes Königreich
    §§ Nederlandse Organisatie voor                              nach einmaliger Erwärmung dauerhaft aushärten. WALiD
       Toegepast Natuurwetenschappelijk                          setzt im Gegensatz dazu auf die Verwendung von thermo-
       Onderzoek TNO, Niederlande                                plastischen Materialien. Dabei handelt es sich um wiederauf-
    §§ A.P.T. Archimedes Polymer                                 schmelzbare Polymermaterialien, die in automatisierten
       Technologies LTD, Zypern
                                                                 Produktionsanlagen mit weniger manuellem Arbeitsauf-
    §§ PPG Industries Fiber Glass BV, Niederlande
    §§ Norner AS, Norwegen                                       wand als herkömmliche duroplastische Polymere effizient
    §§ Comfil ApS, Dänemark                                      verarbeitet werden können. Diese thermoplastischen
    §§ Loiretech SAS, Frankreich                                 Materialien eignen sich sowohl für die Außenschale der
    §§ Coriolis Composites SAS, Frankreich                       Rotorblätter als auch für Segmente der inneren Tragstruktur.
    §§ Stichting Nederlands Normalisatie-Instituut,
       Niederlande
    §§ Windrad Engineering GmbH, Deutschland                     Hochsteife, kohlefaserverstärkte Thermoplaste bewähren
    §§ Norner Research AS, Norwegen                              sich für die Bereiche mit der größten Belastung des
    §§ Loiretech Mauves, Frankreich                              Blattes, während Glasfaser die weniger beanspruchten
                                                                 Bereiche verstärkt. Erstmalig wurde für thermoplastische
ROTORBLATT IN NEUEM GEWAND                                                                                           9

Materialien im Bereich des „shear webs“ ein modulares          decken. Bis 2020 soll Windenergie 12 bis 14 Prozent
Design eingeführt, wodurch Einzelsegmente separat              des gesamten EU-Strombedarfs decken. Dieser Beitrag
voneinander gefertigt werden können und anschließend           verteilt sich sowohl auf die Onshore- als auch auf die
zusammengefügt werden. Neue, ultraleichte, steife              Offshore-Windenergie. Neben dem für alle erneuerba-
thermoplastische Tape-Materialien mit erhöhten                 ren Energien beschlossenen Ziel für 2020 wurden für die
mechanischen Eigenschaften erlauben eine schnelle und          Windindustrie die folgenden Vorgaben festgelegt:
kostengünstige Herstellung der Rotorblätter durch              ∙∙ 180 GW installierte Gesamtleistung
einen hohen Grad an Automatisierung.                              (davon 35 GW Offshore)
                                                               ∙∙ Jährliche Installationen von 16,8 GW
                                                                  (davon 6,8 GW Offshore)
Gemeinsame Arbeit für
ein Zukunftsthema                                              Dieses Ziel wurde von der EU 2014 auf 27 Prozent der
                                                               erneuerbaren Ressourcen bis zum Jahr 2030 angeho-
Die thermoplastische WALiD-Beschichtung ist eine               ben, was 46 bis 49 Prozent der erzeugten Elektrizität
schützende Oberflächenschicht, die eine erhöhte Haltbar-       entspricht. Prognosen sehen vor, dass Windenergie den
keit unter rauen Bedingungen aufweist. Darüber hinaus          größten Teil dieses Stroms mit einem Beitrag von
wurde ein neues Vorhersagemodell validiert, das die            mindestens 21 Prozent erzeugen wird.
Entwicklung der Beschichtungen unterstützt. Der
Zusammenhang zwischen Oberflächeneigenschaften und             Obwohl die europäische Offshore-Windindustrie in den
Erosionsbeständigkeit wurde so deutlicher erkennbar.           vergangenen zehn Jahren ein enormes Wachstum
                                                               verzeichnet hat, steht sie immer noch vor Herausforde-
„WALiD gab uns die Möglichkeit, auf Kompetenzen aus            rungen. Die größte besteht darin, die Kostenwettbewerbs-
ganz Europa zurückzugreifen und Ergebnisse zu errei-           fähigkeit zu erreichen. Dazu zählt auch die Reduzierung
chen, die auf nationaler Ebene nicht möglich gewesen           der mit der Lieferkette verbundenen finanziellen Aufwen-
wären. Es war ein Privileg, mit den Partnern an einem so       dungen wie etwa Bau- und Montageeinrichtungen.
wichtigen Zukunftsthema zu arbeiten. Aus unserer               Analysen zufolge muss die europäische Offshore-Windin-
gemeinsamen Arbeit sind auch bilaterale Kooperationen          dustrie 26 Prozent der Kosten senken, um bis 2023
entstanden, von denen die jeweiligen Firmen auch nach          gegenüber konventionellen Energieträgern wettbe-
Projektende noch profitieren“, sagt Björn Beck vom             werbsfähig zu sein. Das WALiD-Projekt will die Industrie
Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT, das         dabei unterstützen, dieses Ziel zu erreichen.
mit der Projektkoordination betraut war.

