Aktives Risiko management mit "VIGIE" - Verbesserte Pharmako vigilanz im Verordnungsprozess
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Verbesserte Pharmakovigilanz im Verordnungsprozess Aktives Risikomanagement mit „VIGIE“ Whitepaper für die Vidal MMI Germany von Cornelia Wels-Maug “To err is human, to cover up is unforgivable, and to fail to learn is inexcusable” Sir Liam Donaldson, Former Chief Medical Officer England
Verbesserte Pharmakovigilanz im Verordnungsprozess: Aktives Risikomanagement mit „VIGIE“ Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Einleitung: Die Bundesregierung drängt auf mehr Arzneimittelsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Pharmakovigilanz im Wettlauf mit der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 „Fehler im Medikationsprozess sind meistens vermeidbar“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Schnelle Information erhöht die Wirkung der Pharmakovigilanz-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 5 Vermeiden von Medikationsfehlern durch Aufklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Die Kosten unerwünschter Arzneimittelwirkungen steigen mit Polypharmazie. . . . . . . . . . . . 7 Reduktion von Medikationsfehlern durch IT-gestützte Informationssysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Paradigmenwechsel: Aktives Risikomanagement in der Pharmakovigilanz . . . . . . . . . . . . . . . 8 Aktive Pharmakovigilanz mit VIGIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Quellenangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Vidal MMI Germany GmbH Monzastraße 4 63225 Langen Telefon: 06103-2076-0 E-Mail: info@mmi.de 2
Verbesserte Pharmakovigilanz im Verordnungsprozess: Aktives Risikomanagement mit „VIGIE“ Zusammenfassung → Seit Inkrafttreten der erweiterten Europäischen Pharmakovigilanzrichtlinie 2001/83/EG müssen schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf ein Arzneimittel als Nebenwirkung klassifiziert werden, unabhängig davon, ob sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder bedingt durch einen Medikationsfehler aufgetreten sind. → Der Entwurf des „Aktionsplan 2021-2024 des Bundesministeriums für Gesundheit zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland“ unterstreicht, dass für eine weitere Verbesserung des AMTS-Prozesses „auch die adäquate Einbindung der weiteren am Arzneimitteltherapieprozess Beteiligten von besonderer Bedeutung“ sei. Dies schließt auch die Pharmaindustrie mit ein. → Medikationsfehler können pharmazeutischen Firmen teuer zu stehen kommen, denn sollten die von ihnen hergestellten Arzneimittel Medikationsfehler auslösen, müssen sie – neben anderen Aufwendungen – zusätzlich Kosten für eine u. U. anstehende klinische Prüfung tragen. → Medikationsfehler im Krankenhausbereich treten am häufigsten bei der ärztlichen Verordnung auf und erzeugen hohe menschliche und pekuniäre Kosten. Jedoch kann eine softwaregestützte Überprüfung der Arzneimitteltherapie die Wahrscheinlichkeit für Medikationsfehler bei der Verordnung signifikant senken. → Ein geändertes Verständnis der Pharmakovigilanz in Richtung eines proaktiven Risikomanagements spiegelt sich auch in dem vermehrten Einsatz von softwaregestützten Assistenzsystemen bei der Verordnung wider. → „VIGIE“, ein neues elektronisches Pharmakovigilanz-Assistenzsystem, erweitert das Handlungsportfolio eines aktiven Risikomanagements für Zulassungsinhaber. Es ermöglicht eine frühzeitige Kommunikation potenzieller Medikationsfehler an entscheidender Stelle im Verordnungsprozess. 3
