Zensurgesetz: "Fake News im Abstimmungsbüchlein" - Nein zu diesem ...
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Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz!» Postfach 43 | 3602 Thun info@zensurgesetz-nein.ch www.zensurgesetz-nein.ch Zensurgesetz: «Fake News im Abstimmungsbüchlein» Seit dem Skandal um die massiv irreführenden Zahlen, die der Bundesrat 2016 zur Heiratsstrafe-Initiative der CVP in Umlauf brachte und damit den Ausgang der Abstimmung mit grosser Wahrscheinlichkeit entscheidend beeinflusst hat, ist Vorsicht geboten. Auch im Hinblick auf die Volksabstimmung vom 9. Februar 2020 über das Zensurgesetz warten die «Erläuterungen des Bundesrats»1 mit etlichen Falschinformationen und Halbwahrheiten auf – und zwar nicht nur im Teil mit den Argumenten von «Bundesrat und Parlament» (S, 7; 24 f.), sondern auch bei der Vorstellung der Vorlage («Im Kürze», S. 6; «Im Detail», S. 18-21). Das Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz» kommentiert und korrigiert im Folgenden einige Passagen aus dem Abstimmungsbüchlein, damit die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am 9. Februar ihr in Art. 34 der Bundesverfassung verankertes Grundrecht auf «freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe» ungeschmälert wahrnehmen können: Vorlage in Kürze und im Detail, S. 6; 18-21 1. Dieser Absatz suggeriert, Angehörige sexueller Minderheiten könnten sich heute gegen verbale und tätliche Angriffe nicht oder nur sehr ungenügend zur Wehr setzen. Das trifft keineswegs zu, wie auch der Bundesrat noch in der Parlamentsdebatte klar festhielt (vgl. letzte Frage unter: https://zensurgesetz-nein.ch/faq/). Für alle in der Schweiz lebenden Menschen besteht der gleiche strafrechtliche Schutz ihrer Persönlichkeit und Würde. Ehrverletzungsdelikte und tätlichen Angriffe sind bereits heute strafbar. Auch Aufrufe zu Gewalt werden bereits geahndet. Mehr dazu unter: https://zensurgesetz- nein.ch/argumente-lang/#kapitel6 Wie die Zahlen der privaten, von Lobbygruppen betriebenen Meldestelle «LGBT-Helpline» zeigen, umfassen die Diskriminierungserfahrungen, von denen Angehörige sexueller 1 https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/abstimmungen/20200209.html
Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz!» Postfach 43 | 3602 Thun info@zensurgesetz-nein.ch www.zensurgesetz-nein.ch Minderheiten betroffen sind, besonders Gewalt- und Ehrverletzungsdelikte. So kommt es leider vor, dass Schwule und Lesben wegen ihrer sexuellen Orientierung tatsächlich bespuckt, beschimpft und tätlich angegangen werden. Das ist in aller Form zu verurteilen, doch kein Grund, neue Strafbestimmungen einzuführen. Denn einerseits sind homophobe Gewaltdelikte verglichen mit Delikten aus anderen Motiven bzw. gegen andere Gruppen nicht überdurchschnittlich häufig. Darauf deuten auch Polizeistatistiken hin.2 Und anderseits sind diese Delikte bereits heute strafbar. So etwa könnten praktisch ausnahmslos alle bei der «LGBT-Helpline» eingehenden Diskriminierungsfälle (gemäss der zuletzt veröffentlichten Statistik von 2018 waren es innerhalb eines Jahres 95 Fälle)3 schon heute bei der Polizei zur Anzeige gebracht werden. Im Zeitraum von November 2016 bis Dezember 2017 sind wöchentlich zwei Fälle bei der Helpline gemeldet worden. Aber nur in 19 Prozent der Fälle wurde auch die Polizei informiert. 