Die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft ermöglichte es
den Industriepartnern, die Ergebnisse auf ihre Organisatio-
nen zu übertragen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu
steigern. Das wird als wichtiger Beitrag für die europäische
Innovationskraft gewertet. Zudem förderte die Zusam-
menarbeit auf internationaler Ebene auch das Zusammen-
spiel von verschiedenen Segmenten der Lieferkette, was
sich wiederum positiv auf deren Qualität ausgewirkt hat.

Forschung für die Erreichung
der EU-Klimaziele
Die EU hat sich 2009 das rechtsverbindliche Ziel gesetzt,
bis 2030 mindestens ein Fünftel ihrer Energieversorgung
aus Wind und anderen erneuerbaren Ressourcen zu                Projektpräsentation auf Messestand
10                                                                        MATERIALINNOVATIONEN MADE IN EUROPE

„Flüssige Gebäudehüllen“, inspiriert vom Wasserfall
Im Rahmen des durch die Europäische Kommission geförderten Projektes „LaWin – Large Area Fluidic Windows“
wurden sogenannte „flüssige Gebäudehüllen“ entwickelt. Eine flüssige Gebäudehülle imitiert die thermischen Eigen-
schaften eines Wasserfalls: In Außenwänden und Fenstern zirkulierende, für sichtbares Licht transparente Flüssig-
keiten verwandeln passive Wandflächen in thermisch aktive Gebäudekomponenten. Durch ein großes, transparentes
Fenster strömt ein Fluid, und die Scheibe fungiert als Wärmetauscher.

Die Projektidee basiert auf der Strukturierung einer       Temperaturen arbeiten. Während für klassische Innen-
Glasscheibe mit einem innen liegenden Kapillarsystem.      raumheizungen oft Vorlauftemperaturen von 60 Grad
Innerhalb des Systems befindet sich ein Fluid, das für     Celsius üblich waren, können Niedertemperatursyste-
den Betrachter im Zusammenhang mit den Kapillaren          me selbst an kalten Wintertagen mit häufig nicht mehr
nicht sichtbar ist. Mithilfe von Druckleitungen zirku-     als 30 Grad Celsius auskommen. Eingesetzt werden
liert das Fluid innerhalb des Systems mit entsprechen-     diese bisher z. B. in Fußbodenheizungen.
den Absorptionsvorgängen im Scheibenbereich und
einer Anbindung an ein Heizsystem. Das Konzept ist
hervorragend für Niedertemperatursysteme geeignet,         Abkehr von umweltschädlichen
also für Heizsysteme, die mit vergleichsweise niedrigen    fossilen Rohstoffen
                                                           Gebäude sind für mehr als ein Drittel des weltweiten
                                                           Energiebedarfs verantwortlich, einschließlich der damit
     LaWin                                                 verbundenen CO2-Emissionen. Gleichzeitig verbringen
                                                           wir mehr als drei Viertel unseres Lebens im Inneren von
     PROJEKTLAUFZEIT: 01.01.2015–31.12.2017                Gebäuden und stellen dabei immer höhere Ansprüche
     PROJEKTVOLUMEN: 7 508 780,88 Euro                     an Komfort und Funktionalität. „Die Entwicklung neuer,
     EU-FÖRDERUNG:    5 481 912,25 Euro
                                                           nachhaltiger, CO2-effizienter Materialien und Verfahren
     WEBSITE ZUM PROJEKT:                                  zur Reduktion des Energiebedarfs von Gebäuden bei
     lawin.uni-jena.de                                     gleichzeitiger Erhöhung der Gebäudefunktionalität und
                                                           des Komfortlevels ist daher eine der großen Prioritäten
     ANSPRECHPARTNER:                                      in globalen Technologie-Roadmaps“, sagt Prof. Lothar
     Prof. Dr. Lothar Wondraczek,
                                                           Wondraczek von der Friedrich-Schiller-Universität Jena,
     Friedrich-Schiller-Universität Jena
                                                           der das Projekt mit 14 Konsortionalpartnern koordiniert
     KONSORTIUM:                                           hat. „Der Rahmen des Programms Horizont 2020
     §§ Koordinator: Friedrich-Schiller-                   ermöglichte es uns als Konsortium, die Forschungs- und
        Universität Jena, Deutschland                      Entwicklungsarbeiten von Anfang an unter einer
     §§ Schott Technical Glass
                                                           realistischen Umsetzungsperspektive durchzuführen.
        Solutions GmbH, Deutschland
     §§ Bauhaus-Universität Weimar, Deutschland            Zudem konnten durch breite Vernetzungsaktivitäten
     §§ Ducatt NV, Belgien                                 über verschiedene Projektcluster hinaus unmittelbare
     §§ EurA Innovation GmbH, Deutschland                  Synergien erschlossen und Ansätze für weitere Spin-off-
     §§ Glass Service, a.s., Tschechien                    Technologien entwickelt werden.“
     §§ Flachglas Sachsen GmbH, Deutschland
     §§ Eilenburger Fenstertechnik GmbH & Co. KG,
        Deutschland                                        Der Vorteil der „flüssigen Gebäudehülle“ ist nicht nur
     §§ A. + E. Ungricht GmbH + Co. KG, Deutschland        die deutlich effizientere Isolierung, sondern auch die
     §§ Fickert + Winterling Maschinenbau GmbH,            sehr viel kostengünstigere Beheizung oder Kühlung,
        Deutschland                                        die sich an die Wettervorhersage und die Jahreszeit
     §§ Beuth Hochschule für Technik Berlin, Deutschland
                                                           anpasst. Die zirkulierende Flüssigkeit wird dabei als
     §§ Folienwerk Wolfen GmbH, Deutschland
     §§ Clariant Produkte (Deutschland)                    Wärmeträgermedium genutzt, mit dessen Hilfe Wärme
        GmbH, Deutschland                                  aus der Umgebung in das Gebäude eingetragen,
     §§ LISEC Austria GmbH, Österreich                     innerhalb des Gebäudes verteilt oder auch heraus-
                                                           transportiert werden kann.
„FLÜSSIGE GEBÄUDEHÜLLEN“, INSPIRIERT VOM WASSERFALL                                                            11

