Ambrosia artemisiifolia L. (Asteraceae), ein potentiell invasiver Neophyt für Luxemburg

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Ambrosia artemisiifolia L. (Asteraceae), ein potentiell invasi-
ver Neophyt für Luxemburg
Patrick Thommes
104, rue Jean-François Boch, L-1244 Luxembourg (p_thommes@hotmail.com)

           Thommes, P., 2009. Ambrosia artemisiifolia L. (Asteraceae), ein potentiell invasiver Neophyt
           für Luxemburg. Bulletin de la Société des naturalistes luxembourgeois 110: 101-107.

           Abstract. Since a few years, the spreading of Ambrosia artemisiifolia L. is of rising interest
           in many European countries, whereas in Luxembourg only little attention has been paid to
           this plant so far. Like in other European countries, birdseed seems to be the main vector of
           dispersal in Luxembourg. Hence it mainly appears in gardens and on balconies all over the
           country. No wild populations have been found yet. Analyses of birdseed have shown that
           more than 60 % of the samples contain seeds of A. artemisiifolia. Growth and germination
           experiments have shown that Ambrosia develops well and has the ability to produce mature
           seeds in Luxembourg. Due to the global warming, it is very likely that it may spread in Lux-
           embourg. Because of its allergenic potential, its spreading should be fought with appropriate
           measures.

1. Einleitung                                         bzw. mit nur leichter, vorhandener Vegeta-
                                                      tionsdecke. Diese Eigenschaft macht sie zu
Ambrosia artemisiifolia L. ist eine einjährige,       einer typischen Ruderalpflanze. So findet
einhäusige Pflanze aus der Familie der Aster-         man sie häufig entlang von Strassen, auf
aceae. Sie stammt ursprünglich aus Nord-              Baustellen, in Gärten sowie zusammen mit
amerika und wurde bereits im 19. Jahrhun-             Kulturpflanzen auf Feldern (Thonnerieux
dert nach Europa eingeschleppt. Sie konnte            2003). Die natürliche Ausbreitungskapazi-
sich vor allem in Süd- und Südosteuropa               tät von Ambrosia artemisiifolia beträgt auf-
etablieren (Alberternst et al. 2006). In den          grund der relativ schweren Früchte kaum
letzten Jahren häufen sich jedoch die Mel-            mehr als einen Meter. Hauptverbreitungs-
dungen über Standorte von Ambrosia arte-              weg ist der Mensch. Ambrosia stellt keine
misiifolia aus nördlicheren Gegenden Euro-            großen Ansprüche an das Klima. Damit die
pas. Wo Ambrosia auftritt, sorgt sie, wegen           Art sich jedoch etablieren kann, benötigt sie
der starken allergenen Eigenschaften ihres            ein etwas wärmeres Klima mit spät einset-
Pollens, für großes Aufsehen. In Luxem-               zendem Frost, das das Ausreifen der Samen
burg wurde dieser Pflanze bislang jedoch              ermöglicht (Brandes & Nitzsche 2006).
nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Im
Rahmen einer Diplomarbeit wurde unter-
sucht wie weit A. artemisiifolia in Luxem-
burg verbreitet ist, auf welchen Wegen sie            2. Material und Methoden
verbreitet wird und wie sie sich unter den            Wie im übrigen Mitteleuropa, wurde ver-
klimatischen Bedingungen Luxemburgs                   mutet, dass Ambrosia auch in Luxemburg
entwickelt. Aufgrund dieser Untersuchun-              hauptsächlich durch Vogelfutter verbreitet
gen wurde ein Ausblick erstellt, ob Ambrosia          wird und demnach hauptsächlich in Pri-
als potentiell invasiver Neophyt für Luxem-           vatgärten zu finden sei. Daher wurde in
burg gelten kann.                                     den zwei größten luxemburgischen Tages-
A. artemisiifolia ist eine relativ konkurrenz-        zeitungen „Luxemburger Wort“ und „Tage-
schwache Pionierpflanze die auf fast allen            blatt“ sowie der Gärtnerzeitschrift „Gaart
Böden wächst, sie scheint jedoch etwas                an Heem“ ein Aufruf an die Bevölkerung
leichtere Böden zu bevorzugen. Als Pio-               gemacht, sich im Falle eines Fundes mit
nierpflanze bevölkert sie Standorte ohne              dem Autor in Verbindung zu setzen (Ano-