2019 sollen laut Medienberichten bei der Helpline bereits vier Fälle pro Woche gemeldet worden sein, wobei die Steigerung nicht auf eine Zunahme von Gewalttaten zurückgeführt wird, sondern auf die steigende Bereitschaft, über erlebte Vorkommnisse auch zu reden. Das zeigt deutlich: Anstatt weitere unnötige, ja kontraproduktive Gesetze zu schaffen, sollen betroffene Menschen dazu ermutigt werden, die bestehenden Rechtsgrundlagen auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen – indem sie Vorfälle konsequent zur Anzeige bringen. Die Erweiterung des Zensurgesetzes, das am 9. Februar zur Abstimmung kommt, schliesst also keine wirkliche Gesetzeslücke, sondern schafft faktisch Sonderrechte für einzelne Menschen und Minderheiten, die sich über ihre sexuelle Orientierung definieren.4 Dies aber wird im Abstimmungsbüchlein kurzerhand verschwiegen, wenn es dort heisst: 2 Laut einer Untersuchung der Polizeirapporte im Kanton Zürich sind in den Jahren 2017 und 2018 in weniger als zehn Fällen LGBTI-Feindlichkeit als Grund für eine Gewalttat angegeben worden. Vgl. Antwort des Zürcher Regierungsrat auf die Interpellation «Statistik im Bereich LGBTI-feindlichen Aggressionen», August 2019: https://www.zh.ch/bin/ktzh/rrb/beschluss.pdf?rrbNr=728&name=RRB- 2019-0728&year=2019&_char-set_=UTF-8 3 Es handelt sich bei den gemeldeten Fällen praktisch ausnahmslos um Fälle von Gewalt und Ehrverletzung. Vgl. LGBT+ Helpline (2018), Hate Crimes an Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transmenschen in der Schweiz, Bericht über das Monitoring homo-, bi- und transphober Diskriminierung & Gewalt in der Schweiz: https://www.tgns.ch/wp-content/uploads/2018/05/LGBTI- Hate-Crime-Bericht-2018.pdf 4 Zwar ist dem Wortlaut nach auch die heterosexuelle Mehrheit geschützt. Diese versteht sich aber nicht als ein Kollektiv, wie dies bei den Homosexuellen der Fall ist, die sich in Lobby-Gruppen organisieren. Auch aufgrund der in der Rechtslehre gängigen Unterscheidung zwischen positiver und negativer Diskriminierung ist damit zu rechnen, dass Homosexuelle künftig einen Sonderschutz geniessen werden. Während alle negativen Diskriminierungen («Keine Schwulen erwünscht»; «Keine Heteros erwünscht») strafbar wären, kommt es bei der positiven Diskriminierung (Anschrift: «Schwulensauna», «Heterosauna») darauf an, ob der Intention nach dennoch eine negative Diskriminierung vorliegt. Es wird in der Rechtslehre von gewichtigen Stimmen wie SCHLEIMINGER METTLER, NIGGLI oder DONATSCH/THOMMEN/WOHLERS auf die Problematik hingewiesen, wonach faktisch eine negative Diskriminierung vorliege, wenn die positive Diskriminierung den Ausschluss einer spezifischen Person oder Gruppe bezwecke. Zu denken sei insbesondere an den Fall, wo eine Gruppe im Gesamtverhältnis stark dominiert, weil sie etwa quantitativ die überwiegende Mehrheit darstellt (z.B. Angebot an hellhäutige Menschen im schweizerischen Gesamtverhältnis). Die Rassismus-Strafnorm stellt also faktisch tatsächlich ein Sonderschutz für bestimmte Minderheiten dar.
Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz!» Postfach 43 | 3602 Thun info@zensurgesetz-nein.ch www.zensurgesetz-nein.ch 2. Es stimmt zwar, dass mit der Erweiterung des Zensurgesetzes sexuelle Gruppierungen auch im Kollektiv geschützt würden, d.h. wenn eine «diskriminierende» Äusserung nicht bestimmte Personen, sondern z.B. die Homosexuellen als Kollektiv meint. Einen solchen Sonderschutz geniessen aber andere Gruppierungen wie die Fettleibigen, die Raucher, die SVP-Wähler oder die Vegetarier, die allesamt viel einstecken müssen, ebenfalls nicht. 3. Hier handelt es sich um eine irreführende Vereinfachung. Sogar die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus schreibt: «Ein rassistischer Spruch am Stammtisch ist dann strafbar, wenn Personen, zu denen kein Vertrauensverhältnis besteht, die Äusserung mithören können. Die sich äussernde Person muss sich zusätzlich bewusst sein, dass unbekannte Personen anwesend sind oder sein könnten. Hören nur Leute am Stammtisch mit, ist die Handlung grundsätzlich privat, da sich die Personen in der Regel kennen.»5 Aber auch das aus rechtsstaatlicher Sicht grundsätzlich Problematische an der Ausweitung von Art. 261bis StGB wird den Stimmbürgern vorenthalten: 4. Gerade beim Begriff der Menschenwürde, den der Verfassungsgeber wegen seiner Prinzipienhaftigkeit nicht näher definieren wollte, liegt der Hund begraben, der im Falle der Erweiterung des Zensurgesetzes erhebliche Rechtsunsicherheit und richterliche Willkür mit sich bringen wird. Geschützt werden sollen laut dem Bundesgericht in einer pluralistischen Gesellschaft alle Menschenbilder, und somit verschiedene Konzeptionen des Begriffs Menschenwürde: «Je klarer ihre Konturen sind und je besser demnach 5https://www.ekr.admin.ch/rechtsgrundlagen/d205.html; mehr zur Stammtisch-Thematik unter: https://zensurgesetz-nein.ch/erweiterte-rassismus-strafnorm-stammtisch-kultur-bedroht/
Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz!» Postfach 43 | 3602 Thun info@zensurgesetz-nein.ch www.zensurgesetz-nein.ch Achtung und Schutz gelingen, desto grösser ist das Risiko der Ein- und Ausgrenzung von Menschen», heisst es in einem Urteil des Lausanner Gerichts von 20176. Was den Inhalt der Menschenwürde ausmache, müsse in einer liberalen Gesellschaft daher letztlich offenbleiben. Bezogen auf Art. 261bis stellt sich demnach die Frage, welches Menschenbild der Richter zugrunde legen soll, wenn er zu beurteilen hat, ob eine Diskriminierung oder Herabsetzung im konkreten Fall «in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise» (Absatz 4) erfolgt. Wie auch Rechtsexperten, die der Rassismus-Strafnorm wohlgesonnen gegenüberstehen, einräumen müssen, «ist es immer auch eine Frage gesellschaftlicher Sensibilitäten und politischer Machtstrukturen, in welchen Fällen die Menschenwürde als verletzt angesehen wird und in welchen nicht»7. So die Juristin Vera Leimgruber in einer Publikation der «Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus». Damit aber ist der Weg geebnet für Diskriminierungen von Menschen, welche die Menschenwürde anders verstehen als der Mainstream von Politik und Gesellschaft. Somit aber wird die Rassismus-Strafnorm, anstatt Diskriminierungen auszuräumen, leicht neue schaffen (vgl. Punkt 5 und 6). Laut dem Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth (vgl. sein Kommentar zum Besondern Teil des Strafrechts) stellt Artikel 261bis StGB ein Lehrstück dafür dar, wie «Strafrechtgesetzgebung nicht betrieben werden sollte». Der Text weise «schwere Mängel» auf und namentlich das Tatbestandsmerkmal der Menschenwürde genüge dem Bestimmtheitsgebot des Strafrechts nicht. Damit