Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
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Anlagepolitik Vertrauen Unsere Markteinschätzung Seite 7 Fokusthemen: Inflation und Reflation halten Anleger in Atem Q 2 | 2021 Seiten 8 und 12
Vertrauen Vertrauen in uns selbst und in andere Menschen und Situationen ist ein wertvolles Gut. Dank Vertrauen gehen wir gelassener durchs Leben, es schenkt uns ein Gefühl von Sicherheit und Zuversicht. Vertrauen macht mutig und setzt Kräfte frei. Vertrauen führt Menschen zusammen und ist eine Grundvoraus- setzung für positiv geprägte Beziehungen. Beziehungen zwischen Menschen oder auch zu Institutionen wie einer Bank. IMPRESSUM: Erscheint vierteljährlich | Erscheinungsdatum: 26. März 2021 | Redaktionsschluss: 19. März 2021 | Gesamtauflage: 2’800 Herausgeber/Redaktion: Luzerner Kantonalbank AG, Investment Office, +41 (0) 844 822 811, anlagepolitik@lukb.ch | Realisation: grip-agency.ch Druck: beagdruck | Titelbild: Grafilu | Porträtillustrationen: Janine Wiget | Bilder: shutterstock.com (S. 10), gettyimages.ch (S. 13) | lukb.ch/anlagepolitik
EDITORIAL Geschätzte Investorin, geschätzter Investor Die Pandemie hält unseren Alltag immer noch fest im Griff, und die Rückkehr der Normalität vertagt sich seit Monaten. Betrachtet man dagegen nur die Finanz- märkte, dann ergibt sich der Eindruck, dass das Ende der Krise schon hinter uns liegt. «Die globale Reflationspolitik Björn Eberhardt ist derzeit einer der wichtigsten Leiter Investment Office Markttreiber und sollte Aktien weiterhin unterstützen.» In gewissem Mass erscheint dies auch berechtigt. Denn die vergangenen Monate brachten entscheidende Entwicklungen mit sich: So stehen die USA dank eines hohen Impftempos und eines gigantischen Konjunktur- pakets wieder deutlich besser da – gerade im Vergleich zu Europa. Die Konsequenzen spüren wir bereits – in steigenden Zinsen, Rohstoffpreisen und auch Aktienkursen. INHALT Wir gehen davon aus, dass dieses tiefe «Einatmen» 4 | Highlights der Weltwirtschaft dank der vielen Unterstützungs- 6 | Basisszenario massnahmen in einen länger anhaltenden, starken 7 | Markteinschätzung Aufschwung münden wird. 8 | Fokus: Inflation 12 | Fokus: Reflation 16 | Konjunktur und Geldpolitik Dessen Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die 18 | Festverzinsliche Anlagen Inflation beleuchten wir in unseren Fokustexten. 20 | Aktienmärkte 23 | Währungen Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen. 24 | Immobilien 26 | Marktüberblick Ihr Björn Eberhardt 27 | Makroprognosen Leiter Investment Office ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 3
HIGHLIGHTS MAKRO- UND RISIKOUMFELD Unsere Indikatoren zeigen weiterhin eine gestiegene Risikoneigung der Marktteilnehmer an. Diese wird von einer grosszügigen Liquiditätsversorgung und der laufenden Erholung der Weltwirt- schaft gestützt. Die Inflation zieht temporär an, zugrunde liegende Preistrends bleiben aber moderat. ¢ 4. Quartal 2020 ¢ 1. Quartal 2021 LIQUIDITÄT RISIKOUMFELD Die lockere Geldpolitik und das trotz des Der Risikoappetit der Anleger hat weiter jüngsten Anstiegs immer noch tiefe Zinsniveau zugenommen vor dem Hintergrund des US- unterstützen die Preise von Vermögenswer- Fiskalpakets und der dennoch unverändert ten insgesamt. sehr expansiven Geldpolitik. WACHSTUM INFLATION Das Wachstumstempo hat sich zu Jahresbe- Die Inflation wird dieses Jahr aufgrund von ginn moderiert aufgrund neuer Eindämmungs- Basiseffekten deutlich ansteigen. Die zugrunde massnahmen. In den kommenden Monaten liegenden Preistrends sind moderater, aber erwarten wir eine erneute Beschleunigung. leicht nach oben gerichtet. UNSERE POSITIONIERUNG Liquidität Festverzinsliche Anlagen Aktienmärkte Nicht-traditionelle Anlagen Positionierung vorher ¢ stärker untergewichtet ¢ leicht untergewichtet ¢ neutral ¢ leicht übergewichtet ¢ stärker übergewichtet 4 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
FOKUSTHEMEN: Inflation und Reflation halten Anleger in Atem Die Reflationspolitik von Zentralbanken und Staaten stützt die Konjunkturerholung und die Finanzmärkte, hat aber auch Inflationssorgen aufkommen lassen. Wir zeigen, warum wir Letz- tere für übertrieben halten, man aber dennoch die Positionierung des Portfolios prüfen sollte. AKTIEN Die Rallye an den Aktienmärkten hat etliche Indizes zu neuen Rekord- ständen geführt. Die Bewertungen sind im historischen Vergleich zwar erhöht, aber der Gewinnausblick für die Unternehmen hat sich verbessert und dürfte durch eine positive Konjunkturdynamik unterstützt bleiben. ANLEIHEN ALTERNATIVE ANLAGEN Anlagen in Staatsanleihen der meisten Hauptmärkte bleiben Steigende Realzinsen in den für uns unattraktiv. In der Schweiz USA haben auch auf dem und der Eurozone sind die Ren- Goldpreis gelastet und zuneh- diten noch im negativen Bereich, und es besteht zudem das Risiko mende Inflationserwartungen eines weiteren Renditeanstiegs. mehr als kompensiert. Beide Eine attraktivere Alternative stellen dürften sich vorerst die Waage Schwellenländeranleihen dar. halten. Der globale Konjunk- turaufschwung stützt Öl und Industriemetalle. IMMOBILIEN Schweizer Immobilienfonds sind unverändert ein wesent- licher Bestandteil unserer empfohlenen Vermögensallo- kation. Wir bevorzugen derzeit gemischte Immobilienfonds. Im Ausland sehen wir weiteres Potenzial für eine Erholung bei EUR-Immobilien und empfehlen eine Beimischung ins Portfolio. ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 5
BASISSZENARIO Die Coronavirus-Pandemie beeinträchtigt die Erholung der Weltwirt- schaft zwar noch, eine erneute Rezession ist aber wenig wahrscheinlich. Die Verfügbarkeit und die Verteilung von Impfstoffen dürften sich in den kommenden Monaten verbessern und dann einen zunehmend breiter werdenden Aufschwung ermöglichen. Expansive Geld- und Fiskal- politik bleibt zudem als Stütze des Wachstums präsent. Die Inflation dürfte dieses Jahr temporär deutlich zunehmen. Erwartete Marktauswirkungen: Unser Basisszenario stützt den mittelfristigen Ausblick von Aktien und Unternehmensanleihen. Staatsanleihen dürften dagegen weiter Gegenwind verspüren. Die Reflationierung der Wirtschaft ist zudem positiv für Rohstoffe und Immobilienanlagen. ALTERNATIVSZENARIEN 1. Globale Rezession Ausgelöst z.B. durch eine sich weiter verschlimmernde Welle der Coronavirus- 2. Inflationärer Boom Ausgelöst z.B. durch eine schnellere Verteilung von Impfstoffen bzw. wirksame Pandemie, eine Eskalation geopolitischer Kon- Behandlungsmethoden bei gleichzeitig stark flikte oder eine neue Schuldenkrise. expansiver globaler Geld- und Fiskalpolitik. Erwartete Marktauswirkungen: Erwartete Marktauswirkungen: Positiv für Gold, Schweizer Franken, Staats- Positiv für Aktien, Risikoprämien von Unter- anleihen der Staaten, die als «safe haven» nehmen und Schwellenländern, Rohstoffe, gelten; negativ für Aktien, EUR und Schwel- Hartwährungen und inflationsgeschützte An- lenländer-Vermögenswerte, Rohstoffe. leihen; negativ für Staatsanleihen. Wirtschaftswachstum und Inflation der Industrieländer seit 2008 6 2021 (S) 4 Wachstum in % gegenüber Vorjahr Stand der Weltwirtschaft Ende 2020 inkl. Entwick- 2 lung seit 2008 2008 Erwarteter Stand der Welt- 0 wirtschaft Ende 2021 Durchschnittswerte seit –2 2000 (S) LUKB-Schätzwerte –4 2020 –6 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 Inflation in % gegenüber Vorjahr 6 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
