Anlagepolitik - Q 44 | 2021 - Vertrauen - Cision
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Anlagepolitik Vertrauen Unsere Markteinschätzung Seite 7 Fokusthema: Navigieren in einem aussergewöhnlichen Umfeld Q 4 | 2021 Seite 10
Vertrauen Vertrauen in uns selbst und in andere Menschen und Situationen ist ein wertvolles Gut. Dank Vertrauen gehen wir gelassener durchs Leben, es schenkt uns ein Gefühl von Sicherheit und Zuversicht. Vertrauen macht mutig und setzt Kräfte frei. Vertrauen führt Menschen zusammen und ist eine Grundvoraus- setzung für positiv geprägte Beziehungen. Beziehungen zwischen Menschen oder auch zu Institutionen wie einer Bank. IMPRESSUM: Erscheint vierteljährlich | Erscheinungsdatum: 1. Oktober 2021 | Redaktionsschluss: 27. September 2021 | Gesamtauflage: 2’400 Herausgeber/Redaktion: Luzerner Kantonalbank AG, Investment Office, +41 (0) 844 822 811, anlagepolitik@lukb.ch | Realisation: grip-agency.ch Druck: beagdruck | Titelbild: Grafilu | Porträtillustrationen: Janine Wiget | Bilder: gettyimages | lukb.ch/anlagepolitik
EDITORIAL Geschätzte Investorin, geschätzter Investor Die Finanzmärkte waren in den vergangenen Wochen mit zahlreichen Unsicherheitsfaktoren konfrontiert, was grössere Marktbewegungen auslöste und oftmals von China ausging. Das vor uns liegende 4. Quartal dürfte ebenfalls von erhöhter Volatilität geprägt bleiben. «Angesichts hoher Bewertungen Björn Eberhardt und abnehmenden Wachstums Leiter Investment Office müssen wir uns wieder an erhöhte Volatilität gewöhnen.» Ein Grund dafür ist, dass die Erholung von Konjunk- tur und Finanzmärkten seit dem Frühjahr 2020 mit ungewöhnlich hoher Dynamik ablief. Gleichzeitig be- stehen Kapazitätsengpässe und Lieferkettenprobleme, was die Inflation erhöht halten dürfte. Grosse Notenbanken haben daher bereits signalisiert, dass die Zeiten der ultralockeren Geldpolitik zu Ende gehen. Angesichts hoher Bewertungen der meisten INHALT Vermögenswerte wird das Abwägen zwischen Wachs- 4 | Highlights tums- und Inflationsrisiken viel Feingefühl auch bei 6 | Basisszenario der Kommunikation der Zentralbanken benötigen. 7 | Markteinschätzung 8 | Konjunktur und Geldpolitik Der Fokustext in dieser Ausgabe der Anlagepolitik be- 10 | Fokus: Navigieren in einem aussergewöhnlichen Umfeld schäftigt sich mit diesem Prozess und seinen Chancen 14 | Festverzinsliche Anlagen und Risiken für die Finanzmärkte. 16 | Aktienmärkte 18 | Rohstoffe Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen. 20 | Immobilien 22 | Marktüberblick Ihr Björn Eberhardt 23 | Makroprognosen Leiter Investment Office ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021 | 3
HIGHLIGHTS MAKRO- UND RISIKOUMFELD Unsere Indikatoren zeigen ein Umfeld, in dem sich die Liquiditätsversorgung rückläufig entwickeln dürfte bei gleich- zeitig hoher und nur leicht sinkender Risikobereitschaft und dynamischem Wachstum. Unser Inflationsindikator deutet auf zunehmende Risiken hin. ¢ 3. Quartal 2021 ¢ 4. Quartal 2021 LIQUIDITÄT RISIKOUMFELD Lockere Geldpolitik und tiefe Zinsniveaus sor- Die jüngsten Marktturbulenzen bewirkten ei- gen für hohe Liquidität, was die Vermögens- nen leichten Rückgang der Risikobereitschaft, preise stützt. Das kommende Tapering bewirkt der Indikator bleibt aber erhöht aufgrund der aber einen leichten Rückgang des Indikators. tiefen Renditen risikoarmer Anlagen. WACHSTUM INFLATION Die globale Wachstumsdynamik ist derzeit Der Inflationsindikator hat noch einmal zu- rückläufig, bleibt aber robust und vorerst auch genommen, getrieben vor allem vonseiten der noch auf hohem Niveau. Das stützt aus Materialkosten und Löhne. Inflation bleibt ein unserer Sicht insbesondere die Aktienmärkte. Risiko, das beachtet werden sollte. UNSERE POSITIONIERUNG Liquidität Festverzinsliche Anlagen Aktienmärkte Nicht-traditionelle Anlagen Positionierung vorher ¢ stärker untergewichtet ¢ leicht untergewichtet ¢ neutral ¢ leicht übergewichtet ¢ stärker übergewichtet 4 | ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021
