Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB

Die Seite wird erstellt Amelie Riedl
 
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Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
Anlagepolitik

             Vertrauen

              Unsere Markteinschätzung
              Seite 7

              Fokusthemen:
              Inflation und Reflation halten
              Anleger in Atem
Q 2 | 2021    Seiten 8 und 12
Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
Vertrauen
    Vertrauen in uns selbst und
    in andere Menschen und
    Situationen ist ein wertvolles
    Gut. Dank Vertrauen gehen
    wir gelassener durchs Leben,
    es schenkt uns ein Gefühl
    von Sicherheit und Zuversicht.
    Vertrauen macht mutig und
    setzt Kräfte frei. Vertrauen
    führt Menschen zusammen
    und ist eine Grundvoraus-
    setzung für positiv geprägte
    Beziehungen. Beziehungen
    zwischen Menschen oder
    auch zu Institutionen wie
    einer Bank.

        IMPRESSUM: Erscheint vierteljährlich | Erscheinungsdatum: 26. März 2021 | Redaktionsschluss: 19. März 2021 | Gesamtauflage: 2’800
     Herausgeber/Redaktion: Luzerner Kantonalbank AG, Investment Office, +41 (0) 844 822 811, anlagepolitik@lukb.ch | Realisation: grip-agency.ch
Druck: beagdruck | Titelbild: Grafilu | Porträtillustrationen: Janine Wiget | Bilder: shutterstock.com (S. 10), gettyimages.ch (S. 13) | lukb.ch/anlagepolitik
Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
EDITORIAL
Geschätzte Investorin, geschätzter Investor

Die Pandemie hält unseren Alltag immer noch fest im
Griff, und die Rückkehr der Normalität vertagt sich
seit Monaten. Betrachtet man dagegen nur die Finanz-
märkte, dann ergibt sich der Eindruck, dass das Ende
der Krise schon hinter uns liegt.

   «Die globale Reflationspolitik                                 Björn Eberhardt

 ist derzeit einer der wichtigsten                                Leiter Investment Office

  Markttreiber und sollte Aktien
     weiterhin unterstützen.»
In gewissem Mass erscheint dies auch berechtigt.
Denn die vergangenen Monate brachten entscheidende
Entwicklungen mit sich: So stehen die USA dank eines
hohen Impftempos und eines gigantischen Konjunktur-
pakets wieder deutlich besser da – gerade im Vergleich
zu Europa.

Die Konsequenzen spüren wir bereits – in steigenden
Zinsen, Rohstoffpreisen und auch Aktienkursen.                    INHALT
Wir gehen davon aus, dass dieses tiefe «Einatmen»                 		4 | Highlights
der Weltwirtschaft dank der vielen Unterstützungs-                		6 | Basisszenario
massnahmen in einen länger anhaltenden, starken                   		7 | Markteinschätzung
Aufschwung münden wird.                                           		8 | Fokus: Inflation
                                                                  12		| Fokus: Reflation
                                                                  16 | Konjunktur und Geldpolitik
Dessen Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die
                                                                  18 | Festverzinsliche Anlagen
Inflation beleuchten wir in unseren Fokustexten.
                                                                  20 | Aktienmärkte
                                                                  23 | Währungen
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen.                         24 | Immobilien
                                                                  26 | Marktüberblick
Ihr Björn Eberhardt                                               27 | Makroprognosen
Leiter Investment Office

                            ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 3
Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
HIGHLIGHTS
                         MAKRO- UND RISIKOUMFELD
 Unsere Indikatoren zeigen weiterhin eine gestiegene Risikoneigung
    der Marktteilnehmer an. Diese wird von einer grosszügigen
  Liquiditätsversorgung und der laufenden Erholung der Weltwirt-
     schaft gestützt. Die Inflation zieht temporär an, zugrunde
             liegende Preistrends bleiben aber moderat.

                                   ¢ 4. Quartal 2020              ¢ 1. Quartal 2021

                  LIQUIDITÄT                                                            RISIKOUMFELD
Die lockere Geldpolitik und das trotz des                               Der Risikoappetit der Anleger hat weiter
jüngsten Anstiegs immer noch tiefe Zinsniveau                           zugenommen vor dem Hintergrund des US-
unterstützen die Preise von Vermögenswer-                               Fiskalpakets und der dennoch unverändert
ten insgesamt.                                                          sehr expansiven Geldpolitik.

                 WACHSTUM                                                                  INFLATION
Das Wachstumstempo hat sich zu Jahresbe-                                Die Inflation wird dieses Jahr aufgrund von
ginn moderiert aufgrund neuer Eindämmungs-                              Basiseffekten deutlich ansteigen. Die zugrunde
massnahmen. In den kommenden Monaten                                    liegenden Preistrends sind moderater, aber
erwarten wir eine erneute Beschleunigung.                               leicht nach oben gerichtet.

                             UNSERE POSITIONIERUNG

Liquidität
Festverzinsliche Anlagen
Aktienmärkte
Nicht-traditionelle Anlagen

˜ Positionierung vorher ¢ stärker untergewichtet ¢ leicht untergewichtet ¢ neutral ¢ leicht übergewichtet ¢ stärker übergewichtet

                                      4 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
FOKUSTHEMEN:
                                        Inflation und Reflation halten Anleger in Atem
                                        Die Reflationspolitik von Zentralbanken und
                                        Staaten stützt die Konjunkturerholung und die
                                        Finanzmärkte, hat aber auch Inflationssorgen
                                        aufkommen lassen. Wir zeigen, warum wir Letz-
                                        tere für übertrieben halten, man aber dennoch
                                        die Positionierung des Portfolios prüfen sollte.

AKTIEN
Die Rallye an den Aktienmärkten hat etliche Indizes zu neuen Rekord-
ständen geführt. Die Bewertungen sind im historischen Vergleich zwar
erhöht, aber der Gewinnausblick für die Unternehmen hat sich verbessert
und dürfte durch eine positive Konjunkturdynamik unterstützt bleiben.

ANLEIHEN                                                              ALTERNATIVE ANLAGEN
Anlagen in Staatsanleihen der
meisten Hauptmärkte bleiben
                                                                     Steigende Realzinsen in den
für uns unattraktiv. In der Schweiz                                  USA haben auch auf dem
und der Eurozone sind die Ren-                                       Goldpreis gelastet und zuneh-
diten noch im negativen Bereich,
und es besteht zudem das Risiko
                                                                     mende Inflationserwartungen
eines weiteren Renditeanstiegs.                                      mehr als kompensiert. Beide
Eine attraktivere Alternative stellen                                dürften sich vorerst die Waage
Schwellenländeranleihen dar.
                                                                    halten. Der globale Konjunk-
                                                                    turaufschwung stützt Öl und
                                                                    Industriemetalle.

IMMOBILIEN
                                         Schweizer Immobilienfonds sind unverändert ein wesent-
                                         licher Bestandteil unserer empfohlenen Vermögensallo-
                                         kation. Wir bevorzugen derzeit gemischte Immobilienfonds.
                                         Im Ausland sehen wir weiteres Potenzial für eine Erholung
                                         bei EUR-Immobilien und empfehlen eine Beimischung ins
                                         Portfolio.

                                          ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 5
Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
BASISSZENARIO
      Die Coronavirus-Pandemie beeinträchtigt die Erholung der Weltwirt-
    schaft zwar noch, eine erneute Rezession ist aber wenig wahrscheinlich.
       Die Verfügbarkeit und die Verteilung von Impfstoffen dürften sich in
    den kommenden Monaten verbessern und dann einen zunehmend breiter
        werdenden Aufschwung ermöglichen. Expansive Geld- und Fiskal-
      politik bleibt zudem als Stütze des Wachstums präsent. Die Inflation
                  dürfte dieses Jahr temporär deutlich zunehmen.
                        Erwartete Marktauswirkungen:
     Unser Basisszenario stützt den mittelfristigen Ausblick von Aktien und
    Unternehmensanleihen. Staatsanleihen dürften dagegen weiter Gegenwind
       verspüren. Die Reflationierung der Wirtschaft ist zudem positiv für
                       Rohstoffe und Immobilienanlagen.

                                                    ALTERNATIVSZENARIEN

1.     Globale Rezession
        Ausgelöst z.B. durch eine sich weiter
verschlimmernde Welle der Coronavirus-
                                                                                         2.           Inflationärer Boom
                                                                                                 Ausgelöst z.B. durch eine schnellere
                                                                                         Verteilung von Impfstoffen bzw. wirksame
Pandemie, eine Eskalation geopolitischer Kon-                                            Behandlungsmethoden bei gleichzeitig stark
flikte oder eine neue Schuldenkrise.                                                     expansiver globaler Geld- und Fiskalpolitik.