MARKTEINSCHÄTZUNG Im Portfoliokontext empfehlen wir eine Übergewichtung beiden Fällen über den US-Markt. Im Bereich der nicht- von Aktien gegenüber Obligationen. Wir erwarten wei- traditionellen Anlagen bauen wir die Position in Wandel- terhin einen starken Konjunkturaufschwung im Jahr anleihen ab und verwenden im Rohstoffbereich einen 2021, der auch das Risiko steigender Renditen mit sich Teil der Goldquote für eine breiter diversifizierte Expo- bringt. Wir erhöhen die Aktienquote leicht, reduzieren nierung gegenüber Rohwaren (Energie, Metalle). aber auch das Untergewicht in Obligationen leicht, in Markteinschätzungen und Positionierung per 26. März 2021 Anlageklasse Kommentar Wir empfehlen eine erhöhte Liquiditätsquote zur Ausnutzung von Liquidität Marktopportunitäten Aufgrund der z.T. negativen Renditen und des anhaltenden Risikos eines Festverzinsliche Anlagen Zinsanstiegs gewichten wir festverzinsliche Anlagen unter CHF-Staatsanleihen rentieren zumeist negativ und sollten daher deutlich CHF untergewichtet werden. Das Zinsanstiegsrisiko ist aber geringer als im USD Auch EUR-Staatsanleihen höchster Bonität sind negativ verzinst. EUR Das Renditeanstiegspotenzial ist ähnlich wie im CHF begrenzt Der jüngste Renditeanstieg hat die relative Attraktivität von GBP-Anleihen GBP erhöht. Das Risiko eines weiteren Zinsanstiegs bleibt jedoch bestehen USD-Anleihen sind durch den Renditeanstieg interessanter geworden, USD auch wenn das Risiko eines weiteren Anstiegs besteht CNY-Anleihen bieten sowohl von Währungs- als auch Zinsseite gutes CNY Diversifikationspotenzial Breit diversifizierte Lokalwährungsanleihen sind ein attraktiver Portfolio- Schwellenländer bestandteil und dürften von der globalen Konjunkturerholung profitieren Die laufende Konjunkturerholung und die lockere Geld- und Fiskalpolitik Aktienmärkte stützen. Der Pandemieverlauf und steigende Renditen sind die Hauptrisiken In einem von Reflation geprägten Umfeld ist der defensive Schweizer Markt Schweiz weniger attraktiv Der zyklisch ausgerichtete Markt der Eurozone dürfte von einer Konjunktur- Eurozone erholung profitieren Aus Bewertungsperspektive ist der UK-Aktienmarkt attraktiv. Der höhere Grossbritannien Anteil an Rohstoffwerten macht ihn im aktuellen Umfeld interessant Fiskalpaket und hohes Impftempo lassen eine stark steigende Konjunktur- USA dynamik erwarten. Dies dürfte zyklischen Werten und Small/Midcaps helfen Der japanische Markt zeigt ein hohes Momentum und dürfte von einer Japan globalen Konjunkturerholung weiterhin profitieren Der Ausblick für Schwellenländer ist weiterhin gut, allerdings sind viele Schwellenländer Anleger bereits stark übergewichtet, was das weitere Potenzial begrenzt Die Quote der nicht-traditionellen Anlagen reduzieren wir auf neutral über Nicht-traditionelle Anlagen einen Abbau von Wandelanleihen Schweizer Immobilienfonds sind hoch bewertet, aber weiterhin eine Immobilien Schweiz attraktive Alternative zu CHF-Obligationen Die schleppende Konjunktur der Eurozone hat auf den REITs-Märkten gelastet. Immobilien Eurozone Wir erwarten in den nächsten Monaten aber wieder eine Verbesserung Industriemetalle und Energie dürften im Umfeld von Reflation und Rohstoffe (ohne Agrar) zunehmender Konjunkturdynamik anhaltende Chancen bieten Wir reduzieren die Position in Gold zu Gunsten einer breiter diversifizierten Gold Exponierung gegenüber Rohstoffen Positionierung vorher ¢ stärker untergewichtet ¢ leicht untergewichtet ¢ neutral ¢ leicht übergewichtet ¢ stärker übergewichtet ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 7
FOKUS Die Inflation zieht an, aber die Ängste erscheinen übertrieben Die Inflation wird 2021 vor allem wegen Einmal- effekten kräftig zulegen. Auch wenn viele Inflations- sorgen übertrieben sein dürften, ist die Unsicherheit des Ausblicks gerade in den USA gestiegen. Brian Mandt Chefökonom Die Inflation nimmt dieses Jahr deutlich zu. So erwarten dabei primär um einen Basiseffekt, denn vor einem Jahr wir für die Schweiz, dass die Konsumentenpreise 2021 wurden die Verbraucherpreise u.a. durch die massiv im Durchschnitt um 0.4% steigen werden. Letztes Jahr gefallenen Ölpreise nach unten gedrückt. Seitdem sind sind sie aufgrund der Pandemie noch um 0.7% gesunken. die Preise für das schwarze Gold wieder gestiegen. Ähnlich, wenn auch auf einem anderen Niveau, sehen Selbst wenn sie sich in den kommenden Monaten auf wir die Preisentwicklung für den Euroraum und die USA. dem aktuellen Niveau stabilisieren, wird die Inflations- Die drei wesentlichen Treiber für den Inflationsanstieg rate zunehmen. Grund hierfür ist, dass die Rohstoff- sind: Basiseffekte bei den Rohstoffpreisen, Neuge- preise im Vergleich zu 2020 über den Preisen des Vorjah- wichtungen des Warenkorbs und Nachholbedarf beim res liegen. Der Beitrag der Energiepreise zum Inflations- Konsum von Dienstleistungen. Vor allem bei den ersten anstieg könnte dabei erst im April seinen Höhepunkt beiden Punkten handelt es sich um Einmaleffekte, die erreichen. In der unten stehenden Grafik können wir an- 2022 auslaufen werden. hand der gelb gepunkteten Linie erkennen, wie sich der Ölpreis im Vorjahresvergleich entwickelt, wenn er Basiseffekt bei den Ölpreisen in den kommenden Monaten auf dem aktuellen Niveau Die Inflationsrate wird aufgrund höherer Ölpreise in verharren sollte. Insgesamt handelt es sich bei diesem den nächsten Monaten deutlich steigen. Es handelt sich Effekt um ein temporäres Phänomen. Gesamt-Inflationsraten ausgew. Volkswirtschaften Basiseffekte bei Annahme eines konstanten Ölpreises in % gegenüber Vorjahr, gepunktete Linien = LUKB-Prognosen USD/Barrel (l.) und % ggü. Vorj. (r.), gepunktete Linien = Projektionen 4 80 300 3 60 200 2 40 100 1 0 20 0 –1 0 –100 Jan 2020 Jul 2020 Jan 2021 Jul 2021 Jan 2022 –2 2019 2020 2021 2022 USA Eurozone Schweiz Ölpreis Sorte Brent Preisveränderung in % 8 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Warenkorb wurde neu gewichtet Verfügung