Ganzheitlicher Ansatz für                                 Gegenstand der Förderphase waren großflächige
neue Technologie                                          Fluidikelemente, die es in einzigartiger Weise erlau-
                                                          ben, funktionale Flüssigkeiten in Fenster- und
Auf Basis funktionaler, großflächiger Glaselemente mit    Fassadenelemente aktiver und passiver Gebäudehül-
integrierten Kanalstrukturen wurde eine Technologie       len zu integrieren. Diese Elemente basieren auf einem
bereitgestellt, die flüssige Gebäudehüllen zur Realität   Glas-Glas-Laminat, in dem eines der beteiligten
macht. In einem ganzheitlichen Ansatz wurde diese         Gläser der Funktion entsprechende Kapillarstruktu-
Technologie bis zur Verfügbarkeit kompletter Fluidik-     ren enthält. Die Kapillarstrukturen dienen dem
fenster mit Zwei- und Dreifachverglasung vorangetrie-     Transport einer Wärmetauscherflüssigkeit. Für die
ben. Derartige Fenstersysteme eignen sich nicht nur als   flächendeckende Anwendung müssen die Laminatele-
Wärmetauscher, sondern gleichzeitig auch zur aktiven      mente nicht nur ihre Primärfunktion dauerhaft
Verschattung, zur solarthermischen Energiegewinnung       tragen, sondern einerseits in bestehende Produktions-
oder beispielsweise zur steuerbaren Einfärbung von        prozesse für Zwei- und Dreifachverglasungen inte­
Fassaden. In Form flächiger Kühlelemente können sie       grierbar sein, andererseits den Anforderungen einer
zudem heutige Klimaanlagen mit starker Luftbewegung       Lebensdaueranalyse standhalten. Ergänzt wurde dies
und hohem Energiebedarf nachhaltig ersetzen.              durch die Entwicklung von Integrationskonzepten für
                                                          die Implementierung mit einer Gebäudeinfrastruktur.
                                                          Dazu gehörten Fragen der Verschaltung mehrerer
                                                          Elemente, Fluidik- und Wärmeübergabekonzepte
                                                          (Wärmepumpen) sowie Fragen der Nutzerakzeptanz.

                                                          Aus diesem Erfolg ergaben sich zahlreiche Szenarien
                                                          der weiteren Anwendung. So sind etwa neue Wege der
                                                          Innenraumklimatisierung auf Basis großflächiger,
                                                          architektonisch ansprechender und energetisch
                                                          nachhaltiger Kühltechnologie denkbar – oder auch
                                                          die Verwendung von Fluidikfenstern als Luftwärmetau-
                                                          scher, die direkte Beheizung (oder Kühlung) durch
                                                          Fensterflächen sowie die Implementierung funktiona-
                                                          ler Flüssigkeiten (z. B. foto-, elektro- oder thermo-
                                                          chrom) zur Beschattung und gezielten Steuerung des
                                                          spektralen Lichteintrages in Gebäuden. „Das Alleinstel-
Prinzipdarstellung der Projektidee                        lungsmerkmal dieser neuartigen Technologie ergibt
                                                          sich dabei nicht aus den Einzelfunktionen, sondern vor
                                                          allem aus der Kombinationsfähigkeit mehrerer Funk-
Die grundlegende Herausforderung des Projektes            tionen“, so Lothar Wondraczek.
war es, einen flüssigen Wärmeträger kontrolliert,
großflächig und aus ökologischer wie ökonomischer
Sicht nachhaltig in hochwertige Gebäudehüllen zu
integrieren. Von besonderem Interesse war dabei die
Integration in Fenstersysteme, die einerseits die
energetisch schwächste Stelle moderner Gebäude-
hüllen darstellen, andererseits die hinsichtlich
optischer Transparenz und Integration größte
Herausforderung bieten: Wenn es gelingt, Flüssig­
keiten in „Smart Windows“ zu integrieren, so ist die
Integration auch in andere, nicht transparente
Fassadenelemente möglich.
12                                                                        MATERIALINNOVATIONEN MADE IN EUROPE

Nanopartikel nach Maß
Viele gute Ideen für neue Industrieprodukte bleiben in der Schublade, weil die technische Infrastruktur zum Aus­
probieren fehlt – insbesondere, wenn es um den Einsatz von Nanopartikeln geht. Hier setzt das Forschungsprojekt
CO-PILOT an: Es ermöglicht die flexible Herstellung von verhältnismäßig kostengünstigen Nanokompositen im
Pilotmaßstab. 13 Konsortiumspartner haben eine „Open-Access-Infrastruktur“ aufgebaut, die es vor allem kleinen und
mittelständischen Unternehmen (KMU) ermöglicht, mit Nanotechnologie zu experimentieren.