FOKUSTHEMA: Navigieren im aussergewöhnlichen Umfeld Die Konjunkturerholung vom Pandemieeinbruch verlief äusserst rasant, aber auch uneinheitlich. Die Überlappung zyklischer und struktureller Faktoren erschwert die Orientierung. Wir zeigen die wichtigsten Entwicklungen auf und wie man das Portfolio vor unerwarteten Risiken schützt. AKTIEN Etliche Aktienmärkte vermochten im 3. Quartal neue Rekordhochs zu erzielen. Die Bewertungen bleiben erhöht, ein solides Wachstum bei den Gewinnerwartungen, ein guter Konjunkturausblick sowie das tiefe Zinsniveau stützen jedoch zahlreiche Märkte. ANLEIHEN ROHSTOFFE Festverzinsliche Anlagen sind äusserst hoch bewertet. Staats- Das von uns erwartete ro- anleiherenditen sind nach Abzug buste Wachstum dürfte bei der Inflation in der Regel negativ. Öl und Industriemetallen zu Risikoprämien auf neuen Rekord- tiefs hat Unternehmensanleihen weiteren Preissteigerungen noch teurer gemacht. Robustes führen. Gold ist für uns aus Wachstum sowie die bald weniger Diversifikationsgründen ein lockere Geldpolitik bergen das Risiko eines Renditeanstiegs. wichtiger strategischer Port- Schwellenländeranleihen bleiben foliobestandteil. für uns eine attraktive Alternative. IMMOBILIEN Bei den Immobilienanlagen bleiben wir bei einem Einsatz von Schweizer Immobilienfonds mit einem Fokus auf gemischte Anlagen, wo wir weiteres Kurspotenzial sehen. Bei ausländischen Immobilienanlagen bevorzugen wir nach der jüngsten Korrektur unverändert EUR-Immobilien aufgrund der guten konjunkturellen Perspektiven. ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021 | 5
BASISSZENARIO Die Weltwirtschaft sollte sich weiter erholen. Allerdings dürfte sich das Wachstumstempo künftig verlangsamen. Gründe hierfür sind u. a. die noch vorhan- denen globalen Lieferengpässe. Diese werden die Produktion in Teilen der Wirtschaft noch auf absehbare Zeit dämpfen. Die Inflation dürfte allmählich wieder zurück- kommen, bleibt aber in vielen Ländern auch 2022 noch auf hohen Niveaus. Wichtige Zentralbanken dürften ihre quantitativen Massnahmen allmählich drosseln. Erwartete Marktauswirkungen In unserem Basisszenario bleiben Aktien die bevorzugte Anlageklasse. Unternehmensanleihen dürften dagegen aufgrund der bereits sehr hohen Bewertung weniger profitieren. Bei Staatsanleihen erwarten wir in diesem Umfeld leicht steigende Renditen. Rohstoffe sollten von der anhaltenden Reflationierung weiter profitieren. ALTERNATIVSZENARIEN 1. Globale Rezession Ausgelöst z.B. durch eine Verschärfung der Coronavirus-Pandemie, globalen Protektio- 2. Globaler Boom Ausgelöst z. B. durch rasches Zurück- drängen der Pandemie, kräftigen Investitions- nismus, eine neue Schuldenkrise, zu restriktive und Konsumanstieg, deutliche Produktivitäts- Fiskal- und Geldpolitik. zuwächse und rasch abebbende Lieferengpässe. Erwartete Marktauswirkungen Erwartete Marktauswirkungen Positiv für Gold, Schweizer Franken, Staats- Positiv für Aktien, Risikoprämien von Unter- anleihen von «safe haven»-Staaten; negativ für nehmen und Schwellenländern, Rohstoffe, Aktien, Rohstoffe, den