Bull. Soc. Nat. luxemb. 110 (2009)                                                                  101
nyme 2007b, Backes 2007, Thommes 2007).        3. Verbreitung von Ambrosia artemisi-
Die gemeldeten Fundorte wurden besucht         ifolia in Luxemburg
und in einer Verbreitungskarte zusammen-
gefasst.                                       Bisher war Ambrosia artemisiifolia nur an
                                               sehr wenigen Fundorten in Luxemburg
Allgemein wird Vogelfutter als Hauptver-       bekannt (Krippel & Colling 2006). Durch
breitungsvektor von Ambrosia artemisiifo-      die gezielt durchgeführte Umfrage konnten
lia angesehen. Deshalb wurde untersucht,       42 neue Fundorte ermittelt werden, sie sind
inwiefern dies auf das Vogelfutter, das sich   in Abb. 1 dargestellt.
auf dem luxemburgischen Markt befindet,
zutrifft. Hierzu wurde in allen gängigen       Die Fundorte befanden sich alle im Sied-
Supermärkten und Baumärkten Vogelfutter        lungsbereich, meist in direkter Nähe von
gekauft. Diese Proben wurden durch Sieben      Vogelfutterstellen. Meist handelte es sich um
aufbereitet und auf Samen von A. artemisii-    Einzelexemplare, bzw. einige wenige Pflan-
folia untersucht.                              zen. Man kann davon ausgehen, dass diese
                                               sich aus Samen, die in Vogelfutter enthalten
Um herauszufinden wie sich A. artemisii-       waren, entwickelt haben. Zwar gaben einige
folia unter den klimatischen Bedingungen       Personen an, bereits vorher Ambrosia-Pflan-
Luxemburgs entwickelt, wurden Ambrosia-        zen im Garten gehabt zu haben, eine natür-
Samen aus 4 verschiedenen botanischen          liche Fortpflanzung lässt sich meist jedoch
Gärten (D-Jena, D-Bremen, A-Salzburg,          nicht nachweisen. Da Ambrosia-Samen
CZ-Brno) bestellt, im Labor zum Keimen         eine Keimfähigkeit von mehr als 40 Jahren
gebracht und anschließend ins Freiland         besitzen (Basset & Crompton 1975) kann
umgepflanzt. Die Pflanzen wurden wöchent-      eine einmalige Ausbringung von Samen für
lich vermessen und ihre Entwicklung doku-      einen Bestand von mehreren Jahren sorgen.
mentiert.
Um die Keimfähigkeit der Samen dieser
Versuchspflanzen zu untersuchen, wurden
anschließend Keimversuche nach zwei ver-
schiedenen Methoden durchgeführt.
a) Keimversuche im Keimschrank: Die
Samen wurden erst einer Kältebehandlung
unterzogen und anschließend unter Licht-
und Temperatureinwirkung zum Keimen
gebracht. Wenn genügend Samen einer
Pflanze vorhanden waren, wurden jeweils 4
Petrischalen (a 100 Samen) für den Versuch
angelegt. Um den Effekt der Kältebehand-
lung zu untersuchen, wurde diese jeweils bei
nur 2 der 4 Petrischalen durchgeführt. Nach
4 Wochen wurden die Keimversuche im
Keimschrank abgebrochen, die gekeimten
Samen ausgezählt und Keimraten berech-
net. Anschließend wurde eine statistische
Auswertung mit dem Programm SPSS 11.0
(SPSS Inc., Chicago, USA) vorgenommen.
b) Keimversuche nach der Wasserstoffper-
oxid-Methode: Die Samen wurden einige
Tage in eine 0,75% Wasserstoffperoxid-
Lösung gegeben. Durch die Einwirkung           Abb. 1. Verbreitung von Ambrosia artemisiifolia in
von Sauerstoff wird bei dieser Methode         Luxemburg. Kartengrundlage: Plan BD-L-TC (1996-
die Keimruhe aufgehoben und die Samen          2000). Administration du cadastre et de la topographie
werden zum Keimen gebracht.                    du Luxembourg.