Von der „Nanoküche“ spricht man am Fraunhofer-             einem kleinen Maßstab ausprobieren möchten. Da vor
Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg, um Laien    allem KMU nicht unbedingt auf die für die Herstellung
anschaulich darzulegen, woran in den Laboren gear-         und Modifizierung von Nanopartikeln sowie deren
beitet wird. Das hoch spezialisierte technische Equip-     Weiterverarbeitung nötige technische Infrastruktur
ment umfasst unter anderem einen 100-Liter-Rührre-         verfügen, schließt dieses Angebot eine Lücke.
aktor für das Upscaling von Laborsynthesen oder eine
mannshohe halbkontinuierliche Zentrifuge. Damit ist
das ISC eine Anlaufstelle für Unternehmen und              Nanopartikel wecken Ideen für
wissenschaftliche Einrichtungen, die eine Nanoidee in      neue Produkteigenschaften
                                                           Funktionelle Kompositwerkstoffe auf der Basis von
                                                           Nanomaterialien oder -partikeln haben in den

     CO-PILOT                                              vergangenen Jahren kontinuierlich an Bedeutung
                                                           gewonnen. Viele interessante Materialeigenschaften
     PROJEKTLAUFZEIT: 01.01.2015–31.01.2017                lassen sich durch Nanoadditive erreichen – das weckt
     PROJEKTVOLUMEN: 5 475 358,75 Euro                     Ideen für neue Produkteigenschaften. Ein Manko für
     EU-FÖRDERUNG:    5 021 858,50 Euro                    Produktentwickler ist bisher jedoch die schlechte
                                                           Verfügbarkeit von produktionstauglichen Nanoparti-
     WEBSITE ZUM PROJEKT:
     h2020copilot.eu                                       keln. Die beschriebenen Produktionsmengen sind
                                                           meist kleiner als ein Gramm, die Infrastruktur für die
     ANSPRECHPARTNER:                                      Herstellung größerer Mengen ist teuer, die Synthese-
     Dr. Karl Mandel, Fraunhofer-Institut                  prozesse sind störungsanfällig und nicht ohne Weiteres
     für Silicatforschung ISC
                                                           skalierbar. Viele gute Ideen scheitern so schon vor
     KONSORTIUM:                                           der eigentlichen Produktentwicklung.
     §§ Koordinator: Nederlandse Organisatie
        voor Toegepast Natuurwetenschappelijk              „Die EU hat damit einen neuen Ansatz der Dienstleis-
        Onderzoek TNO, Niederlande                         tung gefördert“, sagt Dr. Karl Mandel, Leiter der
     §§ Fraunhofer-Gesellschaft
                                                           Partikeltechnologie des Fraunhofer ISC. „Ein einfa-
        zur Förderung der angewandten
        Forschung e. V., Deutschland                       cher und offener Zugang zu hochklassiger Infrastruk-
     §§ SKZ-KFE gGmbH, Deutschland                         tur für die zuverlässige Produktion kleiner Chargen
     §§ Momentive Performance                              von funktionalisierten Nanopartikeln und Nanokom-
        Materials GmbH, Deutschland                        positen zu Testzwecken, das könnte Unternehmen aus
     §§ LS Instruments AG, Schweiz
                                                           Chemie und Pharmazie den Weg hin zu neuen
     §§ Sonaxis S.A., Frankreich
     §§ Institute of Occupational                          nanobasierten Produkten erleichtern.“ Er vergleicht
        Medicine, Vereinigtes Königreich                   die Pilotlinie mit einer Hightechküche: „Wir stellen
     §§ Trinity College Dublin, Irland                     ausgefeiltes Equipment und Profiköche zur Herstel-
     §§ Carl Padberg Zentrifugenbau                        lung eines Nanomenüs à la carte oder nach individu-
        GmbH, Deutschland
                                                           ellen Wünschen zur Verfügung. So können Unterneh-
     §§ Nabaltec AG, Deutschland
     §§ Ioniqa Technologies BV, Niederlande                men ihre oder auch unsere Rezepte erstmals testen,
     §§ Kriya Materials BV, Niederlande                    bevor sie sich zum Nachkochen oder zum Aufbau
     §§ Stichting NanoHouse, Niederlande                   einer eigenen Nanoküche entschließen.“ Neben dem
                                                           ISC sind zwei weitere „Open-Access-Linien“ im
NANOPARTIKEL NACH MASS                                                                                                    13

niederländischen Eindhoven sowie am Süddeutschen
Kunststoffzentrum in Selb aufgebaut worden.