Euro und Vermögens- inflationsgeschützte Anleihen; negativ für werte aus den Schwellenländern. Staatsanleihen. Wirtschaftswachstum und Inflation in den Industrieländern seit 2008 6 2021 (S) 2022 (S) 4 Wachstum in % gegenüber Vorjahr Stand der Weltwirtschaft 2 Ende 2020 inkl. Entwicklung seit 2008 2008 0 Erwarteter Stand der Weltwirtschaft Ende 2022 Durchschnittswerte seit 2000 –2 (S) LUKB-Schätzwerte –4 2020 –6 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 Inflation in % gegenüber Vorjahr 6 | ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021
MARKTEINSCHÄTZUNG Wirtschaftswachstum und Inflationsraten dürften in von Aktien und einer Empfehlung u. a. von Finanzwer- den kommenden Quartalen zwar abnehmen, aber relativ ten auf Sektorenebene. Innerhalb der Aktien favorisieren hoch bleiben. Gleichzeitig bewegen sich die Zentralban- wir die europäischen Märkte und Japan. Das Gewicht ken langsam weg von der sehr lockeren Geldpolitik. Ent- von Anleihen verringern wir über eine Reduktion von sprechend sehen wir ein Risiko steigender Realrenditen. USD-Anleihen. Breit diversifizierte Rohstoffanlagen die- Wir bleiben in diesem Umfeld bei einer Übergewichtung nen uns zur Absicherung gegen Inflation. Markteinschätzungen und Positionierung per 1. Oktober 2021 Anlageklasse Kommentar Wir empfehlen eine erhöhte Liquiditätsquote zur Ausnutzung von Markt- Liquidität opportunitäten und aufgrund der mangelnden Attraktivität von Anleihen Aufgrund der z. T. negativen Renditen und des anhaltenden Risikos eines Festverzinsliche Anlagen Zinsanstiegs gewichten wir festverzinsliche Anlagen unter CHF-Staatsanleihen rentieren zumeist negativ und sollten daher deutlich CHF untergewichtet werden. Das Zinsanstiegsrisiko ist aber geringer als im USD Auch EUR-Staatsanleihen höchster Bonität sind negativ verzinst. EUR Das Renditeanstiegspotenzial ist ähnlich wie im CHF begrenzt Die GBP-Renditen stiegen jüngst deutlich an. Der Ausblick für Inflation und GBP Geldpolitik spricht für anhaltende Risiken weiter steigender Renditen USD-Renditen tendieren seit einigen Wochen wieder höher. Die robuste Kon- USD junktur und das kommende Tapering sprechen für weiter steigende Renditen Für CNY-Anleihen spricht weiterhin ihr gutes Diversifikationspotenzial CNY sowohl von Währungs- als auch Zinsseite Breit diversifizierte Lokalwährungsanleihen sind ein attraktiver Portfolio- Schwellenländer bestandteil und dürften von der globalen Konjunkturerholung profitieren Trotz abnehmenden Wachstums stützen die hohe Liquidität und ein guter Aktienmärkte Ausblick für Unternehmensgewinne die Aktienmärkte Wir behalten das Übergewicht im Schweizer Markt bei, da trotz hoher Be- Schweiz wertung die Qualität und der Ausblick auf Unternehmensebene überzeugen Aktien der Eurozone sind aus relativer Bewertungsperspektive interessant Eurozone und dürften sich in einem Umfeld steigender Zinsen besser halten Aus Bewertungsperspektive ist der UK-Aktienmarkt attraktiv, sein höherer Grossbritannien Anteil an Rohstoffwerten bietet Absicherung gegen Inflationsrisiken Die Bewertung des US-Marktes ist relativ hoch und der Gewinnausblick für USA andere Märkte hat sich auf relativer Basis weiter verbessert Trotz der jüngsten Rally sollte der japanische Markt weiter von der globalen Japan Erholung profitieren. Zudem ist Covid lokal wieder unter Kontrolle Risiken hinsichtlich weiterer chinesischer Regulationen verbleiben, doch die Schwellenländer Bewertungen sind mittlerweile wieder attraktiver Nicht-traditionelle Anlagen belassen wir