102                                                            Bull. Soc. Nat. luxemb. 110 (2009)
4. Vogelfutteranalysen                                      ifolia auf. Die Anzahl an gefundenen Samen
                                                            ist jedoch mit 71 Samen/kg weitaus gerin-
In fast allen Arbeiten über die Verbreitung                 ger. Für die Meisenknödel wurden in etwa
von Ambrosia artemisiifolia in Mitteleuropa                 die gleichen Resultate erwartet wie für die
wird Vogelfutter als einer der Hauptverbrei-                Körnermischungen, da diese aus gemischten
tungsvektoren genannt (Brandes & Nietz-                     Körnern mit Rindertalg bestehen. Der Anteil
sche 2006, Alberternst et al. 2006, Bohren et               an Proben mit Ambrosia-Samen liegt jedoch
al. 2005, Chauvel et al. 2004), insbesondere                nur bei 44,4% der Produkte.
in den Gegenden in denen Ambrosia sich
                                                            Für die Ergebnisse der Proben vom Typ SB
noch nicht etablieren konnte. Die Fundorte
                                                            gibt es mehrere Erklärungen. Sonnenblu-
aus Luxemburg, die bis zu Beginn dieser
                                                            menanbauflächen gelten, insbesondere in
Arbeit vorlagen (Krippel & Colling 2006),
                                                            Südfrankreich und Ungarn, als häufige Stand-
ließen auf ähnliches schließen. Die Verun-                  orte von A. artemisiifolia. Ambrosia-freie
reinigung von Vogelfutter durch A. artemi-                  Produkte stammen entweder aus Gegenden
siifolia kann erstaunliche Ausmaße haben.                   in denen A. artemisiifolia nicht vorkommt,
So fanden Alberternst et al. (2006) beispiels-              oder einfach von Ambrosia-freien Feldern.
weise mehr als 370 Ambrosia-Samen pro                       Manche Hersteller reinigen die Körner auch
kg Vogelfutter. Chauvel et al. (2004) kamen                 vor dem Abfüllen. Die größere Anzahl an
sogar auf mehr als 2780 Samen pro kg.                       Ambrosia-haltigen Proben bei den Körner-
Für Luxemburg wurden insgesamt 31 ver-                      mischungen wirft jedoch die Frage auf, ob
schiedene Produkte untersucht, wobei von                    die Ambrosia-Samen nicht zusätzlich mit
jedem Produkt mehrere Proben (Packungen)                    anderen Körnern in das Futter gelangen. Der
untersucht wurden. Es wurden reine Sonnen-                  große Unterschied zwischen den Ergebnissen
blumenkerne (SB), Körnermischungen (KM)                     von Körnermischungen und Meisenknö-
sowie Meisenknödel (MK) untersucht. Die                     deln beruht wahrscheinlich auf der geringen
Resultate sind in Tab. 1 aufgeführt. Auffallend             Anzahl von Körnern in einem Meisenknödel.
sind die deutlichen Unterschiede zwischen                   Es ist sehr schwierig, die verschiedenen Resul-
den verschiedenen Produkttypen. So enthal-                  tate zu interpretieren und Rückschlüsse zu
ten 63,6% der Produkte des Typ SB Ambrosia-                 ziehen. Auf keiner der untersuchten Packun-
Samen, mit durchschnittlich 408 Samen/kg.                   gen war die Produktzusammensetzung ange-
Dagegen weisen die Produkte des Typ KM in                   geben, in nur seltenen Fällen die Provenienz.
90,9% der Produkte Samen von A. artemisi-                   Letztere könnte Aufschluss darüber geben,
                                 Wachstumskurve der Versuchspflanzen