Projekt ermöglicht
einzigartige Ausstattung
Was das Angebot in Würzburg für Kunden besonders
interessant macht, ist die langjährige Erfahrung der
betreuenden Projektteams im Material- und Eigen-
schaftsdesign von Partikeln sowie in der Steuerung von
komplexen Synthesen. Durch das EU-geförderte Projekt
wurde eine einzigartige Ausstattung für robuste und
zuverlässige Herstellprozesse ermöglicht. So wurde ein
neuartiger Prototyp einer halb kontinuierlichen
Zentrifuge zur Partikelabscheidung speziell für diese
Pilotlinie entwickelt. Damit werden bis zu fünf Kilo-        Der Rührreaktor für Partikelsynthesen im Maßstab 100 Liter
gramm Partikelgel mit einem Feststoffgehalt von 70
Prozent pro Zyklus aus dem Syntheseansatz „geerntet“.
                                                             Kunststoffe etwa werden durch Nanotechnologie
Online-Analysegeräte ermöglichen eine ständige               reißfester und beständiger, was eine ganze Bandbreite
Überwachung und Steuerung der Partikelsynthese und           von Anwendungen ermöglicht. Auch für die Weiterent-
-funktionalisierung. Damit sind die Syntheseprozesse         wicklung von Brennstoffzellen oder von Katalysatoren
ebenso wie die Abscheidung der Partikel exakt steuerbar      eignet sich die „Nanoküche“.
und effizient und garantieren reproduzierbar das
gewünschte Eigenschaftsprofil der Partikel auch im           Die Ergebnisse aus dem Projekt CO-PILOT dienen als
Kilogrammmaßstab.                                            Grundlage für Folgeprojekte. Das Fraunhofer
                                                             ISC kümmert sich aktuell in diesem Jahr im EU-
Erprobt wurde die Pilotlinie mit vier unterschiedlichen      Forschungsprojekt OASIS um induktiv heizbare
Partikelsystemen:                                            Magnetpartikel für neuartige Pultrusionsansätze im
∙∙ Layered Double Hydroxides (LDH) als flammhemmen-          Pilotmaßstab.
   de Füllstoffe zur Compoundierung in Kunststoffen
∙∙ Titandioxid für optisch hoch brechende Komposite
∙∙ hohle Silikapartikel für gefüllte Silikonpolymere
∙∙ Magnetpartikel mit katalytisch modifizierten Ober-
   flächen für das Recycling von PET

Materialdesign und Syntheserouten ermöglichen dabei
auch die Funktionalisierung von Partikeln hinsichtlich
ihrer weiteren Verarbeitung, also beispielsweise die
Anpassung an die chemische Beschaffenheit der Matrix
bei der Compoundierung.

Nanopartikel helfen etwa dabei, dass Plastik nicht brennt.
Oder sie versehen Oberflächen mit neuen Eigenschaften,
wie das Beispiel Fotovoltaik zeigt. Die Oberflächen von
Fotovoltaikanlagen werden dahingehend verändert, dass
die Staubablagerung auf den Glasflächen gestoppt wird.
14                                                                          MATERIALINNOVATIONEN MADE IN EUROPE

Tinten mit exquisiten Eigenschaften
Ob ein menschlicher Unterkiefer aus Titan oder eine künstliche Aortaklappe – nicht nur im Gesundheitswesen
revolutioniert der 3-D-Druck die Behandlungsmethoden. Mit den Materialien für diese Form der Fertigungstechnik
beschäftigte sich das Forschungsprojekt DIMAP: Es wurden Silber- und Keramik-Nanopartikel mit hervorragender
Leitfähigkeit, Hochleistungspolymere und schäumbare Tinten für Leichtbauanwendungen entwickelt und optimiert.