Erwartete Marktauswirkungen:                                                             Erwartete Marktauswirkungen:
Positiv für Gold, Schweizer Franken, Staats-                                             Positiv für Aktien, Risikoprämien von Unter-
anleihen der Staaten, die als «safe haven»                                               nehmen und Schwellenländern, Rohstoffe,
gelten; negativ für Aktien, EUR und Schwel-                                              Hartwährungen und inflationsgeschützte An-
lenländer-Vermögenswerte, Rohstoffe.                                                     leihen; negativ für Staatsanleihen.

         Wirtschaftswachstum und Inflation der Industrieländer seit 2008

                                                    6                              2021 (S)

                                                    4
                  Wachstum in % gegenüber Vorjahr

                                                                                                                      	Stand der Weltwirtschaft
                                                                                                                        Ende 2020 inkl. Entwick-
                                                    2                                                                   lung seit 2008

                                                                                                          2008        	Erwarteter Stand der Welt-
                                                    0                                                                   wirtschaft Ende 2021

                                                                                                                      	Durchschnittswerte seit
                                                    –2                                                                  2000

                                                                                                                     (S)	LUKB-Schätzwerte
                                                    –4

                                                                    2020
                                                    –6

                                                         0   0.5      1     1.5     2     2.5     3      3.5     4

                                                                   Inflation in % gegenüber Vorjahr

                                                             6 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
MARKTEINSCHÄTZUNG
Im Portfoliokontext empfehlen wir eine Übergewichtung                         beiden Fällen über den US-Markt. Im Bereich der nicht-
von Aktien gegenüber Obligationen. Wir erwarten wei-                          traditionellen Anlagen bauen wir die Position in Wandel-
terhin einen starken Konjunkturaufschwung im Jahr                             anleihen ab und verwenden im Rohstoffbereich einen
2021, der auch das Risiko steigender Renditen mit sich                        Teil der Goldquote für eine breiter diversifizierte Expo-
bringt. Wir erhöhen die Aktienquote leicht, reduzieren                        nierung gegenüber Rohwaren (Energie, Metalle).
aber auch das Untergewicht in Obligationen leicht, in

                                           Markteinschätzungen und Positionierung
                                                     per 26. März 2021

Anlageklasse                                                          Kommentar
                                                                      Wir empfehlen eine erhöhte Liquiditätsquote zur Ausnutzung von
Liquidität                                                            Marktopportunitäten

                                                                      Aufgrund der z.T. negativen Renditen und des anhaltenden Risikos eines
Festverzinsliche Anlagen                                              Zinsanstiegs gewichten wir festverzinsliche Anlagen unter
                                                                      CHF-Staatsanleihen rentieren zumeist negativ und sollten daher deutlich
CHF                                                                   untergewichtet werden. Das Zinsanstiegsrisiko ist aber geringer als im USD
                                                                      Auch EUR-Staatsanleihen höchster Bonität sind negativ verzinst.
EUR                                                                   Das Renditeanstiegspotenzial ist ähnlich wie im CHF begrenzt
                                                                      Der jüngste Renditeanstieg hat die relative Attraktivität von GBP-Anleihen
GBP                                                                   erhöht. Das Risiko eines weiteren Zinsanstiegs bleibt jedoch bestehen
                                                                      USD-Anleihen sind durch den Renditeanstieg interessanter geworden,
USD                                                                   auch wenn das Risiko eines weiteren Anstiegs besteht
                                                                      CNY-Anleihen bieten sowohl von Währungs- als auch Zinsseite gutes
CNY                                                                   Diversifikationspotenzial
                                                                      Breit diversifizierte Lokalwährungsanleihen sind ein attraktiver Portfolio-
Schwellenländer                                                       bestandteil und dürften von der globalen Konjunkturerholung profitieren

                                                                      Die laufende Konjunkturerholung und die lockere Geld- und Fiskalpolitik
Aktienmärkte                                                          stützen. Der Pandemieverlauf und steigende Renditen sind die Hauptrisiken
                                                                      In einem von Reflation geprägten Umfeld ist der defensive Schweizer Markt
Schweiz
                                                                      weniger attraktiv
                                                                      Der zyklisch ausgerichtete Markt der Eurozone dürfte von einer Konjunktur-
Eurozone                                                              erholung profitieren
                                                                      Aus Bewertungsperspektive ist der UK-Aktienmarkt attraktiv. Der höhere
Grossbritannien                                                       Anteil an Rohstoffwerten macht ihn im aktuellen Umfeld interessant
                                                                      Fiskalpaket und hohes Impftempo lassen eine stark steigende Konjunktur-
USA                                                                   dynamik erwarten. Dies dürfte zyklischen Werten und Small/Midcaps helfen
                                                                      Der japanische Markt zeigt ein hohes Momentum und dürfte von einer
Japan                                                                 globalen Konjunkturerholung weiterhin profitieren
                                                                      Der Ausblick für Schwellenländer ist weiterhin gut, allerdings sind viele
Schwellenländer                                                       Anleger bereits stark übergewichtet, was das weitere Potenzial begrenzt

                                                                      Die Quote der nicht-traditionellen Anlagen reduzieren wir auf neutral über
Nicht-traditionelle Anlagen                                           einen Abbau von Wandelanleihen
                                                                      Schweizer Immobilienfonds sind hoch bewertet, aber weiterhin eine
Immobilien Schweiz                                                    attraktive Alternative zu CHF-Obligationen
                                                                      Die schleppende Konjunktur der Eurozone hat auf den REITs-Märkten gelastet.
Immobilien Eurozone                                                   Wir erwarten in den nächsten Monaten aber wieder eine Verbesserung
                                                                      Industriemetalle und Energie dürften im Umfeld von Reflation und
Rohstoffe (ohne Agrar)                                                zunehmender Konjunkturdynamik anhaltende Chancen bieten
                                                                      Wir reduzieren die Position in Gold zu Gunsten einer breiter diversifizierten
Gold                                                                  Exponierung gegenüber Rohstoffen

˜ Positionierung vorher ¢ stärker untergewichtet ¢ leicht untergewichtet ¢ neutral ¢ leicht übergewichtet ¢ stärker übergewichtet

                                                   ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 7
Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
FOKUS

     Die Inflation zieht an, aber
 die Ängste erscheinen übertrieben
                           Die Inflation wird 2021 vor allem wegen Einmal-
                         effekten kräftig zulegen. Auch wenn viele Inflations-
                         sorgen übertrieben sein dürften, ist die Unsicherheit
                              des Ausblicks gerade in den USA gestiegen.
                                                      Brian Mandt Chefökonom

Die Inflation nimmt dieses Jahr deutlich zu. So erwarten         dabei primär um einen Basiseffekt, denn vor einem Jahr
wir für die Schweiz, dass die Konsumentenpreise 2021             wurden die Verbraucherpreise u.a. durch die massiv
im Durchschnitt um 0.4% steigen werden. Letztes Jahr             gefallenen Ölpreise nach unten gedrückt. Seitdem sind
sind sie aufgrund der Pandemie noch um 0.7% gesunken.            die Preise für das schwarze Gold wieder gestiegen.
Ähnlich, wenn auch auf einem anderen Niveau, sehen               Selbst wenn sie sich in den kommenden Monaten auf
wir die Preisentwicklung für den Euroraum und die USA.           dem aktuellen Niveau stabilisieren, wird die Inflations-
Die drei wesentlichen Treiber für den Inflationsanstieg          rate zunehmen. Grund hierfür ist, dass die Rohstoff-
sind: Basiseffekte bei den Rohstoffpreisen, Neuge-               preise im Vergleich zu 2020 über den Preisen des Vorjah-
wichtungen des Warenkorbs und Nachholbedarf beim                 res liegen. Der Beitrag der Energiepreise zum Inflations-
Konsum von Dienstleistungen. Vor allem bei den ersten            anstieg könnte dabei erst im April seinen Höhepunkt
beiden Punkten handelt es sich um Einmaleffekte, die             erreichen. In der unten stehenden Grafik können wir an-
2022 auslaufen werden.                                           hand der gelb gepunkteten Linie erkennen, wie sich
                                                                 der Ölpreis im Vorjahresvergleich entwickelt, wenn er
Basiseffekt bei den Ölpreisen                                    in den kommenden Monaten auf dem aktuellen Niveau
Die Inflationsrate wird aufgrund höherer Ölpreise in             verharren sollte. Insgesamt handelt es sich bei diesem
den nächsten Monaten deutlich steigen. Es handelt sich           Effekt um ein temporäres Phänomen.

