Zensurgesetz: "Fake News im Abstimmungsbüchlein" - Nein zu diesem ...

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Zensurgesetz: «Fake News im Abstimmungsbüchlein»

                            Seit dem Skandal um die massiv irreführenden Zahlen, die
                            der Bundesrat 2016 zur Heiratsstrafe-Initiative der CVP in
                            Umlauf brachte und damit den Ausgang der Abstimmung
                            mit grosser Wahrscheinlichkeit entscheidend beeinflusst
                            hat, ist Vorsicht geboten. Auch im Hinblick auf die
                            Volksabstimmung vom 9. Februar 2020 über das
                            Zensurgesetz warten die «Erläuterungen des Bundesrats»1
                            mit etlichen Falschinformationen und Halbwahrheiten auf –
                            und zwar nicht nur im Teil mit den Argumenten von
                            «Bundesrat und Parlament» (S, 7; 24 f.), sondern auch bei
                            der Vorstellung der Vorlage («Im Kürze», S. 6; «Im Detail», S.
                            18-21).

Das Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz» kommentiert und
korrigiert im Folgenden einige Passagen aus dem Abstimmungsbüchlein, damit die
Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am 9. Februar ihr in Art. 34 der
Bundesverfassung verankertes Grundrecht auf «freie Willensbildung und die
unverfälschte Stimmabgabe» ungeschmälert wahrnehmen können:

Vorlage in Kürze und im Detail, S. 6; 18-21

1.

Dieser Absatz suggeriert, Angehörige sexueller Minderheiten könnten sich heute gegen
verbale und tätliche Angriffe nicht oder nur sehr ungenügend zur Wehr setzen. Das trifft
keineswegs zu, wie auch der Bundesrat noch in der Parlamentsdebatte klar festhielt (vgl.
letzte Frage unter: https://zensurgesetz-nein.ch/faq/). Für alle in der Schweiz lebenden
Menschen besteht der gleiche strafrechtliche Schutz ihrer Persönlichkeit und Würde.
Ehrverletzungsdelikte und tätlichen Angriffe sind bereits heute strafbar. Auch Aufrufe zu
Gewalt werden bereits geahndet. Mehr dazu unter: https://zensurgesetz-
nein.ch/argumente-lang/#kapitel6

Wie die Zahlen der privaten, von Lobbygruppen betriebenen Meldestelle «LGBT-Helpline»
zeigen, umfassen die Diskriminierungserfahrungen, von denen Angehörige sexueller

1   https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20200209.html
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Minderheiten betroffen sind, besonders Gewalt- und Ehrverletzungsdelikte. So kommt es
leider vor, dass Schwule und Lesben wegen ihrer sexuellen Orientierung tatsächlich
bespuckt, beschimpft und tätlich angegangen werden. Das ist in aller Form zu verurteilen,
doch kein Grund, neue Strafbestimmungen einzuführen. Denn einerseits sind
homophobe Gewaltdelikte verglichen mit Delikten aus anderen Motiven bzw. gegen
andere Gruppen nicht überdurchschnittlich häufig. Darauf deuten auch Polizeistatistiken
hin.2 Und anderseits sind diese Delikte bereits heute strafbar. So etwa könnten praktisch
ausnahmslos alle bei der «LGBT-Helpline» eingehenden Diskriminierungsfälle (gemäss
der zuletzt veröffentlichten Statistik von 2018 waren es innerhalb eines Jahres 95 Fälle)3
schon heute bei der Polizei zur Anzeige gebracht werden. Im Zeitraum von November
2016 bis Dezember 2017 sind wöchentlich zwei Fälle bei der Helpline gemeldet worden.
Aber nur in 19 Prozent der Fälle wurde auch die Polizei informiert. 2019 sollen laut
Medienberichten bei der Helpline bereits vier Fälle pro Woche gemeldet worden sein,
wobei die Steigerung nicht auf eine Zunahme von Gewalttaten zurückgeführt wird,
sondern auf die steigende Bereitschaft, über erlebte Vorkommnisse auch zu reden. Das
zeigt deutlich: Anstatt weitere unnötige, ja kontraproduktive Gesetze zu schaffen, sollen
betroffene Menschen dazu ermutigt werden, die bestehenden Rechtsgrundlagen auch
tatsächlich in Anspruch zu nehmen – indem sie Vorfälle konsequent zur Anzeige bringen.