stehen als vor Ausbruch der Pandemie. In der Schweiz und im Euroraum trägt eine Neugewich- Das wirkt tendenziell preissteigernd. Ausserdem hat tung des Warenkorbs zu einer höheren Inflation in eine Reihe von Firmen aufgrund der Corona-Krise diesem Jahr bei. Private Haushalte fragten während der ihr Geschäft aufgegeben. Die Konkurrenz ist damit Lockdowns im letzten Jahr Lebensmittel kräftig nach, geringer und die am Markt verbliebenen Unternehmen deren Preise stark stiegen. Dagegen sank die Nachfrage könnten höhere Preise verlangen. Das dürfte aber nur nach Freizeitangeboten. Die Gewichte im Warenkorb ein vorübergehendes Phänomen sein, denn es werden für die Konsumentenpreise bleiben im Laufe eines sich rasch neue Anbieter etablieren. Zudem zeigt die Jahres konstant. Daher hat die Inflationsrate 2020 den Entwicklung aus dem Sommer letzten Jahres, dass Gütern, deren Preis fiel, zu viel Gewicht gegeben und Firmen den Spielraum, ihre Preise anzuheben, nicht zu wenig Gewicht auf die Dinge gelegt, deren Preis ausreizen. stieg. Das ändert sich 2021 – zumindest für die Schweiz und den Euroraum. Dort werden die Gewichte jährlich Einmaleffekte laufen 2022 wieder aus angepasst. In den USA werden sie erst 2022 wieder Die durch Einmaleffekte ausgelöste Zunahme der verändert. In der Schweiz haben Lebensmittel nun ei- Inflation sollte nicht mit einem Anstieg der zugrunde nen etwas höheren Anteil im Warenkorb erhalten. Die liegenden Preisentwicklung verwechselt werden. Diese Neugewichtung führt dazu, dass wird mittelfristig nur moderat die ausgewiesene Inflation in den steigen, da es noch einige Zeit nächsten Monaten tendenziell dauern dürfte, bis sich die erhöh- etwas höher ausfallen wird. «Die durch Einmal- ten Arbeitslosenquoten wieder effekte ausgelöste zurückbilden. 2022 dürfte die In- Nachholbedarf nach Dienst- flation langsamer zunehmen. leistungen Zunahme der Infla- So erwarten wir, dass die Inflati- Sobald die Regierungen die Res- tion sollte nicht mit onsrate der Schweiz dieses Jahr triktionen lockern und die Furcht im Durchschnitt 0.4 % betragen vor dem Virus etwas abebbt, einem Anstieg der wird, gegenüber –0.7 % im letzten wird es zu Nachholeffekten beim Konsum von Dienstleistungen zugrunde liegenden Jahr. Für 2022 rechnen wir dann mit einem Anstieg auf 0.5 %. kommen. Die Dienstleistungs- Preisentwicklung preise sind für die Wirtschaft Wer steigt höher: USA oder jedoch wichtiger als die Waren- verwechselt werden.» Euroraum? preise. Es spricht vieles dafür, Im transatlantischen Vergleich dass sich ein Teil des Konsums um die höchste Inflationsrate in aufgestaut hat. Indiz hierfür geben die Sparquoten. diesem Jahr hat die USA eindeutig die Nase vorn. Hier- Diese sind kräftig gestiegen. Grund dafür ist einerseits, bei erwarten wir, dass die Inflationsrate im 2. Quartal dass private Haushalte aus Vorsicht in unsicheren Zei- im Durchschnitt auf rund 3.3 % steigt, während sie im ten mehr sparen. Andererseits können sie einen Teil Februar noch bei 1.7 % lag. In der zweiten Jahreshälfte ihres Geldes gar nicht ausgeben, da viele Geschäfte und dürfte die Inflationsrate dann wieder zurückgehen. Dienstleister geschlossen sind. Vor allem die Nachfrage Sie bleibt aber deutlich über der Marke von 2 %, sodass nach Produkten und Dienstleistungen, die während des wir für die US-Inflation für dieses Jahr im Schnitt mit Lockdowns nicht konsumiert werden konnten, dürfte 2.5 % rechnen. 2022 erwarten wir einen leichten Rück- daher zunächst stark zulegen. gang auf 2.4 %. Nachfrage trifft auf reduziertes Angebot Im Euroraum nimmt die Inflationsrate dieses Jahr zwar Die Nachfrage trifft dabei auf ein kurzfristig reduziertes auch signifikant zu. Bereits im Januar sprang sie auf- Angebot. Im Tourismussektor hängt das beispielsweise grund einer Reihe von Einmaleffekten auf 0.9 %, gegen- damit zusammen, dass weniger Reisedestinationen zur über –0.3 % im Dezember. Für 2021 erwarten wir, ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 9
dass die Euroraum-Inflationsrate im Mittel 1.4 % be- sind strukturelle Veränderungen wie beispielsweise die tragen wird. Damit bleibt sie also deutlich unter dem Globalisierung und die Technologisierung. Als Konse- Niveau der US-Inflation. Zudem liegt sie unter dem von quenz daraus ist schwerer zu prognostizieren, ob z.B. der der EZB anvisierten Ziel von unter, aber nahe bei 2 %. grosse US-Fiskalstimulus wirklich eine nennenswerte Neben zyklischen und strukturellen Unterschieden Lohn-Preis-Dynamik nach oben anstösst. zwischen den USA und der Eurozone erklären auch Gewichtungsunterschiede die Diskrepanz zwischen Globalisierung begrenzt Preissetzungsmacht den Inflationsraten beider Länder. So schlagen zum ei- Die Weltwirtschaft ist ausserdem globaler geworden. nen Energiepreisschwankungen in den USA prozentual Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass die stärker durch, da z.B. der Steueranteil bei den Benzin- Inflationsraten weltweit zurückgingen. Immer mehr preisen niedriger ist. Zudem ist der Anteil von Mietaus- Unternehmen verlagerten ihre Fabriken in Länder, gaben im US-Warenkorb deutlich höher. wo sie ihre Produkte effizienter und günstiger produ- zieren konnten. Damit wurden die Lieferketten inter- Gestiegene Unsicherheit des Inflationsausblicks nationaler. Die Volkswirtschaften wurden offener. Auch wenn wir davon ausgehen, dass sich die Inflation Zudem wurden Regulierungen und Beschränkungen im kommenden Jahr wieder weitgehend normalisieren gelockert, und damit nahm die internationale Mobilität wird, dürfte die Unsicherheit über von Kapital und Arbeitskräften den Ausblick dennoch steigen, zu. Nun stehen heimische Arbeiter gerade in den USA. Denn nach mit ausländischen Arbeitskräften vielen Jahren, in denen die Infla- «Es fehlt noch im Wettbewerb um die gleiche tion kaum die Notenbankziele Erfahrung bezüglich Stelle, und das Potenzial, höhere erreichte, hat der grosse Fiskal- Löhne und Gehälter einzufordern, stimulus in den USA dieses Jahr der neuen geld- wird damit eingeschränkt. das Potenzial, die Inflation durch- politischen Strate- aus nachhaltiger zu beeinflussen. Strukturelle Faktoren Dies geschieht zu einer Zeit, in gie der Fed, was die ändern sich der noch Erfahrung bezüglich der Unsicherheit des Allerdings ist die strukturelle neuen geldpolitischen Strategie Entwicklung keine Einbahnstrasse der US-Notenbank fehlt. Entspre- Inflationsausblicks in Richtung immer niedrigerer chend verwundert es nicht, dass Inflationsraten. In einer Reihe von auch die Unsicherheit über den erhöht.» Industriestaaten nimmt der Man- weiteren Verlauf der US-Inflation gel an Facharbeitskräften aufgrund erhöht ist. Da die Rahmenbedin- der demographischen