Gesamt-Inflationsraten ausgew. Volkswirtschaften                 Basiseffekte bei Annahme eines konstanten Ölpreises
in % gegenüber Vorjahr, gepunktete Linien = LUKB-Prognosen       USD/Barrel (l.) und % ggü. Vorj. (r.), gepunktete Linien = Projektionen

 4                                                               80                                                                 300

 3
                                                                 60                                                                 200
 2
                                                                 40                                                                 100
 1

 0                                                               20                                                                   0

–1                                                                0                                                                –100
                                                                      Jan 2020

                                                                                 Jul 2020

                                                                                                Jan 2021

                                                                                                            Jul 2021

                                                                                                                       Jan 2022

–2
     2019

                    2020

                                       2021

                                               2022

˜ USA       ˜ Eurozone     ˜ Schweiz                             ˜ Ölpreis Sorte Brent      ˜ Preisveränderung in %

                                              8 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
Warenkorb wurde neu gewichtet                                Verfügung stehen als vor Ausbruch der Pandemie.
In der Schweiz und im Euroraum trägt eine Neugewich-         Das wirkt tendenziell preissteigernd. Ausserdem hat
tung des Warenkorbs zu einer höheren Inflation in            eine Reihe von Firmen aufgrund der Corona-Krise
diesem Jahr bei. Private Haushalte fragten während der       ihr Geschäft aufgegeben. Die Konkurrenz ist damit
Lockdowns im letzten Jahr Lebensmittel kräftig nach,         geringer und die am Markt verbliebenen Unternehmen
deren Preise stark stiegen. Dagegen sank die Nachfrage       könnten höhere Preise verlangen. Das dürfte aber nur
nach Freizeitangeboten. Die Gewichte im Warenkorb            ein vorübergehendes Phänomen sein, denn es werden
für die Konsumentenpreise bleiben im Laufe eines             sich rasch neue Anbieter etablieren. Zudem zeigt die
Jahres konstant. Daher hat die Inflationsrate 2020 den       Entwicklung aus dem Sommer letzten Jahres, dass
Gütern, deren Preis fiel, zu viel Gewicht gegeben und        Firmen den Spielraum, ihre Preise anzuheben, nicht
zu wenig Gewicht auf die Dinge gelegt, deren Preis           ausreizen.
stieg. Das ändert sich 2021 – zumindest für die Schweiz
und den Euroraum. Dort werden die Gewichte jährlich          Einmaleffekte laufen 2022 wieder aus
angepasst. In den USA werden sie erst 2022 wieder            Die durch Einmaleffekte ausgelöste Zunahme der
verändert. In der Schweiz haben Lebensmittel nun ei-         Inflation sollte nicht mit einem Anstieg der zugrunde
nen etwas höheren Anteil im Warenkorb erhalten. Die          liegenden Preisentwicklung verwechselt werden. Diese
Neugewichtung führt dazu, dass                                                      wird mittelfristig nur moderat
die ausgewiesene Inflation in den                                                   steigen, da es noch einige Zeit
nächsten Monaten tendenziell                                                        dauern dürfte, bis sich die erhöh-
etwas höher ausfallen wird.
                                          «Die durch Einmal-                        ten Arbeitslosenquoten wieder
                                          effekte ausgelöste                        zurückbilden. 2022 dürfte die In-
Nachholbedarf nach Dienst-                                                          flation langsamer zunehmen.
leistungen                                Zunahme der Infla-                        So erwarten wir, dass die Inflati-
Sobald die Regierungen die Res-           tion sollte nicht mit                     onsrate der Schweiz dieses Jahr
triktionen lockern und die Furcht                                                   im Durchschnitt 0.4 % betragen
vor dem Virus etwas abebbt,               einem Anstieg der                         wird, gegenüber –0.7 % im letzten
wird es zu Nachholeffekten beim
Konsum von Dienstleistungen
                                          zugrunde liegenden                        Jahr. Für 2022 rechnen wir dann
                                                                                    mit einem Anstieg auf 0.5 %.
kommen. Die Dienstleistungs-              Preisentwicklung
preise sind für die Wirtschaft                                                     Wer steigt höher: USA oder
jedoch wichtiger als die Waren-
                                          verwechselt werden.»                     Euroraum?
preise. Es spricht vieles dafür,                                                    Im transatlantischen Vergleich
dass sich ein Teil des Konsums                                                      um die höchste Inflationsrate in
aufgestaut hat. Indiz hierfür geben die Sparquoten.          diesem Jahr hat die USA eindeutig die Nase vorn. Hier-
Diese sind kräftig gestiegen. Grund dafür ist einerseits,    bei erwarten wir, dass die Inflationsrate im 2. Quartal
dass private Haushalte aus Vorsicht in unsicheren Zei-       im Durchschnitt auf rund 3.3 % steigt, während sie im
ten mehr sparen. Andererseits können sie einen Teil          Februar noch bei 1.7 % lag. In der zweiten Jahreshälfte
ihres Geldes gar nicht ausgeben, da viele Geschäfte und      dürfte die Inflationsrate dann wieder zurückgehen.
Dienstleister geschlossen sind. Vor allem die Nachfrage      Sie bleibt aber deutlich über der Marke von 2 %, sodass
nach Produkten und Dienstleistungen, die während des         wir für die US-Inflation für dieses Jahr im Schnitt mit
Lockdowns nicht konsumiert werden konnten, dürfte            2.5 % rechnen. 2022 erwarten wir einen leichten Rück-
daher zunächst stark zulegen.                                gang auf 2.4 %.

Nachfrage trifft auf reduziertes Angebot                     Im Euroraum nimmt die Inflationsrate dieses Jahr zwar
Die Nachfrage trifft dabei auf ein kurzfristig reduziertes   auch signifikant zu. Bereits im Januar sprang sie auf-
Angebot. Im Tourismussektor hängt das beispielsweise         grund einer Reihe von Einmaleffekten auf 0.9 %, gegen-
damit zusammen, dass weniger Reisedestinationen zur          über –0.3 % im Dezember. Für 2021 erwarten wir,

                                         ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 9
Anlagepolitik - Q 2 | 2021 - Vertrauen - LUKB
Der Gegenwind der Inflation dürfte nur vorübergehend sein.
dass die Euroraum-Inflationsrate im Mittel 1.4 % be-        sind strukturelle Veränderungen wie beispielsweise die
tragen wird. Damit bleibt sie also deutlich unter dem       Globalisierung und die Technologisierung. Als Konse-
Niveau der US-Inflation. Zudem liegt sie unter dem von      quenz daraus ist schwerer zu prognostizieren, ob z.B. der
der EZB anvisierten Ziel von unter, aber nahe bei 2 %.      grosse US-Fiskalstimulus wirklich eine nennenswerte
Neben zyklischen und strukturellen Unterschieden            Lohn-Preis-Dynamik nach oben anstösst.
zwischen den USA und der Eurozone erklären auch
Gewichtungsunterschiede die Diskrepanz zwischen             Globalisierung begrenzt Preissetzungsmacht
den Inflationsraten beider Länder. So schlagen zum ei-      Die Weltwirtschaft ist ausserdem globaler geworden.
nen Energiepreisschwankungen in den USA prozentual          Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass die
stärker durch, da z.B. der Steueranteil bei den Benzin-     Inflationsraten weltweit zurückgingen. Immer mehr
preisen niedriger ist. Zudem ist der Anteil von Mietaus-    Unternehmen verlagerten ihre Fabriken in Länder,
gaben im US-Warenkorb deutlich höher.                       wo sie ihre Produkte effizienter und günstiger produ-
                                                            zieren konnten. Damit wurden die Lieferketten inter-
Gestiegene Unsicherheit des Inflationsausblicks             nationaler. Die Volkswirtschaften wurden offener.
Auch wenn wir davon ausgehen, dass sich die Inflation       Zudem wurden Regulierungen und Beschränkungen
im kommenden Jahr wieder weitgehend normalisieren           gelockert, und damit nahm die internationale Mobilität
wird, dürfte die Unsicherheit über                                               von Kapital und Arbeitskräften
den Ausblick dennoch steigen,                                                    zu. Nun stehen heimische Arbeiter
gerade in den USA. Denn nach                                                     mit ausländischen Arbeitskräften
vielen Jahren, in denen die Infla-
                                          «Es fehlt noch                         im Wettbewerb um die gleiche
tion kaum die Notenbankziele              Erfahrung bezüglich                    Stelle, und das Potenzial, höhere
erreichte, hat der grosse Fiskal-                                                Löhne und Gehälter einzufordern,
stimulus in den USA dieses Jahr           der neuen geld-                        wird damit eingeschränkt.
das Potenzial, die Inflation durch-       politischen Strate-
aus nachhaltiger zu beeinflussen.                                                Strukturelle Faktoren
Dies geschieht zu einer Zeit, in          gie der Fed, was die                   ändern sich
der noch Erfahrung bezüglich der
                                          Unsicherheit des                       Allerdings ist die strukturelle
neuen geldpolitischen Strategie                                                  Entwicklung keine Einbahnstrasse
der US-Notenbank fehlt. Entspre-          Inflationsausblicks                    in Richtung immer niedrigerer
chend verwundert es nicht, dass                                                  Inflationsraten. In einer Reihe von
auch die Unsicherheit über den
                                          erhöht.»                               Industriestaaten nimmt der Man-
weiteren Verlauf der US-Inflation                                                gel an Facharbeitskräften aufgrund
erhöht ist. Da die Rahmenbedin-                                                  der demographischen Entwick-
gungen in der Eurozone und der Schweiz deutlich             lung zu. Das kann sich mittel- bis langfristig in höheren
anders sind, ist der Ausblick für die Inflation deutlich    Löhnen niederschlagen.
moderater.
                                                            Es gibt noch einen weiteren Grund, der gegen eine
Inflation reagiert weniger auf Arbeitsmarkt                 Fortsetzung der Phase allzu niedriger Inflationsraten
Die Inflationsprognose wird noch dadurch erschwert,         spricht. China hat als billige Werkbank der Welt all-
dass gewisse als gesichert geltende ökonomische Zusam-      mählich ausgedient. Die Löhne sind dort, wenn auch
menhänge scheinbar seit geraumer Zeit nicht mehr            auf niedrigem Niveau, gestiegen. Unternehmen haben
gelten. Ein Beispiel hierfür ist der Zusammenhang zwi-      daher einen Teil ihrer lohnintensiven Produktion in
schen Inflation und Arbeitsmarkt. In früheren Phasen        andere Länder wie Vietnam oder Indonesien verlagert.
ging eine Erholung des Arbeitsmarktes mit einem An-         Doch diese Länder sind wirtschaftlich zu klein, um
stieg der Inflation einher. Denn im Schlepptau einer        China als Produktionsland zu ersetzen. Die Phase bil-
sinkenden Arbeitslosenquote nahmen die Löhne und            ligster Importe aus den Schwellenländern nähert sich
damit auch die Inflationsrate zu. Diese Beziehung ist       wohl ihrem Ende. Insgesamt könnte damit auch der
in den letzten Jahrzehnten lockerer geworden. Die           strukturelle Abwärtstrend der Inflation auslaufen. ¢
Teuerung reagiert deutlich weniger stark auf Änderun-
gen der Beschäftigung als früher. Gründe hierfür