              160
                                                                                                             1/1
              140                                                                                            1/2
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                                                                                                             2/2
              100                                                                                            3/1
  Höhe [cm]

                                                                                                             3/2
              80
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              60                                                                                             3/4
                                                                                                             3/5
              40
                                                                                                             3/6
              20                                                                                             3/7
                                                                                                             4/1
               0
                     07

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              03

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              04

              13

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              10

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              10

              24

                                                      Datum

Abb. 2. Wachstumskurve der Versuchspflanzen. Die Ziffern 1/1 bis 4/1 stellen die jeweiligen Pflanzen dar. Sie setzen
sich zusammen aus einer Ziffer für die Provenienz und einer laufenden Nummer innerhalb jeder Provenienz.

Bull. Soc. Nat. luxemb. 110 (2009)                                                                             103
Tab. 1. Anzahl der Ambrosia-Samen pro kg            5 Stück im Laufe der Zeit eingingen (u.a.
Vogel­futter, errechnete Mittelwerte (SB= Sonnen­   Schneckenfraß). Es wurde festgestellt, dass
blumen­kerne, KM= Körnermischung, MK=               Ambrosia artemisiifolia sich anfangs nur
Meisen­knödel).
                                                    sehr langsam entwickelt und eher unschein-
                                                    bar bleibt. Dies bestätigte Angaben aus der
Produkt-Nr. Produkttyp Ambrosia-Samen/kg            Literatur (Anonyme 2007 a). So war bis zum
       1         SB               156,67            8. Juni (42 Tage nach Beginn des Versuchs)
       2         SB              1039,33            die Pflanze 3/1 mit 16,5 cm die höchste
       3         SB               584,00            (siehe Abb.2). Danach hat jedoch ein sehr
       5         SB                 0,00            starkes Wachstum eingesetzt, manche Pflan-
       6         SB                 0,00            zen wuchsen zeitweise mehr als 20 cm in
       7         SB                 3,67            einer Woche. Das Wachstum aller Pflanzen
       8         SB                 0,00            ist in Abb. 2 dokumentiert.
       9         SB                 0,33            Die Pflanzen der Provenienz Nr. 3 verhielten
      10         SB                 0,67            sich jedoch nicht wie erwartet. Diese Pflan-