einhergehend ist mit erheblicher Rechtsunsicherheit zu rechnen. Diese führt zu Selbstzensur, wie sie unter totalitären Regimen üblich ist, weil niemand genau weiss, wo die Grenzen dessen liegen, was noch getan oder gesagt werden darf. 5. Bereits das Gesagte macht deutlich, dass es sich hier um eine willkürliche Behauptung handelt. Denn gerade Menschenbilder, die nicht dem gesellschaftlichen Mainstream entsprechen, könnten – auch wenn sie mit Hass und Hetze nichts am Hut haben – leicht in den Bereich des Strafbaren fallen. Zwischen der Würde einer Person einerseits und ihrem Verhalten, ihrer Lebensweise und ihren Meinungen anderseits zu unterscheiden, ist ein Kerngehalt des christlichen Menschenbildes. Darauf gründet letztlich auch die Bürgertugend der Toleranz. Die erweiterte Rassismus-Strafnorm birgt allerdings die Gefahr, diese Unterscheidung zu unterlaufen. Gemäss einem Rechtsgutachten aus einer renommierten Zürcher Anwaltskanzlei8 dürfte künftig z.B. die öffentlich getätigte 6 http://relevancy.bger.ch/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F143-IV- 77%3Afr&lang=fr&type=show_document 7 https://www.ekr.admin.ch/d820.html 8 Vgl. https://zensurgesetz-nein.ch/rechtsgutachten-bestaetigt-erweiterte-rassismus-strafnorm- kollidiert-mit-meinungs-gewissens-und-gewerbefreiheit/
Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz!» Postfach 43 | 3602 Thun info@zensurgesetz-nein.ch www.zensurgesetz-nein.ch Aussage, homosexuelles Verhalten sei heterosexuellem Verhalten moralisch unterlegen, den objektiven Tatbestand von Artikel 261bis erfüllen. Dies ist brandgefährlich, weil damit differenzierte Menschenbilder, die zwischen Person und Handlung von (homosexuellen) Menschen unterscheiden, gerade um deren Menschenwürde zu wahren, pauschal als menschenverachtend kriminalisiert werden. Wie unrecht man damit Bürgern tun kann, zeigt ein Interview des Sittener Bischofs Jean- Mary Lovey mit «Le Nouvelliste» vom August 2015, das schon damals für viel Empörung sorgte. Der Kirchenmann vertrat darin die Ansicht, dass Homosexualität «geheilt werden kann». Auf Rückfrage, ob er Homosexualität also als Krankheit ansehe, meinte er: «Nein, es ist eine Schwäche der Natur, die sich darin zeigt, dass betroffene Personen und ihr Umfeld real leiden. Doch dadurch wird dem Menschsein der homosexuellen Person und ihrer Würde nichts genommen.» Ungeachtet dieser menschenfreundlichen Differenzierung: Auch Bischof Lovey müsste dem Rechtsgutachten zufolge künftig unter Umständen mit einer Verurteilung rechnen, vorausgesetzt, dass ihm Vorsätzlichkeit nachgewiesen werden kann. 6. Der Bundesrat behauptet (Argumente, S. 7), die Erweiterung des Strafrechts würde den Schutz vor Diskriminierung verbessern. Tatsache ist vielmehr, dass das Zensurgesetz Sonderrechte schafft auf Kosten der Grundrechte all derjenigen, die Vorbehalte haben gegenüber der Lebensweise sexueller Minderheiten. Auch diese LGBT-kritischen Bevölkerungsteile sind in unserer Gesellschaft mittlerweile eine Minderheit, und ihre Gewissensüberzeugungen sind ebenso zu schützen. Das in der Bundesverfassung verankerte Diskriminierungsverbot (Art. 8), auf das sich der Bundesrat beruft (Argumente, S. 7), gilt primär für den Staat im Verhältnis zu seinen Bürgern. Der Staat muss alle Bürger unterschiedslos gleich behandeln. Das Verbot, diskriminieren (d.h. unterscheiden) zu dürfen, per Strafgesetz immer mehr auf die Beziehungen zwischen Privaten zu übertragen, ist ein Angriff auf den liberalen Rechtsstaat. Denn Freiheit besteht bekanntlich nicht primär darin, alles tun zu können, was man will, sondern vor allem nicht gezwungen werden zu können, etwas zu tun, was man nicht will.
Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz!» Postfach 43 | 3602 Thun info@zensurgesetz-nein.ch www.zensurgesetz-nein.ch Mit Blick auf Absatz 5 der Strafnorm, der Leistungsverweigerungen unter Strafe stellt, ist darum mit empfindlichen Beschneidungen der Religions-, Gewissens- und Gewerbefreiheit zu rechnen. Eine Organisation für Adoptionsvermittlung, die ihre Dienstleistungen nur heterosexuellen Paaren anbieten will, weil sie die Ansicht vertritt, dass Kinder idealerweise einen Vater und eine Mutter brauchen, müsste laut dem besagten Rechtsgutachten9 ebenso mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen wie ein Bischof, der einem Theologen eine Anstellung deswegen verwehrt, weil er in einer eingetragenen Partnerschaft lebt – ein identischer Fall hat sich 2017 im Bistum Basel ereignet. Und auch der Konditor, der aus Gewissensgründen keine Torte für eine gleichgeschlechtliche Hochzeitsfeier backen möchte, könnte ins Visier der Strafverfolgung geraten. Das Gutachten geht davon aus, dass die Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe aus «Gewissensgründen» nicht als sachlicher Grund für eine Leistungsverweigerung gelten dürfte. Dies, «zumal ansonsten Artikel 261bis Abs. 5 StGB mit Berufung auf das Gewissen vollständig ausgehebelt werden könnte.» Handkehrum soll ein linker Hotelier sich weiterhin weigern können, einen EDU- Parteiausflug zu beherbergen. Und ein Restaurant wird weiterhin nicht dazu verpflichtet werden können, vegane Menüs anzubieten. Und das ist auch gut so. Anstössig ist es nur, dass bestimmte Grüppchen Sonderrechte geniessen sollen. 7. Bereits obige Ausführungen zeigen, dass auch dieser Abschnitt des Abstimmungsbüchleins nur sehr bedingt richtig ist. Für den Sachkundigen klingt dies alles mehr nach schönfärberischer Beschwichtigung, als nach sachlicher Information. Selbstverständlich dürfte weiterhin über die «Ehe für alle» debattiert werden, allerdings mit gravierenden Einschränkungen. Bereits die durchaus begründbare Bemerkung, der gesellschaftliche Wert einer heterosexuellen Ehe sei demjenigen einer homosexuellen Ehe überlegen, könnte – wenn wir die Ergebnisse des Rechtsgutachtens analog anwenden – strafrechtlich sanktioniert werden. 9 Vgl. ebd.
Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz!» Postfach 43 | 3602 Thun info@zensurgesetz-nein.ch www.zensurgesetz-nein.ch Auch bei der Äusserung religiöser Ansichten müsste mit deutlichen Einschränkungen gerechnet werden, wie bereits das Beispiel mit dem Sittener Bischof unter Punkt 5 zeigt. Darauf deutet auch der Strafrechtler Valentin Landmann im Tagesanzeiger-Interview10 hin, wenn er erklärt, dass Pfarrer künftig sehr vorsichtig sein müssen, wie sie sich äussern: «Religiöse Schriften zitieren muss (…) möglich bleiben. Entscheidend ist, wie jemand diese Schriften interpretiert und was er daraus folgert. Einwandfrei wäre folgende Aussage eines Pfarrers: Die Homosexualität ist laut der Bibel eine Sünde. In unserem Rechtssystem ist Homosexualität aber geschützt und darf nicht verurteilt werden.» Der Pfarrer müsste sich also, um sicher keine Strafverfolgung zu riskieren, in seinem Statement jeweils von der Bibel distanzieren und seine eigentliche Überzeugung leugnen. Und was Witze anbelangt, erklärt die ehemalige Richterin des Bundesverwaltungsgerichts Salome Zimmermann, die sich für die Erweiterung der Strafnorm einsetzt, im gleichen Tagesanzeiger-Interview11: «Soll ich einen erzählen? ‘Wie viele Schwule und Lesben braucht es, um eine Glühbirne zu wechseln? Antwort: Ganz viele, denn, wenn das Licht wieder brennt, haben immer einige von ihnen das Gefühl, sie erschienen nie im rechten Licht. Und die Schwulen sind ohnehin unzufrieden, weil es nicht dunkel ist.’ Wir haben im Team über diesen Witz diskutiert. Der erste Teil ist ganz klar erlaubt. Aber auch für den zweiten Teil sind wir der Meinung, dass dieser Witz erlaubt wäre. Es gibt nun einmal Darkrooms. So, wie es ähnliche Angebote auch für Heterosexuelle gibt. Noch ein Witz, der erlaubt ist: «Wohin fliegt ein schwuler Adler? Zu seinem Horst.» Wohlwollende Witze – das sind ja auch die guten Witze –, darf man immer machen. Nicht erlaubt sein werden wohl Schwulenwitze, bei denen es um Analverkehr geht, aber da fehlt auch das Wohlwollen.» Argumente von «Bundesrat und Parlament», S. 24 f. Zur Haltung des Bundesrats gilt es zunächst in Erinnerung zu rufen: Der Bundesrat äusserte sich vor dem Parlamentsbeschluss durchaus kritisch zur Erweiterung der Rassismus-Strafnorm. In seinem Bericht zur parlamentarischen Initiative Reynard bzw. in der Ratsdebatte vertrat er die Ansicht, dass diese Gesetzesverschärfung «nicht vordringlich» bzw. «nicht zwingend» sei. Er wies darauf hin, dass das Strafrecht nur als letztes Mittel (Ultima Ratio) gegen gesellschaftliche Missstände eingesetzt werden sollte. Konkret sagte die damalige Justizministerin Simonetta Sommaruga in der Nationalratsdebatte in der Herbstsession 2018: «Der Bundesrat hat auch schon früher bekundet, dass aus seiner Sicht das geltende Recht bereits weitgehenden Schutz vor Hassreden und Hasstaten sowie Diskriminierungen gegenüber Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität bietet. (…) Das heisst, der Bundesrat erachtet es nicht als zwingend, den strafrechtlichen Schutz zu erweitern.» Nur weil sich der National- und Ständerat mehrheitlich für die Gesetzeserweiterung ausgesprochen haben, ist der Bundesrat nun verpflichtet, ebenfalls für ein Ja einzutreten. 10 https://interaktiv.tagesanzeiger.ch/2020/darf-man-noch-schwulenwitze-machen/ 11 https://interaktiv.tagesanzeiger.ch/2020/darf-man-noch-schwulenwitze-machen/
Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz!» Postfach 43 | 3602 Thun info@zensurgesetz-nein.ch www.zensurgesetz-nein.ch 8. Es erstaunt insbesondere, mit welcher Absolutheit Bundesrat und Parlament vorgeben zu wissen, welche Auswirkungen das erweiterte Zensurgesetz nach sich ziehen würde. Die in den Punkten 1 bis 7 thematisierten Probleme zeigen, dass die Sache viel komplexer ist. Auch die öffentliche Debatte der letzten Wochen hat dies eindrücklich gezeigt. Vor diesem Hintergrund erscheint das «Argumentarium» von Parlament und Bundesrat als plumpe Propaganda im Sinne einer Beschwichtigungstaktik, die mit einer sachlichen Information der Stimmbürger nichts zu tun hat. Fachleute schätzen die Sache nämlich ganz anders ein. Die Auswirkungen einer Erweiterung der Rassismus-Strafnorm auf die sexuelle Orientierung wären auch für Juristen «nur schwer vorherzusehen». Zu diesem Resultat gelangt die auf Rechtsfragen spezialisierte Journalistin Katharina Fontana in ihrer Analyse des genannten Gutachtens in der Weltwoche vom 16. Januar 2020. Die promovierte Juristin und langjährige Bundesgerichtskorrespondentin der NZZ zitiert mehrere der im Gutachten besprochenen 38 Fallbeispiele und kritisiert auf dieser Grundlage die mangelnde Vorhersehbarkeit des Gesetzes, zu dem sie abschliessend meint: «Ein gutes Gesetz sieht anders aus.»12 Klarer kann man nicht ausdrücken, dass das Gesetz, über dessen Erweiterung am 9. Februar abgestimmt wird, dem strafrechtlichen Grundsatz «nulla poena sine lege certa» (Keine Strafe ohne klares Gesetz) diametral widerspricht. 