Aha!magazin - Der Forscher und sein Käfer - Thema "Experiment Allergie" - aha! Allergiezentrum Schweiz

 
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aha!magazin
Thema «Experiment Allergie»

Eine Sängerin probt –
fürs Leben
Seite 6

Ein Arzt provoziert
Seite 12

Der Forscher
und sein Käfer
Seite 22
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Für Genuss und Wohlbefinden.
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Aha!magazin - Der Forscher und sein Käfer - Thema "Experiment Allergie" - aha! Allergiezentrum Schweiz
Bild: Luca Christen
                             Bild: Gerry Nitsch

Auf fast alles allergisch:                        Königsdisziplin: Nils Heiniger und die glutenfreie Küche. Seite 29
Sängerin Lea Nussbaumer.
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                                                                                   Inhalt
Experiment Allergie                                                                                Nahrungsmittelallergien und Intoleranzen

Stets tüftelnd. Sängerin Lea Nussbaumer                                               06           Im Trend. Allergisch auf Erbsen            42

Geforscht und gefunden. Fakten zu Allergien                                           10
                                                                                                   Prominent
Probe aufs Exempel.
Orale Nahrungsmittelprovokation                                                       12           Guetzli adieu. SRF-Moderatorin
                                                                                                   Kathrin Hönegger über ihre Zöliakie        44
Filmreif. Joel Chavez und sein atopisches Ekzem                                       17

Kampfansage. Ein Käfer gegen Ambrosia                                                 22
                                                                                                   Service
Zeitreise. Meilensteine der
Allergieforschung                                                                     26           Wettbewerb. Eine Auszeit gewinnen          46

In der Experimentierküche.
Besuch bei Betty Bossi                                                                29

Behilfliche Bakterien. Ärztin Caroline Roduit
im Gespräch                                                                           32

Für die Katz. Neue Desensibilisierungsmethode                                         36

Vom Labor in die Praxis.
Zwei Forschende erzählen                                                              39

Impressum
Herausgeberin und Redaktion: aha! Allergiezentrum Schweiz
Scheibenstrasse 20, 3014 Bern, Postfach 1, 3000 Bern 22
Konzept und Realisation: Amber Kommunikation AG, Bern
Foto Titelseite: Stéphane Schmutz
Druck: Jordi AG, Belp
Erscheinungsdatum: März 2021
                                                                                                                            klimaneutral
Auflage: 14 500 Exemplare                                                                                                   gedruckt
                                                                                                                                                   Seite 3
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Remederm Dry Skin. Intensivpflege
     für sehr trockene Haut
                                                                                          Wirkung
     SCHÜTZT UND BEFEUCHTET WIRKUNGSVOLL
                                                                                          klinisch
                                                                                          bestätigt.

     Die Remederm Dry Skin Linie wurde in enger Zusammenarbeit mit Dermatologen
     speziell für die Pflege von trockener, gereizter und geröteter Haut entwickelt.

     Dank hohen Wirkstoffkonzentrationen stärken die Präparate die Barrierefunktion der
     Haut, normalisieren die Verhornung und schützen wirksam vor äusseren Einflüssen.

     Bei diesen sechs Remederm Dry Skin Präparaten wird
     Urea in Konzentration von 3-5 % eingesetzt.
                          Natürlicher Feuchthaltefaktor
            O
                          Bekämpft trockene Haut nachhaltig
             C
                          Unterstützt die Regeneration
          H2N NH2
                          der Hautbarriere
                          Lindert Juckreiz

     LOUIS WIDMER SCHWEIZ AG, Rietbachstrasse 5, 8952 Schlieren, louis-widmer.ch
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          Made in Switzerland                                                                          2021
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Bild: istock
Liebe Leserin, lieber Leser

Zugegeben, es war nicht meine beste Idee. Dabei wollte ich nur den Kindern Gemüse
schmackhaft machen. Wir haben alles Grünzeug aus dem Kühlschrank geschält, geschnippelt
und daraus wilde Kreationen gemacht. Und ein Durcheinander, wie der Blick meiner Frau
verriet, als sie in die Küche schaute. Gesagt hat sie nichts. Auch letzthin nicht, als ich mithilfe
von YouTube-Videos einen Boden verlegt hatte ... Sie weiss: Ich mag Experimente!

Nicht zum Spass, sondern aus Not experimentieren auch Allergikerinnen und Allergiker. Um
herauszufinden, warum die Nase läuft, der Magen kneift und was dagegen hilft. Sie pröbeln
und doktern herum, bevor sie professionellen Rat einholen. Von ihrem «Experiment Allergie»
erzählt uns die Sängerin Lea Nussbaumer. Eine Odyssee hat auch Joel Chavez mit seiner
Neurodermitis hinter sich. Der junge Filmemacher bannte sein Abenteuer auf die Kinolein-
wand.

In der Wissenschaft ist das Experiment Alltag, wie wir zeigen: Ein Biologe sucht den Käfer,
der die Ambrosia-Pflanze tilgt; eine Allergologin will wissen, wie Bakterien im Darm auf
Allergien wirken und ein Biometeorologe misst Pollen in Echtzeit. Forschung liefert fundier-
tes Wissen, auf dem unsere Stiftung ihre Angebote für die drei Millionen Allergiebetroffenen
in der Schweiz aufbaut. Wir helfen ihnen, damit sie nicht selbst tüfteln müssen.

Es sei denn aus Freude daran. Ich zum Beispiel sammle gerade Ideen für ein selbstgebautes
Hochbeet.

Herzlich

Hannes Lüthi
Geschäftsleiter aha! Allergiezentrum Schweiz

                                                                                                      Seite 5
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Keine Bühne für
                         die Allergie

           Die Sängerin Lea Nussbaumer (30) ist auf fast alles allergisch, was
          an Pollen durch die Luft fliegt. Um ihre Allergie zu bekämpfen, ist sie
          mindestens so ehrgeizig und experimentierfreudig wie als Künstlerin.

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Text: Denise Jeitziner
Bilder: Gerry Nitsch/zvg

Wenn Lea Nussbaumer als Musikerin unterwegs ist und ein        auf Erden.» In den schlechten Monaten sind die Symptome
Hotelzimmer bucht, könnte man sie beinahe für eine Diva        dafür umso unberechenbarer. «Ich habe schon im Hochsom-
halten. Schön sauber sollte es sein, Hunde oder Katzen         mer mit starker Pollenbelastung an Festivals gesungen oder
sollten ebenfalls keine gestattet sein. «Wenn es staubig ist   bei einer Kollegin übernachtet, deren Katze mir die halbe
oder Tierhaare im Bett hat, dann mache ich die ganze Nacht     Zeit quasi auf dem Gesicht sass, und es ist nichts passiert.»
schlimmstenfalls kein Auge zu», erklärt die dreissigjährige    Aber dann, von einem Moment auf den nächsten, sei es fast
Bernerin und schüttelt ihren Lockenkopf, den sie später        unerträglich.
scherzhaft als «meinen Pollenfänger» bezeichnen wird. Aber
es sei ihr immer so peinlich, nach einem extra sauberen Zim-   Auch diese Unberechenbarkeit macht es für sie so schwierig,
mer zu fragen, dass sie sich trotzdem nur selten traue.        ihre Allergien zu bekämpfen. «Aber ich versuche, das Beste
                                                               daraus zu machen, und habe bald alle Naturheilverfahren
Es ist ein kühler Abend, Lea Nussbaumer sitzt in ihrem Ate-    ausprobiert, die es gibt.» Von der kosten- und zeitintensi-
lier im Hinterhof eines Wohnquartiers, wo sie Privatschüler    ven Desensibilisierung hatten die Ärzte nach der Diagnose
unterrichtet. Sie hat eine eigene Gesangsschule in Bern und    abgesehen, weil sie hofften, die Allergie würde sich in der
Zürich und ist als professionelle Sängerin mit verschiedenen   Pubertät auswachsen. Zuerst empfahl ihr jemand, es mit
Formationen von Jazz, Pop, Reggae und Blues unterwegs.         Bioresonanz zu versuchen. Es wurde ein wenig besser, aber
Divenhafte Allüren hat sie aber eindeutig keine, dafür umso    in der nächsten Saison waren die Symptome wieder zurück.
mehr Allergien.
                                                               Lea Nussbaumer wechselte zur Kinesiologie. Wieder half es,
                                                               bis im Jahr darauf die ersten Pollen flogen. «Die Therapeutin
                                                               fragte mich, ob ich nicht lieber einen anderen Beruf als Sän-
«Wenn keine Pollen fliegen, bin ich der                        gerin wählen wolle mit meiner dauernd verstopften Nase»,
gesündeste Mensch auf Erden.»                                  erinnert sie sich. «Das war sehr hart für mich.»
Lea Nussbaumer
                                                               Doch ihren Traum vom Singen wollte sie auf keinen Fall
                                                               aufgeben. Als Nächstes probierte sie es mit Akupunktur. Da-
Um alle aufzählen zu können, muss sie in den Notizen ihres     nach: Shiatsu. Die chinesische Massage-Technik vermochte
Handys spicken. Es sind allerhand Pollen und Tierhaare, auf    die Symptome aber ebenfalls nur kurzzeitig zu lindern.
die sie reagiert; Hausstaub und Milben können die Sympto-
me verstärken.                                                 Schliesslich gab ihr eine Kollegin den Tipp, es mit Hypnose
                                                               zu probieren. «Ich schaute ein paar YouTube-Videos und
Dann sind die Augen gerötet, der Hals gereizt, die Nase        dachte: Meine Güte, so etwas mache ich auf gar keinen Fall»,
läuft ununterbrochen, und nach Tagen, Wochen, Monaten in       erzählt die Musikerin und lacht. Aber nach Wochen und Mo-
diesem Zustand ist da diese grosse Müdigkeit. Heute Abend      naten ohne Pause von den Symptomen war sie so erschöpft,
ist davon jedoch nichts zu sehen. Aber es sind ja auch ihre    dass sie den Hypnosearzt doch anrief. Drei Termine, und sie
guten Monate. «Wenn keine Pollen fliegen, also von Ok-         hatte bis Ende Sommer Ruhe. Im Jahr darauf dasselbe.
tober bis Ende Dezember, bin ich der gesündeste Mensch