Entwick- gungen in der Eurozone und der Schweiz deutlich lung zu. Das kann sich mittel- bis langfristig in höheren anders sind, ist der Ausblick für die Inflation deutlich Löhnen niederschlagen. moderater. Es gibt noch einen weiteren Grund, der gegen eine Inflation reagiert weniger auf Arbeitsmarkt Fortsetzung der Phase allzu niedriger Inflationsraten Die Inflationsprognose wird noch dadurch erschwert, spricht. China hat als billige Werkbank der Welt all- dass gewisse als gesichert geltende ökonomische Zusam- mählich ausgedient. Die Löhne sind dort, wenn auch menhänge scheinbar seit geraumer Zeit nicht mehr auf niedrigem Niveau, gestiegen. Unternehmen haben gelten. Ein Beispiel hierfür ist der Zusammenhang zwi- daher einen Teil ihrer lohnintensiven Produktion in schen Inflation und Arbeitsmarkt. In früheren Phasen andere Länder wie Vietnam oder Indonesien verlagert. ging eine Erholung des Arbeitsmarktes mit einem An- Doch diese Länder sind wirtschaftlich zu klein, um stieg der Inflation einher. Denn im Schlepptau einer China als Produktionsland zu ersetzen. Die Phase bil- sinkenden Arbeitslosenquote nahmen die Löhne und ligster Importe aus den Schwellenländern nähert sich damit auch die Inflationsrate zu. Diese Beziehung ist wohl ihrem Ende. Insgesamt könnte damit auch der in den letzten Jahrzehnten lockerer geworden. Die strukturelle Abwärtstrend der Inflation auslaufen. ¢ Teuerung reagiert deutlich weniger stark auf Änderun- gen der Beschäftigung als früher. Gründe hierfür ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 11
FOKUS Reflation und die Auswirkungen auf Anlageportfolios Notenbanken haben auf die Krise stark reagiert, um die Wirtschaft zu stützen. Dadurch wurde viel neues Geld geschaffen. Wie es verwendet wird, dürfte einen starken Einfluss auf die Märkte haben. Josh Bouchard Investment-Stratege Die Corona-Krise hat die globale Konjunktur so stark ein- das Geld verwendet wird. Vereinfacht gesagt, kann das brechen lassen wie zuletzt während der Weltwirtschafts- Geld dazu genutzt werden, um verstärkt Waren und krise vor 90 Jahren. Die Notenbanken der entwickelten Dienstleistungen zu erwerben (Konsum), oder es kann Länder haben entsprechend schnell und kraftvoll reagiert. vermehrt gespart bzw. in Finanzmärkte und Vermö- Sie haben dabei nicht nur die Finanzmarktliquidität genswerte investiert werden. sichergestellt, sondern mit ausserordentlichen Instru- menten auch genügend Geld neu geschaffen, um einen Bisheriger Einfluss der Reflationspolitik auf die Zusammenbruch der Wirtschaft und der Märkte zu Finanzmärkte vermeiden. Hinzu kamen grosse Fiskalpakete vieler In den vergangenen Monaten haben die Privathaushalte Staaten. Trotz des sich verbessernden konjunkturellen aus Sicherheitsaspekten und eingeschränkten Konsum- Ausblicks bleibt die Erholung mit Unsicherheiten möglichkeiten noch vermehrt gespart, während sich behaftet, weshalb die Notenbanken ihre Geldpolitik viele Unternehmen wegen des unsicheren Wirtschafts- vorerst unverändert belassen dürften. Dies hat wichtige ausblicks mit Investitionen zurückgehalten haben. Folgen für die Finanzmärkte und Anlageportfolios, Das neu geschaffene Geld sowie ein gewisser Teil der die wir im Folgenden näher beleuchten. sehr grossen Mittel aus den Fiskalpaketen flossen daher mehrheitlich in Finanzanlagen, was vielen Ver- Enormer Anstieg der Zentralbankbilanzen mögenspreisen enormen Auftrieb verlieh. Der dadurch Die Massnahmen der Zentralbanken haben über das ausgelöste «Vermögenseffekt» hat dabei geholfen, vergangene Jahr zu einem enormen Wachstum ihrer Bilanzsummen und der Geldmengen geführt. So be- trägt der globale Anstieg der Zentralbankbilanzen seit Ausbruch der Krise circa 10 % des globalen BIP, und ein Bilanzsummen grosser Notenbanken weiteres Wachstum in den kommenden Monaten ist in % vom globalen BIP, gepunktete Linie = erwartet sehr wahrscheinlich (Abbildung rechts). Das Ziel dieser 40 Politik – die Stabilisierung der Wirtschaft durch billi- ges Geld und tiefe inflationsbereinigte Zinsen (Realzin- 30 sen) – wird bislang erreicht. Allerdings stellt ein koor- 20 diniertes Geldmengenwachstum in diesem Ausmass ein Novum dar, das eine ganze Reihe von möglichen Kon- 10 sequenzen mit sich bringt. 0 2005 2008 2011 2014 2017 2020 Wie sich die Geldpolitik auf Weltwirtschaft und Finanz- märkte auswirkt, hängt von der Art und Weise ab, wie Fed EZB BoE BoJ SNB 12 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Auch die Positionen im Portfolio benötigen eine regelmässige Kontrolle und Pflege.
das Wirtschaftswachstum zu stabilisieren. Dieser Pro- Neues ist, gewinnt das Thema Inflation angesichts zess ist ein wichtiger Bestandteil der als «Reflation» der aktuellen Umstände diesmal mehr an Bedeutung für bezeichneten Politik der wirtschaftlichen Stabilisierung Anleger. Die Pandemie verursachte eine signifikante nach einem Konjunktureinbruch. Unterbrechung der globalen Handelsströme, die sich immer noch in Lieferkettenproblemen und steigenden Allerdings hat so eine Politik auch ihre Grenzen. Stei- Produzentenpreisen zeigt. Zusätzlich wird es eine Ver- gende Preise und billiges Geld führen zu risikofreudigem lagerung des Konsums im Umfeld von Lockerungen Verhalten. So sind insbesondere diejenigen Vermögens- geben. Dies dürfte zu steigendem Preisdruck bei sol- werte sehr teuer geworden, die von einem Umfeld tiefer chen Produkten und Dienstleistungen beitragen, die Realzinsen und pandemiebedingter Verhaltensände- im Lockdown nicht konsumiert werden konnten. Auch rungen profitieren, beispielsweise Wachstumsaktien, Investitionen in gewisse langlebige Wirtschaftsgüter Unternehmens- und Hochzinsanleihen, Gold und werden wieder ansteigen. Darüber hinaus bleiben die spekulativere Vermögenswerte wie «Penny Stocks» und Notenbanken entschlossen, die Wirtschaft zu bele- Kryptowährungen. Dabei kann es ben und dazu auch vorüberge- auch zu blasenartigen Übertrei- hend höhere Inflationsraten bungen kommen. Damit geht in Kauf zu nehmen bzw. sogar das Risiko einher, dass bei einem «Das neu geschaffene anzustreben. Platzen der Blase wiederum ne- gative Folgen für die Konjunktur Geld dürfte künftig Es überrascht daher nicht, dass auftreten können. vermehrt seinen Weg sich die Erwartungen einer star- ken Wachstumsbeschleunigung Angestrebter Einfluss der in die Realwirtschaft bei zunehmender Inflation bereits Reflationspolitik auf die Real- finden.» an den Finanzmärkten wider- wirtschaft spiegeln, vor allem in steigenden Da es gute Gründe für die An- Renditen. Aber auch Rohstoff- nahme gibt, dass die Pandemie in preise und die Aktienkurse von den kommenden Monaten zurückgeht, dürfte auch das Firmen aus den Sektoren Grundstoffe und Energie