Verbesserte Pharmakovigilanz im Verordnungsprozess: Aktives Risikomanagement mit „VIGIE“ Einleitung: Die Bundesregierung drängt auf mehr Arzneimittelsicherheit Anfang Dezember 2020 stellte die Bundesregierung einen Entwurf des „Aktionsplan 2021-2024 des Bundesministeriums für Gesundheit zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland“ vor.1 Die darin enthaltenen 41 konkreten Aufgaben und Projekte stellen eine Weiter- entwicklung der bisherigen Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)-Aktionspläne dar. Das Bundes- ministerium für Gesundheit (BMG) betont darin auch die Wichtigkeit einer interprofessionellen Zusammenarbeit der am Verordnungsprozess Beteiligten, um die AMTS zu verbessern: „Für die Gewährleistung der AMTS ist insbesondere die Zusammenarbeit der Ärztinnen und Ärzte mit den Apothekerinnen bzw. Apothekern sowie mit den Vertretern der Pflegeberufe … von besonderer Bedeutung“.2 Dabei hebt der Aktionsplan auch hervor, dass die zunehmende Digitalisierung der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern im Rahmen der Medikationsanalyse und des Me- dikationsmanagements förderlich sei. Insbesondere dann, wenn Apotheker die Möglichkeit hätten, Einblick in eine elektronische Patientenakte zu erhalten. Es ist anzunehmen, dass Investitionen in die Digitalisierung im Krankenhausbereich durch das im September 2020 verabschiedete Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG)3 zunehmen. Das 4,3 Mil- liarden Euro schwere Förderprogramm von Bund und Ländern soll in den kommenden zwei Jah- ren einen Investitionsschub in digitale Infrastrukturen initiieren, wobei auch Mittel für digitales Medikationsmanagement bereitgestellt werden. Auch dies wird der AMTS zugutekommen. Der Entwurf des Aktionsplans 2021-2024 des BMGs betont ferner, dass „auch die adäquate Einbin- dung der weiteren am Arzneimitteltherapieprozess Beteiligten von besonderer Bedeutung“ sei. Dies schließt auch die Pharmaindustrie mit ein. Als wichtiger Bestandteil der Pharmakovigilanz (PV) ist AMTS auch für die Pharmaindustrie ein zentrales Thema. PV-Maßnahmen zielen darauf ab, das Auf- treten unerwünschter Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Anwendung von Arzneimitteln zu minimieren. PV-Aktivitäten fallen in Pharmaunternehmen in den medizinischen Aufgabenbe- reich und sind je nach Struktur und Größe dem Medical Affairs zugehörig. Bei Verdachtsfällen von unerwünschten Nebenwirkungen müssen diese der zuständigen Bundes- oberbehörde gemeldet und u. a. in der „EudraVigilance-Datenbank“ mit entsprechenden Zugangs- möglichkeiten für interessierte Nutzergruppen bereitgestellt werden.4 In diesem Fall hat der Gesetzgeber einen Kommunikationsmechanismus in Form von Rote-Hand- Briefen und Informationsbriefen vorgesehen, mittels derer Pharmaunternehmen medizinische Fachkreise einschließlich Ärzten und Apothekern über neu aufgetretene Arzneimittelrisiken infor- miert, um so die Wahrscheinlichkeit für ihr erneutes Eintreten zu verringern. Ausgehend davon, dass vermeidbare Medikationsfehler den Arzneimitteltherapieerfolg wesent- lich belasten, stellt dieses Whitepaper einen proaktiven narrativen Ansatz zur Risikominimie- rung im aktiven PV-Prozess vor. Dabei werden datenbasierte Risikoanalysen aus dem laufenden Verordnungsprozess genutzt, um an einem für die Arzneimitteltherapie entscheidenden Punkt eine risikominimierende Informationsmaßnahme einzufügen. „VIGIE“, ein neues elektronisches PV-Assistenzsystem, erweitert das Handlungsportfolio eines aktiven Risikomanagements für Zu- lassungsinhaber. Es stellt Krankenhausärzten während des Verordnungsprozesses oder in der Vorbereitung darauf zeitlich unmittelbar entscheidende Informationen zu Arzneimitteln, etwa zur D osierung, bereit. Dies ermöglicht Arzneimittelherstellern, ein noch effektiveres Risiko management betreiben zu können, welches wiederum die AMTS bzw. die Effektivität der PV erhöht. 4