                                        ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 11
FOKUS

        Reflation und die
Auswirkungen auf Anlageportfolios
                    Notenbanken haben auf die Krise stark reagiert,
                     um die Wirtschaft zu stützen. Dadurch wurde
                  viel neues Geld geschaffen. Wie es verwendet wird,
                  dürfte einen starken Einfluss auf die Märkte haben.
                                            Josh Bouchard Investment-Stratege

Die Corona-Krise hat die globale Konjunktur so stark ein-    das Geld verwendet wird. Vereinfacht gesagt, kann das
brechen lassen wie zuletzt während der Weltwirtschafts-      Geld dazu genutzt werden, um verstärkt Waren und
krise vor 90 Jahren. Die Notenbanken der entwickelten        Dienstleistungen zu erwerben (Konsum), oder es kann
Länder haben entsprechend schnell und kraftvoll reagiert.    vermehrt gespart bzw. in Finanzmärkte und Vermö-
Sie haben dabei nicht nur die Finanzmarktliquidität          genswerte investiert werden.
sichergestellt, sondern mit ausserordentlichen Instru-
menten auch genügend Geld neu geschaffen, um einen           Bisheriger Einfluss der Reflationspolitik auf die
Zusammenbruch der Wirtschaft und der Märkte zu               Finanzmärkte
vermeiden. Hinzu kamen grosse Fiskalpakete vieler            In den vergangenen Monaten haben die Privathaushalte
Staaten. Trotz des sich verbessernden konjunkturellen        aus Sicherheitsaspekten und eingeschränkten Konsum-
Ausblicks bleibt die Erholung mit Unsicherheiten             möglichkeiten noch vermehrt gespart, während sich
behaftet, weshalb die Notenbanken ihre Geldpolitik           viele Unternehmen wegen des unsicheren Wirtschafts-
vorerst unverändert belassen dürften. Dies hat wichtige      ausblicks mit Investitionen zurückgehalten haben.
Folgen für die Finanzmärkte und Anlageportfolios,            Das neu geschaffene Geld sowie ein gewisser Teil der
die wir im Folgenden näher beleuchten.                       sehr grossen Mittel aus den Fiskalpaketen flossen
                                                             daher mehrheitlich in Finanzanlagen, was vielen Ver-
Enormer Anstieg der Zentralbankbilanzen                      mögenspreisen enormen Auftrieb verlieh. Der dadurch
Die Massnahmen der Zentralbanken haben über das              ausgelöste «Vermögenseffekt» hat dabei geholfen,
vergangene Jahr zu einem enormen Wachstum ihrer
Bilanzsummen und der Geldmengen geführt. So be-
trägt der globale Anstieg der Zentralbankbilanzen seit
Ausbruch der Krise circa 10 % des globalen BIP, und ein      Bilanzsummen grosser Notenbanken
weiteres Wachstum in den kommenden Monaten ist               in % vom globalen BIP, gepunktete Linie = erwartet
sehr wahrscheinlich (Abbildung rechts). Das Ziel dieser      40
Politik – die Stabilisierung der Wirtschaft durch billi-
ges Geld und tiefe inflationsbereinigte Zinsen (Realzin-     30
sen) – wird bislang erreicht. Allerdings stellt ein koor-
                                                             20
diniertes Geldmengenwachstum in diesem Ausmass ein
Novum dar, das eine ganze Reihe von möglichen Kon-           10
sequenzen mit sich bringt.
                                                              0
                                                                  2005

                                                                             2008

                                                                                            2011

                                                                                                      2014

                                                                                                              2017

                                                                                                                     2020

Wie sich die Geldpolitik auf Weltwirtschaft und Finanz-
märkte auswirkt, hängt von der Art und Weise ab, wie         ˜ Fed       ˜ EZB      ˜ BoE     ˜ BoJ   ˜ SNB

                                         12 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Auch die Positionen im Portfolio benötigen eine regelmässige Kontrolle und Pflege.
das Wirtschaftswachstum zu stabilisieren. Dieser Pro-      Neues ist, gewinnt das Thema Inflation angesichts
zess ist ein wichtiger Bestandteil der als «Reflation»     der aktuellen Umstände diesmal mehr an Bedeutung für
bezeichneten Politik der wirtschaftlichen Stabilisierung   Anleger. Die Pandemie verursachte eine signifikante
nach einem Konjunktureinbruch.                             Unterbrechung der globalen Handelsströme, die sich
                                                           immer noch in Lieferkettenproblemen und steigenden
Allerdings hat so eine Politik auch ihre Grenzen. Stei-    Produzentenpreisen zeigt. Zusätzlich wird es eine Ver-
gende Preise und billiges Geld führen zu risikofreudigem   lagerung des Konsums im Umfeld von Lockerungen
Verhalten. So sind insbesondere diejenigen Vermögens-      geben. Dies dürfte zu steigendem Preisdruck bei sol-
werte sehr teuer geworden, die von einem Umfeld tiefer     chen Produkten und Dienstleistungen beitragen, die
Realzinsen und pandemiebedingter Verhaltensände-           im Lockdown nicht konsumiert werden konnten. Auch
rungen profitieren, beispielsweise Wachstumsaktien,        Investitionen in gewisse langlebige Wirtschaftsgüter
Unternehmens- und Hochzinsanleihen, Gold und               werden wieder ansteigen. Darüber hinaus bleiben die
spekulativere Vermögenswerte wie «Penny Stocks» und        Notenbanken entschlossen, die Wirtschaft zu bele-
Kryptowährungen. Dabei kann es                                                    ben und dazu auch vorüberge-
auch zu blasenartigen Übertrei-                                                   hend höhere Inflationsraten
bungen kommen. Damit geht                                                         in Kauf zu nehmen bzw. sogar
das Risiko einher, dass bei einem        «Das neu geschaffene                     anzustreben.
Platzen der Blase wiederum ne-
gative Folgen für die Konjunktur
                                         Geld dürfte künftig                       Es überrascht daher nicht, dass
auftreten können.                        vermehrt seinen Weg                       sich die Erwartungen einer star-
                                                                                   ken Wachstumsbeschleunigung
Angestrebter Einfluss der                in die Realwirtschaft                     bei zunehmender Inflation bereits
Reflationspolitik auf die Real-          finden.»                                  an den Finanzmärkten wider-
wirtschaft                                                                         spiegeln, vor allem in steigenden
Da es gute Gründe für die An-                                                      Renditen. Aber auch Rohstoff-
nahme gibt, dass die Pandemie in                                                   preise und die Aktienkurse von
den kommenden Monaten zurückgeht, dürfte auch das          Firmen aus den Sektoren Grundstoffe und Energie ha-
neu geschaffene Geld zunehmend seinen Weg in die           ben dieses Jahr bereits positiv reagiert. Ferner konnten
Realwirtschaft finden. Die Rahmenbedingungen für die       Value-Aktien, die oft zyklisch (Industrie) oder renditen-
meisten Privathaushalte dürften sich weiter verbessern.    empfindlich (Banken) sind, sich zuletzt gegenüber ihren
Neben der bisher bereits sehr ausgeprägten aggregier-      Pendants aus dem Wachstumsbereich (z.B. Technologie-
ten Ersparnisbildung werden künftig auch die Einkom-       aktien) besser entwickeln. Diese Trendumkehr hat von
men der Privathaushalte wieder steigen. Gleichzeitig       tiefen Niveaus aus begonnen (siehe die drei Abbildun-
werden dann durch die Lockerung der Eindämmungs-
massnahmen auch wieder mehr Konsummöglichkeiten
zur Verfügung stehen. Unternehmen, die sich mit
Investitionen zurückgehalten haben, werden wieder          Welt-Aktien vs. US-Aktien
mehr Investitionssicherheit haben. Darüber hinaus          trendbereinigtes Verhältnis
beabsichtigen etliche Staaten, zusätzliche grosse           0.4
Infrastrukturinvestitionen vorzunehmen. Grösse,             0.3
Geschwindigkeit und die synchrone Teilnahme von             0.2
Privat- und Staatssektor könnten daher einen unge-          0.1
wöhnlich kräftigen Aufschwung auslösen.                     0.0
                                                           –0.1
                                                           –0.2
Märkte beginnen inflationäre Auswirkungen
                                                           –0.3
einzupreisen
                                                           –0.4
Obwohl «reflationäre» Geld- und Fiskalpolitik bei
                                                                  1970