ha- neu geschaffene Geld zunehmend seinen Weg in die ben dieses Jahr bereits positiv reagiert. Ferner konnten Realwirtschaft finden. Die Rahmenbedingungen für die Value-Aktien, die oft zyklisch (Industrie) oder renditen- meisten Privathaushalte dürften sich weiter verbessern. empfindlich (Banken) sind, sich zuletzt gegenüber ihren Neben der bisher bereits sehr ausgeprägten aggregier- Pendants aus dem Wachstumsbereich (z.B. Technologie- ten Ersparnisbildung werden künftig auch die Einkom- aktien) besser entwickeln. Diese Trendumkehr hat von men der Privathaushalte wieder steigen. Gleichzeitig tiefen Niveaus aus begonnen (siehe die drei Abbildun- werden dann durch die Lockerung der Eindämmungs- massnahmen auch wieder mehr Konsummöglichkeiten zur Verfügung stehen. Unternehmen, die sich mit Investitionen zurückgehalten haben, werden wieder Welt-Aktien vs. US-Aktien mehr Investitionssicherheit haben. Darüber hinaus trendbereinigtes Verhältnis beabsichtigen etliche Staaten, zusätzliche grosse 0.4 Infrastrukturinvestitionen vorzunehmen. Grösse, 0.3 Geschwindigkeit und die synchrone Teilnahme von 0.2 Privat- und Staatssektor könnten daher einen unge- 0.1 wöhnlich kräftigen Aufschwung auslösen. 0.0 –0.1 –0.2 Märkte beginnen inflationäre Auswirkungen –0.3 einzupreisen –0.4 Obwohl «reflationäre» Geld- und Fiskalpolitik bei 1970 1980 1990 2000 2010 2020 einer bereits einsetzenden Konjunkturerholung nichts 14 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
gen unten), aber es dürfte noch mehr Spielraum nach Ob und wie lange sich diese neuen Trends tatsächlich oben bestehen, solange sich der Zustand der Weltwirt- besser entwickeln als die bisherigen Favoriten, ist nur schaft weiter verbessert. schwer zu prognostizieren. Aber es spricht einiges dafür, dass die Rahmenbedingungen der Reflation die Verschmähte Anlagen als Opportunität Rotation weiter begünstigen und Anleger dies bei ihrer Diese Rotation an den Finanzmärkten hat bedeuten- Vermögensallokation berücksichtigen sollten. Entspre- de Konsequenzen für Anlageportfolios, insbesondere chend sollten Anleger, die wie wir eine Fortsetzung der wenn sie länger anhalten sollte. Denn ein Grossteil der Reflationsdynamik an den Finanzmärkten erwarten, Anleger folgt seit einigen Jahren ihre Positionierungen in Rohstof- breiten Anlagetrends, so z.B. fen, zyklischen Sektoren sowie mit Investitionen in «Big Tech» den eher vernachlässigten Anlage- und andere Wachstumsaktien, «Ein Grossteil der regionen überprüfen. ¢ USD-Vermögenswerte, asiatische Anleger folgt seit ei- Schwellenländer und «Grüne Energie». Sogar rein indexorien- nigen Jahren breiten tierte Anleger haben dank der überdurchschnittlichen Markt- Anlagetrends und entwicklung bei den meisten ist dadurch unterge- dieser Trends mittlerweile ein deutlich höheres Gewicht sol- wichtet in etlichen cher Themen im Portfolio. Themen, die von der Auf der Gegenseite sind mitt- Reflation profitieren lerweile viele Portfolios z.B. in dürften.» den weniger bevorzugten Län- dern (Eurozone, Grossbritannien, Schwellenländer ausserhalb Asiens), Sektoren (Energie, Grundstoffe, Banken und Industrie) und Rohstoffen untergewichtet. Wenn sich also die jüngst erwachte «Rotation» bei diesen Anlage- trends fortsetzt, könnte eine Untergewichtung in den genannten Bereichen zu einer unterdurchschnittlichen Performance von Portfolios führen. Value-Aktien vs. Wachstums-Aktien Rohstoffe vs. Aktien trendbereinigtes Verhältnis trendbereinigtes Verhältnis 0.6 1.5 0.4 1.0 0.2 0.5 0.0 0.0 –0.2 –0.5 –0.4 –0.6 –1.0 –0.8 –1.5 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 15
Konjunktur und Geldpolitik Die Weltwirtschaft dürfte kräftig Fiskal- und Geldpolitik stützen Aufschwung Der Konjunkturaufschwung wird zudem von der extrem an Fahrt gewinnen bei temporär lockeren Geld- und Fiskalpolitik gestützt. Für Aufsehen steigender Inflation. Da die konjunk- sorgen dabei die fiskalpolitischen Massnahmen des neu- turellen Abwärtsrisiken bedeutend en US-Präsidenten Joe Biden. Das von den Demokraten geplante und bereits verabschiedete Hilfspaket beträgt sind, wird die Geld- und Fiskalpolitik knapp USD 2 Bio. Es wird der US-Konjunktur einen kräf- sehr locker bleiben. tigen Impuls geben. Der grösste Teil kommt den privaten Haushalten zugute. So beinhaltet es direkte Transferleis- Die Aussichten, dass die globale Konjunktur dieses tungen in Höhe von bis zu USD 1’400 pro Person. Jahr einen starken Aufschwung erlebt, sind positiv. Der Start ins neue Jahr fällt in vielen Ländern zwar zunächst Joe Biden drückt aufs Tempo aufgrund von anhaltenden Coronavirus-Restriktionen Das Hilfspaket ist kaum in trockenen Tüchern, da nimmt schwach aus. Die Perspektiven, dass die Länder die Pan- Joe Biden bereits das nächste grosse legislative Projekt demie allmählich in den Griff bekommen, haben sich in Angriff: ein mehrere Billionen Dollar schweres Infra- jedoch verbessert. Eine Reihe von Staaten hat damit be- strukturpaket. Dieses zielt u.a. auf die Erneuerung von gonnen, die Bevölkerung zu impfen. Die Restriktionen Autobahnen, Brücken, Wasser- und Abwasserleitungen dürften daher allmählich wieder gelockert werden. sowie den Ausbau von Breitbandnetzen in ländlichen Das wird vor allem der Dienstleistungswirtschaft zu- Gebieten. Es beinhaltet auch Investitionen in erneuerba- gute kommen, die besonders unter den Kontakt- und re Energien. Die Zeichen, dass die US-Wirtschaft sich Mobilitätsbeschränkungen leidet. Für einen kräftigen dieses Jahr kräftig erholt, stehen also gut. Die Stimmung Konjunkturaufschwung in diesem Jahr spricht auch, im Verarbeitenden Gewerbe und sogar im von Restrik- dass es sich um einen positiven Rückprall auf den starken tionen gebeutelten Dienstleistungssektor ist schon auf Konjunktureinbruch des Vorjahres handeln dürfte. einem Niveau wie im Boom – deutlich über 50 Punkte Für dieses Jahr rechnen wir insgesamt mit einem kräf- (Grafik US-Einkaufsmanagerindizes). Wir erwarten ein tigen Wachstumsplus von 6.5 % gegenüber 2020, nach- reales US-BIP-Wachstum von 6.4 %, gegenüber –3.5 % dem das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) letztes Jahr im letzten Jahr. voraussichtlich um 3.1 % gesunken ist (Grafik Weltwirt- schaftsprognose). Für 2022 erwarten wir, dass sich Euroraum nimmt allmählich Fahrt auf das Weltwirtschaftswachstum auf einem etwas mode- Auch im Euroraum ist die Fiskalpolitik expansiv aus- rateren Niveau von knapp 4.5 % einpendeln wird. gerichtet. Positive Impulse gehen dabei vor allem vom Wachstum der Weltwirtschaft US-Einkaufsmanagerindizes in % gegenüber Vorjahr, inflationsbereinigt Index, Werte über 50 zeigen Wachstum an 8 65 6 60 4 55 2 50 0 45 –2 –4 40 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Realisierte