Verbesserte Pharmakovigilanz im Verordnungsprozess: Aktives Risikomanagement mit „VIGIE“ Pharmakovigilanz im Wettlauf mit der Zeit Diagnostik & Therapie- planung Am häufigsten sind Fehler in der Verordnung1 Wirkung / Monitoring & AUFRUF Verordnung / VIGIE VIGIE Eine Analyse von 2.103 Medikationsfehlern Ergebnisbe- WIRKSTOFF Transkription Hinweis Meta Analyse in einem 630-Betten-Krankenhaus zeigt2 wertung real-world 30 % >> Fehlendes oder falsches Wissen Verordnungen über Medikamente und ihre Verwendung (z. B. falsches Medikament, Wechselwir- DER MEDIKATIONS- Interaktionen kungen, …) PROZESS Risikopotential Anwendung (Einnahme Dispensierung /Verabrei- & Distribution chung) Automatische ggf. Optimierung Ausspielung des VIGIE-Hinweises im Klinik-Workflow Information & Motivation des Patienten Analyse und Auswertung Impact auf Verordnung Zum Zeitpunkt der Erstzulassung eines Arzneimittels liegen erst begrenzte Kenntnisse über dessen Sicherheit vor, da die erforderlichen klinischen Studien in Phase I bis III nur mit einer relativ geringen Anzahl von Probanden durchgeführt werden, die zudem nach spezifischen Kriterien ausgesucht wurden. Daher werden in klinischen Studien seltene oder sehr seltene unerwünschte Nebenwirkungen, Wechselwirkungen oder andere Gefahren im Zusammenhang mit der Arznei- mittelanwendung üblicherweise nicht erkannt.5 Außerdem können auch noch lange Zeit nach der Erstzulassung eines Arzneimittels aktuelle Forschungsergebnisse zu neuen Erkenntnissen über dessen Sicherheit liefern. Aus diesem Grund sieht das deutsche Arzneimittelgesetz vor, das nach der Zulassung eines Arzneimittels die Erfahrungen bei dessen Anwendung – vor allem auftre- tende unerwünschte Nebenwirkungen – fortlaufend und systematisch durch das Bundesinstitut für Arzneimittel & Medizinprodukte (BfArM) für Arzneimittel und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für Impfstoffe & biomedizinische Arzneimittel gesammelt und ausgewertet werden, um deren Nutzen-Risiko-Verhältnis zu überwachen. Dabei müssen insbesondere Ärzte und Patienten auf diese Risiken beziehungsweise auf Maßnahmen zu deren Minderung hingewiesen werden. „Fehler im Medikationsprozess sind meistens vermeidbar“ Die Erfassung von Nebenwirkungen von Arzneimitteln ist eine permanente Herausforderung im klinischen Alltag. Sie können sowohl von einem Arzneimittel verursacht, aber auch durch eine fehlerhafte Anwendung, einem sogenannten Medikationsfehler, ausgelöst werden. L aut Prof. Dr. Carsten Culmsee, Universitätsprofessor für Klinische Pharmazie, Philipps-Universität Marburg, der sich wiederum auf eine Bekanntgabe des BfArM beruft, gehen in Deutschland jährlich 500.000 Krankenhauseinweisungen auf Medikationsfehler zurück, wobei fünf Prozent bzw. 25.000 Patien- ten an deren Folgen sterben. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft schätzt, dass ein bis drei Fünftel aller nebenwirkungsbedingten stationären Krankenhausaufnahmen vermeid- bar seien.6 „Fehler im Medikationsprozess kommen häufig vor und sind meistens vermeidbar“,7 verlautbarte diesbezüglich Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS). Weltweit, so die WHO, sind etwa zehn Prozent der Krankenhausaufnahmen auf Neben- wirkungen zurückzuführen.8 5