Die Erweiterung des Zensurgesetzes, das am 9. Februar zur Abstimmung kommt, schliesst
also keine wirkliche Gesetzeslücke, sondern schafft faktisch Sonderrechte für einzelne
Menschen und Minderheiten, die sich über ihre sexuelle Orientierung definieren.4 Dies
aber wird im Abstimmungsbüchlein kurzerhand verschwiegen, wenn es dort heisst:

2 Laut einer Untersuchung der Polizeirapporte im Kanton Zürich sind in den Jahren 2017 und 2018 in
weniger als zehn Fällen LGBTI-Feindlichkeit als Grund für eine Gewalttat angegeben worden. Vgl.
Antwort des Zürcher Regierungsrat auf die Interpellation «Statistik im Bereich LGBTI-feindlichen
Aggressionen», August 2019: https://www.zh.ch/bin/ktzh/rrb/beschluss.pdf?rrbNr=728&name=RRB-
2019-0728&year=2019&_char-set_=UTF-8
3 Es handelt sich bei den gemeldeten Fällen praktisch ausnahmslos um Fälle von Gewalt und

Ehrverletzung. Vgl. LGBT+ Helpline (2018), Hate Crimes an Lesben, Schwulen, Bisexuellen und
Transmenschen in der Schweiz, Bericht über das Monitoring homo-, bi- und transphober
Diskriminierung & Gewalt in der Schweiz: https://www.tgns.ch/wp-content/uploads/2018/05/LGBTI-
Hate-Crime-Bericht-2018.pdf
4 Zwar ist dem Wortlaut nach auch die heterosexuelle Mehrheit geschützt. Diese versteht sich aber

nicht als ein Kollektiv, wie dies bei den Homosexuellen der Fall ist, die sich in Lobby-Gruppen
organisieren. Auch aufgrund der in der Rechtslehre gängigen Unterscheidung zwischen positiver und
negativer Diskriminierung ist damit zu rechnen, dass Homosexuelle künftig einen Sonderschutz
geniessen werden. Während alle negativen Diskriminierungen («Keine Schwulen erwünscht»; «Keine
Heteros erwünscht») strafbar wären, kommt es bei der positiven Diskriminierung (Anschrift:
«Schwulensauna», «Heterosauna») darauf an, ob der Intention nach dennoch eine negative
Diskriminierung vorliegt. Es wird in der Rechtslehre von gewichtigen Stimmen wie SCHLEIMINGER
METTLER, NIGGLI oder DONATSCH/THOMMEN/WOHLERS auf die Problematik hingewiesen,
wonach faktisch eine negative Diskriminierung vorliege, wenn die positive Diskriminierung den
Ausschluss einer spezifischen Person oder Gruppe bezwecke. Zu denken sei insbesondere an den
Fall, wo eine Gruppe im Gesamtverhältnis stark dominiert, weil sie etwa quantitativ die überwiegende
Mehrheit darstellt (z.B. Angebot an hellhäutige Menschen im schweizerischen Gesamtverhältnis). Die
Rassismus-Strafnorm stellt also faktisch tatsächlich ein Sonderschutz für bestimmte Minderheiten dar.
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2.

Es stimmt zwar, dass mit der Erweiterung des Zensurgesetzes sexuelle Gruppierungen
auch im Kollektiv geschützt würden, d.h. wenn eine «diskriminierende» Äusserung nicht
bestimmte Personen, sondern z.B. die Homosexuellen als Kollektiv meint. Einen solchen
Sonderschutz geniessen aber andere Gruppierungen wie die Fettleibigen, die Raucher,
die SVP-Wähler oder die Vegetarier, die allesamt viel einstecken müssen, ebenfalls nicht.

