Analyse von Laserscanningdaten zur Beurteilung des Gefahrenpotenzials entlang von ÖBB-Eisenbahntrassen
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848 Analyse von Laserscanningdaten zur Beurteilung des Gefahrenpotenzials entlang von ÖBB-Eisenbahntrassen Frederic PETRINI-MONTEFERRI, Peter DIRNINGER und Christian GEORGES 1 Problemstellung Insbesondere in Hochgebirgsräumen, wie sie in Westösterreich vorherrschen, bedeutet die Wartung und Instandhaltung eines Schienennetzes einen hohen Aufwand. Ein umfassender Informationsstand über den Zustand der Anlagen ist von großer Wichtigkeit für den effizi- enten und sicheren laufenden Betrieb aber auch für das optimale Management von Störun- gen und Notfällen. Unter diesem Aspekt ist auch eine lückenlose raumbezogene Informa- tion (3D) über die Anlagen unverzichtbar. Auch das Wissen über zeitliche Veränderungen des Zustandes der Betriebsanlagen (4D) ist für eine umfassende Dokumentation und zeitge- rechte Wartung wünschenswert. Unter diesen Aspekten wurde vonseiten der ÖBB-Infras- truktur Betrieb AG IS Technik – Fahrweg eine Kooperation mit den Konsortialpartnern in ENVICHANGE – eines seitens des BMVIT im Rahmen der 6. Ausschreibung des Österrei- chischen Weltraumprogrammes geförderten Projektes, angestrebt. Sie hat zum Ziel 3D- und 4D-Informationsprodukte aus Laserscanningdaten für die Instandhaltung der ÖBB-Infra- struktur zu spezifizieren und auf ihren Nutzen im operationellen Betrieb zu überprüfen. 2 Ziele Im Rahmen der Nutzerbedürfniserhebungen wurden seitens der Laserdata GmbH potenziel- le Informationsprodukte auf Basis von Laserscanningdaten vorgeschlagen, die durch ÖBB Infrastruktur in ihrer Praxisrelevanz bewertet wurden. Daraus ergab sich folgende Liste von Informationsprodukten: Abgrenzung von Waldflächen im Hinblick auf ihre Schutzwirkung (Waldfläche, Wald- dichte) Bestimmung von Beräumungsflächen und Ermittlung kritischer Flächen, die den Ein- satz ergänzender Methoden (z. B. terrestrisches Laserscanning bei senkrechten Wän- den) verlangen Ermittlung von potenziellen Lawinenanriss- und -auslaufgebieten entlang der Eisen- bahntrasse Die Informationsprodukte sollten auf Grundlage von verfügbaren Datensätzen effizient und großflächig generierbar sein. Strobl, J., Blaschke, T. & Griesebner, G. (Hrsg.) (2011): Angewandte Geoinformatik 2011. © Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-508-9. Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der Creative Commons Attribution Lizenz verteilt wird (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).
Analyse von Laserscanningdaten zur Beurteilung des Gefahrenpotenzials 849 3 Daten Als Untersuchungsgebiet wurde durch die ÖBB Infrastruktur AG die gesamte Brennertras- se (Innsbruck/Bergisel – Brenner/Staatsgrenze) definiert. Im Rahmen des Projektes wurde am 13.07 und 14.07.2009 eine Airborne Laserscanning (ALS) Kampagne mittels Helikop- ter seitens der Firma Topscan GmbH durchgeführt (siehe Abbildung 1). Im Zuge dieser Befliegung wurden zeitgleich Referenzflächen zur Georeferenzierung und Qualitätskontrol- le der Laserpunktdaten erhoben. Datenbeschreibung: Erfassung: 13.07 und 14.07.2009 Punktdichte: 10 Punkte/m² Projektionen: Erfasst im UTM 32N, Transformiert in Gauß-Krüger (inkl. Geoid- anpassung) ca. 20,5 km², rd. 205 Mio. Punkte CAD-/GIS-Produkte daraus: 3D-Punktwolken Abb. 1: LiDAR-Punktwolke (Helikopter-Befliegung über die Firma TopScan) der Bren- ner Eisenbahnachse Als weiterer Datensatz zur Durchführung von multitemporalen Analysen wurden die ALS- Daten des Landes Tirol erworben. Das Land Tirol, die Wildbach- und Lawinenverbauung sowie das Energieversorgungsunternehmen TIWAG haben mit EU-Finanzierungsunter- stützung (Kooperationspartner Bayern) die Befliegung Tirols mittels Laserscanning finanziert und das Land Tirol – Abteilung Geoinformation vertreibt die Daten. Datenbeschreibung: Erfassung: 2006-2010 Punktdichten: Höhengestaffelt (4pt/m² in Tallagen bis 1pt/m² im Hochgebirge) Projektionen: UTM, Gauß-Krüger (inkl. Geoidanpassung)