9. In der Schweiz gibt es die Gewaltenteilung. Weder Bundesrat noch Parlament haben, nachdem sie ein Gesetz verabschiedet und in Kraft gesetzt haben, irgendeinen Einfluss auf die Rechtsprechung. Diese hängt dann viel mehr von Entwicklungen im internationalen Recht ab, die auch im Bereich der Diskriminierungsgesetzgebungen alles andere als beruhigend sind (vgl. https://zensurgesetz-nein.ch/erfahrungen-ausland/). Die Aufgabe von Legislative und Exekutive wäre es vielmehr, gute und klare Gesetze im Dienste der Rechtssicherheit zu erarbeiten und zu beschliessen. Diesem Auftrag ist das Parlament mit der erweiterten Rassismus-Strafnorm nicht nachgekommen. 12Vgl. https://zensurgesetz-nein.ch/rechtsgutachten-bestaetigt-erweiterte-rassismus-strafnorm- kollidiert-mit-meinungs-gewissens-und-gewerbefreiheit/
Abstimmungskomitee «Nein zu diesem Zensurgesetz!» Postfach 43 | 3602 Thun info@zensurgesetz-nein.ch www.zensurgesetz-nein.ch Schon 1994 im Abstimmungskampf zur Einführung der Rassismus-Strafnorm hatte der Bundesrat immer wieder behauptet, Stammtischgespräche würden von der Norm nicht erfasst. Die Rechtslehre hat sich seither in eine andere Richtung entwickelt. Dies im Zuge einer zunehmend rigiden Auslegung des Tatbestandsmerkmals der «Öffentlichkeit», der nicht mehr vornehmlich über die Quantität der Zuhörerschaft, sondern darüber bestimmt wird, ob die beteiligten Personen in einem Verhältnis persönlicher Vertrautheit zueinander stehen, oder eben nicht. In Beantwortung einer Interpellation zu dieser Thematik antwortete der Bundesrat im Dezember 1994: «Das für unser Staatswesen prägende Gewaltenteilungsprinzip schliesst die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit in sich ein. Nach dem Grundsatz der sachlichen Unabhängigkeit der Rechtsprechung ist der Richter ausschliesslich dem Gesetz unterworfen und damit weisungsunabhängig. Der Bundesrat hat im Vorfeld der Abstimmung auch darauf hingewiesen. (Im Abstimmungsbüchlein zur Erweiterung der Strafnorm fehlt jedoch jeder Hinweis in diese Richtung, Anm. des Komitees) Es ist dem Bundesrat nicht möglich, eine absolute Zusicherung abzugeben, wonach ein Gespräch am Stammtisch von der künftigen Rechtsprechung zu Artikel 261bis StGB nicht als öffentliche Äusserung beurteilt werden wird, wenngleich er überzeugt ist, dass die Gerichte ein reines Stammtischgespräch nicht als strafbar erachten werden.» Wenn Bundesrat und Parlament heute also so tun, als wüssten sie genau, was die Gerichte künftig verurteilen werden, führen sie das Volk bewusst hinters Licht. 10. Dass die Wahrung des Respekts vor Strafe schützen wird, steht ebenso in den Sternen geschrieben, wie so ziemlich alles, was Bundesrat und Parlament als Argument ins Feld führen. Der Verweis auf die Menschenwürde (vgl. Punkt 5) ist substanzlos, weil der Gesetzgeber nie bestimmt hat, was darunter genau zu verstehen ist, und es so dem Gutdünken der Juristen und Richter überlassen ist, was sie – je nach ihrem weltanschaulichen Hintergrund – als Herabsetzung der Menschenwürde erachten und bestrafen.
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