3.

Hier handelt es sich um eine irreführende Vereinfachung. Sogar die Eidgenössische
Kommission gegen Rassismus schreibt: «Ein rassistischer Spruch am Stammtisch ist dann
strafbar, wenn Personen, zu denen kein Vertrauensverhältnis besteht, die Äusserung
mithören können. Die sich äussernde Person muss sich zusätzlich bewusst sein, dass
unbekannte Personen anwesend sind oder sein könnten. Hören nur Leute am
Stammtisch mit, ist die Handlung grundsätzlich privat, da sich die Personen in der Regel
kennen.»5

Aber auch das aus rechtsstaatlicher Sicht grundsätzlich Problematische an der
Ausweitung von Art. 261bis StGB wird den Stimmbürgern vorenthalten:

4.

Gerade beim Begriff der Menschenwürde, den der Verfassungsgeber wegen seiner
Prinzipienhaftigkeit nicht näher definieren wollte, liegt der Hund begraben, der im Falle
der Erweiterung des Zensurgesetzes erhebliche Rechtsunsicherheit und richterliche
Willkür mit sich bringen wird. Geschützt werden sollen laut dem Bundesgericht in einer
pluralistischen Gesellschaft alle Menschenbilder, und somit verschiedene Konzeptionen
des Begriffs Menschenwürde: «Je klarer ihre Konturen sind und je besser demnach

5https://www.ekr.admin.ch/rechtsgrundlagen/d205.html; mehr zur Stammtisch-Thematik unter:
https://zensurgesetz-nein.ch/erweiterte-rassismus-strafnorm-stammtisch-kultur-bedroht/
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Achtung und Schutz gelingen, desto grösser ist das Risiko der Ein- und Ausgrenzung von
Menschen», heisst es in einem Urteil des Lausanner Gerichts von 20176. Was den Inhalt
der Menschenwürde ausmache, müsse in einer liberalen Gesellschaft daher letztlich
offenbleiben.

Bezogen auf Art. 261bis stellt sich demnach die Frage, welches Menschenbild der Richter
zugrunde legen soll, wenn er zu beurteilen hat, ob eine Diskriminierung oder
Herabsetzung im konkreten Fall «in einer gegen die Menschenwürde verstossenden
Weise» (Absatz 4) erfolgt. Wie auch Rechtsexperten, die der Rassismus-Strafnorm
wohlgesonnen gegenüberstehen, einräumen müssen, «ist es immer auch eine Frage
gesellschaftlicher Sensibilitäten und politischer Machtstrukturen, in welchen Fällen die
Menschenwürde als verletzt angesehen wird und in welchen nicht»7. So die Juristin Vera
Leimgruber in einer Publikation der «Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus».
Damit aber ist der Weg geebnet für Diskriminierungen von Menschen, welche die
Menschenwürde anders verstehen als der Mainstream von Politik und Gesellschaft.

Somit aber wird die Rassismus-Strafnorm, anstatt Diskriminierungen auszuräumen, leicht
neue schaffen (vgl. Punkt 5 und 6). Laut dem Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth (vgl.
sein Kommentar zum Besondern Teil des Strafrechts) stellt Artikel 261bis StGB ein
Lehrstück dafür dar, wie «Strafrechtgesetzgebung nicht betrieben werden sollte». Der
Text weise «schwere Mängel» auf und namentlich das Tatbestandsmerkmal der
Menschenwürde genüge dem Bestimmtheitsgebot des Strafrechts nicht. Damit
einhergehend ist mit erheblicher Rechtsunsicherheit zu rechnen. Diese führt zu
Selbstzensur, wie sie unter totalitären Regimen üblich ist, weil niemand genau weiss, wo
die Grenzen dessen liegen, was noch getan oder gesagt werden darf.

5.