                                                                           1980

                                                                                         1990

                                                                                                2000

                                                                                                       2010

                                                                                                                2020

einer bereits einsetzenden Konjunkturerholung nichts

                                       14 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
gen unten), aber es dürfte noch mehr Spielraum nach              Ob und wie lange sich diese neuen Trends tatsächlich
oben bestehen, solange sich der Zustand der Weltwirt-            besser entwickeln als die bisherigen Favoriten, ist nur
schaft weiter verbessert.                                        schwer zu prognostizieren. Aber es spricht einiges
                                                                 dafür, dass die Rahmenbedingungen der Reflation die
Verschmähte Anlagen als Opportunität                             Rotation weiter begünstigen und Anleger dies bei ihrer
Diese Rotation an den Finanzmärkten hat bedeuten-                Vermögensallokation berücksichtigen sollten. Entspre-
de Konsequenzen für Anlageportfolios, insbesondere               chend sollten Anleger, die wie wir eine Fortsetzung der
wenn sie länger anhalten sollte. Denn ein Grossteil der          Reflationsdynamik an den Finanzmärkten erwarten,
Anleger folgt seit einigen Jahren                                                     ihre Positionierungen in Rohstof-
breiten Anlagetrends, so z.B.                                                         fen, zyklischen Sektoren sowie
mit Investitionen in «Big Tech»                                                       den eher vernachlässigten Anlage-
und andere Wachstumsaktien,                  «Ein Grossteil der                       regionen überprüfen. ¢
USD-Vermögenswerte, asiatische               Anleger folgt seit ei-
Schwellenländer und «Grüne
Energie». Sogar rein indexorien-             nigen Jahren breiten
tierte Anleger haben dank der
überdurchschnittlichen Markt-
                                             Anlagetrends und
entwicklung bei den meisten                  ist dadurch unterge-
dieser Trends mittlerweile ein
deutlich höheres Gewicht sol-
                                             wichtet in etlichen
cher Themen im Portfolio.                    Themen, die von der
Auf der Gegenseite sind mitt-                Reflation profitieren
lerweile viele Portfolios z.B. in            dürften.»
den weniger bevorzugten Län-
dern (Eurozone, Grossbritannien,
Schwellenländer ausserhalb
Asiens), Sektoren (Energie, Grundstoffe, Banken und
Industrie) und Rohstoffen untergewichtet. Wenn sich
also die jüngst erwachte «Rotation» bei diesen Anlage-
trends fortsetzt, könnte eine Untergewichtung in den
genannten Bereichen zu einer unterdurchschnittlichen
Performance von Portfolios führen.

Value-Aktien vs. Wachstums-Aktien                                Rohstoffe vs. Aktien
trendbereinigtes Verhältnis                                      trendbereinigtes Verhältnis

 0.6                                                              1.5
 0.4                                                              1.0
 0.2
                                                                  0.5
 0.0
                                                                  0.0
–0.2
                                                                 –0.5
–0.4
–0.6                                                             –1.0

–0.8                                                             –1.5
       1960

              1970

                        1980

                               1990

                                      2000

                                                 2010

                                                         2020

                                                                        1960

                                                                               1970

                                                                                         1980

                                                                                                1990

                                                                                                       2000

                                                                                                              2010

                                                                                                                     2020

                                             ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 15
Konjunktur und Geldpolitik
Die Weltwirtschaft dürfte kräftig                                  Fiskal- und Geldpolitik stützen Aufschwung
                                                                   Der Konjunkturaufschwung wird zudem von der extrem
an Fahrt gewinnen bei temporär                                     lockeren Geld- und Fiskalpolitik gestützt. Für Aufsehen
steigender Inflation. Da die konjunk-                              sorgen dabei die fiskalpolitischen Massnahmen des neu-
turellen Abwärtsrisiken bedeutend                                  en US-Präsidenten Joe Biden. Das von den Demokraten
                                                                   geplante und bereits verabschiedete Hilfspaket beträgt
sind, wird die Geld- und Fiskalpolitik                             knapp USD 2 Bio. Es wird der US-Konjunktur einen kräf-
sehr locker bleiben.                                               tigen Impuls geben. Der grösste Teil kommt den privaten
                                                                   Haushalten zugute. So beinhaltet es direkte Transferleis-
Die Aussichten, dass die globale Konjunktur dieses                 tungen in Höhe von bis zu USD 1’400 pro Person.
Jahr einen starken Aufschwung erlebt, sind positiv. Der
Start ins neue Jahr fällt in vielen Ländern zwar zunächst          Joe Biden drückt aufs Tempo
aufgrund von anhaltenden Coronavirus-Restriktionen                 Das Hilfspaket ist kaum in trockenen Tüchern, da nimmt
schwach aus. Die Perspektiven, dass die Länder die Pan-            Joe Biden bereits das nächste grosse legislative Projekt
demie allmählich in den Griff bekommen, haben sich                 in Angriff: ein mehrere Billionen Dollar schweres Infra-
jedoch verbessert. Eine Reihe von Staaten hat damit be-            strukturpaket. Dieses zielt u.a. auf die Erneuerung von
gonnen, die Bevölkerung zu impfen. Die Restriktionen               Autobahnen, Brücken, Wasser- und Abwasserleitungen
dürften daher allmählich wieder gelockert werden.                  sowie den Ausbau von Breitbandnetzen in ländlichen
Das wird vor allem der Dienstleistungswirtschaft zu-               Gebieten. Es beinhaltet auch Investitionen in erneuerba-
gute kommen, die besonders unter den Kontakt- und                  re Energien. Die Zeichen, dass die US-Wirtschaft sich
Mobilitätsbeschränkungen leidet. Für einen kräftigen               dieses Jahr kräftig erholt, stehen also gut. Die Stimmung
Konjunkturaufschwung in diesem Jahr spricht auch,                  im Verarbeitenden Gewerbe und sogar im von Restrik-
dass es sich um einen positiven Rückprall auf den starken          tionen gebeutelten Dienstleistungssektor ist schon auf
Konjunktureinbruch des Vorjahres handeln dürfte.                   einem Niveau wie im Boom – deutlich über 50 Punkte
Für dieses Jahr rechnen wir insgesamt mit einem kräf-              (Grafik US-Einkaufsmanagerindizes). Wir erwarten ein
tigen Wachstumsplus von 6.5 % gegenüber 2020, nach-                reales US-BIP-Wachstum von 6.4 %, gegenüber –3.5 %
dem das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) letztes Jahr               im letzten Jahr.
voraussichtlich um 3.1 % gesunken ist (Grafik Weltwirt-
schaftsprognose). Für 2022 erwarten wir, dass sich                 Euroraum nimmt allmählich Fahrt auf
das Weltwirtschaftswachstum auf einem etwas mode-                  Auch im Euroraum ist die Fiskalpolitik expansiv aus-
rateren Niveau von knapp 4.5 % einpendeln wird.                    gerichtet. Positive Impulse gehen dabei vor allem vom

Wachstum der Weltwirtschaft                                        US-Einkaufsmanagerindizes
in % gegenüber Vorjahr, inflationsbereinigt                        Index, Werte über 50 zeigen Wachstum an

  8                                                                65

  6                                                                60
  4
                                                                   55
  2
                                                                   50
  0
                                                                   45
 –2

 –4                                                                40
        2017

                  2018

                             2019

                                        2020

                                                2021

                                                        2022

                                                                        2014

                                                                               2015

                                                                                       2016

                                                                                                2017

                                                                                                        2018

                                                                                                                2019

                                                                                                                         2020

                                                                                                                                  2021

˜ Realisierte Werte   ˜ LUKB-Prognose                              ˜ Dienstleistungssektor    ˜ Verarbeitendes Gewerbe   ˜ 50er-Linie

                                               16 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Wiederaufbaufonds aus. Dieser kommt gerade jenen
Mitgliedsstaaten zugute, die am heftigsten von der
Pandemie betroffen waren. Für dieses Jahr erwarten wir
ein Wirtschaftswachstum von real 4.5 %, gegenüber
–6.8 % im letzten Jahr.