                                                                                                                               Seite 7
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Mithelfen geht ganz einfach

                                                                           Als gemeinnützige Stiftung sind wir auf Ihre Hilfe
                                                                           angewiesen – spenden Sie mit:

                                                                                     Allgemeine Spenden
                                                                                     Die Stiftung aha! Allergiezentrum
                                                                                     Schweiz kann mit einem selbstgewähl-
                                                                                     ten Geldbetrag unterstützt werden. Die
                                                                                     Spende wird dort eingesetzt, wo sie
                                                                                     gerade dringend gebraucht wird, etwa
                                                                                     für Beratungen, Schulungen oder
                                                                                     Kinderlager.

                                                                                     Ereignisspende
                                                                                     Ob Geburtstag, Hochzeit oder Firmen­
                                                                                     jubiläum – warum nicht die Gäste bitten,
                                                                                     anstelle eines Geschenkes die Stiftung
                                                                                     aha! mit einer Spende zu berücksichti-
                                                                                     gen? Jede Spende wird verdankt und der
                                                                                     Gesamtbetrag persönlich den Initiant­
                                                                                     innen und Initianten mitgeteilt.
          «Ich vermute, dass es bei der Hypnose wie bei den meisten
          alternativen Therapien nicht um die Allergie als solche geht,
                                                                                     Testamente und Legate
          sondern darum, wie man psychologisch damit umgeht.» All
                                                                                     Spenden, Schenkungen und Legate
          diese Naturheilmethoden hätten sie zwar nicht geheilt, aber
                                                                                     spielen eine wichtige Rolle für nicht-­
          als Mensch weitergebracht.
                                                                                     profitorientierte Organisationen. Auch
                                                                                     für unsere Stiftung. Mit einem Vermächt-
          Heute könne sie ihrer Allergie entspannter begegnen, was
                                                                                     nis an aha! Allergiezentrum Schweiz
          sich positiv auf die Symptome auswirke. «Es ist bekannt,
                                                                                     kann zu einem langfristigen Engagement
          dass Stress die Allergien verstärkt. Das kann ich eins zu eins
                                                                                     für Allergie- und Asthmabetroffene
          bestätigen.» Schlechte Voraussetzungen für jemanden, der
                                                                                     beigetragen werden.
          regelmässig vor zig Menschen auf der Bühne stehen und
          singen muss. «Nein, nein», winkt die Musikerin ab. «Bei Kon-
                                                                                     Trauerspenden
          zerten rinnt mir nie die Nase und ich muss auch nie niesen.
                                                                                     Statt Blumen und Kränze: Auf Wunsch
          Mein Körper hat dann offenbar genug Adrenalin, um die
                                                                                     einer verstorbenen Person oder der
          Symptome zu unterdrücken.»
                                                                                     Hinterbliebenen kann aha! Allergiezent-
                                                                                     rum Schweiz als gemeinnützige Organi-
          Diese will sie nun aber auch abseits der Bühne endlich in
                                                                                     sation unterstützt werden.
          den Griff bekommen und zwar nachhaltig – jetzt mit der
          Desensibilisierung, welche die Allergie-Experten neben der
                                                                           Die Stiftung aha! Allergiezentrum Schweiz ist von
          Symptombekämpfung mit Antihistaminika oder Kortison
                                                                           der ZEWO zertifiziert. Spenden können in den
          empfehlen. Lea Nussbaumer glaubt fest daran, dass es
                                                                           meisten Kantonen vom steuerbaren Einkommen
          klappt – genau wie mit ihrem Wunsch, die Musik zum Beruf
                                                                           abgezogen werden.
          zu machen.

                                                                           aha! Allergiezentrum Schweiz / Spendenkonto:
                                                                           30-11220-0 / IBAN: CH07 0900 0000 3001 1220 0
          Lea Nussbaumers Musik und weitere Infos auf
          www.leanussbaumer.ch
                                                                           Haben Sie Fragen zum Thema Spenden?
                                                                           Wir helfen Ihnen gerne weiter: 031 359 90 00 oder
                                                                           info@aha.ch.

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Aha!magazin - Der Forscher und sein Käfer - Thema "Experiment Allergie" - aha! Allergiezentrum Schweiz
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Aha!magazin - Der Forscher und sein Käfer - Thema "Experiment Allergie" - aha! Allergiezentrum Schweiz
Allergien unter der Lupe

           Was verursacht eine Allergie? Welche Prozesse laufen im Körper ab? Was
           lässt sich gegen die Reaktion tun? Seit über hundert Jahren werden Aller-
              gien erforscht. Einige Puzzleteilchen sind bekannt, doch vieles bleibt
                    weiterhin ein Rätsel. Eine Bestandsaufnahme mit Lücken.

                 Das Enzym Laktase,                                                        Das Allergie-
                 das den Milchzucker verdaut, nimmt mit
                 dem Alter natürlicherweise ab. Wieviel                                    Gütesiegel
                 Milchprodukte man verträgt, muss man bei                                  garantiert Produkte ohne bestimmte
                 Laktoseintoleranz heraustüfteln.                                          Allergene. Es wurde im Jahr 2006 in
                                                                                           der Schweiz eingeführt.

                                           Unter dem Mikroskop
                                           wird bisher jedes Pollenkorn von Hand für die
                                           Pollenmessung bestimmt und ausgezählt. Bald
                                           liefern automatisierte Geräte dank Laser
                                           Pollendaten in Echtzeit.

                                          Die Desensibilisierung
                                          wurde bereits 1911 von zwei englischen
                                          Forschern eingeführt. An der Therapie hat sich
                                          bis heute nichts Wesentliches verändert.

                     Ein Stoff eines                                                             Auslöser für
                     Wurmparasiten                                                               Heuschnupfen
                                                                                                 – so dachte man anfänglich – sei der
                     kann Immunreaktionen – wie bei Allergien
                                                                                                 von Heu. Von den rund 3 500 Pflanzen
                     oder Asthma – dämpfen. Der Weg bis zum
                                                                                                 der Schweiz sind nur etwa 20 für Alle
                     Medikament ist aber noch lang.
                                                                                                 betroffene von Bedeutung.
Seite 10
Als Krankheit der
                       Oberschicht
                       galten Allergien anfangs des 19. Jahrhunderts:
                       Weil Menschen in der Stadt häufiger
                       Heuschnupfen hatten als jene auf dem Land,
                       nahm man an, dass Bildung und Reichtum
                       eine Pollenallergie begünstigten.                                              Östrogene
                                                                                                      sorgen dafür, dass bestimmte Zellen empfind-
                                                                                                      licher auf Allergene reagieren. Die weiblichen
                                                                                                      Hormone könnten mit ein Grund sein, warum
                                                                                                      einige Allergien bei Frauen häufiger als bei
                                                                                                      Männern auftreten.