850 F. Petrini-Monteferri, P. Dirninger und C. Georges CAD-/GIS-Produkte daraus: 3D-Punktwolken Schichtlinien Rastermodelle DSM/DTM/nDSM 1 m Schummerung 4 Beispiele der Informationsprodukte 4.1 Waldflächenkartierung – Waldmaske/Walddichte Durch die Verwendung von Digitalem Oberflächen- und Digitalem Geländemodel (DOM und DGM), beziehungsweise deren Differenz als normalisiertes Oberflächenmodell (nDOM) ließ sich nicht nur auf die Bewuchshöhe schließen, sondern auch durch den Ein- satz spezieller Algorithmen die Walddichte (Überschirmung) großflächig generieren. Der Überschirmungsgrad (= Quotient von überschirmter Fläche zu Gesamtfläche) wurde auf Basis des resultierenden nDOM-Rasters im kreisförmigem Umgebung mit einem Radius von 10 m bestimmt (siehe Abbildung 2). Abb. 2: Walddichte-Berechnung auf Basis von Laserscanningdaten Berücksichtigt wurde aus den Laserscanningdaten eine Wuchshöhe von mehr als 3 m. Die Berechnung erfolgte im Open-Source GIS SAGA (System for Automated Geosientific Analyses), welches für LiDAR-Daten Verwaltung und Analyse um ein Laserdaten- Informationssystem erweiterbar ist (PETRINI-MONTEFERRI et al. 2009). Das normalisierte Oberflächenmodell wurde mit dem Modul Create nDSM aus der Modulbibliothek LIS Grid Arithmetic berechnet, das eine wahlweise Handhabung von negativen Werten (keep, set to zero, set to NoData) erlaubt. Die aus dem nDOM ermittelten Wuchshöhen wurden mittels des definierten Schwellwertes von 3 m im SAGA Modul Reclassify Grid Values in 2 Klas-
Analyse von Laserscanningdaten zur Beurteilung des Gefahrenpotenzials 851 sen eingeteilt. Die Bereiche mit Wuchshöhen über 3m wurden im Modul Fragmentation (Standard) der Überschirmungsberechnung unterzogen. Das Modul verlangt nach der zu untersuchenden Klasse der Input-Griddatei, sowie der Nachbarschaftsgröße in Pixel (Ker- nel-Size) und bietet die Wahlmöglichkeit eines kreisförmigen oder rechteckigen Kernels. Die Ausgabe ist ein Density Grid [Percent], das durch ein Connectivity Grid [Percent] und ein Fragmentation Grid ergänzt wird. Aus der Ergebnisdatei wurden in Absprache mit der ÖBB Infrastruktur AG nur Walddichten größer 30 % berücksichtigt. 4.2 Beräumungsflächen Beräumungsflächen (Fels-/Schuttflächen) sind im Verständnis der ÖBB Infrastruktur AG Freiflächen, die aufgrund ihrer Neigung potenzielle Steinschlagquellen darstellen und da- mit. beräumt werden müssen. Die Freiflächen wurden als Umkehrflächen aus der Waldflä- chen/Walddichteberechnung (siehe oben) und Luftbildern erhalten. Für sie wurde in SAGA mittels des Moduls Local Morphometry eine Neigungs, Ausrichtungs- und Curvatur- Analyse mittels der Methodik von ZEVENBERGEN & THORNE (1987) durchgeführt. Das Neigungsgrid wurde mittels der Reclassify Grid Values Prozedur in 2 Klassen eingeteilt. Als Beräumungsflächen wurden dann Flächen zwischen 30° und 75° Neigung definiert, zusätzlich wurde eine Neigungsklasse größer 75° (Steil-/Felsflächen) ausgewiesen. In stei- len Hangbereichen bietet die Berechnung der wahren Fläche eine wertvolle Information, die aus der reinen Höhenänderung schwierig erschließbar ist. Gerade für die Steilflächen lässt sich somit die schuttliefernde Gesamtfläche gut abschätzen. Die Berechnung der wah- ren Fläche erfolgte mittels des SAGA-Moduls Real Area Calculation. Das Ausgabe-Grid enthält für jedes Pixel des digitalen Geländemodells über die Berücksichtigung der Neigung die wahre Fläche im Gegensatz zur projizierten Fläche und liefert damit eine verbesserte Abschätzung über die tatsächlich zu beräumenden Fläche (siehe Abb. 3). Abb. 3: Links: Beräumungsflächen (hell), rechts: berechnete wahre Flächen unter Be- rücksichtigung der Hangneigung (hell = Steilflächen) (Copyright Luftbild: Land Tirol)
