ALLES ONLINE, ABER WO BLEIBT DIE MOTIVATION?
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COACHING ALLES ONLINE, ABER WO BLEIBT DIE MOTIVATION? Der Einsatz von digitalen Medien in der Aus- und Weiterbildung ist in vielen Unternehmen und Betrieben angekommen. Doch das Selbstlernen im Netz passiert nicht automatisch, nur weil die Auszubildenden mit Internet und Smartphone aufgewachsen sind. Gibt es die selbstorganisierten Lernenden überhaupt? Oder wird die Motivation der Lernenden im Netz noch wichtiger? Und, wenn ja, wie funktioniert sie? Foto: iStock / AntonioGuillem 6 wir AUSBILDER 5.2018
Sind die „Digital Natives“ wirklich anders? So plausibel diese Argumentation zunächst war, sie hat 2001 wies der amerikanische Bildungsexperte Marc Prensky da- sich nicht lange halten können. Vor allem, weil die Belege für rauf hin, dass wir es zukünftig mit einer Jugend zu tun haben, dieses „anders lernen“ fehlen. Natürlich nutzen die Digital Na- die mit Computern, Videospielen und Internet aufwächst – „Di- tives andere Tools und drücken sich anders aus. Aber das heißt gital Natives“ also. Diese Jugend, so sein Weckruf, kommuniziert nicht, dass sie grundlegende Kompetenzen anders erwerben. und lernt anders als die Generationen vor ihr und sie stellt neue, Im Gegenteil: Wer eine ganze Generation als „Net Generation“ andere Anforderungen an das Bildungssystem. Dort trifft sie je- bezeichnet, übermalt die Unterschiede, die es innerhalb jeder doch auf Lehrende, die – als „Digital Immigrants“ – ihre Sprache Generation gibt. In jedem Fall liefert das Konzept der „Digital nicht oder nur schlecht beherrschen. Natives“ keinen Schlüssel für die Motivation beim Lernen mit digitalen Medien. www.wirausbilder.de 7
COACHING { FORTSETZUNG } Lernen mit digitalen Medien Die Unterscheidung nach Die Motivation der Lernenden muss diesen Grundbedürfnis- heute nicht mehr am Mangel an Lern- sen sollte Anlass für Aus- medien oder Lernangeboten schei- bilder sein, ihre bisheri- tern. Vielfältige Möglichkeiten sind gen Ansätze, Lernende vorhanden, die sich – je nach Schwer- zu motivieren, auf den punkt des Bildungs- oder Ausbildungs- Prüfstand zu stellen: konzepts – einsetzen lassen: Zahlen die Instrumente, Wir können Lerninhalte auf unter- die eingesetzt werden – die verschiedenen schiedliche Weise im Netz präsentieren. Lernspiele und Gruppenaktivitäten, die kleinen Reiz- und Beloh- Die Möglichkeiten der Präsentation reichen vom klassischen nungssysteme – auf diese Grundbedürfnisse ein? Denn nur 45-minütigen Lernprogramm, das mit einem Test abschließt, bis dann, folgt man der Theorie, stärkt man langfristig die Selbst- zum kurzen Erklärfilm, der auf den Trend des videobasierten Ler- lernkompetenzen der Teilnehmer. Geht man einen Schritt wei- nens setzt. ter, stellt sich die Frage: Wie kann das Online-Lernen so gestaltet Wir können die Kommunikation zwischen Lehrenden und werden, dass es den genannten Grundbedürfnissen gerecht Lernenden auf verschiedenen Kanälen im Netz abbilden. Der vir- wird? tuelle Kursraum als Anlaufstelle für weiterführende Informatio- nen und Selbstlernmedien ist heute fast eine Selbstverständ- Kompetenz erleben lichkeit. Das Webinar mit der Lerngruppe zur Vorbereitung, als Es gibt verschiedene Wege, die Kompetenzen und Erfahrungen Nachbereitung oder als Sprechstunde, das Diskussionsforum der Lernenden in einen Kurs und sein Design aufzunehmen. Eine oder der Chat: alles Medien, die uns nicht nur in Lernprozessen Online-Umfrage, die den Wissensstand von