Bereits das Gesagte macht deutlich, dass es sich hier um eine willkürliche Behauptung
handelt. Denn gerade Menschenbilder, die nicht dem gesellschaftlichen Mainstream
entsprechen, könnten – auch wenn sie mit Hass und Hetze nichts am Hut haben – leicht
in den Bereich des Strafbaren fallen. Zwischen der Würde einer Person einerseits und
ihrem Verhalten, ihrer Lebensweise und ihren Meinungen anderseits zu unterscheiden,
ist ein Kerngehalt des christlichen Menschenbildes. Darauf gründet letztlich auch die
Bürgertugend der Toleranz. Die erweiterte Rassismus-Strafnorm birgt allerdings die
Gefahr, diese Unterscheidung zu unterlaufen. Gemäss einem Rechtsgutachten aus einer
renommierten Zürcher Anwaltskanzlei8 dürfte künftig z.B. die öffentlich getätigte

6 http://relevancy.bger.ch/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F143-IV-
77%3Afr&lang=fr&type=show_document
7 https://www.ekr.admin.ch/d820.html
8 Vgl. https://zensurgesetz-nein.ch/rechtsgutachten-bestaetigt-erweiterte-rassismus-strafnorm-

kollidiert-mit-meinungs-gewissens-und-gewerbefreiheit/
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Aussage, homosexuelles Verhalten sei heterosexuellem Verhalten moralisch unterlegen,
den objektiven Tatbestand von Artikel 261bis erfüllen.

Dies ist brandgefährlich, weil damit differenzierte Menschenbilder, die zwischen Person
und Handlung von (homosexuellen) Menschen unterscheiden, gerade um deren
Menschenwürde zu wahren, pauschal als menschenverachtend kriminalisiert werden.
Wie unrecht man damit Bürgern tun kann, zeigt ein Interview des Sittener Bischofs Jean-
Mary Lovey mit «Le Nouvelliste» vom August 2015, das schon damals für viel Empörung
sorgte. Der Kirchenmann vertrat darin die Ansicht, dass Homosexualität «geheilt werden
kann». Auf Rückfrage, ob er Homosexualität also als Krankheit ansehe, meinte er: «Nein,
es ist eine Schwäche der Natur, die sich darin zeigt, dass betroffene Personen und ihr
Umfeld real leiden. Doch dadurch wird dem Menschsein der homosexuellen Person und
ihrer Würde nichts genommen.» Ungeachtet dieser menschenfreundlichen
Differenzierung: Auch Bischof Lovey müsste dem Rechtsgutachten zufolge künftig unter
Umständen mit einer Verurteilung rechnen, vorausgesetzt, dass ihm Vorsätzlichkeit
nachgewiesen werden kann.

6.

Der Bundesrat behauptet (Argumente, S. 7), die Erweiterung des Strafrechts würde den
Schutz vor Diskriminierung verbessern. Tatsache ist vielmehr, dass das Zensurgesetz
Sonderrechte schafft auf Kosten der Grundrechte all derjenigen, die Vorbehalte haben
gegenüber der Lebensweise sexueller Minderheiten. Auch diese LGBT-kritischen
Bevölkerungsteile sind in unserer Gesellschaft mittlerweile eine Minderheit, und ihre
Gewissensüberzeugungen sind ebenso zu schützen.