Werte LUKB-Prognose Dienstleistungssektor Verarbeitendes Gewerbe 50er-Linie 16 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Wiederaufbaufonds aus. Dieser kommt gerade jenen Mitgliedsstaaten zugute, die am heftigsten von der Pandemie betroffen waren. Für dieses Jahr erwarten wir ein Wirtschaftswachstum von real 4.5 %, gegenüber –6.8 % im letzten Jahr. Schweizer Wirtschaft entwickelt sich robust Die Schweiz ist aus konjunktureller Sicht bislang besser durch die Coronavirus-Pandemie gekommen als ihre Nachbarstaaten. Im letzten Jahr sank das reale BIP um Brian Mandt 3 % gegenüber dem Vorjahr, während es z.B. in Frank- Chefökonom reich um 8.2 % zurückging. Die Schweiz profitiert dabei von ihrer günstigen Wirtschaftsstruktur. Für dieses Jahr rechnen wir mit einem Wachstumsplus von 3.6 %. Die Preisniveaustabilität soll im Durchschnitt über Somit sollte die Wirtschaft bereits 2021 ihr Vorkrisen- einen – nicht näher spezifizierten – Zeitraum erreicht niveau überschreiten. werden. Ein Überschiessen der Inflation über die 2%- Marke wird toleriert. Nichtsdestotrotz, wenn sich die China gibt Gas Wirtschaft nachhaltig erholt und sich damit einher- Auch die Wirtschaft in den Schwellenländern dürfte gehend die Beschäftigungslage verbessert, dürfte die sich kräftig erholen. Für China erwarten wir dabei, Fed allmählich den Rückzug aus der sehr expansiven dass das reale BIP 2021 um fast 9 % wächst, gegenüber Geldpolitik vorbereiten. Die Europäische Zentralbank 2.3 % im letzten Jahr. Chinas Führung wird den Auf- (EZB) sorgt sich derweil um die Wahrung der günstigen schwung zwar weiterhin mit geld- und fiskalpolitischen Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft. Sie hat Massnahmen stützen, doch sie werden zielgerichteter daher beschlossen, das Tempo der Anleihenkäufe zu gestaltet. So soll vor allem der private Konsum gestärkt erhöhen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird werden, der besonders unter der Pandemie gelitten hat. also ihre Leitzinsen auf absehbare Zeit unverändert belassen müssen und bei Bedarf Devisenmarktinterven- Inflation nimmt dieses Jahr kräftig zu tionen vornehmen. Letzteres musste sie in den ver- Für dieses Jahr erwarten wir in vielen Ländern einen gangenen Wochen dank des schwächeren Frankens deutlichen Anstieg der Konsumentenpreise. Ein grosser aber kaum noch. ¢ Teil des Inflationsanstiegs basiert auf Einmaleffekten, die im kommenden Jahr wieder auslaufen werden. Doch auch von einer Konjunkturerholung gehen preistrei- bende Effekte aus. Die zugrunde liegende Preisentwick- lung dürfte jedoch zunächst moderat bleiben. Das liegt vor allem daran, dass strukturelle Effekte das Infla- tionsniveau tief halten dürften. Gleichwohl bleibt der Inflationsausblick nicht zuletzt wegen des Pandemie- verlaufs mit hoher Unsicherheit behaftet. IN KÜRZE Zentralbanken halten Schleusen offen Die Weltwirtschaft erholt sich 2021 kräftig Der temporäre Inflationsanstieg sollte die Zentralbanken nicht von ihrer ultralockeren Geldpolitik abbringen. Expansive Geld- und Fiskalpolitik stützt Konjunktur Sie betonten bis zuletzt die hohen Abwärtsrisiken für Inflation steigt 2021 wegen Einmaleffekten deutlich an die Konjunktur. Die US-Notenbank (Fed) hat zudem ihre Zentralbanken halten ultralockere Geldpolitik bei geldpolitische Strategie verändert. Der Fokus liegt auf der Herstellung eines hohen Beschäftigungsstandes. Konjunkturelle Abwärtsrisiken bleiben hoch ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 17
Festverzinsliche Anlagen Die Renditen von Staatsanleihen sind im Q1 2021 recht deutlich gestiegen. Wir gehen aufgrund der sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik von einem weiteren Anstieg gerade im USD aus. Opportuni- täten sehen wir bei Schwellenländeranleihen. Der deutliche Anstieg der Staatsanleihenrenditen war eines der marktbeherr- schenden Themen der vergangenen Wochen. Er kam damit früher und in stär- Björn Eberhardt ker ausgeprägter Form als von uns und anderen Marktteilnehmern noch Ende Leiter Investment Office letzten Jahres erwartet. Die Bewegung der Renditen ging vom Markt für US- Staatsanleihen aus, der den Ton für die Entwicklung in anderen Märkten nach wie vor angibt. Hier stieg die Rendite für 10-jährige Staatsanleihen von circa 0.9 % zu Beginn des Jahres auf mittlerweile 1.7 %. Vielfältige Ursachen für Zu diesem Anstieg hat eine Gemengelage von Faktoren beigetragen, darunter Renditeanstieg die Fortschritte bei den Impfungen in den USA, damit verbundenen Hoff- nungen auf eine baldige konjunkturelle Belebung, die Aussicht auf ein enorm grosses Fiskalpaket, Zusicherungen der US-Notenbank, die Geldpolitik vor- erst nicht anzupassen, und daher Sorgen, dass die Inflation stärker ansteigen könnte als bisher gedacht. Höhere Renditen führen zu Zwar stiegen die Renditen in den meisten Hauptmärkten an, besonders be- steigenden Hypothekarzinsen troffen neben den USA waren jedoch Grossbritannien und Australien. In der Schweiz lag das Ausmass des Renditeanstiegs bei circa 30 Basispunkten von –0.5 % Anfang des Jahres auf –0.2 % Mitte März. Solche Bewegungen führen zum einen zu Kapitalverlusten bei Eigentümern von Obligationen, zum ande- ren drücken sie auch andere Zinssätze nach oben. So erhöhten sich für Banken die Kosten zur Absicherung von Zinsrisiken aus der Hypothekenvergabe über Swapgeschäfte, woraus u.a. ein Anstieg der Schweizer Hypothekarzinsen in den vergangenen Wochen resultierte. US-Realzins und Inflationserwartungen auf 10 Jahre Rendite von Staatsanleihen ausgewählter Länder in %, basierend auf inflationsgeschützten Staatsanleihen in %, Laufzeit 10 Jahre 3 2.0 1.5 2 1.0 1 0.5 0 0.0 –0.5 –1 –1.0 –2 Jan 2020 Apr 2020 Jul 2020 Okt 2020 Jan 2021 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Inflationserwartungen Realzins USA Schweiz Deutschland 18 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Wir gehen davon aus, dass sich der Anstieg der Renditen auch in den kom- Erhöhte Unsicherheit menden Monaten fortsetzt, allerdings dürfte die Dynamik etwas abnehmen. bezüglich Inflationsausblick Grundsätzlich sind die mittelfristigen Inflationserwartungen für die USA mittlerweile auf einem Niveau angelangt, das uns weitgehend angemessen erscheint. Gleichzeitig ist die Unsicherheit über den Inflationsausblick und damit auch für die künftige Geldpolitik erhöht. Erschwerend kommt hinzu, dass die US-Notenbank erst vor wenigen Monaten ihre geldpolitische Stra- tegie angepasst hat und insofern bei den Investoren grössere Unsicherheit besteht, wie sich die Fed verhalten wird. Dies erhöht die Risikoprämien für Inflation zusätzlich. Selbst wenn sich die Inflationserwartungen stabilisieren sollten, können