      11         SB                 0,00            zen begannen bereits am 8. Juni Blüten aus-
      12         SB               355,00            zubilden. Die erste dieser Pflanzen blühte
       4         KM                 1,69            bereits am 13. Juni. Am 18. Juni blühten
      13         KM                 7,89
                                                    alle Pflanzen dieser Provenienz; also rund
      16         KM                33,00
                                                    2 Monate vor der normalen Blühzeit die
      18         KM                 4,50
                                                    zwischen Ende August bis Anfang Septem-
      19         KM                 6,50
                                                    ber liegt (Deen et al. 1998). Außerdem ver-
      20         KM               235,20
                                                    änderten die Pflanzen nach und nach ihr
      22         KM                72,50
      23         KM                36,50
                                                    Aussehen. Die typischen, gefiederten Blätter
      26         KM                 0,00
                                                    verloren langsam ihre Fiederspaltigkeit, bei
      28         KM               219,50            einigen Pflanzen waren die obersten Blät-
      30         KM                 0,25            ter am Ende sogar komplett ungefiedert.
      14         MK               107,72            Die Pflanzen der anderen Provenienzen
      15         MK                 0,00            blühten jedoch in dem Zeitraum, der auch
      17         MK                 0,00            in der Literatur beschrieben wird. Um die
      21         MK                 0,00            Samen aufzufangen wurden nach der Blüte
      24         MK                 0,00            alle Pflanzen mit Netzen umwickelt. Nach
      25         MK                55,84            dem ersten Frost begannen die Samen aller
      27         MK                97,92            Pflanzen sich zu lösen. Daraufhin wurden
      29         MK                 0,00            die Pflanzen abgeschnitten, die Samen ein-
      31         MK                 9,80            gesammelt, getrocknet und ausgezählt. Die
                                                    Samenmengen der einzelnen Pflanzen sind
                                                    in Tab. 2 aufgeführt.
warum in einigen Proben sehr hohe Anzah-
len an Ambrosia-Samen gefunden wurden, in
anderen dagegen gar keine. Ein großer Anteil        Tab. 2. Anzahl der von den einzelnen Pflanzen im
des Vogelfutters auf dem luxemburgischen            Anbauversuch produzierten Samen.
Markt beinhaltet jedenfalls Ambrosia-Samen
(67,7%) und die Pflanze wird eindeutig auf             Pflanze Nr.              Anzahl Samen
diesem Weg verbreitet.
                                                          1/2                         160
                                                          2/2                        7254
                                                          3/1                         483
5. Anbauversuche                                          3/2                       18379
Der Versuch wurde mit 12 Pflanzen gestar-                 3/3                        5761
tet. Für die Auswertung konnten jedoch                    3/7                        1245
                                                          4/1                       17159
nur 7 Exemplare berücksichtigt werden, da