Ziel von DIMAP (Novel nanoparticle enhanced Digital         Für den Druck dieser Materialien wurde eine spezifische
Materials for 3D Printing and their application shown for   Druckerarchitektur realisiert.
the robotic and electronic industry) war es, den Anwen-
dungsbereich und die Möglichkeiten des Multimaterial-
3-D-Drucks zu erweitern. Es ist gelungen, 3-D-Druckma-      Neue Möglichkeiten mit
terialien für die PolyJetTM-Technologie mit völlig neuen    neuen Materialien
Eigenschaftsprofilen zu definieren und nanotechnolo-
gisch weiterzuentwickeln. Dabei handelt es sich um:         3-D-Drucker fertigen heute mehr als Plastikteile – auch
∙∙ elektrisch leitfähige Tinten mit Silbernanopartikeln     Edelstahl, Aluminium oder Titan können verarbeitet
∙∙ thermisch leitfähige Tinten mit keramischen              werden. Diese Form der additiven Fertigung (im Gegensatz
   Nanopartikeln                                            steht die subtraktive Fertigung, die durch Fräsen oder Sägen
∙∙ schäumbare Tinten für Leichtbauanwendungen               etwas wegnimmt) verlangt Materialien, die auf die jeweilige
∙∙ Hochleistungtinten aus Polyimid                          Anlagentechnik abgestimmt sind. Zwar besitzt die PolyJet™-
                                                            Technologie mit der Fähigkeit des Multimaterialdrucks eine
                                                            herausragende Eigenschaft im Feld der 3-D-Druck-Techno-
                                                            logien, die eine beispiellose Funktionsintegration innerhalb
                                                            eines Printvorgangs ermöglicht. Allerdings wären vielfäl­
                                                            tigere Materialeigenschaften wünschenswert, und auch
     DIMAP                                                  mangelnde Haltbarkeit der Materialien war bisher eine
                                                            wesentliche Schwäche des Prozesses.
     PROJEKTLAUFZEIT: 01.10.2015–30.09.2018
     PROJEKTVOLUMEN: 4 997 351,25 Euro                      An diesem Punkt setzen die 12 Konsortiumspartner an.
     EU-FÖRDERUNG:    4 997 351,25 Euro
                                                            Das internationale Team mit Wissenschaftlerinnen und
     WEBSITE ZUM PROJEKT:                                   Wissenschaftlern aus Israel, den Niederlanden, Österreich,
     dimap-project.eu                                       Spanien und Deutschland hat sich zum Kernziel gesetzt,
                                                            mit neuen Materialien neue Möglichkeiten zu schaffen.
     ANSPRECHPARTNER:                                       Sie haben Silber- und Keramiknanopartikel in den
     Thomas Lück, cirp GmbH
                                                            Druckprozess integriert und Designstrategien ausgearbei-
     KONSORTIUM:                                            tet, um bessere Produkteigenschaften zu erzielen – eine
     §§ Koordinator: Profactor GmbH, Österreich             äußerst anspruchsvolle und komplexe Aufgabe.
     §§ Stratasys Ltd., Israel
     §§ Karlsruher Institut für Technologie,                Der erste Schritt war die Analyse der Anforderungen an das
        Deutschland
                                                            Material. Dementsprechend wurden passende Rezepturen
     §§ Borealis Polyolefine GmbH, Österreich
     §§ Tiger Coatings, Österreich                          von den Partnern entwickelt. Durch Beigabe von abge-
     §§ Festo AG & Co. KG, Deutschland                      stimmten Nanopartikeln konnte das Ergebnis optimiert
     §§ Universität Linz, Österreich                        werden. Unterstützt wurde die Entwicklung der neuen
     §§ Soreq Nuclear Research Center, Israel               Materialien durch computerbasierte Simulationsmodelle.
     §§ cirp GmbH, Deutschland
                                                            So entstanden vier neue Tinten, die dem 3-D-Druck z. B. in
     §§ P.V. Nano Cell Ltd., Israel
     §§ Tecnología Navarra                                  der Elektroindustrie neue Spielräume eröffnen:
        de Nanoproductos S.L., Spanien                      ∙∙ elektrisch leitfähige Tinten mit Silbernanopartikeln,
     §§ Signify Netherlands BV, Niederlande                    zum Drucken von Leiterbahnen und elektrischen
                                                               Komponenten
TINTEN MIT EXQUISITEN EIGENSCHAFTEN                                                                                                   15

∙∙ thermisch leitfähige Tinten mit keramischen                                  schen DIMAP-Polyjet-Drucker, der bei drei verschiedenen
   Nanopartikeln, etwa für die Kühlung von LEDs                                 Projektpartnern zum Einsatz kam. Dadurch konnten die
∙∙ schäumbare Tinten für Leichtbauanwendungen und                               verschiedenen Arbeitspakete parallel bearbeitet und dann
   geringen Materialverbrauch                                                   gemeinsam fokussiert werden. Die Hardware und die
∙∙ Hochleistungstinten aus Polyimid für sehr hohe                               Software zur Verarbeitung der DIMAP-Materialien
   Temperaturbeständigkeit und exzellente chemische                             wurden in vielen Teilen neu aufgebaut.
   Beständigkeit
                                                                                „Das Projekt führte zu einem signifikanten Know-how-
Unter den Ergebnissen, die das Forschungskonsortium                             Zuwachs innerhalb der cirp GmbH und mündete in einem
hervorhebt, ist der erste Druck eines polyimidbasierten                         Ausbau des Unternehmens mit neuem Personal“, sagt
Materials auf einer PolyJet™-Maschine. „Die DIMAP-                              Thomas Lück. „Für unser Dienstleistungsspektrum ist
Polyimide zeichnen sich durch sehr hohe Temperatur­                             es elementar, auf dem neuesten Stand der Technik zu
beständigkeit und sehr gute dielektrische Eigenschaften                         sein und damit Angebote zu führen, die Alleinstel-
aus“, betont Thomas Lück, der bei dem Heimsheimer                               lungsmerkmale besitzen. Aus der Zusammenarbeit in
Unternehmen und DIMAP-Konsortialpartner cirp GmbH                               Forschungsprojekten entstehen immer wieder Koope-
als Leiter für Vertrieb und Innovationen verantwortlich ist.                    rationen, die die Entwicklung nachhaltig verbessern.“