die Realzinsen könnten weiter Renditen auch von einer weiteren Seite unter Aufwärtsdruck kommen: So steigen gibt es gute Gründe dafür, dass auch die Realzinsen, d.h. die inflationsberei- nigten Zinsen, gerade in den USA weiter steigen könnten. Dazu zählen ins- besondere der gerade verabschiedete defizitfinanzierte Fiskalstimulus sowie die Aussicht auf grossvolumige Infrastrukturmassnahmen, die im weiteren Jahresverlauf ins Gesetzgebungsverfahren kommen dürften. Aus den vorgenannten Gründen empfehlen wir trotz des Renditeanstiegs Anleihen weiterhin unter- weiterhin eine Untergewichtung von Anleihen insgesamt. Dazu zählen vor gewichten allem die immer noch negativ rentierenden Staatsanleihen in CHF und EUR. Anleihen im USD sind dagegen mittlerweile relativ gesehen interessanter ge- worden, auch aus währungsgesicherter Perspektive. Der Grund ist der bereits erfolgte Renditeanstieg, wodurch sie gegenüber den bisher weiter gestiegenen Aktienmärkten weniger überbewertet erscheinen. Allerdings sehen wir wei- terhin das Risiko einer Fortsetzung des Zinsanstiegs, weshalb wir kürzere Laufzeiten bevorzugen. Bei Unternehmensanleihen im Investment-Grade-Bereich hat sich die Ein- engung der Risikoaufschläge seit Jahresbeginn fortgesetzt. Auf den aktuellen Niveaus sehen wir nur noch wenig Potenzial für einen weiteren Rückgang der Risikoprämien. Damit bieten Unternehmensanleihen im Falle eines An- stiegs der Staatsanleihenrenditen nur einen sehr dünnen Puffer, um in einem solchen Szenario die Kapitalverluste zu begrenzen. Bessere Chancen bieten aus unserer Sicht CNY-Anleihen aufgrund ihrer niedrigen Korrelation mit den westlichen Anleihemärkten und ihrer attrak- IN KÜRZE tiven Verzinsung. Insgesamt stellt ein breit diversifiziertes Engagement in Weiterer Anstieg der Staats- Schwellenländeranleihen für uns unverändert eine attraktive Alternative dar anleihenrenditen in den kommen- angesichts des Tiefzinsumfelds in den meisten Industrieländern sowie des den Monaten wahrscheinlich Risikos weiter steigender Renditen. ¢ Untergewichtung von Staats- anleihen in den Hauptwährungen im Portfoliokontext daher ratsam Potenzial bieten CNY- und breit diversifizierte Schwellenländer- anleihen in Lokalwährung ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 19
Aktienmärkte Die Aktienmärkte haben in den letzten Wochen weiter zugelegt und zum Teil neue Höchststände erreicht. Die Bewertungen sind zwar fortge- schritten, jedoch nicht überrissen. Eine anziehende Konjunktur und steigende Inflationserwartungen führen zu neuen Investitionsgelegenheiten. Die Rahmenbedingungen für Aktien sind weiterhin gut. Dies gilt insbeson- Reto Lötscher dere, wenn man die Gesamtrendite von Aktien mit der von Obligationen Leiter Finanzanalyse vergleicht. Ein Bewertungsmass für Aktien, das die Niveaus von Obligatio- nenrenditen berücksichtigt, ist die Risikoprämie. Je höher die Risikoprämie, desto attraktiver ist ein Aktienmarkt im Vergleich zum Obligationenmarkt bewertet. Die Risikoprämie für den Schweizer Aktienmarkt liegt zurzeit bei 5.6 %, der langjährige Durchschnitt bei 5.5 %. Für den US-Aktienmarkt liegen beide Werte bei rund 3 %. Anhand dieses Masses lässt sich feststellen, dass sowohl der Schweizer als auch der US-Aktienmarkt fair bewertet erscheinen, obwohl sich beide nahe historischer Höchststände bewegen – und trotz deut- lich gestiegener Renditeniveaus für Obligationen. Hinzu kommt ein günstiger konjunktureller Ausblick vor dem Hintergrund der sehr lockeren Geld- und Fiskalpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks. Wenn zwei grosse Wirtschaftsräume solch massive Konjunkturimpulse er- halten, wird sich das auch auf andere Länder positiv auswirken und in einer steigenden Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen niederschlagen. Da- durch entstehen allerdings auch preistreibende Effekte, was zu steigenden Inflationserwartungen führen kann. In der Summe entsteht dadurch ein als Reflation bezeichnetes Marktumfeld, in dem bestimmte Aktiensektoren ge- genüber anderen bevorzugt werden. Das ist Teil des sogenannten «Reflation trade», d.h. einer Neupositionierung der Investoren u.a. im Aktienmarkt. Risikoprämie, CH-Aktien vs. CH-Staatsanleihen Globale Sektorperformance in % in %, Gesamtrenditen in USD seit Jahresbeginn 2021 10 Basiskonsum Versorger 8 Gesundheitswesen IT 6 Zyklischer Konsum 4 Immobilien Grundstoffe 2 Telekom Industrie 0 Finanzen 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Energie –5 0 5 10 15 20 25 30 Risikoprämie Schweizer Aktien Durchschnitt seit 2000 20 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
«Reflation trade» – die Gewinner In einer Phase der Reflation, d.h. steigender Inflations- und Konjunkturdyna- mik, sind zyklische Werte gefragt und solche, die von anziehenden Zinsen profitieren. Dazu gehören zum Beispiel Energie-, Rohstoff- und Industrietitel oder Finanzwerte. Die ersten beiden Sektoren profitieren vor allem von der anziehenden Konjunktur und der damit einhergehenden steigenden Nach- frage nach Energieträgern oder Rohstoffen. Dies ist auch den Industriewerten zuträglich. Letztere profitieren zudem davon, dass Investitionen angestossen werden, solange die Zinslandschaft noch günstig ist. Im Bereich der Finanz- werte gehören die Banken zu den Gewinnern. Eine steiler werdende Zins- kurve begünstigt die Zinsmargen, und eine bessere Konjunkturentwicklung lässt die Rückstellungen für notleidende Kredite sinken, was zu steigenden Erträgen bei den Banken führt. Heute kommt bei Banken noch eine weitere Komponente zum Tragen: die hohe Anzahl an Fusionen, Übernahmen und Börsengängen. Davon profitieren die Investmentbanken. «Reflation trade» – die Verlierer Am anderen Ende der Skala finden sich Sektoren, die in der Krise durch de- fensive Eigenschaften überzeugt haben. Zum Beispiel Titel aus dem Bereich der Basiskonsumgüter. Auch Titel mit hoher Verschuldung gehören zu den Verlierern. Sie sind auf günstige Finanzierungsbedingungen angewiesen, um ein stabiles Einkommen zu erwirtschaften und eine stete Ausschüttung zu ermöglichen. Der Versorger-Sektor wird trotz attraktiver Dividendenrendite für Investoren weniger interessant, da Obligationen wieder höhere Renditen versprechen. Zudem meiden Investoren Unternehmen, deren Cashflow erst . in der Zukunft anfällt. Das sind häufig Wachstumstitel, die heute keinen oder nur einen geringen Cashflow generieren. Von denen aber erwartet wird, dass sie in Zukunft hohe Mittelflüsse erwirtschaften werden. Mit steigenden Zin- sen bzw. steigender Inflation verlieren die künftig erwarteten Mittelzuflüsse an Wert. Solche Titel sind oft in den Sektoren Technologie oder zyklischer Konsum zu finden. Fokus auf zyklische