104                                                                  Bull. Soc. Nat. luxemb. 110 (2009)
Die unerwartete Entwicklung der Pflan-          Tab. 3. Keimraten der Samen aus dem
zen der Provenienz Nr. 3 kann mehrere           Anbauversuch, bestimmt durch die Keimversuche
Ursachen haben. Die Samen könnten vom           im Keimschrank. (Der Versuch konnte nur mit
botanischen Garten in Bremen zugekauft          den Samen von 6 Pflanzen durchgeführt werden.)
worden sein. Es wäre also möglich, dass sie
aus kühleren Regionen stammen und sich          Pflanze Nr. n (Anzahl Samen) Keimrate in %
an diese angepasst haben. Auffallend ist            1/2           100              0,50
auch, dass alle diese Pflanzen relativ klein        2/2           400              5,50
blieben (alle hatten eine Wuchshöhe von             3/2           400             20,25
weniger als einem Meter). Dies würde über-          3/3           400             11,25
einstimmen mit der Aussage von Basset und           3/7           400             11,25
Crompton (1975), die festgestellt haben,            4/1           400              9,75
dass Pflanzen aus dem nördlichen Kanada
früher blühen und kleiner bleiben als Pflan-
zen aus südlicheren Gegenden. Leider blie-      gehoben werden konnte. Die Resultate der
ben diese Fragen von Seiten des botanischen     Keimversuche im Keimschrank können also
Gartens unbeantwortet. Dies ist jedoch          nur bedingt Aufschluss über die wirkliche
interessant für mitteleuropäische Länder,       Keimfähigkeit der Samen geben.
da man davon ausgeht, dass Ambrosia hier
Etablierungsschwierigkeiten hat, weil sie so
spät blüht und die Samen nicht in die Reife     6.2. Keimversuche nach der Wasserstoff-
gelangen. Ambrosia-Pflanzen, die schon im       peroxidmethode
Juni blühen, haben demnach 2 Monate mehr        Pfenninger (1997) gibt für Braugerste eine
Zeit die Samenreife zu vollziehen. Für die      Versuchsdauer von 3 Tagen an. Die Ambro-
folgenden Keimversuche wurde mit einer          sia-Samen scheinen allerdings etwas länger
erhöhten Keimrate dieser „frühen“ Samen         zu brauchen um auf die Behandlung zu
gerechnet.                                      reagieren. Da nach 3 Tagen immer noch
                                                Samen keimten, wurde der Versuch insge-
                                                samt auf 9 Tage verlängert. Die ermittelten
6. Keimversuche                                 Keimraten sind in Tab. 4 aufgeführt.
                                                Die Samen der Pflanzen der Provenienz Nr.
6.1. Keimversuche im Keimschrank                3 weisen, wie schon erwartet, eine vielfach
Bei der statistischen Auswertung der Keim-      höhere Keimrate auf als die der Pflanzen der
versuche im Keimschrank zeigte sich ledig-      anderen Provenienzen. Diese Pflanzen konn-
lich ein signifikanter Unterschied der Keim-    ten also, bedingt durch den frühen Blühter-
rate zwischen den Produkten (F25,47 = 4,03; p   min, die Samenreife besser vollziehen.
< 0,001). Zwischen den Behandlungen (mit        Ein Vergleich der ermittelten Keimraten
Kältebehandlung 4°C, ohne Kältebehand-          aus beiden Versuchen zeigt, für die Samen
lung 4°C) konnte kein signifikanter Unter-      der Pflanzen 2/2 und 4/1, ungefähr gleiche
schied festgestellt werden (F1,47 = 0.007;      Werte. Für die Samen der Pflanzen 3/2, 3/3
p > 0.05). Ein Unterschied zwischen den         und 3/7 sind die Keimraten aus dem Versuch
Petrischalen konnte auch nicht festgestellt     mit Wasserstoffperoxid jedoch um ein Viel-
werden (F1,47 = 0,185; p > 0,05). Da Behand-    faches höher. Wahrscheinlich ist, dass bei
lung und Petrischale nicht von Bedeutung        der Wasserstoffperoxidmethode alle keimfä-
zu sein schienen, wurde anschließend aus        higen Samen zum Keimen gebracht werden,
allen Petrischalen einer Pflanze die mittlere   die Keimruhe also aufgehoben wird. Dies ist
Keimrate dieser Pflanze berechnet (siehe        ein weiteres Indiz dafür, dass die Kältebe-
Tab. 3).                                        handlung nicht erfolgreich war.
Dass kein signifikanter Unterschied bei der     Mit den durchschnittlichen Keimraten und
Kältebehandlung festgestellt werden konnte      der Anzahl an Samen der einzelnen Pflan-
zeigt darauf hin, dass die Behandlung nicht     zen, kann die Zahl der keimfähigen Samen
erfolgreich war und die Keimruhe nicht auf-     pro Pflanze ermittelt werden. Die Resultate