                                       Die Erdnuss
                                       löst bei Kindern und Jugendlichen in der
                                       Schweiz am häufigsten eine schwere
                                       allergische Reaktion, eine Anaphylaxie, aus.
                                       Manchmal reichen dafür schon kleinste
                                       Teilchen, die in der Luft schweben.                                 Umweltstoffe
                                                                                      – insbesondere Abgase – fördern die Entstehung
                                                                                          von Allergien, wie Mitte des 20. Jahrhunderts
                                                                                                                        erkannt wurde.

                                                                 Die meisten Allergene
                                                                 sind Eiweisse, die zum Beispiel im Pollen-
                                                                 korn, im Tierspeichel oder in Nahrungs-
                                                                 mitteln vorkommen.

         10 bis 17 Prozent
         der Personen im Medizinal- und Laborbereich leiden
         an einer Latexallergie. In der Gesamtbevölkerung sind
         nur 2 Prozent betroffen.                                                                Der Antikörper
                                                                                                 Immunglobulin E (IgE)
                                                                                                 wurde erst 1967 als Ursache für die meisten
                                                                                                 allergischen Reaktionen identifiziert. Er tritt die
                                                                                                 Kaskade an Symptomen im Körper los.

                                                        Das erste Lebensjahr
                                                        des Kindes gilt sowohl bei der Entwicklung des
 Duft                                                   Immunsystems als auch bei der Entstehung
 n in                                                   von Allergien als wichtige Phase. Wenn
ergie-                                                  möglich: das Baby während der ersten vier
                                                        Monate stillen.
                                                                                                                                                       Seite 11
Mit voller Absicht

                   Die Bezeichnung lässt keine Zweifel offen: Bei einem Provokationstest
                  wird provoziert – und zwar eine allergische Reaktion. Das mag sich ver-
                  rückt anhören, ist aber für Betroffene von grossem Nutzen. Zu Besuch
                    bei Allergologe und Kinderarzt Oliver Fuchs am Inselspital in Bern.

       Text: Petra Kollbrunner
       Bilder: Oliver Menge

       Montagmorgen, halb zehn. In der             definitiv bestätigen oder ausschliessen.   ruft sie die Ambulanz an; sie fürchtet
       Eingangshalle der Kinderklinik am           Ausserdem lässt sich herausfinden, ab      einen allergischen Schock. Mit Blaulicht
       Inselspital herrscht geschäftiges Gewu-     welcher Menge allergische Sympto-          geht’s ins Spital und dank der richtigen
       sel. Nur zwei Türen und knapp dreissig      me auftreten.» In erster Linie werden      Behandlung fühlt sich Nicolas rasch
       Schritte weiter wird es plötzlich andäch-   mittels Provokation Nahrungsmittel         wieder besser. Noch ist aber nicht klar,
       tig ruhig. In diesem separaten Bereich      getestet, aber auch Medikamente oder       welche Zutat im Müesli die Allergie
       sind vier Kinder am Spielen, Lesen,         Insektengift sind möglich. Steht der       ausgelöst hat. In Verdacht stehen: Nüs-
       Smartphone-Schauen – oder am Essen.         Auslöser definitiv fest, gibt dies den     se, Erdnüsse, Sesam. Vorerst verzich-
       Fast wähnt man sich im Wartezimmer          Eltern und betroffenen Kindern mehr        tet die Familie auf diese potenziellen
       einer Kinderpraxis, wären da nicht der      Sicherheit im täglichen Umgang mit         Allergene; selbst um Nahrungsmittel,
       Arzt und die Pflegefachfrau, die ständig    der Allergie – und vereinfacht so den      die nur Spuren enthalten, macht Mama
       anwesend sind. Willkommen im Raum           Alltag. Der Bedarf ist gross: Wer einen    Hannah einen Bogen. Eine enorme
       für Provokationstests.                      Termin möchte, muss sich fast ein hal-     Einschränkung für alle. Aber ist diese
                                                   bes Jahr bis zur Testung gedulden.         überhaupt notwendig?
       Wunsch nach Klarheit
       Jede Woche werden in der Kinderklinik       Aus der Praxis                             Detektivarbeit – aufs
       unter der Leitung von Dr. med. Oliver       Kaum war das Müesli mit Sojamilch          Milligramm genau
       Fuchs fünfzehn bis zwanzig orale Provo-     gegessen, musste Nicolas erbrechen.        Um der Allergie auf die Spur zu
       kationstests bei Allergien durchgeführt.    Ein Magen-Darm-Infekt? Nicolas Mama        kommen, sind Mutter und Sohn heute
       Aber warum setzt man sein Kind frei-        Hannah war alarmiert, denn das Symp­       erneut in der Kinderklinik bei Dr. med.
       willig einer potenziellen Gefahrenquelle    tom kommt ihr bekannt vor: Bereits         Oliver Fuchs. Eine umfassende Ab-
       aus? Oliver Fuchs klärt auf: «Mittels der   seit Babyalter leidet Nicolas nämlich      klärung mit Krankengeschichte sowie
       oralen Provokation können wir eine          an einer Milchallergie. Als der Sechs-     Haut- und Bluttests hat Nicolas bereits
       Allergie auf einen bestimmten Auslöser      jährige dazu plötzlich energielos wirkt,   hinter sich. Erste Provokationen mit

Seite 12
Nahrungsmitteln haben ebenfalls schon      festgelegten zeitlichen Abständen eine      der betroffenen Person zusätzlich ein
stattgefunden – mit klarem Ergebnis:       bestimmte Dosis des verdächtigen            intravenöser Zugang gelegt, um einen
Bereits ein Cashew-Kern kann für ihn       Nahrungsmittels zu essen oder zu            Teil der Notfallmedikamente gegebe-
gefährlich werden; Mandeln, Haselnüs-      trinken gegeben. Mit welcher Menge          nenfalls rascher zu verabreichen. Wie
se und Erdnüsse konnten glücklicher-       begonnen und wie sie gesteigert wird,       viele Provokationen notwendig sind, ist
weise als Allergene ausgeschlossen         ist exakt definiert und unterscheidet       von verschiedenen Faktoren abhängig.
werden. Nun steht ein halbleerer           sich je nach Allergen. Während des gan-     «Bei Lebensmitteln ist die Zusammen-
Joghurtbecher mit einzelnen Sesam-         zen Prozederes werden die Vitalwerte        setzung der Mahlzeit, nach der Symp-
körnern vor Nicolas: Gestartet hat er      der getesteten Person wie etwa Puls         tome aufgetaucht sind, ausschlagge-
am Morgen mit 0,02 Gramm, kurz vor         und Blutdruck engmaschig überwacht.         bend», erklärt Fuchs und ergänzt: «Auch
Mittag folgt nun die letzte Stufe mit 16   Kinderarzt Fuchs: «Sollte es zu einer al-   die botanische Verwandtschaft muss
Gramm Sesam. «Gar nicht so einfach,        lergischen Reaktion kommen, brechen         einkalkuliert werden. Reagiert jemand
diese Menge Sesam in ein halbwegs          wir bei ersten klaren Zeichen und im        beispielsweise auf Haselnüsse, sollten
geniessbares Menü zu verwandeln»,          Zweifelsfall bei wiederholten Anzeichen     eventuell auch andere Nussarten getes-
meint Mutter Hannah lachend und            die Testung sofort ab und verabreichen,     tet werden, da deren Allergene ähn-
streicht die Paste zwischen Lyoner         falls medizinisch notwendig, Notfallme-     lich sind und darum Kreuzreaktionen
Wurst und Brötchen. Nicolas schaut         dikamente.» Antihistaminika, Steroide       auftreten können.»
kurz auf und widmet sich dann wieder       oder eine Adrenalin-Fertigspritze sind
seinem Spiel.                              immer griffbereit. Um aber schwe-           Mit Fingerspitzengefühl
                                           re allergische Reaktionen möglichst         «Das mag ich nicht!» – so oder ähn-
Exakt getaktet                             zu vermeiden, wird vor jedem Test           lich kennen es wohl viele Eltern vom
Eine orale Nahrungsmittelprovokation       anhand einer umfangreichen Diagnose         Mittagstisch zuhause. Mit diesen
läuft immer nach diesem Schema ab.         das Risiko einer solchen Anaphylaxie        Herausforderungen sieht sich auch das
Der betroffenen Person wird in genau       ermittelt. Ist die Gefahr hoch, wird        Team von Oliver Fuchs immer wieder

                                                                                                                                 Seite 13
JETZT
       REICHTS
       MIR ABER.
           Machen Sie Ihr Leben einfacher. Lernen Sie
             in unseren Schulungen zu Neurodermitis,
                 Asthma und Anaphylaxie Ihren Alltag
           besser zu meistern. Für Kinder, Jugendliche
                                     und Erwachsene.