Schweizer Wirtschaft entwickelt sich robust
Die Schweiz ist aus konjunktureller Sicht bislang besser
durch die Coronavirus-Pandemie gekommen als ihre
Nachbarstaaten. Im letzten Jahr sank das reale BIP um
                                                            Brian Mandt
3 % gegenüber dem Vorjahr, während es z.B. in Frank-        Chefökonom
reich um 8.2 % zurückging. Die Schweiz profitiert dabei
von ihrer günstigen Wirtschaftsstruktur. Für dieses
Jahr rechnen wir mit einem Wachstumsplus von 3.6 %.         Die Preisniveaustabilität soll im Durchschnitt über
Somit sollte die Wirtschaft bereits 2021 ihr Vorkrisen-     einen – nicht näher spezifizierten – Zeitraum erreicht
niveau überschreiten.                                       werden. Ein Überschiessen der Inflation über die 2%-
                                                            Marke wird toleriert. Nichtsdestotrotz, wenn sich die
China gibt Gas                                              Wirtschaft nachhaltig erholt und sich damit einher-
Auch die Wirtschaft in den Schwellenländern dürfte          gehend die Beschäftigungslage verbessert, dürfte die
sich kräftig erholen. Für China erwarten wir dabei,         Fed allmählich den Rückzug aus der sehr expansiven
dass das reale BIP 2021 um fast 9 % wächst, gegenüber       Geldpolitik vorbereiten. Die Europäische Zentralbank
2.3 % im letzten Jahr. Chinas Führung wird den Auf-         (EZB) sorgt sich derweil um die Wahrung der günstigen
schwung zwar weiterhin mit geld- und fiskalpolitischen      Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft. Sie hat
Massnahmen stützen, doch sie werden zielgerichteter         daher beschlossen, das Tempo der Anleihenkäufe zu
gestaltet. So soll vor allem der private Konsum gestärkt    erhöhen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird
werden, der besonders unter der Pandemie gelitten hat.      also ihre Leitzinsen auf absehbare Zeit unverändert
                                                            belassen müssen und bei Bedarf Devisenmarktinterven-
Inflation nimmt dieses Jahr kräftig zu                      tionen vornehmen. Letzteres musste sie in den ver-
Für dieses Jahr erwarten wir in vielen Ländern einen        gangenen Wochen dank des schwächeren Frankens
deutlichen Anstieg der Konsumentenpreise. Ein grosser       aber kaum noch. ¢
Teil des Inflationsanstiegs basiert auf Einmaleffekten,
die im kommenden Jahr wieder auslaufen werden. Doch
auch von einer Konjunkturerholung gehen preistrei-
bende Effekte aus. Die zugrunde liegende Preisentwick-
lung dürfte jedoch zunächst moderat bleiben. Das liegt
vor allem daran, dass strukturelle Effekte das Infla-
tionsniveau tief halten dürften. Gleichwohl bleibt der
Inflationsausblick nicht zuletzt wegen des Pandemie-
verlaufs mit hoher Unsicherheit behaftet.
                                                              IN KÜRZE
Zentralbanken halten Schleusen offen
                                                              Die Weltwirtschaft erholt sich 2021 kräftig
Der temporäre Inflationsanstieg sollte die Zentralbanken
nicht von ihrer ultralockeren Geldpolitik abbringen.          Expansive Geld- und Fiskalpolitik stützt Konjunktur
Sie betonten bis zuletzt die hohen Abwärtsrisiken für         Inflation steigt 2021 wegen Einmaleffekten deutlich an
die Konjunktur. Die US-Notenbank (Fed) hat zudem ihre
                                                              Zentralbanken halten ultralockere Geldpolitik bei
geldpolitische Strategie verändert. Der Fokus liegt auf
der Herstellung eines hohen Beschäftigungsstandes.            Konjunkturelle Abwärtsrisiken bleiben hoch

                                        ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 17
Festverzinsliche Anlagen
                                                 Die Renditen von Staatsanleihen sind im Q1 2021
                                                 recht deutlich gestiegen. Wir gehen aufgrund der
                                                 sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik von einem
                                                 weiteren Anstieg gerade im USD aus. Opportuni-
                                                 täten sehen wir bei Schwellenländeranleihen.

                                                 Der deutliche Anstieg der Staatsanleihenrenditen war eines der marktbeherr-
                                                 schenden Themen der vergangenen Wochen. Er kam damit früher und in stär-
Björn Eberhardt                                  ker ausgeprägter Form als von uns und anderen Marktteilnehmern noch Ende
Leiter Investment Office
                                                 letzten Jahres erwartet. Die Bewegung der Renditen ging vom Markt für US-
                                                 Staatsanleihen aus, der den Ton für die Entwicklung in anderen Märkten nach
                                                 wie vor angibt. Hier stieg die Rendite für 10-jährige Staatsanleihen von circa
                                                 0.9 % zu Beginn des Jahres auf mittlerweile 1.7 %.

Vielfältige Ursachen für                         Zu diesem Anstieg hat eine Gemengelage von Faktoren beigetragen, darunter
Renditeanstieg                                   die Fortschritte bei den Impfungen in den USA, damit verbundenen Hoff-
                                                 nungen auf eine baldige konjunkturelle Belebung, die Aussicht auf ein enorm
                                                 grosses Fiskalpaket, Zusicherungen der US-Notenbank, die Geldpolitik vor-
                                                 erst nicht anzupassen, und daher Sorgen, dass die Inflation stärker ansteigen
                                                 könnte als bisher gedacht.

Höhere Renditen führen zu                        Zwar stiegen die Renditen in den meisten Hauptmärkten an, besonders be-
steigenden Hypothekarzinsen                      troffen neben den USA waren jedoch Grossbritannien und Australien. In der
                                                 Schweiz lag das Ausmass des Renditeanstiegs bei circa 30 Basispunkten von
                                                 –0.5 % Anfang des Jahres auf –0.2 % Mitte März. Solche Bewegungen führen
                                                 zum einen zu Kapitalverlusten bei Eigentümern von Obligationen, zum ande-
                                                 ren drücken sie auch andere Zinssätze nach oben. So erhöhten sich für Banken
                                                 die Kosten zur Absicherung von Zinsrisiken aus der Hypothekenvergabe über
                                                 Swapgeschäfte, woraus u.a. ein Anstieg der Schweizer Hypothekarzinsen in
                                                 den vergangenen Wochen resultierte.

US-Realzins und Inflationserwartungen auf 10 Jahre                   Rendite von Staatsanleihen ausgewählter Länder
in %, basierend auf inflationsgeschützten Staatsanleihen             in %, Laufzeit 10 Jahre

3                                                                     2.0
                                                                      1.5
2
                                                                      1.0
1                                                                     0.5

0                                                                     0.0
                                                                     –0.5
–1
                                                                     –1.0
–2
                                                                            Jan 2020

                                                                                              Apr 2020

                                                                                                                Jul 2020

                                                                                                                           Okt 2020

                                                                                                                                      Jan 2021
     2010

              2012

                          2014

                                        2016

                                                2018

                                                           2020

˜ Inflationserwartungen    ˜ Realzins                                ˜ USA             ˜ Schweiz         ˜ Deutschland

                                                 18 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Wir gehen davon aus, dass sich der Anstieg der Renditen auch in den kom-         Erhöhte Unsicherheit
menden Monaten fortsetzt, allerdings dürfte die Dynamik etwas abnehmen.          bezüglich Inflationsausblick
Grundsätzlich sind die mittelfristigen Inflationserwartungen für die USA
mittlerweile auf einem Niveau angelangt, das uns weitgehend angemessen
erscheint. Gleichzeitig ist die Unsicherheit über den Inflationsausblick und
damit auch für die künftige Geldpolitik erhöht. Erschwerend kommt hinzu,
dass die US-Notenbank erst vor wenigen Monaten ihre geldpolitische Stra-
tegie angepasst hat und insofern bei den Investoren grössere Unsicherheit
besteht, wie sich die Fed verhalten wird. Dies erhöht die Risikoprämien für
Inflation zusätzlich.