Auszubildenden ab- begegnen. klopft, ist schnell entwickelt und verschickt. Sie gibt die Möglich- Wir können Aufgaben,ÜbungenundverschiedeneFormen keit, zielgerichtet auf dem jeweiligen Stand der Auszubildenden der Zusammenarbeit im Netz organisieren. Natürlich können aufzusetzen. Im nächsten Schritt können sie im Rahmen einer Ausbilder die Lernenden z. B. auffordern, zu einem Problem virtuellen Lernumgebung aufgefordert werden, eigene Konzepte schriftlich Stellung zu nehmen – aber sie könnten auch gemein- zu entwickeln und im Netz zur Diskussion zu stellen. Oder man sam an einem Dokument im Netz arbeiten oder ein Thema mul- lässt sie mit kreativen Lösungen in Ideenwettbewerben gegen- timedial präsentieren lassen (allein oder als Gruppe). Die ent- einander antreten. Dafür kann ein einfaches Diskussionsforum sprechenden Medien stehen Lehrenden wie Lernenden längst genutzt werden. Aber es gibt auch Plattformen, die das wechsel- zur Verfügung. seitige Bewerten von Ideen unterstützen („Gamification“ ist hier ein aktuelles Stichwort, also die Vergabe von Punkten oder Ab- Herausforderung Motivation zeichen im Kursverlauf, s. Info nächste Seite). Will man noch ei- Auszubildende, die intrinsisch motiviert sind und selbstbe- nen Schritt weitergehen, gibt man Lernenden die Möglichkeit, Fotos: unten: iStock / eclipse_images, oben: iStock / MachineHeadz stimmt lernen, sind ein Ideal. Unsere Bildungsinstitutionen sind auch online ihre erworbenen Kompetenzen direkt zu demonst- eher Orte des fremdbestimmten Lernens. Lernende zu motivie- rieren. Der Ausbilder tritt dann zurück und überlässt zum Bei- ren, ist deshalb traditionell Aufgabe der Ausbilder und Lehrkräf- spiel den Lernenden die Organisation, Durchführung und Mode- te, auch wenn sie wissen, dass die extrinsische Motivation im- ration des nächsten Webinars. mer nur die zweitbeste Lösung darstellt. An diesem Dilemma setzt die Selbstbestimmungstheorie von Richard M. Ryan und Soziale Eingebundenheit Edward L. Deci an. Ihre Prämisse lautet: Während Ausbilder vor Ort einen direkten Einfluss auf die Teil- nehmer ihrer Kurse haben, braucht es in virtuellen Lernumge- „Menschen, die über ihre Handlungen frei entscheiden bungen andere Wege und Mittel, um Zusammenhalt und Aus- können, sind wesentlich motivierter als diejenigen, die eine tausch sicherzustellen. gestellte Arbeitsaufgabe erfüllen müssen.“ Das beginnt mit der Mög- lichkeit der Auszubilden- Dabei geht die Theorie von drei psychologischen Grundbedürf- den, ihr eigenes Profil zu nissen aus: pflegen, wie man es aus e Bedürfnis nach Kompetenz bzw. Kompetenzerleben: Men- beruflichen Netzwerken schen möchten etwas bewirken und sich in ihren Handlungen wie Xing oder LinkedIn als wirksam und kompetent erleben. kennt.WhatsApp-Grup- e Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit: Menschen möchten pen sind eine nahelie- mit anderen verbunden sein sowie akzeptiert und anerkannt gende Möglichkeit, um werden. den informellen Aus- e Bedürfnis nach Autonomie: Menschen möchten das Gefühl tausch zu fördern. Auch haben, das eigene Handeln selbst bestimmen zu können. in virtuellen Lernumgebungen hat es sich bewährt, die Teilneh- mer in Tandems zusammenzuschließen, um so den Zusammen- halt einer Kursgemeinschaft zu fördern. Gerade an dieser Stelle, 8 wir AUSBILDER 5.2018