Bull. Soc. Nat. luxemb. 110 (2009)                                                        105
Tab. 4. Keimraten der Samen aus dem Anbauversuch, bestimmt nach der Wasserstoffperoxidmethode.
(Der Versuch konnte nur mit den Samen von 5 Pflanzen durchgeführt werden.)

              n (Anz.          Anzahl gekeimter Samen            Anz Keimlinge
Pflanze Nr.                                                                    Durchschnittliche
              Samen) 29/11/2007 30/11/2007 02/12/2007 05/12/2007 insg. (= Keim­ Keimrate in %
                                                                   rate in %)
      2/2       100       0          0          0         4              4
                                                                                     3,5
      2/2‘      100       0          0          0         3              3
      3/2       100      39         23         18         0             80
                                                                                    81,5
      3/2‘      100      45         19         15         4             83
      3/3       100      35         26         22         6             89
                                                                                    90,5
      3/3‘      100      38         21         27         6             92
      3/7       100      63         17         10         0             90
                                                                                    87,0
      3/7‘      100      55         13         15         1             84
      4/1       100       2          1          2         4              9
      4/1‘      100       5          1          0         1              7           8,0

sind in Tab. 5 aufgelistet, zur Berechnung         entwickelt. Die Pflanzen können eine sehr
wurden die Keimraten des Versuchs nach             hohe Anzahl an Samen produzieren, die zum
der Wasserstoffperoxidmethode benutzt.             Teil auch keimfähig sind. Ambrosia kann
                                                   sich also unter den klimatischen Bedingun-
                                                   gen Luxemburgs fortpflanzen und ist nicht
7. Schlussfolgerung                                nur auf den Import von Samen angewiesen.
                                                   Ambrosia kann demnach als potentiell inva-
Fast alle Exemplare von Ambrosia artemisi-         siver Neophyt für Luxemburg bezeichnet
ifolia, die in Luxemburg gefunden wurden,          werden. Insbesondere im Hinblick auf die
standen in Gärten. Man kann davon ausge-           fortschreitende Klimaerwärmung ist mit
hen, dass diese sich aus Samen, die in Vogel-      einer Etablierung dieser Art zu rechnen.
futter enthalten waren, entwickelt haben.
Deshalb kann man bei Ambrosia noch nicht           Da A. artemisiifolia jedoch hohe gesundheit-
von einem etablierten Neophyten sprechen.          liche Risiken birgt, und damit auch ökono-
Die Untersuchung des Vogelfutters auf dem          mische Folgen mit sich bringt (Reinhardt
luxemburgischen Markt hat ergeben, dass            et al. 2003), ist eine Etablierung keinesfalls
mehr als 67% der erhältlichen Produkte             wünschenswert. Die Verbreitung der Samen
Samen von A. artemisiifolia beinhalten,            durch Vogelfutter müsste also unbedingt
was sich mit ausländischen Studien deckt           verhindert werden. Durch entsprechende
(Alberternst et al. 2006, Chauvel et al. 2004).    Regelungen sollten die Hersteller von Vogel-
                                                   futter demnach gesetzlich dazu verpflichtet
Die Anbauversuche haben gezeigt, dass A.           werden, ihre Produkte von Ambrosia-Samen
artemisiifolia sich in Luxemburg sehr gut          zu reinigen. Ein Verkaufsverbot für nicht
                                                   ausdrücklich als „Ambrosiafrei“ zertifizier-
                                                   tes Vogelfutter scheint unerlässlich. Zudem
Tab. 5. Anzahl an keimfähigen Samen pro Pflanze
aus dem Anbauversuch.                              muss die Bevölkerung über die mit Ambro-
                                                   sia verbundenen Risiken aufgeklärt werden
Pflanze Keimrate Anzahl Anzahl keimfähiger
                                                   und mit Hilfe von Öffentlichkeitsarbeit auf
  Nr.     in %   Samen       Samen                 dieses Thema sensibilisiert werden. Um grö-
                                                   ßere Bestände von Ambrosia artemisiifolia
  2/2           3,5     7254          254          rechtzeitig entdecken und kontrollieren zu
  3/2          81,5    18379        14979          können, müsste systematisch danach gesucht
  3/3          90,5     5761         5214          werden. Die anschließenden Bekämpfungs-
  3/7          87,0     1245         1083
                                                   maßnahmen müssen koordiniert werden
  4/1           8,0    17159         1373
                                                   und konsequent über mehrere Jahre erfolgen.