                                               aha.ch/Schulungen

                             Unsere Schulungen werden finanziell unterstützt von:
                           AbbVie AG, ALK, La Roche-Posay, Max Zeller Söhne AG,
               Mylan Pharma GmbH (a Viatris company) und OM Pharma Schweiz AG
Seite 14
konfrontiert. «Bei uns kommt es natür-     damit ebenfalls wegfällt. «Das gibt
lich ebenfalls vor, dass ein Kind etwas    uns wieder mehr Spielraum für unsere
                                                                                       Im Notfall richtig handeln
nicht essen mag. Da braucht es etwas       Menüs zurück.» Wie geht es nun wei-
Geduld und ein paar Tricks.» Wie etwa      ter? Oliver Fuchs: «Um den Verlauf zu
                                                                                       Als Nicolas zum ersten Mal stark
ein Stück allseits beliebter Lyoner als    beobachten, bleiben die allergisch-ge-
                                                                                       allergisch reagierte, wusste
Geschmackstarnung. «Zudem braucht          testeten Kinder automatisch in der
                                                                                       seine Mutter nicht, was zu tun
es Erfahrung, um zu erkennen, ob das       Betreuung der Kinderklinik.» Etwa, um
                                                                                       war. Wohlüberlegt rief sie die
Kind erbricht, weil es ein Nahrungsmit-    frühzeitig zu erkennen, ob eine neue
                                                                                       Sanität an, die vor Ort sofort
tel nicht mag oder weil es allergisch      Allergie hinzukommt oder ob sich eine
                                                                                       helfen konnte. Dank der
reagiert.» Bis jetzt bleibt es im Raum     Allergie wieder auswächst. «Gerade bei
                                                                                       Anaphylaxie-­S chulung von aha!
für Provokationstestungen jedoch           kleineren Kindern ist die Chance, dass
                                                                                       Allergiezentrum Schweiz kann
ruhig: Ein Kind fährt ein Spielzeugauto    sie etwa bei einer Ei- oder Milchallergie
                                                                                       Nicolas Mama nun in Notfall­
spazieren, ein anderes sucht sich ein      eine Toleranz entwickeln, gross. Darum
                                                                                       situationen richtig handeln.
neues Buch heraus und Nicolas nimmt        machen wir im Abstand von sechs
                                                                                       Mehr Informationen auf aha.ch
den nächsten Bissen vom Sesam-Lyo-         Monaten wiederum Tests», erklärt der
                                                                                       unter Schulungen.
ner-Sandwich.                              Experte. Bis in die Pubertät bleibt der
                                           regelmässige Austausch mit dem Arzt
Kontinuierlich betreut                     oder der Ärztin wichtig. Sei es etwa
Kurz vor elf Uhr: Nicolas hat das Proze-   auch, um zu zeigen, dass der Verzicht
dere hinter sich, bisher ohne Beschwer-    auf den Allergieauslöser wirklich ernst
den. Jetzt heisst es abwarten, ob noch     zu nehmen ist. Auf Wiedersehen also,
Reaktionen auftauchen. Hannah ist          lieber Nicolas und liebe Hannah.
froh, dass Sesam als Allergieauslöser

                                                                                                                          Seite 15
Seite 16
Ein Oscar für
                  seinen Mut

 Der 20-jährige Aargauer Joel Chavez leidet seit seiner frühen Kindheit
an Neurodermitis, auch atopisches Ekzem genannt. Seinen Umgang mit
   der chronischen Hautkrankheit zeigt er nun im Film «Krokodil».
             Das Drehbuch hat der Student selbst verfasst.

                                                                          Seite 17
Text: Manuel Mosimann
       Bilder: zvg

       Ruhig, mit einem Lächeln auf den Lippen, sitzt er am Tisch:         Neurodermitis, also das atopische Ekzem, tritt in der Schweiz
       Joel Chavez. Der junge Mann spricht über seine Krankheit –          bei zirka jedem fünften Kind auf. Bei sieben von zehn
       Neurodermitis begleitet ihn schon, seit er sich erinnern kann.      Kindern heilt die Hautkrankheit bis ins Erwachsenenalter
       Er wirkt authentisch und zuversichtlich. «Heute gehe ich sehr       wieder aus. Nicht so bei Joel Chavez. Lebhaft gestikulierend
       offen mit meiner Krankheit um. Das war aber nicht immer             schildert er, wie die Idee für seinen Kurzfilm entstanden ist:
       so; in der Pubertät ging es mir manchmal schon ziemlich             «Mit elf Jahren habe ich meine erste Videokamera geschenkt
       nahe», erzählt er. Was er auf keinen Fall will, ist Mitleid – das   bekommen. Seither beschäftige ich mich immer wieder mit
       merkt man sofort. Sein Umfeld sei stets sehr rücksichts-            dem Thema Film. Eines Nachts wachte ich auf und hatte die
       voll gewesen, betont er. Natürlich gab es manchmal auch             Idee, einen Film über meine Krankheit zu produzieren.»
       unangenehme Situationen, etwa in der Schule, wie die                Chavez schmunzelt: «Das klingt jetzt ein bisschen klischee-
       Hauptfigur Dani im Film eindrücklich erlebt. «Durch den Film        haft, aber so war es nun mal.» Er verfasst also ein Dreh-
       habe ich mich noch intensiver mit dem Thema Neurodermitis           buch und lädt es auf die Plattform «studentfilm» hoch. Eine
       beschäftigt, mit vielen Betroffenen gesprochen und so auch          Regisseurin liest es und ist sofort gefesselt – sie kontaktiert
       meine persönlichen Erlebnisse aufgearbeitet – das war eine          Joel und gibt ihm Tipps für den Feinschliff. Er schreibt, über-
       unglaublich spannende Erfahrung.»                                   arbeitet, kürzt – sie lässt ihn machen, gibt nur Ratschläge.

Seite 18
Ferien ohne Eltern!

«Ihr war extrem wichtig, dass ich alles selbst erarbeite. Ich   Das aha!kinderlager bietet Kindern zwischen 8 und
sollte die Geschichte aus meiner Perspektive erzählen. Das      12 Jahren mit Allergien, Asthma, Neurodermitis,
empfand ich als sehr konstruktiv und lehrreich», so der junge   Intoleranzen, Psoriasis oder Vitiligo eine Ferienwoche
Mann. Er erzählt mit Begeisterung, seine Energie ist mitreis-   mit Sport, Spiel und Spass im schönen Klosters (GR).
send. Und das Endprodukt lässt sich sehen!                      Datum Herbstlager: 10. bis 16. Oktober 2021.
                                                                Anmeldung über aha-kinderlager.ch
Der Film ist spannend, informativ, bewegend. Dani, der
Protagonist, muss in die Klinik in den Bergen. Dort erlebt      Das aha!jugendcamp in Schönried (BE) findet vom
er Höhen und Tiefen – Liebe, Drama und Action im gleichen       18. bis 24. Juli 2021 statt. Für Jugendliche aus der
Atemzug. Joel Chavez zeigt, wie er mit der Krankheit lebt. Es   ganzen Schweiz, die von Allergien, Asthma, Neuro-
ist kein pädagogisches oder gesellschaftskritisches Werk. Der   dermitis, einer Nahrungsmittelintoleranz, Psoriasis
Kurzfilm vermittelt ein Bild der Hautkrankheit und versucht,    oder Vitiligo betroffen sind. Anmeldung über
Verständnis zu schaffen. Bisher wurde die Krankheit noch nie    aha-jugendcamp.ch
in einem Spielfilm thematisiert. Was hat es mit dem Titel des
Kurzfilms auf sich? «Krokodil spielt auf den Hauttyp eines

                                                                                                                         Seite 19
«Heute gehe ich sehr offen mit meiner
        Krankheit um. Das war nicht immer so.»
        Joel Chavez

        Neurodermitikers an – trocken, spröde, rissig», klärt Joel auf.                     «Klar fasziniert mich die Filmindustrie, die Branche ist aber
        Im Zentrum des Films steht die Entwicklung von Dani, der                            auch geprägt von vielen Unsicherheiten.» Deshalb schrieb er
        Hauptfigur, die von Joel Chavez selbst gespielt wird. Erst als                      sich zunächst für ein Wirtschaftsstudium an der HSG in
        Dani akzeptiert, dass ein Teil von ihm wie ein Krokodil ist,                        St. Gallen ein – im letzten September ging es los. «Mit dem
        geht es ihm besser. Diesen tiefgreifenden Prozess zu veran-                         Studium will ich mir eine solide Basis im Management-
        schaulichen, hat sich der Jungregisseur zum Ziel gesetzt.                           Bereich erarbeiten. Bei einem späteren Einstieg in die Pro-
                                                                                            duktion oder Regie im Filmbusiness ist dieses Know-how
        2019 wurde Joel für seine kreative Idee zur Hautthematik mit                        essentiell», ist Chavez überzeugt. Die Filmbranche ist im
        dem aha!award ausgezeichnet. «An der Verleihung konnte                              Hinterkopf des 20-Jährigen also weiterhin präsent – viel-
        ich viele interessante Kontakte knüpfen – der Preis gab mei-                        leicht flimmert in ein paar Jahren sein neuer Film über die
        nem Vorhaben einen zusätzlichen Schub», blickt der Aargauer                         Leinwand.
        zurück.