Verbesserte Pharmakovigilanz im Verordnungsprozess: Aktives Risikomanagement mit „VIGIE“ Schnelle Information erhöht die Wirkung der Pharmakovigilanz-Maßnahmen Dies unterstreicht die Wichtigkeit der PV. Sie umfasst die „Gesamtheit der Maßnahmen zur Ent deckung, Erfassung, Bewertung und Vorbeugung von Nebenwirkungen sowie anderen arznei- mittelbezogenen Problemen, die bei der Anwendung von Arzneimitteln auftreten.“9 Sie beinhaltet sowohl die Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit – also Mittel zur laufenden und systemati- schen Überwachung der Sicherheit eines Arzneimittels, um die bei bestimmungsgemäßem Ge- brauch auftretenden unerwünschten Wirkungen zu identifizieren, bewerten und verstehen und die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens zu begrenzen – als auch der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). Unter Letztere fallen Maßnahmen, die auf die Gewährleistung eines optimalen Medika- tionsprozesses abzielen, um potenzielle Medikationsfehler und dadurch vermeidbare Risiken für den Patienten bei der Arzneimitteltherapie zu verhindern. Dabei können diese durch alle am Medi- kationsprozess Beteiligten wie Ärzte, Pflegepersonal, Apotheker oder auch den Patienten und des- sen Angehörige verursacht werden. Die meisten Medikationsfehler entstehen bei der Verordnung: „Heute gilt die ärztliche Verordnung als derjenige Schritt im Medikationsprozess, bei dem die meisten schwerwiegenden Fehler auftreten,“10 i. d. R. dadurch, dass ein unpassendes Arzneimittel oder ein passendes Medikament in einer falschen Dosierung verschrieben wird. Seit Inkrafttreten der erweiterten Europäischen Pharmakovigilanzrichtlinie 2001/83/EG am 1. Juli 2012 müssen schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf ein Arzneimittel als Nebenwirkung klassifiziert werden, unabhängig davon, ob sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder bedingt durch einen Medikationsfehler aufgetreten sind.11 Medikationsfehler müssen im Pharmakovigilanz System eines Landes erfasst werden. Vermeiden von Medikationsfehlern durch Aufklärung Ein wichtiges Instrument, Medikationsfehler im Verordnungsprozess zu vermeiden, ist die so- genannte Fachinformation, die die offizielle und verbindliche Informationsquelle für Ärzte, Apotheker und andere Angehörige des medizinischen Fachkreises darstellt. Sie enthält Angaben zu Darreichungsform und Stärke, Anwendungsgebieten, Dosierung, Wirkung, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Gegenanzeigen eines Medikaments. Pharmazeutische Unternehmen müssen gemäß § 11a Arzneimittelgesetz für in Deutschland oder in Europa zugelassene Arznei- mittel eine Fachinformation bzw. eine europaweit gültige Fachinformation, Summary of Product Characteristics (SPC) zur Verfügung zu stellen, deren Text von der zuständigen nationalen Behörde genehmigt werden muss. In Deutschland übernimmt diese Aufgabe das BfArM. Beim Auftreten von Medikationsfehlern sind die Angehörigen der Gesundheitsberufe aufgefordert, dem BfArM oder PEI jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Patienten können diese direkt dem pharmazeutischen Unternehmen oder aber ihrem Arzt anzeigen. Sofern Fachinformationen aufgrund neuer Risikoinformationen geändert werden, müssen die medizinischen Fachkreise über die neu erkannten bedeutenden Arzneimittelrisiken und Maß nahmen zu deren Vermeidung mittels eines Rote-Hand-Briefs informiert werden. Er wird dann von dem betroffenen pharmazeutischen Unternehmen in Absprache mit der für das Medikament zuständigen Bundesoberbehörde versendet. Vom bekannt werden einer bislang unbekannten schweren Nebenwirkung bis zum Versand eines Rote-Hand-Briefes vergeht wertvolle Zeit. Es besteht die Gefahr, dass Arzneimitteltherapieerfolg und Gesundheit weiterer Patienten beein- trächtigt werden und der Ruf sowie die finanzielle Situation des pharmazeutischen Unternehmens Schaden nehmen, was mit hohen Kosten verbunden sein kann. 6