und das macht die Umsetzung dieser Beispiele in der Lehr- und Lernpraxis oft herausfordernd, erweitert sich die Rolle der Aus- bilder: Sie sind nicht mehr nur Experte und Lehrer, sondern auch Community Manager. Als solche sind sie in virtuellen GAMIFICATION Lernumgebungen „präsent“: moderierend, aktivierend, WennesumdieMotivationvonLernendenim motivierend. Netzgeht,führtheutekeinWeganGamifica- tionvorbei.Dabeihandeltessichnichtumdie Wenn diese Aufgaben mit Plattformen und Tools verbunden LernspieleimklassischenSinn(„SeriousGames“, sind, die Ausbildern noch nicht vertraut sind, rückt auch ihre Me- „Game-basedLearning“).VonGamificationwird dienkompetenz auf die Agenda. gesprochen,wennspieltypischeElementein einemspielfremdenKontexteingesetztwerden. Autonomie DiebekanntestendieserElementesindPunkte, „Es gehört zu den Antinomien der Pädagogik und Didaktik, dass AbzeichenundRanglisten,imEnglischen man Selbstbestimmung zum Ziel hat, aber auf dem Weg dahin „Points“,„Badges“und„Leaderboards“genannt allein mit Selbstbestimmung nicht auskommt“, äußerte einmal (zusammengefasst„PBL“). die Didaktik-Expertin Gabi Reinmann. In der Bildungspraxis sind häufig tief verwurzelte Routinen und Erwartungen anzutreffen, ImKontextderAusbildungwärez.B.denkbar, die nur schrittweise aufgebrochen dassdieLernendenPunktesammelnkönnen, werden können. Selbstor- wennsieAufgabenrichtiglösen,odereinvir- ganisiertes Lernen im Netz tuellesAbzeichenerhalten,z.B.eineMedaille, stellt sich nicht ein, nur wennsieeinKapitelvollständigbearbeitet weil entsprechende Lernan- haben.UndineinerRanglistewerdenwöchent- gebote zur Verfügung ste- lichdieLernendenangezeigt,dieimForum hen. Trotzdem ist es wich- amaktivstenwaren.Dabeihabensichgerade tig, den Weg von der „Beleh- BadgesindenletztenJahrenzueinembeliebten rungsdidaktik“ zur „Ermög- Instrumententwickelt,dasinvielengroßen lichungsdidaktik“ zu gehen. LerncommunitiesimNetz,z.B.zumSprachen Denn Menschen lernen am lernen,erfolgreicheingesetztwird. Fotos: rechts: Jochen Robes, mittig: iStock / gustavofrazao; Illustration: iStock / pressureUA nachhaltigsten, wenn sie selbstgesteuert, problemlösend, aktiv AllerdingsmüssenAusbilderdaraufachten,dass und im sozialen Austausch ihre Lernprozesse gestalten können dieGamification-ElementenichtzumSelbst- – auch in der digitalen Bildung. Ausbilder und Lehrkräfte schaf- zweckundprimärenZieleinesKurseswerden. fen dafür Rahmenbedingungen und Orientierung. Und zu die- SiesolltenvondenAuszubildendendurchernst- sen Rahmenbedingungen gehören auch motivationsfördernde hafteAuseinandersetzungmitdenInhaltener- Aktivitäten. worbenwerden.DannlieferndieseInstrumente wichtigesFeedbackandieAuszubildenden,die damiteineunmittelbareRückmeldungaufihre Leistungenbekommenundsomotiviertwerden, dienächstenLernschritteanzugehen. FAZIT Selbstlernmedien, die nicht genutzt werden; Diskussionsforen, die leer bleiben; Blogs, in denen der letzte Eintrag vor Monaten geschrieben wurde: Digitale Medien erweitern Bildungskonzepte, knüpfen an Erfahrungen junger Generationen an, sind aber in der Aus- und Weiterbildung keine Selbstläufer. Die Motivation der Teilnehmenden bleibt eine Herausforderung. Wenn sich Ausbilder dabei an den Grundbedürfnissen des Kompetenz- D R . J O C HE N R O B E S erlebens, der sozialen Eingebundenheit und der Autonomie orientieren, stärken sie die Teilnehmer ist selbstständiger Berater im Bereich auf ihrem Weg zum selbstbestimmten Lernen. Corporate Learning und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit innovativen, netzgestützten Formen des Bildungs- managements sowie des Lehrens und Lernens. https://weiterbildungsblog.de www.wirausbilder.de 9
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