insgesamt auf dem langfristig Nicht-traditionelle Anlagen vorgesehenen Gewicht Schweizer Immobilienfonds sind hoch bewertet, bleiben aber eine attraktive Immobilien Schweiz Alternative zu CHF-Obligationen Der Rücksetzer an den REITs-Märkten ist temporären Sonderfaktoren Immobilien Eurozone geschuldet. Die Konjunkturerholung sollte den Markt mittelfristig stützen Industriemetalle und Energie bieten im Umfeld hoher Konjunkturdynamik Rohstoffe (ohne Agrar) und erhöhter Inflationsrisiken weiterhin Chancen Wir belassen die Gold-Position unverändert als Absicherung gegen unerwar- Gold tete Marktereignisse. Steigende Realzinsen stellen das Hauptrisiko dar Positionierung vorher ¢ stärker untergewichtet ¢ leicht untergewichtet ¢ neutral ¢ leicht übergewichtet ¢ stärker übergewichtet ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021 | 7
Konjunktur und Geldpolitik Die Weltwirtschaft erholt sich wei- vorzugsweise die, auf die sie während der Lockdowns verzichten mussten. Dagegen haben sie die Nachfrage ter, die Wachstumsdynamik verlang- nach Gütern verringert. Das spiegelt sich auch in den samt sich jedoch. Dabei nimmt die Einzelhandelsumsätzen wider. Da diese zum grössten Inflation auf hohem Niveau ab. Die Teil den Konsum von Gütern abbilden, entwickelten sie sich in vielen Ländern im Trend der letzten Monate Zentralbanken dürften ihre expansi- eher schwach. ve Geldpolitik etwas drosseln. Inflation rasch gestiegen Die Aussichten sind gut, dass die globale Wirtschaft Teile der Wirtschaft haben u. a. aufgrund von Liefereng- weiter wächst, wenn auch mit moderaterem Tempo. pässen und einem Arbeitskräftemangel Probleme, mit Positiv wirken sich dabei die Lockerung der Corona- der gestiegenen Nachfrage Schritt zu halten. Das schlägt Restriktionen sowie die Fortschritte bei der Impfung sich zum Teil in höheren Verbraucherpreisen nieder. Die der Bevölkerung auf die Entwicklung der Wirtschaft kräftig gestiegenen Inflationsraten zu Beginn einer Kon- aus. Zudem stützen Regierungen und Zentralbanken junkturerholung sind aber eher unüblich. Zudem wird vieler Staaten mit expansiven fiskal- und geldpoliti- der Teuerungsanstieg noch durch Einmaleffekte, wie schen Mitteln weiterhin die Konjunktur. Basiseffekte bei den Rohstoffpreisen, nach oben verzerrt. Standortbestimmung ist schwierig Geldpolitik dürfte gedrosselt werden Die Frage, ob sich die Weltwirtschaft noch in einer län- Für Zentralbanken macht es die diffuse Datenlage nicht ger andauernden Erholung oder im Abschwung befindet, gerade einfacher, eine Entscheidung über den künftigen lässt sich nicht eindeutig beantworten. Das liegt u. a. da- Kurs der Geldpolitik zu treffen. Trotz des kräftigen ran, dass private Haushalte und Unternehmen ihr Kon- Wirtschaftswachstums und der gestiegenen Inflation sum- bzw. Investitionsverhalten während der Pandemie haben die Zentralbanken ihren expansiven Kurs bis deutlich änderten. Beispielsweise fragten Konsumenten zuletzt fortgesetzt – wohl auch, um die Finanzmärkte während der Lockdowns mehr Güter nach als üblich, nicht zu verschrecken. denn Dienstleistungen wie Restaurantbesuche standen, wenn überhaupt, nur eingeschränkt zur Verfügung Nichtsdestotrotz deutet sich eine wenn auch vorsichti- (siehe Grafik zu US-Einzelhandelsumsätzen). ge Kehrtwende an. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschloss jüngst, die Notfallankäufe von Wertpapieren Mit der Lockerung der Restriktionen fragen Konsu- im 4. Quartal etwas zu reduzieren. Die US-Notenbank menten wieder verstärkt Serviceleistungen nach – (Fed) hat in den letzten Monaten Hinweise dafür gege- Entwicklung der US-Einzelhandelsumsätze Wachstum der Weltwirtschaft indexiert, Jan 2020 = 100, saisonbereinigt in % ggü. Vj., inflationsbereinigt, gepunktete Linie = LUKB-Prognose 140 8.0 120 6.0 100 4.0 80 2.0 60 0.0 40 –2.0 Jan 2020 Jul 2020 Jan 2021 Jul 2021 –4.0 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 Restaurantbesuche Möbel und Haushaltsgegenstände Realisierte Werte 8 | ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021