Verbesserte Pharmakovigilanz im Verordnungsprozess: Aktives Risikomanagement mit „VIGIE“ Die Kosten unerwünschter Arzneimittelwirkungen steigen mit Polypharmazie „Der Straßenverkehr ist in den letzten Jahrzehnten immer sicherer geworden, z. B. durch Gurt- pflicht und die serienmäßige Einführung von Airbags. Vergleichbare Sicherheitsstufen müssen wir bei der Arzneimitteltherapie einführen“, findet Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Professor für Klinische Pharmazie, Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.12 Medikationsfehler führen zu hohen menschlichen Kosten und dies insbesondere bei Personen über 60 Jahren, da gerade diese oft mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen und dadurch einem größeren Risiko für Wechsel- und Nebenwirkungen ausgeliefert sind. Sofern fünf oder mehr Medikamente simultan angewendet werden, spricht man von Polypharmazie, bei der die Wahr- scheinlichkeit des Auftretens vermeidbarer Medikationsfehler besonders groß ist. Diese können im schlimmsten Fall zum Verlust menschlichen Lebens führen, aber auch pekuniäre Belastungen mit sich bringen. Schätzungsweise kosten Medikationsfehler in Deutschland jährlich eine Milliarde Euro.13 Auch pharmazeutischen Firmen können Medikationsfehler teuer zu stehen kommen, denn soll- ten die von ihnen hergestellten Arzneimittel Medikationsfehler auslösen, müssen sie zusätzliche Kosten für eine gegebenenfalls anstehende klinische Prüfung übernehmen. „Die Firmen sind ge- halten, jeden einzelnen Medikationsfehler zu dokumentieren und zu analysieren. Dies ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch ein hoher Kostenaufwand“, erläutert Dr. med. Renald Hennig, Senior Consultant, Scratch Pharmacovigilance GmbH. & Co. KG. „Sofern es zur Durchführung einer klinischen Prüfung des Arzneimittels kommt, befindet man sich schnell im 7-stelligen Bereich, bei einer nicht-interventionellen Studie reden wir über einen 6-stelligen Betrag“, fährt er fort. „Aus Pharmasicht gilt es, Medikationsfehler zu vermeiden“, unterstreicht Hennig. Reduktion von Medikationsfehlern durch IT-gestützte Informationssysteme Ein Instrument, Medikationsfehler und die damit verbundenen Kosten zu minimieren, ist der Einsatz von entscheidungsunterstützenden Systemen im Rahmen des elektronischen Verordnungs- prozesses, da ja gerade an dieser Stelle ein Großteil der Medikationsfehler auftreten. „IT-gestützte Systeme sind unverzichtbar, wenn es darum geht, eine Verordnung auf unerwünschte Neben- wirkungen zu checken“, beurteilt Culmsee. „Jedoch braucht es immer noch einen Kopf, um die Ergebnisse einer solchen Software einordnen zu können“, fügt er hinzu, „IT kann die qualifizierten Expert*innen allenfalls durch eine Handlungsempfehlung unterstützen“. Die Effektivität solcher Systeme wird auch durch Ergebnisse wissenschaftlicher Studien belegt: „Vor Entlassung aus dem Krankenhaus wird die Arzneimitteltherapieempfehlung durch den Arzt und den arztunterstützenden Stationsapotheker softwaregestützt geprüft und mit der Vormedikati- on abgeglichen. […] Für die Einbindung von Pharmazeuten in das Entlassmanagement wurde eine Reduktion der Medikationsfehler um 58 Prozent gezeigt (Eggink et al., 2010). Digitale Unterstützung hilft, mehr als 50 Prozent der Fehler zu verhindern (Dalal et al., 2014) und ökonomisch inadäquate Verordnungen zu reduzieren (Perren et al., 2009; Shin, 2015; Karapinar-Carkit et al., 2012; Nardino et al., 2000).“14 7