        Ist der Kurzfilm der Start einer erfolgreichen Karriere als
        Filmregisseur? Joel hat keine eindeutige Antwort parat.

Haut-
beschwerden?
             Selomida
             hilft!

– Hautausschlag
– Juckreiz
– Hautverletzungen                                                                                                   Für die
                                                                                                                     innere
                                                                                                                   Anwendung

Erhältlich
Seite 20   in Apotheken und Drogerien.
Dies ist ein zugelassenes Arzneimittel. Lesen Sie die Packungsbeilage. Omida AG, Küssnacht am Rigi.
Für News rund um den Film:

auf Instagram eingeben:
Krokodil Kurzspielfilm

Oder: https://www.instagram.com/
krokodil_kurzspielfilm/

                                   Neurodermitis?
                                   Juckreiz?
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                                   bei Hauterkrankungen wie Ekzemen, Neurodermitis
                                   oder allergischen Hautausschlägen.
                                                                                                                            Seite 21
                                   Erhältlich in Apotheken und Drogerien.
                                   Dies ist ein zugelassenes Arzneimittel. Lesen Sie die Packungsbeilage.   Omida AG, Küssnacht am Rigi
Das grosse Fressen

            Ihre Pollen sind gefürchtet, sie lösen starke allergische Reaktionen aus:
             Die Ambrosia wird darum energisch bekämpft, bislang durch Mähen
           und Ausreissen. Und bald vielleicht mit einem natürlichen Feind – einem
                     Käfer. Von der abenteuerlichen Suche eines Forschers.

Seite 22
Text: Bettina Jakob
Bilder: zvg Unifr/Stéphane Schmutz

Man kann ihn glatt übersehen. Vier         einheimischen Pflanzen knabbert», so      gefährdet, sondern als gefürchtetes
Millimeter gross, hellbraun mit dunklen    Müller-Schärer. Das ist wichtig: Der      Unkraut auch Schäden in der Land-
Streifen. So unscheinbar der Blattkäfer    Blattkäfer wurde nämlich – wie die Am-    wirtschaft anrichtet, muss vorgegan-
aussieht, so spektakulär sind seine        brosia selbst – aus Nordamerika einge-    gen werden. Nicht mit Gift, nicht nur
Taten: Das gefrässige Insekt namens        schleppt; er dürfte um 2013 als blinder   mit mühsamem Mähen, sondern am
Ophraella communa vertilgt ganze           Passagier im Flughafen Milano Mal-        besten mit einem Kontrahenten, der die
Felder von Ambrosia-Pflanzen. Und          pensa gelandet sein und begann sich in    Pflanze ganz natürlich in Schach hält.
reduziert damit die Pollenmenge um         Norditalien und in der Südschweiz zu
80 Prozent, wie Heinz Müller-Schärer,      verbreiten. «Solche Eindringlinge         Der Fribourger Biologe reiste nach
Professor für Ökologie und Evolution       können die einheimische Fauna             der Budapest-Konferenz in die USA,
an der Universität Fribourg, zusammen      und Flora bedrohen», führt Ökologe        wo Müller-Schärer zuerst auf «eine
mit anderen Forschenden nachgewie-         Müller-Schärer aus. «Bislang scheint      kleine Schwester von Ophraella
sen hat. Das lässt Pollenallergikerinnen   aber Ophraella ganz klar Ambrosia als     communa traf, und zwar auf Ophraella
und -allergiker regelrecht aufatmen.       Leibspeise zu haben.» Gemeinsam mit       slobodkini», eine zu Beginn vielver-
Denn kaum eine andere Pflanze wirkt        dem Centre for Agriculture and Bios-      sprechende Kandidatin im Kampf
so allergen wie die Ambrosia artemi-       cience International (CABI) in Delémont   gegen Ambrosia. In China traf er dann
siifolia: Bereits 11 Pollen pro Kubikme-   erforscht er den Ambrosia-Blattkäfer      2013 auf die «richtige» – Ophraella
ter Luft genügen, um starke allergische    seit Jahren.                              communa. Sie war dort zufällig einge-
Reaktionen und Asthma auszulösen. Im                                                 wandert und richtete grosse Schäden
Vergleich dazu: Bei Gräsern sind es 50     Gefährlich für Allergiker,                an Ambrosia an. «Kaum zurück in der
Pollen.                                    schlecht für den Acker                    Schweiz, rief mich eine Kollegin des
                                           Die Suche nach einem natürlichen          Pflanzenschutzdienstes Tessin an und
Als blinder Passagier eingereist           Gegenspieler gegen Ambrosia führte        berichtete von einem Käfer, der in
Noch kann der Käfer in der Schweiz         Heinz Müller-Schärer um die halbe         Massen auf den Ambrosia-Pflanzen
aber nicht auf das gefürchtete Aufrech-    Welt. Nach der ersten internationalen     sitze», erinnert sich der Biologe. Und
te Traubenkraut losgelassen werden.        Ambrosia-Konferenz 2008 in Budapest       es war … ebenfalls Ophraella commu-
«Es braucht weitere Tests, um heraus-      wurde klar: Gegen das invasive Un-        na! Heinz Müller-Schärer staunte nicht
zufinden, ob der Käfer nicht auch an       kraut, das nicht nur die Gesundheit       schlecht, der Käfer war auch schon

                                                                                                                              Seite 23
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hier! Ein Augenschein vor Ort und in      verfolgt, ob sich die Vorlieben auf dem
                                                                                      Die gefürchete Ambrosia
Norditalien offenbarte – überall ratze-   Speisezettel über 10 Generationen
putz kahlgefressene Ambrosiapflanzen.     verändern. «Die Experimente finden in
                                                                                      Ambrosia (Ambrosia artemi-
Die Top-Kandidatin war gefunden. Der      Fribourg in einer Quarantäne-Kammer
                                                                                      siifolia oder Aufrechtes Trau-
Zufall hatte den Biologen in die Hand     und in Norditalien auf den befallenen
                                                                                      benkraut) hat ein enormes
gespielt.                                 Feldern statt», erklärt Müller-Schärer.
                                                                                      Ausbreitungspotential und
                                          Dabei stünden Biologen, Allergologin-
                                                                                      hochallergene Pollen, die im
                                          nen, Epidemiologen, Aerobiologinnen
                                                                                      August und Oktober fliegen. Das
«Der Ambrosiakäfer ist eine               und Landschaftsökonomen aus ganz
                                                                                      aus Nordamerika stammende
                                          Europa im ständigen Austausch. Das
richtige Fressmaschine.»                                                              Unkraut hat sich in den letzten
                                          erlaube, die Ambrosia-Problematik ge-
                                                                                      zwanzig Jahren in Europa,
Heinz Müller-Schärer                      meinsam und über die Landesgrenzen
                                                                                      namentlich im Balkan, der
                                          hinweg anzugehen.
                                                                                      Poebene und im französischen
                                                                                      Rhônetal, stark ausgebreitet. In
Tests, Tests, Tests                       Das vorläufige Fazit der Forschenden:
                                                                                      der Schweiz kommt es haupt-
Sofort wurde eifrig mit Experimenten      «Der Käfer könnte mithelfen, von den
                                                                                      sächlich im Kanton Genf, im
begonnen, um herauszufinden, ob           jährlich 7, 4 Milliarden Euro Kosten, die
                                                                                      Waadtland sowie im Tessin vor.
Ophraella communa «nur nützt oder         die Ambrosia europaweit verursacht,
                                                                                      Eine Ausbreitung konnte dank
auch schadet», so Müller-Schärer. Es      rund 1,1 Milliarden Euro einzusparen»,
                                                                                      Melde- und Bekämpfungspflicht
wurde eruiert, wie viel Käfer und Lar-    so Heinz Müller-Schärer. Der Ambrosia-
                                                                                      ab 2006 rechtzeitig aufgehalten
ven fressen und welchen Effekt dies auf   Käfer «ist eine richtige Fressmaschine,
                                                                                      werden, allerdings nimmt das
die Samen- und Pollenproduktion hat.      24 Stunden pro Tag, 7 Tage die Woche».
                                                                                      Vorkommen gemäss Heinz
Verifiziert wurde zudem, ob Ophraella     Und wie der Name schon sagt, bislang
                                                                                      Müller-Schärer wieder zu.
nur Ambrosia verzehrt oder auch           mag der Ambrosia-Käfer einfach
andere Pflanzen wie die verwandte         Ambrosia. Und die mag sonst nie-
Sonnenblume. Mittels Züchtung wurde       mand.