Das in der Bundesverfassung verankerte Diskriminierungsverbot (Art. 8), auf das sich der
Bundesrat beruft (Argumente, S. 7), gilt primär für den Staat im Verhältnis zu seinen
Bürgern. Der Staat muss alle Bürger unterschiedslos gleich behandeln. Das Verbot,
diskriminieren (d.h. unterscheiden) zu dürfen, per Strafgesetz immer mehr auf die
Beziehungen zwischen Privaten zu übertragen, ist ein Angriff auf den liberalen
Rechtsstaat. Denn Freiheit besteht bekanntlich nicht primär darin, alles tun zu können,
was man will, sondern vor allem nicht gezwungen werden zu können, etwas zu tun, was
man nicht will.
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Mit Blick auf Absatz 5 der Strafnorm, der Leistungsverweigerungen unter Strafe stellt, ist
darum mit empfindlichen Beschneidungen der Religions-, Gewissens- und
Gewerbefreiheit zu rechnen. Eine Organisation für Adoptionsvermittlung, die ihre
Dienstleistungen nur heterosexuellen Paaren anbieten will, weil sie die Ansicht vertritt,
dass Kinder idealerweise einen Vater und eine Mutter brauchen, müsste laut dem
besagten Rechtsgutachten9 ebenso mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen wie ein
Bischof, der einem Theologen eine Anstellung deswegen verwehrt, weil er in einer
eingetragenen Partnerschaft lebt – ein identischer Fall hat sich 2017 im Bistum Basel
ereignet. Und auch der Konditor, der aus Gewissensgründen keine Torte für eine
gleichgeschlechtliche Hochzeitsfeier backen möchte, könnte ins Visier der Strafverfolgung
geraten. Das Gutachten geht davon aus, dass die Ablehnung der gleichgeschlechtlichen
Ehe aus «Gewissensgründen» nicht als sachlicher Grund für eine Leistungsverweigerung
gelten dürfte. Dies, «zumal ansonsten Artikel 261bis Abs. 5 StGB mit Berufung auf das
Gewissen vollständig ausgehebelt werden könnte.»

Handkehrum soll ein linker Hotelier sich weiterhin weigern können, einen EDU-
Parteiausflug zu beherbergen. Und ein Restaurant wird weiterhin nicht dazu verpflichtet
werden können, vegane Menüs anzubieten. Und das ist auch gut so. Anstössig ist es nur,
dass bestimmte Grüppchen Sonderrechte geniessen sollen.

7.

Bereits    obige    Ausführungen      zeigen,  dass    auch    dieser    Abschnitt    des
Abstimmungsbüchleins nur sehr bedingt richtig ist. Für den Sachkundigen klingt dies alles
mehr nach schönfärberischer Beschwichtigung, als nach sachlicher Information.
Selbstverständlich dürfte weiterhin über die «Ehe für alle» debattiert werden, allerdings
mit gravierenden Einschränkungen. Bereits die durchaus begründbare Bemerkung, der
gesellschaftliche Wert einer heterosexuellen Ehe sei demjenigen einer homosexuellen
Ehe überlegen, könnte – wenn wir die Ergebnisse des Rechtsgutachtens analog anwenden
– strafrechtlich sanktioniert werden.

9   Vgl. ebd.
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Auch bei der Äusserung religiöser Ansichten müsste mit deutlichen Einschränkungen
gerechnet werden, wie bereits das Beispiel mit dem Sittener Bischof unter Punkt 5 zeigt.
Darauf deutet auch der Strafrechtler Valentin Landmann im Tagesanzeiger-Interview10
hin, wenn er erklärt, dass Pfarrer künftig sehr vorsichtig sein müssen, wie sie sich äussern:
«Religiöse Schriften zitieren muss (…) möglich bleiben. Entscheidend ist, wie jemand diese
Schriften interpretiert und was er daraus folgert. Einwandfrei wäre folgende Aussage
eines Pfarrers: Die Homosexualität ist laut der Bibel eine Sünde. In unserem Rechtssystem
ist Homosexualität aber geschützt und darf nicht verurteilt werden.» Der Pfarrer müsste
sich also, um sicher keine Strafverfolgung zu riskieren, in seinem Statement jeweils von
der Bibel distanzieren und seine eigentliche Überzeugung leugnen.