Erholung Wie die Ausführungen zeigen, hat der seit einigen Wochen laufende «Reflation trade» zwei Komponenten: zum einen die konjunkturelle Entwicklung, zum anderen die Inflationserwartungen. Auf welche soll aber der Fokus gelegt werden? Wir gehen davon aus, dass die Inflation 2021 aufgrund von temporä- IN KÜRZE ren Effekten und aufgrund des sehr tiefen Vergleichsniveaus deutlich anziehen Aktien bleiben im Vergleich zu wird. Die zugrunde liegende Preisentwicklung bleibt jedoch moderat, sodass Obligationen attraktiv wir für 2022 nicht damit rechnen, dass sich der kräftige Inflationsanstieg die- ses Jahres fortsetzen wird. Der Fokus für den langfristigen Aktienanleger sollte Bewertung des Schweizer und darum auf der zyklischen Erholung liegen. US-Aktienmarktes ist fair Im «Reflation trade» Fokus auf Zyklisch ausgerichtete Aktienindizes, wie zum Beispiel der japanische Topix, anziehende Konjunktur der Euro Stoxx 50, der amerikanische S&P 500 oder der britische FTSE 100, Zyklische Sektoren sind gefragt: haben seit Anfang Jahr stärker zugelegt als Aktienmärkte, die während der Industrie, Öl und Gas sowie Coronavirus-Pandemie gesucht waren. Zu Letzteren gehörten der Schweizer etablierter zyklischer Konsum ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 21
Aktienmarkt (SPI) und die Schwellenländer (MSCI Emerging Markets). Eine wichtige Komponente von nachhaltiger Aktienkursentwicklung sind die Ge- winnerwartungen. In der Eurozone ist der Aktienmarkt der Entwicklung der Gewinne vorweggeeilt, da die rigiden Lockdowns zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie die Gewinnerwartungen belastet haben. Nichtsdesto- trotz weisen die grosskapitalisierten Titel der Eurozone eine ansprechende Gewinnerwartungsentwicklung auf. In Japan erfuhr die Kursentwicklung Unterstützung durch die wachsenden Gewinnerwartungen. Auch in Grossbritannien wird die Aktienmarktent- wicklung zurzeit durch die Zunahme der Gewinnerwartungen gestützt. Haupttreiber hinter den steigenden Gewinnerwartungen in Grossbritannien sind die Rohstoff- und Energiepreise. Diese beiden Sektoren machen rund einen Viertel am FTSE 100 aus. Aus dem Finanzsektor (rund 19 % Anteil) ka- men dank der anziehenden Inflation ebenfalls Impulse für die Gewinnent- wicklung. In den USA ist die Zuversicht der Investoren besonders hoch, und das grosse Fiskalpaket dürfte den Aktienmarkt weiter unterstützen. Das zeigt sich da- ran, dass die Gewinnerwartungen in dieser Region stärker zugelegt haben als in den übrigen Regionen. Im gegenwärtigen Umfeld lohnen sich Investi- tionen in zyklische Unternehmen. Bei Wachstumswerten aus den Bereichen Technologie oder zyklischer Konsum ist darauf zu achten, dass die Unter- nehmen bereits heute einen soliden Cashflow erwirtschaften und von einem zyklischen bzw. langfristigen Nachfragewachstum profitieren. Gewinner der Coronavirus-Pandemie, deren Geschäftsmodelle lediglich von den Lock- downs profitiert haben, sollten gemieden werden. Im Technologiesektor sind zudem Gewinnmitnahmen bei guten Ergebnissen zu beobachten. Bei solide aufgestellten Unternehmen, zum Beispiel im Halbleiterbereich, bieten sich dadurch Einstiegschancen. ¢ Gesamtrenditen/Änderung der Gewinnerwartung Entwicklung der Aktienmärkte in CHF in %, Wachstum in Lokalwährung seit Jahresbeginn 2021 Gesamtrenditen, indexiert per 31.12.2019 12 130 10 120 8 110 6 100 4 90 2 80 0 70 Euro Stoxx 50 Topix S&P 500 FTSE 100 MSCI EM SPI 60 Jan 2020 Mär 2020 Mai 2020 Jul 2020 Sep 2020 Nov 2020 Jan 2021 Mär 2021 Gesamtrenditen Gewinnerwartungen S&P 500 MSCI EM Euro Stoxx 50 SPI 22 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Währungen Der USD profitiert aktuell von den besseren konjunkturellen Perspektiven der USA. Wir gehen mittelfristig aber von einer erneuten Abschwä- chung aus. Der EUR könnte gegenüber dem CHF noch weiter zulegen, wenn die globalen Pande- mierisiken in den Hintergrund treten. Ähnlich wie die Zinsmärkte haben auch die Devisenmärkte auf die verän- derten konjunkturellen Perspektiven reagiert. So waren die Unterschiede im Björn Eberhardt Leiter Investment Office Impftempo zwischen USA (hoch) und Kontinentaleuropa (langsam) sowie die Verabschiedung des grossen US-Fiskalpakets unter Joe Biden und dessen konjunkturelle Auswirkungen noch Ende letzten Jahres kaum absehbar. Entsprechend standen eher die negativen Aspekte des US-Dollars im Fokus Realer Aussenwert des Frankens und belasteten die Währung: seine hohe Bewertung auf Basis des realen 2010 = 100 handelsgewichteten Wechselkurses, der geschrumpfte Zinsvorteil sowie der 130 ungünstige Ausblick für die Verschuldung. 120 Mittlerweile konnte der USD wieder einen Teil seiner Vorjahresverluste 110 aufholen. So sieht es danach aus, als würde die US-Wirtschaft ihr Vorkrisen- 100 niveau viel früher wieder erreichen als die Eurozone. Damit geht auch die 90 Aussicht auf eine schnellere Normalisierung der Inflation und auf einen früheren Ausstieg der Fed aus der lockeren Geldpolitik einher. Dies hat zeit- 80 gleich mit steigenden US-Renditen zu einer Aufwertung des USD gegenüber 70 CHF und EUR geführt. 1980 1990 2000 2010 2020 Wir gehen allerdings davon aus, dass ein Grossteil der Erwartungsänderung bereits im Wechselkurs berücksichtigt ist. Damit könnten – wenn sich die globale Wirtschaft nachhaltig erholt – in den kommenden Monaten wieder die weniger positiven Aspekte der US-Wirtschaft in den Vordergrund rücken und zu erneutem Abwertungsdruck führen. Aus Perspektive des Schweizer Frankens fiel neben der USD-Stärke zudem zuletzt noch die leichte Aufwertung des EUR auf. In einem langfristigen Vergleich fällt diese Bewegung kaum auf, aber sie führte den EUR dennoch mit 1.114 auf das höchste Niveau gegenüber dem Franken seit dem Sommer IN KÜRZE 2019. Als kleine, offene Volkswirtschaft mit einer vergleichsweise kleinen USD profitiert auf kurze Sicht von Währung und einer Wahrnehmung des Frankens als «sicherem Hafen» spie- US-Konjunkturvorsprung len Schweizer Konjunktur und Handelsbilanz in Krisenzeiten eine eher Mittelfristig dürften USD- untergeordnete Rolle für die Bestimmung des Wechselkurses. Mit zunehmen- belastende Faktoren wieder in der Risikobereitschaft der Anleger im Umfeld einer globalen Konjunktur- den Vordergrund treten erholung könnte der Franken daher weiter an relativer Attraktivität einbüssen Jüngste EUR-Stärke zum CHF und auch im Vergleich zum EUR noch mehr zur Schwäche neigen, zumal könnte sich fortsetzen, wenn er auf dem aktuellen Niveau immer noch leicht überbewertet ist. ¢ sich konjunkturelle Perspektiven in der Eurozone nachhaltig verbessern ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 23
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