                                                                                      «Pollen-News» auf
                                                                                      Smartphone

                                                                                      Die App «Pollen-News» zeigt die
                                                                                      aktuelle Pollenbelastung nach
                                                                                      Ortschaft und liefert auch gleich
                                                                                      Pollen- und Wetterprognosen.
                                                                                      Kostenlos im iTunes Store und
                                                                                      im Google Play Store erhältlich.

                                                                                                                          Seite 25
König Richard III. und die
                       fatalen Erdbeeren

                  Allergien sind eine Zivilisationskrankheit: Sie nehmen beunruhigend zu.
                  Aber es gab sie schon immer. Wie beim Puzzlespiel begannen Forschende
                   Asthma, Heuschnupfen und Co. Schritt für Schritt besser zu verstehen.

                                                     1483
                                                                                                 1902
                                                     In Erzählungen über den englischen
                                                     König Richard III. tauchen Anzeichen        Die Forscher Charles Richet und Paul
       Vor über 2000 Jahren                          auf, dass er allergisch auf Erdbeeren       Portier versuchten bei Hunden eine
       Schon in der Antike stellte Hippokrates,      war und dies auch politisch zu nutzen       Toleranz gegenüber dem Gift von
       der Vater der griechischen Medizin,           wusste: An einer Kronratssitzung im         Seeanemonen zu erwirken. Während
       erstaunt fest: Bestimmte Menschen             Jahr 1483 verlangte Richard III. ab-        eines Experiments zeigte ein Tier
       konnten nicht einmal die kleinste             sichtlich nach Erdbeeren – eine Stunde      überraschend heftige Reaktionen und
       Menge Käse essen, ohne zu erkran-             später wies er auf seine Quaddeln am        starb – dies, obwohl es Tage zuvor eine
       ken. Die Symptome hat er leider nicht         Arm hin, bezichtigte den anwesenden,        viel höhere Dosis unbeschadet über-
       spezifiziert, so dass nicht klar ist, ob es   verfeindeten Lord eines Giftanschlags       standen hatte. Die Forscher stellten
       sich um eine Allergie oder Intoleranz         und liess ihn hinrichten.                   fest: Der Hund erlitt einen anaphylakti-
       handelte. Die Therapie war aber klar                                                      schen Schock. Für die Beschreibung der
       und wirkungsvoll: Keinen Käse (mehr)                                                      «Anaphylaxie» erhielt Richet 1913 den
       essen!                                                                                    Nobelpreis.

                            Im Jahr 100                                                                                       1906
                            Asthma quält die Menschheit seit                                                                  Der Wiener Kin
                            Jahrtausenden. Erst im Jahr 100 n. Chr.                                                           Pirquet stellte f
                            erstellte der griechische Arzt Aretaeus                                                           gegenüber eine
                                                                           Ab dem 16. Jahrhundert
                            von Kappadokien eine Definition der                                                               verhalten als M
                            Erkrankung und beschrieb einen Anfall          Konkreter wurden die Erkenntnisse                  Stoff noch nie i
                            sehr detailgetreu: «(…) die Wangen sind        über Allergien im 16. Jahrhundert, als             waren: Zeigten
                            rötlich, die Augen hervortretend, wie          Forschende dem Heuschnupfen auf die                Injektion die Ne
                            durch Strangulation (…) sie atmen im           Spur kamen: Der italienische Anatom                Tagen, reagiert
                            Stehen, als wollten sie die ganze Luft         Leonardo Botallo beobachtete 1565,                 ten bei der zwe
                            einsaugen, (…) Husten unaufhörlich             dass einige Menschen in der Nähe von               von Minuten. F
                            und mühsam». Als Heilmittel schlug er          blühenden Rosen von Atembeschwer-                  Reaktionsfähig
                            vor, eine Mischung aus Eulenblut und           den befallen wurden. Sie hatten die                den Begriff «Al
                            Wein zu trinken.                               «Rosenerkältung». 1819 beschrieb der               gesetzt aus den
                                                                           Londoner John Bostock die jahreszeitli-            «állos» («ander
                                                                           che bedingte «Sommererkältung» und                 («Tätigkeit, Han
                                                                           um 1870 kam Forscher Charles Harrison
                                                                           Blackley bei Experimenten an sich
                                                                           selber zum Schluss, dass sein Leiden
                                                                           durch Pollen verursacht wird.

Seite 26
1983 – bis heute
                                                                                              Vor rund 40 Jahren kam der erste
                                                                                              Adrenalin-Autoinjektor auf den Markt.
      1911                                                                                    Die Adrenalin-Fertigspritze wird bei
                                                                                              schweren Allergien zur Notfallbehand-
      Der erste erfolgreiche Versuch einer
                                                                                              lung von anaphylaktischen Reaktionen
      Desensibilisierung an Pollenallergikern
                                                                                              eingesetzt.
      wird vom Engländer Leonard Noon           1937
      in der Fachzeitschrift «The Lancet» be-
                                                Daniel Bovet findet ein Mittel zur            Die Liste der Meilensteine hört bis
      schrieben. Dabei wird der Körper lang-
                                                Behandlung schwerer Allergien – das           heute nicht auf und Wissenschaftlerin-
      sam an den Allergieauslöser gewöhnt.
                                                Antihistamin. Der Schweizer Physio-           nen und Wissenschaftler erforschen
      Die allergenspezifische Immuntherapie
                                                loge stellte fest, dass die Mastzellen        Allergien unermüdlich, etwa die Rolle
      wird bis heute zur ursächlichen Thera-
                                                bei einer allergischen Reaktion riesige       des Mikrobioms, das für die Allergie­
      pie bestimmter Allergien eingesetzt.
                                                Mengen von Histamin ausschütten.              prävention wichtig ist (siehe Interview
                                                Indem der Wirkstoff Antihistamin              Seite 32) oder zur Messung des Pollen-
                                                die Histaminrezeptoren in Geweben             flugs in Echtzeit (siehe Seite 41).
                                                blockiert, lindert er die allergischen
                                                Symptome.

                                                                             1966
nderarzt Clemens von                                                         Den Faktor im Blutserum, der für die
 fest, dass Geimpfte sich     1921                                           allergische Reaktion verantwortlich
 em Impfstoff anders                                                         ist, entdeckte das japanische Immuno-
Menschen, die mit dem         Der genaue Mechanismus der allergi-            logen-Ehepaar Kimishige und Teruko
 in Berührung gekommen        schen Reaktion wurde schliesslich 1921         Ishizaka: das Immunglobulin E (IgE).
n sich nach der ersten        entschlüsselt – von Hygieniker Carl W.         Zusammen mit den Mastzellen sind
 ebenwirkungen erst nach      Prausnitz und seinem Assistenten Heinz         IgE-Antikörper für bestimmte allergi-
te der Körper der Patien-     Küstner in einem beeindruckenden               sche Erkrankungen verantwortlich.
eiten Injektion innerhalb     Selbstversuch. Sie konnten zeigen,
Für diese veränderte          dass ein Bestandteil im Serum, das
gkeit führte von Pirquet      heisst im wässrigen Anteil des Blutes,
llergie» ein: zusammen-       die allergische Reaktion vermittelt:
n griechischen Wörtern        Küstner war gegen Fisch allergisch
 rs») und «to érgon»          und Prausnitz gegen Pollen. Prausnitz
ndlung»).                     injizierte sich das Serum von Fisch­
                              allergiker Küstner in seine Haut.
                              Anschliessend spritzte er sich Fisch-
                              Antigen – rasch entwickelte sich eine
                              Quaddel, obwohl er bisher nie auf Fisch
                              reagiert hatte.
                                                                                                                                        Seite 27
Wir haben lange an Ihren liebsten
     Alltagsrezepten rumprobiert.
    Damit Sie die besten
    verwenden.