Des Weiteren ist es gelungen, silberbasierte Tinten im                          Das Unternehmen ist zuversichtlich, dass die neuen
Druckprozess leitfähig zu sintern – darunter versteht                           DIMAP-Materialien mit recht hohem Reifegrad schon
man das Erhitzen eines Werkstoffes zur Veränderung                              bald das Dienstleistungsspektrum des mittelstän­
der Struktur, was wiederum die Integration der                                  dischen Unternehmens erweitern. Zudem haben sich
vorgefertigten Komponenten erleichtert. Während die                             durch die zahlreichen Erfolge innerhalb des DIMAP-
elektrisch leitfähigen und die Hochleistungs-Poly-                              Projekts, die vor allem auf der fruchtbaren multidiszip-
imid-Tinten im Projekt bereits einen sehr hohen                                 linäre Zusammenarbeit über Grenzen hinweg erreicht
Reifegrad erreichten, verblieben die keramischen und                            wurden, bereits verschiedene mögliche Folgeprojekte
die schäumbaren Tinten in einem labormäßigen                                    ergeben. Unter anderem wird ein DIMAP-Anschluss-
Entwicklungsstatus. Sie konnten deswegen noch nicht                             projekt anvisiert. Des Weiteren ist geplant, mit den
in die Demonstratoren verbaut werden. Die Verarbeitung                          DIMAP-Versuchsdruckern bei den jeweiligen Partnern
der DIMAP-Materialien erfolgte auf einem prototypi-                             weiterführende Experimente durchzuführen.

Der pneumatische Festo Roboter Aktuator wurde in einem Schritt mit maximaler Funktionsintegration gedruckt.
16                                                                         MATERIALINNOVATIONEN MADE IN EUROPE

Das richtige Material am richtigen Ort
Zehn europäische Forschungspartner arbeiten im Projekt FlexHyJoin länderübergreifend daran, eine vollautoma-
tische Fertigungszelle zum Fügen von gewichtsneutralen Hybridstrukturen aus Metallen und Polymerverbundstoffen
ohne die Verwendung von Klebstoffen mit potenziell schädlichen Lösungsmitteln zu fertigen. Diese Hybridfüge-
technologie senkt unter anderem Kosten und Fertigungszeit – gute Nachrichten für die Industrie.

Übergeordnetes Ziel von FlexHyJoin (Flexible Produc-        Anders als beim Kleben sind bei den eingesetzten
tion Cell for Hybrid Joining) ist die Entwicklung und       Verfahren keine zusätzlichen Additive notwendig. Die
der Aufbau einer Prototypen-Fertigungszelle zum             lasttragende Faserstruktur des TP-FKV wird nicht
Fügen von Hybridbauteilen, die aus thermoplastischen        geschädigt, wie es beim Schrauben oder Clinchen der
Faserkunststoffverbunden (TP-FKV) und Metallen              Fall ist. Die Großserientauglichkeit konnte anhand
bestehen. Dazu werden Induktions- und Laserfügen            einer vollautomatischen Fertigungszelle demonstriert
mit einer Laservorbehandlung der Metalloberfläche,          werden, in der eine Dachversteifung aus kontinuierlich
Prozesskontrolle und -überwachung, sowie zerstö-            glasfaserverstärktem Polyamid 6 mit metallischen
rungsfreie Prüfung via Lock-In-Thermografie kombi-          Verbindungselementen gefügt wird.
niert. Somit soll ein speziell auf hybride Metall-TP-
FKV-Verbindungen angepasster Fügeprozess
bereitgestellt werden, damit das jeweilige Werkstoff-       Effiziente Kombination
potenzial voll ausgeschöpft werden kann.                    innovativer Technologien
                                                            In der Fertigungszelle werden im ersten Schritt die in
                                                            einem vorgeschalteten Stanzverfahren umgeformten
                                                            metallischen Befestigungselemente durch einen

     FlexHyJoin                                             Hochgeschwindigkeitslaser vorstrukturiert. So werden
                                                            linienförmige Kavitäten mit Hinterschnitten einge-
     PROJEKTLAUFZEIT: 01.10.2015–31.12.2018                 bracht, durch die beim Folgeschritt Fügen eine
     PROJEKTVOLUMEN: 5 868 683,75 Euro                      formschlüssige Verbindung zwischen Metall und
     EU-FÖRDERUNG:    4 141 347,64 Euro                     TP-FKV erzeugt wird. Nach der Oberflächenstruktu-
                                                            rierung werden sowohl die Verbindungselemente als
     WEBSITE ZUM PROJEKT:
     flexhyjoin.eu                                          auch die Dachversteifung zum Prozessschritt Fügen
                                                            transportiert. Die Metallhalterungen werden auf dem
     ANSPRECHPARTNER:                                       vorgeformten, thermoplastischen Organoblechprofil
     Nora Feiden, Institut für Verbundwerkstoffe GmbH,      der Dachversteifung positioniert, die Seitenteile durch
     Michael Begert, EDAG Engineering GmbH
                                                            Laser und das mittlere Metallelement durch elektro-
     KONSORTIUM:                                            magnetische Induktion erwärmt. Durch die Erwär-
     §§ Koordinator: Institut für Verbundwerkstoffe GmbH,   mung des Metalls wird der Matrixwerkstoff des
        Deutschland                                         TP-FKV an der Kontaktstelle zum Metall schmelzflüs-
     §§ Fundación Tecnalia Research &                       sig und fließt infolge des gleichzeitig aufgebrachten
        Innovation, Spanien
                                                            Fügedrucks in die laserinduzierten Kavitäten der
     §§ Gubesch Thermoforming GmbH, Deutschland
     §§ EDAG Engineering GmbH, Deutschland                  laserstrukturierten Metalloberfläche.
     §§ Leister Technologies AG, Schweiz
     §§ Centro Ricerche Fiat S.C.p.A., Italien              Nach dem Abkühlen entsteht eine Hybridstruktur, die
     §§ New Infrared Technologies, S.L., Spanien            auf einer kombinierten formschlüssigen und stoff-
     §§ Fraunhofer-Gesellschaft
                                                            schlüssigen Verbindung basiert. Um sicherzustellen, dass
        zur Förderung der angewandten
        Forschung e. V., Deutschland                        die Verbindung den geforderten Qualitätsanforderungen
     §§ KGR S.p.A., Italien                                 entspricht, werden die Fügestellen in der Fertigungszel-
     §§ Fill Gesellschaft m.b.H, Österreich                 le zerstörungsfrei durch Lock-in-Thermografie auf
                                                            Fehlstellen geprüft. Nach der ­Qualitätskontrolle ist es
DAS RICHTIGE MATERIAL AM RICHTIGEN ORT                                                                              17