Und was Witze anbelangt, erklärt die ehemalige Richterin des Bundesverwaltungsgerichts
Salome Zimmermann, die sich für die Erweiterung der Strafnorm einsetzt, im gleichen
Tagesanzeiger-Interview11: «Soll ich einen erzählen? ‘Wie viele Schwule und Lesben
braucht es, um eine Glühbirne zu wechseln? Antwort: Ganz viele, denn, wenn das Licht
wieder brennt, haben immer einige von ihnen das Gefühl, sie erschienen nie im rechten
Licht. Und die Schwulen sind ohnehin unzufrieden, weil es nicht dunkel ist.’ Wir haben im
Team über diesen Witz diskutiert. Der erste Teil ist ganz klar erlaubt. Aber auch für den
zweiten Teil sind wir der Meinung, dass dieser Witz erlaubt wäre. Es gibt nun einmal
Darkrooms. So, wie es ähnliche Angebote auch für Heterosexuelle gibt. Noch ein Witz, der
erlaubt ist: «Wohin fliegt ein schwuler Adler? Zu seinem Horst.» Wohlwollende Witze – das
sind ja auch die guten Witze –, darf man immer machen. Nicht erlaubt sein werden wohl
Schwulenwitze, bei denen es um Analverkehr geht, aber da fehlt auch das Wohlwollen.»

Argumente von «Bundesrat und Parlament», S. 24 f.

Zur Haltung des Bundesrats gilt es zunächst in Erinnerung zu rufen: Der Bundesrat
äusserte sich vor dem Parlamentsbeschluss durchaus kritisch zur Erweiterung der
Rassismus-Strafnorm. In seinem Bericht zur parlamentarischen Initiative Reynard bzw. in
der Ratsdebatte vertrat er die Ansicht, dass diese Gesetzesverschärfung «nicht
vordringlich» bzw. «nicht zwingend» sei. Er wies darauf hin, dass das Strafrecht nur als
letztes Mittel (Ultima Ratio) gegen gesellschaftliche Missstände eingesetzt werden sollte.
Konkret sagte die damalige Justizministerin Simonetta Sommaruga in der
Nationalratsdebatte in der Herbstsession 2018: «Der Bundesrat hat auch schon früher
bekundet, dass aus seiner Sicht das geltende Recht bereits weitgehenden Schutz vor
Hassreden und Hasstaten sowie Diskriminierungen gegenüber Personen aufgrund ihrer
sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität bietet. (…) Das heisst, der Bundesrat
erachtet es nicht als zwingend, den strafrechtlichen Schutz zu erweitern.» Nur weil sich
der National- und Ständerat mehrheitlich für die Gesetzeserweiterung ausgesprochen
haben, ist der Bundesrat nun verpflichtet, ebenfalls für ein Ja einzutreten.

10   https://interaktiv.tagesanzeiger.ch/2020/darf-man-noch-schwulenwitze-machen/
11   https://interaktiv.tagesanzeiger.ch/2020/darf-man-noch-schwulenwitze-machen/
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8.

Es erstaunt insbesondere, mit welcher Absolutheit Bundesrat und Parlament vorgeben zu
wissen, welche Auswirkungen das erweiterte Zensurgesetz nach sich ziehen würde. Die in
den Punkten 1 bis 7 thematisierten Probleme zeigen, dass die Sache viel komplexer ist.
Auch die öffentliche Debatte der letzten Wochen hat dies eindrücklich gezeigt. Vor diesem
Hintergrund erscheint das «Argumentarium» von Parlament und Bundesrat als plumpe
Propaganda im Sinne einer Beschwichtigungstaktik, die mit einer sachlichen Information
der Stimmbürger nichts zu tun hat. Fachleute schätzen die Sache nämlich ganz anders
ein. Die Auswirkungen einer Erweiterung der Rassismus-Strafnorm auf die sexuelle
Orientierung wären auch für Juristen «nur schwer vorherzusehen». Zu diesem Resultat
gelangt die auf Rechtsfragen spezialisierte Journalistin Katharina Fontana in ihrer Analyse
des genannten Gutachtens in der Weltwoche vom 16. Januar 2020. Die promovierte
Juristin und langjährige Bundesgerichtskorrespondentin der NZZ zitiert mehrere der im
Gutachten besprochenen 38 Fallbeispiele und kritisiert auf dieser Grundlage die
mangelnde Vorhersehbarkeit des Gesetzes, zu dem sie abschliessend meint: «Ein gutes
Gesetz sieht anders aus.»12

Klarer kann man nicht ausdrücken, dass das Gesetz, über dessen Erweiterung am 9.
Februar abgestimmt wird, dem strafrechtlichen Grundsatz «nulla poena sine lege certa»
(Keine Strafe ohne klares Gesetz) diametral widerspricht.