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Seite 28
Vom Probieren, Scheitern –
     und Gelingen

Backen ohne Gluten – die Königsdisziplin der glutenfreien Küche! Denn
 fällt das Klebereiweiss als Bindemittel weg, brauchen selbst Teigprofis
und Backspezialistinnen gute Nerven. Zu Besuch bei Nils Heiniger und
dem Betty Bossi Team in ihrer Experimentierküche in Zürich Altstetten.
Text: Petra Kollbrunner
       Bilder: Luca Christen, zvg Betty Bossi

       Vor uns in der Schüssel liegt Versuch      Bossi. Die Herausforderung ist dabei      ten zur Ruhe kommt. Danach wird der
       Nummer eins. Zu Beginn sieht alles         fast immer dieselbe: Womit ersetzt        Teig ausgerollt. Doch schnell ist klar:
       vielversprechend aus. Die einzelnen        man das glutenhaltige Mehl? «Neben        Die Masse ist zu brüchig.
       glutenfreien Zutaten für die Empa-         einer Mehl-Alternative ohne Gluten
       nadas lassen sich gut vermischen.          braucht es mindestens zwei weitere        Aller Anfang
       Doch so lange auch geknetet wird: Der      Komponenten. Stärke – etwa Maizena –      Bevor überhaupt in der Küche getestet
       Teig wird einfach nicht geschmeidig.       und ein Bindemittel wie Johannis-         wird, steht die Kreationssitzung an:
       Vielleicht kann ein Ei die Konsistenz      brotkernmehl», erklärt Heiniger die       Einen ganzen Tag lang präsentieren
       retten? Ein guter Einfall …                Grundregel des glutenfreien Backens.      und besprechen die Rezept-Redakto-
                                                  Dass die Mehle ohne Gluten nicht nur      rinnen und -Redaktoren ihre Ideen,
       Gut Ding will Weil haben                   geschmacklich verschieden sind, son-      die sie im Vorfeld gesammelt haben.
       Ja, bis die fixfertigen Brote und Kuchen   dern sich auch nicht gleich verarbeiten   Meistens anhand von Bildern – etwa
       fürs Magazin-Shooting gluschtig            lassen, macht das ganze Unterfangen       von Broten, Torten, Fladen, Keksen …
       drapiert werden können, braucht es         nicht einfacher. Aber dazu später.        Was lässt sich glutenfrei umsetzen?
       Zeit und Geduld – und manchmal noch                                                  Was wünschen sich die Leserinnen und
       etwas mehr Geduld. «Im Schnitt benö-       Versuch Nummer zwei: Der Teig lässt       Leser? Die Rezepte werden ausgewählt
       tigen wir fünf bis sechs Versuche, bis     sich dank des zusätzlichen Eis nun gut    und auf die Redaktoren verteilt. Es folgt
       das Resultat für alle stimmt», erzählt     kneten. Anschliessend kann er in den      der theoretische Teil. Heiniger: «Am
       Nils Heiniger, Rezept-Redaktor bei Betty   Kühlschrank, wo er für ein paar Minu-     Computer stelle ich die Zutaten und

Seite 30
Verarbeitungsschritte zusammen, die       Lebensmitteltechnologie studiert. Er
für mich Sinn machen. Passe ich etwas     ist gelernter Koch, der gerne Neues
später während des Testens an, notiere    ausprobiert und Herausforderungen
ich dies sofort.»                         liebt. Ideale Voraussetzungen also, um
                                          sich an die glutenfreie Küche zu wagen.
Bei Versuch Nummer drei wird das In-      Durchs stetige Ausprobieren sowie den
termezzo im Kühlschrank ausgelassen.      ständigen Austausch mit anderen hat
Gut möglich, dass der glutenfreie Teig    Heiniger viel gelernt. «Jedes Rezept ist
keine Kälte mag. So wird er direkt nach   ein neuer Erfahrungswert», resümiert        Auf Rezeptsuche?
dem Kneten zu Taschen geformt und         er. Und jedes Rezept muss präzise um-
gefüllt – mit duftendem Gemüse und        gesetzt werden, ansonsten ist Scheitern     Kochen und backen mit Nah-

Hackfleisch. Schön und gut schaut’s       vorprogrammiert. «Wir schreiben im-         rungsmittelallergien und

aus! Aber was passiert bei 180 Grad       mer exakt auf, wie lange gerührt oder       Intoleranzen ist nicht immer

Celsius im Backofen: Hält der Teig oder   geknetet werden muss», erklärt der          einfach – und manchmal können

bricht er?                                Experte. «Auch die Mengenangaben            einem auch die Ideen ausgehen.

                                          müssen genau stimmen.» Glutenfreies         Auf dem Blog himbeergelb.ch

Im Team stärker                           Backen als exakte Wissenschaft. Was         tüftelt aha!award-Gewinnerin

Auch wenn die Zutaten als Teig harmo-     die Redaktorinnen und Redaktoren im-        Sandra Kopp Rezepte aus, die

nieren, muss man manchmal bei der         mer mitbedenken: Das Rezept soll auch       ohne Eier, Milch, Erdnüsse und

Verarbeitung flexibel sein: Ein Sonn-     daheim in einer halb so professionellen     Nüsse auskommen.

tagszopf aus normalem Mehl zum Bei-       Küche nachgekocht werden können.
spiel sollte nach dem Kneten nochmals     Und das mit Spass.                          Auch Silvan Hässig, Zöliakie-

aufgehen können; erst danach wird er                                                  Betroffener und Blogger,

gezöpfelt. «Das funktioniert bei der      Einer Meinung                               berichtet auf glutenfreiewelt.ch

glutenfreien Variante nicht», weiss       Drei Mehlmischungen, zwei Änderun-          sowie auf Instagram und

Heiniger. Hier muss direkt nach dem       gen in der Zubereitungsart und eine         Facebook (@glutenfreiewelt)

Kneten geflochten werden, danach          hilfreiche Kaffeepause später tischt Nils   von seinen Back- und Koch­

lässt man den Teig aufgehen. Für sol-     Heiniger die Empanadas zum Probe­           experimenten.

che Tricks tauschen sich die Rezeptre-    essen auf. Der Ablauf ist klar definiert:
daktoren immer wieder untereinander       Jeder nimmt sich einen Bissen und das
aus. «Zum Glück hat immer jemand          erste Wort hat immer die Person, die
eine gute Idee, wenn man den Teig am      gekocht hat. Was ist gut? Was könnte
liebsten zum Fenster rausschmeissen       besser sein? Danach wird rege disku-
würde», meint Nils Heiniger und lacht.    tiert, auch über Fehlversuche. Heiniger:
                                          «So finden wir gemeinsam heraus, was
Versuch Nummer vier: Während die          wir beim nächsten Mal anders ma-
Empanadas mit der dritten Teigvari-       chen.» Was schliesslich für alle stimmt,
ante im Backofen aufgehen und fein        wird als Rezept final notiert und noch-
riechen, dreht in der Küchenmaschine      mals gekocht – fürs Fotoshooting.
Teig Nummer vier mit einer nochmals
anderen Mischung seine Runden. Als        Nun steht also fest: Der dritte Versuch
Back-up, sozusagen – und um zu schau-     macht das Rennen. Die Zutaten sind
en, ob ein anderes Mehl doch noch         simpel, die Verarbeitung einfach und
eine bessere Variante sein könnte.        das Resultat überzeugt. Dieses Rezept
                                          kommt ins Heft – und in Tausende
Erfahrung hilft                           Schweizer Küchen.
Nils Heiniger hat nicht etwa
Ernährungs­wissenschaften oder

                                                                                                                         Seite 31
«Das Mikrobiom
                                   funktioniert wie
                                 ein eigenes Organ.»

                     Sie ist Kinder- und Jugendärztin sowie Fachärztin für Allergologie und
                       klinische Immunologie. Caroline Roduit kennt sich insbesondere in
                     Sachen Mikrobiom der Menschen, also der Gesamtheit der Mikroorga-
                      nismen, sowie Allergien aus. Für das aha!magazin erklärt sie dessen
                          Bedeutung, erläutert den Stand der Forschung und die wichtige
                                  Kooperation mit aha!Allergiezentrum Schweiz.

       Text: Denis Jeitziner
       Bilder: zvg/istock

       Frau Roduit, Sie haben sich dem Kampf gegen Allergien           Können Sie uns das bitte näher erklären?
       verschrieben. Wo steht die Forschung diesbezüglich?             Man weiss, dass der Darm ein zentrales Organ für das Im-
       Fakt ist: Allergien treten generell häufiger auf – sowohl bei   munsystem ist und auch, dass ein Zusammenhang zwischen
       Erwachsenen als auch bei Kindern. Als Kinderärztin muss         Darmmikrobiom und entzündlichen Krankheiten wie Allergi-
       ich leider feststellen, dass immer mehr Kleinkinder in ihren    en besteht. Bakterien können direkt mit dem Immunsystem
       ersten Lebensjahren von Allergien betroffen sind. Wir           im Darm kommunizieren.
       wissen, dass dabei die frühkindliche Exposition zur Umwelt
       eine wichtige Rolle spielt. Es ist schon länger bekannt, dass
       Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, weniger an
       Allergien leiden als Kinder, die ohne bäuerliche Umgebung       «Die Ernährung kann das
       gross werden. In einer europäischen Studie wurde vor Kur-       Darmmikrobiom beeinflussen.»
       zem aufgezeigt, dass die Darmflora eine wichtige Rolle für
                                                                       Caroline Roduit
       den sogenannt schützenden Bauerhof-Effekt spielt.