Verbesserte Pharmakovigilanz im Verordnungsprozess: Aktives Risikomanagement mit „VIGIE“ Paradigmenwechsel: Aktives Risikomanagement in der Pharmakovigilanz Das Verständnis der PV hat sich in den letzten Jahren gewandelt, weg vom passiven Auflisten von Medikationsfehlern und unerwünschten Nebenwirkungen hin zu einem proaktiven Risikoma- nagement. Mittlerweile wird von den PV- bzw. Medical Affairs-Verantwortlichen in einem phar- mazeutischen Unternehmen erwartet, dass sie in allen Phasen des Produktlebenszyklus, insbe- sondere nach Zulassung, potenzielle Datenquellen zur Erhöhung der Sicherheit und Effektivität eines Arzneimittels nutzen und proaktive Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ergreifen. Diese Entwicklung wird als Paradigmenwechsel in der Pharmakovigilanz bezeichnet15 und bringt mit sich, dass PV in pharmazeutischen Unternehmen immer weniger als eine kost- spielige Notwendigkeit und finanzielle Belastung angesehen wird. Sie gilt viel mehr als wichtige Investition zur Absicherung der Investments in Arzneimittel, beispielsweise durch die Entwick- lung von A rzneien mit besseren Sicherheitsprofilen. Der Fokus auf ein aktives Risikomanagement im Rahmen der PV wird sich in Zukunft noch verstärken. Dazu gehört vor allem eine frühzeitige Erkennung von Risikopotenzialen in der laufenden Arzneimitteltherapie und eine unmittelbare risikominimierende Kommunikation noch während des Verordnungsprozesses als agiles Instru- ment eines aktiven Risikomanagements. Hier kommt Medical Affairs eine zentrale Rolle zu, die Erfahrung von Ärzten und Patienten als auch die Behandlungsergebnisse durch neue Informatio- nen über die vermarkteten Medikament zu optimieren, betont McKinsey in der Studie „A vision for Medical Affairs in 2025“.16 Die zunehmende Digitalisierung des Gesundheitswesens ermöglicht es, dass solche Informationen schnell erfasst und verarbeitet und den betreffenden Stakeholdern zur Verfügung gestellt werden können. Aktive Pharmakovigilanz mit VIGIE „VIGIE macht die heikle Phase nach der Zulassung weniger heikel. Es ist eine Art Pharmakotherapie-Sicherheitsassistent, der im letzten Moment an entscheidender Stelle im Verordnungsprozess bedeutende pharmakologische Hinweise wie etwa zur Dosierung ohne Zeitverzögerung bereitstellt,“ erläutert Andreas E ngleder, Head of New Business & Digital Sales, Vidal MMI Germany. Abwendbare Medikationsfehler erhöhen das Risikopotenzial eines neu eingeführten Medikaments. Da es länger dauert, bis adverse Ereignisse sich in einem Rote-Hand-Brief oder einer aktualisierten Fachinformation niedergeschlagen haben, kommt es darauf an, dass adverse Ereignisse schon kurz nach deren Bekanntwerden im Verordnungsprozess angezeigt werden können. Die Möglichkeit, Ärzte und Apotheker an entscheidender Stelle aktiv informieren zu können und dadurch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens weiterer Medikationsfehler zu minimieren, verleiht dem aktiven PV-Management eine neue Qualität. Medikationsfehler treten am häufigsten im Verordnungsprozess auf. Genau hier setzt VIGIE an; als Real-World-datenbasiertes PV-Analyse- und Informationssystem „überwacht“ es Verordnungen in Kliniken in Echtzeit. Zulassungsinhaber haben großes Interesse, Risiken nicht nur theoretisch zu beschreiben, sondern sie so gut wie möglich konkret festmachen und eine unmittelbare Maßnah- me zur Risikominimierung vornehmen zu können. 8
Verbesserte Pharmakovigilanz im Verordnungsprozess: Aktives Risikomanagement mit „VIGIE“ VIGIE ermittelt Risikokonstellationen bei Polypharma-Verordnungen auf Basis von Medikations- daten, die aus den Medikamentenverschreibungen, die mit der Verordnungssoftware der Medizi- nische Medien Informations GmbH erzeugt wurden, herausgelesen werden. Immer wenn ein Arzt eine risikobehaftete Verordnung ausstellt, gibt VIGIE einen Warnhinweis, der in der Verordnungs software in Echtzeit ausgespielt wird. Jedoch werden nur die in diesem spezifischen klinischen Kontext relevanten Warnhinweise angezeigt, um Alarm Fatigue bei dem Verordnenden zuvor- zukommen. Dabei wird die zugrunde liegende Risikobewertung der einzelnen Arzneimittel von Wissenschaftlern der Universität Heidelberg vorgenommen. Zusätzlich weist VIGIE auch auf einige Aspekte bei der Verordnung hin, bei denen die Nichtbeachtung der Fachinformation ebenso zu Medikationsfehlern führen kann, z. B. Dosierhinweise, Hinweise zur guten bzw. altersgerechten Anwendung, Informationen über die richtige Stärke, Häufigkeit der Einnahme und mögliche Un- verträglichkeiten. Dadurch unterstützt VIGIE als Teil eines aktiven PV-Managements proaktiv das Vermeiden von Medikationsfehlern. 9