Selbst wenn sich die Inflationserwartungen stabilisieren sollten, können die     Realzinsen könnten weiter
Renditen auch von einer weiteren Seite unter Aufwärtsdruck kommen: So            steigen
gibt es gute Gründe dafür, dass auch die Realzinsen, d.h. die inflationsberei-
nigten Zinsen, gerade in den USA weiter steigen könnten. Dazu zählen ins-
besondere der gerade verabschiedete defizitfinanzierte Fiskalstimulus sowie
die Aussicht auf grossvolumige Infrastrukturmassnahmen, die im weiteren
Jahresverlauf ins Gesetzgebungsverfahren kommen dürften.

Aus den vorgenannten Gründen empfehlen wir trotz des Renditeanstiegs             Anleihen weiterhin unter-
weiterhin eine Untergewichtung von Anleihen insgesamt. Dazu zählen vor           gewichten
allem die immer noch negativ rentierenden Staatsanleihen in CHF und EUR.
Anleihen im USD sind dagegen mittlerweile relativ gesehen interessanter ge-
worden, auch aus währungsgesicherter Perspektive. Der Grund ist der bereits
erfolgte Renditeanstieg, wodurch sie gegenüber den bisher weiter gestiegenen
Aktienmärkten weniger überbewertet erscheinen. Allerdings sehen wir wei-
terhin das Risiko einer Fortsetzung des Zinsanstiegs, weshalb wir kürzere
Laufzeiten bevorzugen.

Bei Unternehmensanleihen im Investment-Grade-Bereich hat sich die Ein-
engung der Risikoaufschläge seit Jahresbeginn fortgesetzt. Auf den aktuellen
Niveaus sehen wir nur noch wenig Potenzial für einen weiteren Rückgang
der Risikoprämien. Damit bieten Unternehmensanleihen im Falle eines An-
stiegs der Staatsanleihenrenditen nur einen sehr dünnen Puffer, um in einem
solchen Szenario die Kapitalverluste zu begrenzen.

Bessere Chancen bieten aus unserer Sicht CNY-Anleihen aufgrund ihrer
niedrigen Korrelation mit den westlichen Anleihemärkten und ihrer attrak-
                                                                                  IN KÜRZE
tiven Verzinsung. Insgesamt stellt ein breit diversifiziertes Engagement in       Weiterer Anstieg der Staats-
Schwellenländeranleihen für uns unverändert eine attraktive Alternative dar       anleihenrenditen in den kommen-
angesichts des Tiefzinsumfelds in den meisten Industrieländern sowie des          den Monaten wahrscheinlich
Risikos weiter steigender Renditen. ¢                                             Untergewichtung von Staats-
                                                                                  anleihen in den Hauptwährungen
                                                                                  im Portfoliokontext daher ratsam
                                                                                  Potenzial bieten CNY- und breit
                                                                                  diversifizierte Schwellenländer-
                                                                                  anleihen in Lokalwährung

                                        ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 19
Aktienmärkte
                                                             Die Aktienmärkte haben in den letzten Wochen
                                                             weiter zugelegt und zum Teil neue Höchststände
                                                             erreicht. Die Bewertungen sind zwar fortge-
                                                             schritten, jedoch nicht überrissen. Eine anziehende
                                                             Konjunktur und steigende Inflationserwartungen
                                                             führen zu neuen Investitionsgelegenheiten.
                                                             Die Rahmenbedingungen für Aktien sind weiterhin gut. Dies gilt insbeson-
Reto Lötscher                                                dere, wenn man die Gesamtrendite von Aktien mit der von Obligationen
Leiter Finanzanalyse
                                                             vergleicht. Ein Bewertungsmass für Aktien, das die Niveaus von Obligatio-
                                                             nenrenditen berücksichtigt, ist die Risikoprämie. Je höher die Risikoprämie,
                                                             desto attraktiver ist ein Aktienmarkt im Vergleich zum Obligationenmarkt
                                                             bewertet. Die Risikoprämie für den Schweizer Aktienmarkt liegt zurzeit bei
                                                             5.6 %, der langjährige Durchschnitt bei 5.5 %. Für den US-Aktienmarkt liegen
                                                             beide Werte bei rund 3 %. Anhand dieses Masses lässt sich feststellen, dass
                                                             sowohl der Schweizer als auch der US-Aktienmarkt fair bewertet erscheinen,
                                                             obwohl sich beide nahe historischer Höchststände bewegen – und trotz deut-
                                                             lich gestiegener Renditeniveaus für Obligationen.

                                                             Hinzu kommt ein günstiger konjunktureller Ausblick vor dem Hintergrund
                                                             der sehr lockeren Geld- und Fiskalpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks.
                                                             Wenn zwei grosse Wirtschaftsräume solch massive Konjunkturimpulse er-
                                                             halten, wird sich das auch auf andere Länder positiv auswirken und in einer
                                                             steigenden Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen niederschlagen. Da-
                                                             durch entstehen allerdings auch preistreibende Effekte, was zu steigenden
                                                             Inflationserwartungen führen kann. In der Summe entsteht dadurch ein als
                                                             Reflation bezeichnetes Marktumfeld, in dem bestimmte Aktiensektoren ge-
                                                             genüber anderen bevorzugt werden. Das ist Teil des sogenannten «Reflation
                                                             trade», d.h. einer Neupositionierung der Investoren u.a. im Aktienmarkt.

Risikoprämie, CH-Aktien vs. CH-Staatsanleihen                                      Globale Sektorperformance
in %                                                                               in %, Gesamtrenditen in USD seit Jahresbeginn 2021

10                                                                                       Basiskonsum
                                                                                            Versorger
 8
                                                                                   Gesundheitswesen
                                                                                                    IT
 6
                                                                                   Zyklischer Konsum
 4                                                                                         Immobilien
                                                                                          Grundstoffe
 2                                                                                            Telekom
                                                                                             Industrie
 0                                                                                           Finanzen
     2000

            2002

                   2004

                          2006

                                 2008

                                        2010

                                               2012

                                                      2014

                                                              2016

                                                                     2018

                                                                            2020

                                                                                               Energie
                                                                                                         –5

                                                                                                              0

                                                                                                                  5

                                                                                                                         10

                                                                                                                               15

                                                                                                                                        20

                                                                                                                                             25

                                                                                                                                                  30

˜ Risikoprämie Schweizer Aktien           ˜ Durchschnitt seit 2000

                                                             20 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
«Reflation trade» – die Gewinner
In einer Phase der Reflation, d.h. steigender Inflations- und Konjunkturdyna-
mik, sind zyklische Werte gefragt und solche, die von anziehenden Zinsen
profitieren. Dazu gehören zum Beispiel Energie-, Rohstoff- und Industrietitel
oder Finanzwerte. Die ersten beiden Sektoren profitieren vor allem von der
anziehenden Konjunktur und der damit einhergehenden steigenden Nach-
frage nach Energieträgern oder Rohstoffen. Dies ist auch den Industriewerten
zuträglich. Letztere profitieren zudem davon, dass Investitionen angestossen
werden, solange die Zinslandschaft noch günstig ist. Im Bereich der Finanz-
werte gehören die Banken zu den Gewinnern. Eine steiler werdende Zins-
kurve begünstigt die Zinsmargen, und eine bessere Konjunkturentwicklung
lässt die Rückstellungen für notleidende Kredite sinken, was zu steigenden
Erträgen bei den Banken führt. Heute kommt bei Banken noch eine weitere
Komponente zum Tragen: die hohe Anzahl an Fusionen, Übernahmen und
Börsengängen. Davon profitieren die Investmentbanken.

«Reflation trade» – die Verlierer
Am anderen Ende der Skala finden sich Sektoren, die in der Krise durch de-
fensive Eigenschaften überzeugt haben. Zum Beispiel Titel aus dem Bereich
der Basiskonsumgüter. Auch Titel mit hoher Verschuldung gehören zu den
Verlierern. Sie sind auf günstige Finanzierungsbedingungen angewiesen, um
ein stabiles Einkommen zu erwirtschaften und eine stete Ausschüttung zu
ermöglichen. Der Versorger-Sektor wird trotz attraktiver Dividendenrendite
für Investoren weniger interessant, da Obligationen wieder höhere Renditen
versprechen. Zudem meiden Investoren Unternehmen, deren Cashflow erst                       .
in der Zukunft anfällt. Das sind häufig Wachstumstitel, die heute keinen oder
nur einen geringen Cashflow generieren. Von denen aber erwartet wird, dass
sie in Zukunft hohe Mittelflüsse erwirtschaften werden. Mit steigenden Zin-
sen bzw. steigender Inflation verlieren die künftig erwarteten Mittelzuflüsse
an Wert. Solche Titel sind oft in den Sektoren Technologie oder zyklischer
Konsum zu finden.