9.

In der Schweiz gibt es die Gewaltenteilung. Weder Bundesrat noch Parlament haben,
nachdem sie ein Gesetz verabschiedet und in Kraft gesetzt haben, irgendeinen Einfluss
auf die Rechtsprechung. Diese hängt dann viel mehr von Entwicklungen im
internationalen Recht ab, die auch im Bereich der Diskriminierungsgesetzgebungen alles
andere als beruhigend sind (vgl. https://zensurgesetz-nein.ch/erfahrungen-ausland/). Die
Aufgabe von Legislative und Exekutive wäre es vielmehr, gute und klare Gesetze im
Dienste der Rechtssicherheit zu erarbeiten und zu beschliessen. Diesem Auftrag ist das
Parlament mit der erweiterten Rassismus-Strafnorm nicht nachgekommen.

12Vgl. https://zensurgesetz-nein.ch/rechtsgutachten-bestaetigt-erweiterte-rassismus-strafnorm-
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Schon 1994 im Abstimmungskampf zur Einführung der Rassismus-Strafnorm hatte der
Bundesrat immer wieder behauptet, Stammtischgespräche würden von der Norm nicht
erfasst. Die Rechtslehre hat sich seither in eine andere Richtung entwickelt. Dies im Zuge
einer zunehmend rigiden Auslegung des Tatbestandsmerkmals der «Öffentlichkeit», der
nicht mehr vornehmlich über die Quantität der Zuhörerschaft, sondern darüber bestimmt
wird, ob die beteiligten Personen in einem Verhältnis persönlicher Vertrautheit
zueinander stehen, oder eben nicht. In Beantwortung einer Interpellation zu dieser
Thematik antwortete der Bundesrat im Dezember 1994: «Das für unser Staatswesen
prägende Gewaltenteilungsprinzip schliesst die Garantie der richterlichen
Unabhängigkeit in sich ein. Nach dem Grundsatz der sachlichen Unabhängigkeit der
Rechtsprechung ist der Richter ausschliesslich dem Gesetz unterworfen und damit
weisungsunabhängig. Der Bundesrat hat im Vorfeld der Abstimmung auch darauf
hingewiesen. (Im Abstimmungsbüchlein zur Erweiterung der Strafnorm fehlt jedoch jeder
Hinweis in diese Richtung, Anm. des Komitees) Es ist dem Bundesrat nicht möglich, eine
absolute Zusicherung abzugeben, wonach ein Gespräch am Stammtisch von der
künftigen Rechtsprechung zu Artikel 261bis StGB nicht als öffentliche Äusserung beurteilt
werden wird, wenngleich er überzeugt ist, dass die Gerichte ein reines
Stammtischgespräch nicht als strafbar erachten werden.»

Wenn Bundesrat und Parlament heute also so tun, als wüssten sie genau, was die
Gerichte künftig verurteilen werden, führen sie das Volk bewusst hinters Licht.

10.

Dass die Wahrung des Respekts vor Strafe schützen wird, steht ebenso in den Sternen
geschrieben, wie so ziemlich alles, was Bundesrat und Parlament als Argument ins Feld
führen. Der Verweis auf die Menschenwürde (vgl. Punkt 5) ist substanzlos, weil der
Gesetzgeber nie bestimmt hat, was darunter genau zu verstehen ist, und es so dem
Gutdünken der Juristen und Richter überlassen ist, was sie – je nach ihrem
weltanschaulichen Hintergrund – als Herabsetzung der Menschenwürde erachten und
bestrafen.
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