Verbesserte Pharmakovigilanz im Verordnungsprozess: Aktives Risikomanagement mit „VIGIE“ Quellenangaben Quellen Grafik: 1 D. W. Bates, D. J. Cullen, N. Laird, L. A. Petersen, S. D. Small, D. Servi, G. Laffel, B. J. Sweitzer, B. F. Shea, R. Hallisey, M. V. Vliet, R. Nemeskal, L. L. Leape, for the ADE Prevention Study Group: Incidence of adverse drug events and potential adverse drug events – Implications for prevention (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive In: Journal of the American Medical Association 274(1), 1995, S. 29–34. 2 T. S. Lesar, L. Briceland, D. S. Stein: Factors related to errors in medication prescribing. In: Journal of the American Medical Association. Band 277, Nr. 4, 1997, S. 312–317. 1 https://www.ztg-nrw.de/2020/12/bundesregierung-veroeffentlicht-aktionsplan-zur-verbesserung-der- arzneimitteltherapie/ (gesehen am 21.12.2020) 2 https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/bmg-apotheker-und-aerzte-muessen-besser-kooperieren- amts-aktionsplan/ (gesehen am 9.12.2020) 3 Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) - BMG (bundesgesundheitsministerium.de) (gesehen am 13.11.2020) 4 https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/_node.html (gesehen am 11. 12.2020) 5 https://www.bfarm.de/DE/Buerger/Arzneimittel/Arzneimittelueberwachung/_node.html (gesehen am 4.12.2020) 6 https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Medikationsfehler/20181217.pdf S. 7 f. (gesehen am 24.11.2020) 7 https://www.pharmazeutische-zeitung.de/medikationsfehler-schon-auf-dem-rezept-vermeiden-118277/seite/2/ (gesehen am 07.12.2020) 8 https://www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/akdae-startet-projekt-zur-erfassung-und- bewertung-von-medikationsfehlern/ (gesehen am 14.12.2020) 9 https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/201503/099h/index.php#:~:text=4.,bei%20der%20 Arzneimitteltherapie%20zu%20verringern. (gesehen am 26.11.2020) 10 Thürmann PA: Medikationssicherheit im Krankenhaus. In: Burgard G, Baberg HT, Popken G (HRSG.): Patientensicherheit. Gemeinsam sicher. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2014; 59-63 11 https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/201503/099h/index.php#:~:text=4.,bei%20der%20 Arzneimitteltherapie%20zu%20verringern. (gesehen am 26.11.2020) 12 https://www.abda.de/aktuelles-und-presse/veranstaltungen/detail/patienten-besser-vor-medikationsfehlern-schuetzen/ (gesehen am 26.11.2020) 13 https://www.abda.de/aktuelles-und-presse/veranstaltungen/detail/patienten-besser-vor-medikationsfehlern-schuetzen/ (gesehen am 26.11.2020)) 14 Barmer Arzneimittelreport 2020, Sektorenübergreifende Arzneimitteltherapie, Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse – Band 23, S. 170 15 https://docplayer.net/140962248-Pharmacovigilance-in-2020-boldly-shaping-the-future-an-overview.html 16 Siehe https://www.mckinsey.com/~/media/mckinsey/industries/pharmaceuticals%20and%20medical%20products/ our%20insights/a%20vision%20for%20medical%20affairs%20in%202025/a-vision-for-medical-affairs-in-2025.pdf (gesehen am 12.11.2020) 10
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