       Woher kommt das?
       Eine zentrale Erkenntnis dieser Studie – an der übrigens        Was ist das menschliche Mikrobiom eigentlich?
       auch Schweizer Kinder teilnahmen – ist, dass die Darmflora      Das Mikrobiom funktioniert wie ein hochkomplexes eigenes
       von Bauernhofkindern früher ausgereift ist. Das ausgereifte     Organ. Den allergrössten Teil davon machen – neben Pilzen
       Darmmikrobiom produziert mehr Stoffwechselprodukte,             und Viren – Bakterien aus. Bei Menschen gibt es über 1000
       sogenannte Metaboliten, wie kurzkettige Fettsäuren. Die-        verschiedene Bakterienarten mit insgesamt bis zu 100 Billio-
       se könnten mindestens einen Teil des schützenden Effekts        nen Bakterien. Der Aufbau des Mikrobioms im menschlichen
       gegen Allergien erklären. Generell gilt: Die Ernährung kann     Körper beginnt bereits im ersten Lebensjahr und die Bildung
       das Darmmikrobiom beeinflussen – besonders in den ersten        des Immunsystems findet parallel statt.
       Lebensjahren.

Seite 32
Wieso weiss man, dass das Mikrobiom eine solch grosse         «Je vielfältiger die Ernährung, je mehr
Bedeutung hat?
Diese hat sich in den letzten Jahren zunehmend herauskris-
                                                              Kontakte zu Tieren und Pflanzen, desto
tallisiert. Ich gebe Ihnen folgendes Beispiel: Im Jahr 2000   besser ist das für die Entwicklung unseres
wurden insgesamt etwas weniger als 100 wissenschaftliche      Mikrobioms und für unser Immun­system.»
Artikel zum Thema Mikrobiom verfasst – im Jahr 2020 wur-
                                                              Caroline Roduit
den bisher schon mehr als 15 000 Artikel publiziert. Daran
kann man die Bedeutung und den Erkenntnisgewinn zum
Mikrobiom ablesen. Man weiss heute, dass das Mikrobiom
eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit entzündlichen
Krankheiten spielt. Dazu gehören Allergien, Autoimmuner-      man davon ausgehen, dass die Biodiversität der Umwelt
krankungen, Krebs, Diabetes oder neurologische Krankheiten    eine sehr wichtige Rolle spielt. In unserer europäischen Bau-
wie Alzheimer.                                                ernhof-Studie war eine der wichtigsten Erkenntnisse, dass es
                                                              bei Bauernhof-Kindern eine grössere Vielfalt an mikrobieller
Allergien nehmen ja, wie bereits vorhin angetönt, zu.         Exposition gibt.
Hat sich das Mikrobiom verändert?
Wir müssen uns zuerst fragen: Wo sehen wir einen Zusam-       Wie kann man ein möglichst gesundes Mikrobiom
menhang von Zunahmen von Allergien und Mikrobiom?             erhalten beziehungsweise pflegen und wie wichtig
Diese Frage ist noch offen, aber wir haben gewisse Hinweise   ist es für Kinder?
dazu. Hierzu existiert die Biodiversitätshypothese; diese     Eines ist klar: Das Mikrobiom hat einen wesentlichen
wurde unter anderem aus Finnland suggeriert. Sie stellt       Einfluss auf unser Immunsystem. Wir müssen aber noch
einen Zusammenhang zwischen den vorher beschriebenen          besser verstehen, welche Bakterien für welche Abläufe im
Beobachtungen her. Denn wenn die Kinder, die auf einem        menschlichen Körper verantwortlich sind. Das Schlüsselwort
Bauernhof aufwachsen, weniger unter Allergien leiden, kann    heisst Diversität: Die Ernährung und Umweltexposition

                                                                                                                              Seite 33
ImholzDesign
                                                                                      © Antistress AG
                      Und
                   BIOTICS-A
                   nicht ver-
                    gessen!

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                                                                            Pollen-
                                                                            saison

   Als Vorbereitung und während der Pollensaison ist Burgerstein BIOTICS-A
   ein idealer Begleiter. Burgerstein BIOTICS-A enthält zwei milchsäure-
   bildende Bakterienstämme und Vitamin D zur Erhaltung eines normalen
   Immunsystems. Natürlich – für die ganze Familie geeignet.
   www.burgerstein-biotics.ch

   Tut gut.
SeiteErhältlich
      34        in Apotheken und Drogerien – Gesundheit braucht Beratung.
«Was ich in der Forschung lerne, setze ich
                                                                für meine Patientinnen und Patienten ein.»
                                                                Caroline Roduit

könnten in Bezug auf die Entwicklung des Mikrobioms eine        Sie selbst sind Oberärztin und engagieren sich stark in
sehr wichtige Rolle spielen, insbesondere bei Kleinkindern.     der Forschung. Wie bringen Sie Ihre verschiedenen
Mit anderen Worten: Je vielfältiger die Ernährung, je mehr      Engagements unter einen Hut?
Kontakte zu Tieren und Pflanzen, desto besser ist das für       Das Wichtigste ist: Was ich in der Forschung lerne, setze ich
die Entwicklung unseres Mikrobioms und als Folge auch für       für meine Patientinnen und Patienten ein. Diese Interaktion
unser Immunsystem. In Bezug auf die Haut könnten zudem          macht es spannend und verbindet meine verschiedenen
auch die Reinigungs- und Spülmittel einen Einfluss auf das      Engagements.
Hautmikrobiom haben.
                                                                Zum Schluss: Wie stufen Sie die Bemühungen der Stif-
Wie gelangt man zu einer Haut, die von nützlichen Haut-         tung aha! Allergiezentrum Schweiz ein und inwiefern
bakterien dominiert wird?                                       arbeiten Sie mit aha! zusammen?
Diese Frage kann so noch nicht beantwortet werden.              Die Kooperation ist sehr eng, persönlich und äusserst
Es braucht die richtigen Bakterien in der richtigen Zusam-      wichtig; insbesondere in der Zusammenarbeit mit Familien
mensetzung auf der Haut und auch die Diversität des Haut-       können wir immer auf die professionelle Hilfe von
mikrobioms spielt eine wichtige Rolle. Es gibt Anhaltspunkte,   aha! Allergiezentrum Schweiz verweisen. Für die Betroffenen
die auf bestimmte Bakterien bzw. Bakterienstämme hinwei-        ist es zentral, dass sie gründliche Informationen erhalten, die
sen, die einen positiven Einfluss auf Allergien haben, also     auf anerkannten medizinischen Erkenntnissen und Erfahrun-
einen gewissen Schutz bewirken. Zwar gibt es in Bezug auf       gen beruhen; das ist bei der Stiftung aha! gewährleistet.
Probiotika – das sind lebende Mikroorganismen, die einen
vorteilhaften Effekt auf die Gesundheit haben – interessante
Daten. Doch ist es noch zu früh, um abschliessend sagen zu
können, welche Bakterien gesundheitsfördernd für unsere
Haut sind. Ausserdem könnte auch die Wasserqualität einen           Mehr erfahren auf aha.ch
Einfluss auf das Hautmikrobiom haben. Hier ist noch viel
Forschungsarbeit gefragt.                                           Alle wichtigen Informationen rund ums Jahresthe-
                                                                    ma «Experiment Allergie» von aha! Allergiezentrum
Was erwarten Sie von der Entwicklung in der Forschung               Schweiz finden Sie zusammengefasst auf aha.ch.
von Mikrobiom?
Neue Strategien zur Allergieprävention werden die positi-           Haben Sie Fragen? Unsere Fachpersonen der
ve Beeinflussung des Mikrobioms und damit des Immun-                aha!infoline geben Ihnen Rat: Montag bis Freitag,
systems beinhalten. Deswegen denke ich, dass die vorhin             08.30–12.00 Uhr, Tel. 031 359 90 50. Die Beratung ist
erwähnten Probiotika und/oder auch deren Metaboliten ein            kostenlos.
grosses Potential für Allergieprävention haben.

                                                                                                                                Seite 35
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