Fokus auf zyklische Erholung
Wie die Ausführungen zeigen, hat der seit einigen Wochen laufende «Reflation
trade» zwei Komponenten: zum einen die konjunkturelle Entwicklung, zum
anderen die Inflationserwartungen. Auf welche soll aber der Fokus gelegt
werden? Wir gehen davon aus, dass die Inflation 2021 aufgrund von temporä-         IN KÜRZE
ren Effekten und aufgrund des sehr tiefen Vergleichsniveaus deutlich anziehen
                                                                                   Aktien bleiben im Vergleich zu
wird. Die zugrunde liegende Preisentwicklung bleibt jedoch moderat, sodass
                                                                                   Obligationen attraktiv
wir für 2022 nicht damit rechnen, dass sich der kräftige Inflationsanstieg die-
ses Jahres fortsetzen wird. Der Fokus für den langfristigen Aktienanleger sollte   Bewertung des Schweizer und
darum auf der zyklischen Erholung liegen.                                          US-Aktienmarktes ist fair
                                                                                   Im «Reflation trade» Fokus auf
Zyklisch ausgerichtete Aktienindizes, wie zum Beispiel der japanische Topix,       anziehende Konjunktur
der Euro Stoxx 50, der amerikanische S&P 500 oder der britische FTSE 100,          Zyklische Sektoren sind gefragt:
haben seit Anfang Jahr stärker zugelegt als Aktienmärkte, die während der          Industrie, Öl und Gas sowie
Coronavirus-Pandemie gesucht waren. Zu Letzteren gehörten der Schweizer            etablierter zyklischer Konsum

                                         ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 21
Aktienmarkt (SPI) und die Schwellenländer (MSCI Emerging Markets). Eine
                                                        wichtige Komponente von nachhaltiger Aktienkursentwicklung sind die Ge-
                                                        winnerwartungen. In der Eurozone ist der Aktienmarkt der Entwicklung
                                                        der Gewinne vorweggeeilt, da die rigiden Lockdowns zur Bekämpfung der
                                                        Coronavirus-Pandemie die Gewinnerwartungen belastet haben. Nichtsdesto-
                                                        trotz weisen die grosskapitalisierten Titel der Eurozone eine ansprechende
                                                        Gewinnerwartungsentwicklung auf.

                                                        In Japan erfuhr die Kursentwicklung Unterstützung durch die wachsenden
                                                        Gewinnerwartungen. Auch in Grossbritannien wird die Aktienmarktent-
                                                        wicklung zurzeit durch die Zunahme der Gewinnerwartungen gestützt.
                                                        Haupttreiber hinter den steigenden Gewinnerwartungen in Grossbritannien
                                                        sind die Rohstoff- und Energiepreise. Diese beiden Sektoren machen rund
                                                        einen Viertel am FTSE 100 aus. Aus dem Finanzsektor (rund 19 % Anteil) ka-
                                                        men dank der anziehenden Inflation ebenfalls Impulse für die Gewinnent-
                                                        wicklung.

                                                        In den USA ist die Zuversicht der Investoren besonders hoch, und das grosse
                                                        Fiskalpaket dürfte den Aktienmarkt weiter unterstützen. Das zeigt sich da-
                                                        ran, dass die Gewinnerwartungen in dieser Region stärker zugelegt haben
                                                        als in den übrigen Regionen. Im gegenwärtigen Umfeld lohnen sich Investi-
                                                        tionen in zyklische Unternehmen. Bei Wachstumswerten aus den Bereichen
                                                        Technologie oder zyklischer Konsum ist darauf zu achten, dass die Unter-
                                                        nehmen bereits heute einen soliden Cashflow erwirtschaften und von einem
                                                        zyklischen bzw. langfristigen Nachfragewachstum profitieren. Gewinner
                                                        der Coronavirus-Pandemie, deren Geschäftsmodelle lediglich von den Lock-
                                                        downs profitiert haben, sollten gemieden werden. Im Technologiesektor sind
                                                        zudem Gewinnmitnahmen bei guten Ergebnissen zu beobachten. Bei solide
                                                        aufgestellten Unternehmen, zum Beispiel im Halbleiterbereich, bieten sich
                                                        dadurch Einstiegschancen. ¢

Gesamtrenditen/Änderung der Gewinnerwartung                                 Entwicklung der Aktienmärkte in CHF
in %, Wachstum in Lokalwährung seit Jahresbeginn 2021                       Gesamtrenditen, indexiert per 31.12.2019

12                                                                          130
10                                                                          120
 8                                                                          110
 6                                                                          100
 4                                                                           90
 2                                                                           80
 0                                                                           70
                   Euro Stoxx 50
        Topix

                                   S&P 500

                                             FTSE 100

                                                         MSCI EM

                                                                   SPI

                                                                             60
                                                                                  Jan 2020

                                                                                             Mär 2020

                                                                                                        Mai 2020

                                                                                                                     Jul 2020

                                                                                                                                Sep 2020

                                                                                                                                            Nov 2020

                                                                                                                                                       Jan 2021

                                                                                                                                                                  Mär 2021

˜ Gesamtrenditen         ˜ Gewinnerwartungen                                ˜ S&P 500        ˜ MSCI EM             ˜ Euro Stoxx 50         ˜ SPI

                                                        22 | ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021
Währungen
Der USD profitiert aktuell von den besseren
konjunkturellen Perspektiven der USA. Wir gehen
mittelfristig aber von einer erneuten Abschwä-
chung aus. Der EUR könnte gegenüber dem CHF
noch weiter zulegen, wenn die globalen Pande-
mierisiken in den Hintergrund treten.
Ähnlich wie die Zinsmärkte haben auch die Devisenmärkte auf die verän-
derten konjunkturellen Perspektiven reagiert. So waren die Unterschiede im      Björn Eberhardt
                                                                                Leiter Investment Office
Impftempo zwischen USA (hoch) und Kontinentaleuropa (langsam) sowie
die Verabschiedung des grossen US-Fiskalpakets unter Joe Biden und dessen
konjunkturelle Auswirkungen noch Ende letzten Jahres kaum absehbar.
Entsprechend standen eher die negativen Aspekte des US-Dollars im Fokus         Realer Aussenwert des Frankens
und belasteten die Währung: seine hohe Bewertung auf Basis des realen           2010 = 100
handelsgewichteten Wechselkurses, der geschrumpfte Zinsvorteil sowie der
                                                                                130
ungünstige Ausblick für die Verschuldung.
                                                                                120

Mittlerweile konnte der USD wieder einen Teil seiner Vorjahresverluste          110
aufholen. So sieht es danach aus, als würde die US-Wirtschaft ihr Vorkrisen-    100
niveau viel früher wieder erreichen als die Eurozone. Damit geht auch die
                                                                                 90
Aussicht auf eine schnellere Normalisierung der Inflation und auf einen
früheren Ausstieg der Fed aus der lockeren Geldpolitik einher. Dies hat zeit-    80

gleich mit steigenden US-Renditen zu einer Aufwertung des USD gegenüber          70
CHF und EUR geführt.
                                                                                      1980

                                                                                             1990

                                                                                                    2000

                                                                                                           2010

                                                                                                                  2020
Wir gehen allerdings davon aus, dass ein Grossteil der Erwartungsänderung
bereits im Wechselkurs berücksichtigt ist. Damit könnten – wenn sich die
globale Wirtschaft nachhaltig erholt – in den kommenden Monaten wieder
die weniger positiven Aspekte der US-Wirtschaft in den Vordergrund rücken
und zu erneutem Abwertungsdruck führen.

Aus Perspektive des Schweizer Frankens fiel neben der USD-Stärke zudem
zuletzt noch die leichte Aufwertung des EUR auf. In einem langfristigen
Vergleich fällt diese Bewegung kaum auf, aber sie führte den EUR dennoch
mit 1.114 auf das höchste Niveau gegenüber dem Franken seit dem Sommer            IN KÜRZE
2019. Als kleine, offene Volkswirtschaft mit einer vergleichsweise kleinen        USD profitiert auf kurze Sicht von
Währung und einer Wahrnehmung des Frankens als «sicherem Hafen» spie-             US-Konjunkturvorsprung
len Schweizer Konjunktur und Handelsbilanz in Krisenzeiten eine eher
                                                                                  Mittelfristig dürften USD-
untergeordnete Rolle für die Bestimmung des Wechselkurses. Mit zunehmen-          belastende Faktoren wieder in
der Risikobereitschaft der Anleger im Umfeld einer globalen Konjunktur-           den Vordergrund treten
erholung könnte der Franken daher weiter an relativer Attraktivität einbüssen
                                                                                  Jüngste EUR-Stärke zum CHF
und auch im Vergleich zum EUR noch mehr zur Schwäche neigen, zumal
                                                                                  könnte sich fortsetzen, wenn
er auf dem aktuellen Niveau immer noch leicht überbewertet ist. ¢                 sich konjunkturelle Perspektiven
                                                                                  in der Eurozone nachhaltig
                                                                                  verbessern

                                       ANLAGEPOLITIK | 2. Quartal 2021 | 23
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