106                                                              Bull. Soc. Nat. luxemb. 110 (2009)
Noch befindet sich Luxemburg (im Gegen-                lia L. and Ambrosia psilostachya DC.. Cana-
satz zu anderen europäischen Ländern) in               dian Journal of Plant Science 55: 463-476.
der glücklichen Lage, keine größeren Vor-          Bohren, C., N. Delabays & G. Mermillod, 2005.
kommen von A. artemisiifolia zu haben.                 Ambrosia artemisiifolia in der Schweiz - eine
Dies könnte sich jedoch in naher Zukunft               herbologische Annäherung. Agrarforschung
ändern, sofern keine Gegenmaßnahmen                    12(2): 71-78.
ergriffen werden.                                  Brandes, D. & J. Nitzsche, 2006. Biology, int-
                                                       roduction, dispersal, and distribution of
                                                       common ragweed (Ambrosia artemisiifolia
Danksagungen                                           L.) with special regard to Germany. Nachrich-
Ein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Elke Hietel         tenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes
(Fachhochschule Bingen) und Dr. Christian              58 (11): 286-291.
Ries, (Abteilung Ökologie des nationalen           Brandes, D. & J. Nitzsche, 2007. Verbreitung,
naturhistorischen Museums von Luxemburg,               Ökologie und Soziologie von Ambrosia arte-
MnhnL) für die Betreuung dieser Diplomarbeit.          misiifolia L. in Mitteleuropa. Tuexenia 27:
S. Schneider und Y. Krippel danke ich für die          167-194.
Durchsicht des Manuskriptes und Hilfestellung      Chauvel, B., E. Vieren, B. Fumanal & F. Breta-
bei jeglichen Problemen und Fragen. Ich                gnolle, 2004. Possibilité de dissemination
danke zudem T. Helminger (MnhnL) für das
                                                       d‘Ambrosia artemisiifolia L. via les semences
Besorgen von Saatgut über den Samentausch
                                                       de tournesol. XIIème Colloque International
des Museums, M. Künsch (MnhnL) für die
                                                       sur la Biologie des Mauvaises Herbes, Dijon
Hilfe bei der Literaturrecherche, G. Colling und
                                                       31 août - 2 septembre 2004
T. Walisch (MnhnL) für Unterstützung und
wertvolle Ratschläge bei den Keimversuchen, D.     Chauvel, B. & F. Dessaint, 2005. Le Point: Amb-
Ruckert (ASTA) für Unterstützung und wertvolle         roisie à feuilles d‘armoise, une enquête sur
Ratschläge bei der Analyse des Vogelfutters            son passé. INRA mensuel 125: 16-21.
und M. Santer (LTA) für die Unterstützung          Deen, W., T. Hunt & C.J. Swanton, 1998. Influ-
bei der Aufbereitung des Vogelfutters mit der          ence of temperature, photoperiod and irra-
Saatgutreinigungsmaschine.                             diance on phenological development of
                                                       common ragweed (Ambrosia artemisiifolia).
Literatur                                              Weed science 46: 555-560.
Alberternst, B., S. Nawrath & F. Klingenstein,     Krippel, Y. & G. Colling, 2006. Notes floristiques.
   2006. Biologie,Verbreitung und Einschlep-           Observations faites au Luxembourg (2004-
   pungswege von Ambrosia artemisiifolia in            2005). Bull. Soc. Nat. luxemb. 107: 89-103.
   Deutschland und Bewertung aus Natur-            Pfenninger, H. (Herausg.), 1997. Brautechnische
   schutzsicht. Nachrichtenblatt des Deutschen         Analysenmethoden, Band I. H. Pfenninger.
   Pflanzenschutzdienstes 58 (11).                     Selbstverlag der MEBAK. Freising Weihen-
Anonyme, 2007a. Botanique de l‘ambroisie. AFE-         stephan.
   DAnet. URL: http://assoc.orange.fr/afeda/       Reinhardt, F., M. Herle, F. Bastiansen & B. Streit,
   botanique.htm [13.03.2007]                          2003. Ökonomische Folgen der Ausbreitung
Anonyme, 2007b. Entwarnung und Bitte um Mit-           von Neobiota. Umweltforschungsplan des
   arbeit. Luxemburger Wort 21.06.2007: 86.            Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz
Backes, J.-M., 2007. Beifuß-Ambrosie (Ambrosia         und Reaktorsicherheit. Texte 79/03: 23-29.
   artemisiifolia) - Beifußblättriges Trauben-     Thommes, P., 2007. Ambrosia artemisiifolia,
   kraut; Hoch allergene Pflanze gedeiht auch in       potentieller Neophyt für Luxemburg. Gaart
   Luxemburg. Tageblatt 21.07.2007: 15.                an Heem 7/8: 216-217.
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Bull. Soc. Nat. luxemb. 110 (2009)                                                               107
108   Bull. Soc. Nat. luxemb. 110 (2009)
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