    Laser-Oberflächenvorbehandlung                        Induktions- und Laserfügen

    Zerstörungsfreie Prüfung

    Bestückung                                                              Roboter

Entwickelte Fertigungszelle im Projekt FlexHyJoin

möglich, die Hybridbauteile durch nachgeschaltete             Spektrum von Anwendungen, die neben der Automo-
Montageschritte in eine übergeordnete Baugruppe zu            bilindustrie auch in Industriezweigen wie Medizin,
integrieren. Im Rahmen des FlexHyJoin-Projektes               Sport und Freizeit oder der Luft- und Raumfahrt
konnten alle beschriebenen Technologien so effizient          eingesetzt werden.
miteinander kombiniert werden, dass eine Ferti-
gungszelle maßgeschneiderte Fügetechnologien für              Im Rahmen des Projektes konnten mehrere großseri-
Hybridbauteile bereitstellt. „Es ist eine bereichernde        entaugliche Verfahren erfolgreich kombiniert
und inspirierende Erfahrung, ein EU-Forschungspro-            werden. Zukünftig können diese von Endanwendern
jekt zu konzipieren und zu koordinieren, in dem               genutzt bzw. von Forschungseinrichtungen weiter-
Partner aus europäischen Ländern grenzüberschrei-             entwickelt werden.
tend hoch motiviert zusammenarbeiten und schließ-
lich ein so ambitioniertes Ziel wie die FlexHyJoin-           Mögliche zukünftige Entwicklungsarbeiten:
Fertigungszelle erreichen“, beschreibt Projekt-               ∙∙ Erweiterung der möglichen Bauteilgeometrien
koordinatorin Nora Feiden vom Institut für Verbund-           ∙∙ Herleitung von Konstruktionsrichtlinien, die die
werkstoffe (IVW) stellvertretend für das gesamte                 Besonderheiten dieser Fügetechnologie berücksichtigen
Team. Leichtere Bauteile in der Automobilindustrie            ∙∙ neue Werkzeugkonzepte
reduzieren den Kohlendioxidausstoß und wirken sich            ∙∙ neue Werkstoffkombinationen
somit positiv auf die Umwelt aus. Das FlexHyJoin-Pro-         ∙∙ innovative Konzepte zur Prozessregelung und
jekt stellt mit seiner hybriden Fügetechnologie einen            -überwachung (Digital Twin, Industrie 4.0)
Wegweiser für zukünftige Mobilitätskonzepte dar.
                                                              Für zukünftige Entwicklungstätigkeiten, insbesondere
                                                              bei Fahrzeugen und deren Komponenten in neuer
Grundstein für neue                                           Bauweise, beispielsweise in der Elektromobilität, sieht
Konstruktionsmöglichkeiten                                    einer der Konsortiumspartner, der Engineering-Dienst-
                                                              leistungen für die Automobilindustrie entwirft, sehr
Die Entwicklung der Zelle repräsentiert den Grund-            gute Chancen, die FlexHyJoin-Technologie bei Exterieur-
stein für neue Konstruktionsmöglichkeiten im                  und Interieuranwendungen als innovative Leichtbaulö-
hybriden Leichtbau. Sie unterstützt die Etablierung in        sung zu nutzen. Auch die Rohstoff- und Halbzeugindus-
Bereichen wie beispielsweise E-Mobilität oder der             trie hat das Potenzial erkannt: In weiterführenden
lastgerechten Verstärkung von Fahrzeugstrukturen              Kundenprojekten sollen die Möglichkeiten dieser
durch Faserkunststoffverbunde. Die sehr gute                  Technologie mit weiteren, auf spezielle Anwendungen
Verbindungsqualität und -festigkeit bei einer kurzen          zugeschnittenen Materialkombinationen erprobt
Taktzeit in der Herstellung eignet sich für ein breites       werden.
Sie können auch lesen