852 F. Petrini-Monteferri, P. Dirninger und C. Georges 4.3 Bestimmung von Lawinenanriss- und -auslaufgebieten Die NAIS Klassifikation erlaubt eine einfache und übersichtliche Darstellung potenzieller Gefährdungsgebiete durch Lawinen (FREHNER et al. 2005). Aufgrund der automatischen Abgrenzung von Freiflächen über die Bewuchshöhe erlaubt es dieser Ansatz auch Flächen zu berücksichtigen, die zwar Bewuchs aufweisen, der aber nicht schutzwirksam ist (bei- spielsweise Aufforstungsflächen). Weiters wird zur Steigerung der Qualität das Laserscan- ning-Geländemodell zur Berechnung der Lückenlänge in Fallrichtung verwendet, das dem tatsächlichen Relief unter der Vegetation entspricht. Abb. 4: Potenzielle Lawinenanrissgebiete (homogene, helle Flächen) laut NAIS Klassifi- kation oberhalb der Brenner Eisenbahntrasse (Copyright Luftbild: Land Tirol) Das Ergebnis weist alle Kombination aus Neigung und Lückenlänge auf. Für die Darstel- lung werden alle Flächen zusammengefasst, bei denen die Lückenlänge für die lokale Nei- gung überschritten wird, um sie für den Nutzer übersichtlich zu halten, ohne Information zu verlieren. In Abbildung 4 sind diese potenziellen Gefahrengebiete als homogene helle Flä- chen zu erkennen. Zur Berechnung der Ergebnisse wurde im SAGA-GIS das Modul Slope Length verwendet, um für jedes Pixel der Freiflächen die darüber liegende Hanglänge entlang der Falllinie zu bestimmen. Das Ergebnis-Grid wurde entsprechend der NAIS-Vorschrift klassifiziert und dann mittels des Moduls Grid-Calculator mit den Hangneigungsklassen verschnitten. Um auch Lawinenausläufe in flachem Gelände zu inkludieren, wurde in Absprache mit der ÖBB Infrastruktur AG abweichend von der NAIS-Vorschrift Lückenlängen > 60 m bei Neigungen unter 30° aufgenommen.
Analyse von Laserscanningdaten zur Beurteilung des Gefahrenpotenzials 853 5 Zusammenfassung Naturgefahren stellen die Österreichischen Bundesbahnen vor besondere Herausforderun- gen. Die ÖBB Infrastruktur AG begegnet dieser Gefahr mit einem umfassenden Manage- ment-Ansatz, bei dem der Prävention ein großer Stellenwert eingeräumt wird. Die aufge- zeigten Ergebnisse und Methoden unter Nutzung von hochaufgelösten digitalen Oberflä- chen- und Geländemodellen auf Basis von Laserscanningdaten und Luftbildern liefern einen wichtigen Beitrag zur Beurteilung von naturgefahrensensiblen Streckenabschnitten. Bei den vorgestellten Informationsprodukten wurde insbesondere auf eine wirtschaftliche und auf große Flächen (Netzabdeckung) übertragbare Umsetzbarkeit der Berechnungen geachtet. Sämtliche Analysen wurden im Open-Source-GIS SAGA durchgeführt, welches für großflächige LiDAR-Daten Verwaltung und Analyse über eine Datenbankanbindung um das kostenpflichtige Laserdaten-Informationssystem LIS erweiterbar ist. Die aufgezeig- ten Ergebnisse liefern wichtige Grundlagen für die Erhebungen zur Naturgefahrenhinweis- karte, die Naturgefahrenpotenziale entlang des Eisenbahnnetzes ausweist. Literatur FREHNER, M., WASSER, B. & SCHWITTER, R. (2005): Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald (NaiS). Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern, 564 S. PETRINI-MONTEFERRI, F., WICHMANN, V., GEORGES, C., MANTOVANI, D. & STÖTTER, J. (2009): Erweiterung der GIS Software SAGA zur Verarbeitung von Laserscanning-Daten der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol. In: STROBL., J., BLASCHKE, T. & GRIESEBNER, G. (Hrsg.): Angewandte Geoinformatik 2009. Wichmann, Heidelberg, S. 618-623. ZEVENBERGEN, L. W. & THORNE, C. R. (1987): Quantitative analysis of land surface topography'. Earth Surface Processes and Landforms, 12, S. 47-56.
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