ben, dass eine Drosselung der Wertpapierkäufe (Tape- ring) angebracht ist. Schrittweise könnte das bereits Ende des Jahres erfolgen. Die weitaus grössere Heraus- forderung ist allerdings die Normalisierung der Zins- sätze. Hierbei erwarten wir, dass die Fed die Leitzinsen erst ab 2023 allmählich anheben könnte. Weltwirtschaft schaltet einen Gang runter Insgesamt rechnen wir weiterhin damit, dass sich die Erholung der Weltwirtschaft fortsetzen wird – aber Brian Mandt mit etwas verminderter Dynamik als bislang. In einer Chefökonom Reihe von Ländern liegt das Wachstumshoch bereits in der Vergangenheit. Insgesamt erwarten wir, dass sich das Vorjahreswachstum der globalen Wirtschafts- den. Zusätzlich dürften die Ausgaben aus dem EU-Wie- leistung (BIP) preisbereinigt von 6.4% in diesem auf deraufbaufonds die staatlichen Investitionen ankurbeln. 4.8% im nächsten Jahr verlangsamen dürfte (siehe Insgesamt rechnen wir für dieses und nächstes Jahr mit Grafik zum Weltwirtschaftswachstum). Wachstumsraten von 5.2% respektive 4.2%. US-Wachstumslokomotive verliert Dampf China nähert sich wirtschaftlicher Normalität Die US-Wirtschaft ist mit viel Schwung ins Jahr gestar- Für Chinas Wirtschaft erwarten wir dieses Jahr ein tet und hat das Vorkrisenniveau bereits im 2. Quartal Wachstum von 8.4%. Die beeindruckende Zahl soll uns deutlich übertroffen. Doch der Wachstumszenit ist be- aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wirtschaft reits überschritten. Für die kommenden Monate rech- im Jahresverlauf bereits deutlich an Schwung verloren nen wir damit, dass sich die Wirtschaft weiter erholen hat. Gründe hierfür sind u. a. Restriktionen, um neuerli- wird – allerdings mit einem moderaten Tempo. Nach che Ausbrüche des Coronavirus einzudämmen. Bereits einem Wachstumsplus von 6.2% für 2021 erwarten wir vor Ausbruch der Pandemie hatte die chinesische Wirt- für 2022 eine Verlangsamung auf 4.4%. schaft jedoch aufgrund von strukturellen Problemen an Tempo eingebüsst. Diese, wie beispielsweise die in man- Schweizer Wirtschaftszug rollt mit hoher chen Industrien noch vorhandenen Überkapazitäten, sind Geschwindigkeit noch vorhanden und treten wieder stärker zutage. Vor Die Schweizer Wirtschaft hat sich kräftig entwickelt. diesem Hintergrund erwarten wir für 2022 eine deutliche Im 2. Quartal wuchs sie preisbereinigt um 1.8% ge- Verlangsamung des BIP-Wachstums auf 5.8%. ¢ genüber dem Vorquartal. Das BIP liegt damit nur noch 0.5% unter dem Vorkrisenniveau. Für das 3. Quartal deutet sich eine ähnlich hohe Dynamik an, die zudem von weiten Teilen der Wirtschaft getragen werden soll- te. Insgesamt erwarten wir ein Wirtschaftswachstum von 3.6% in diesem und 3.3% im nächsten Jahr. Euroraum auf Erholungskurs Die Wirtschaft im Euroraum hat im 2. Quartal mit IN KÜRZE einem Wachstum von 2.2% im Vorquartalsvergleich Weltwirtschaft erholt sich weiter kräftig aufgeholt. Für das 3. Quartal erwarten wir einen Wachstumstempo verliert an Dynamik Zuwachs in ähnlichem Ausmass. Danach dürfte sich das Tempo der Erholung verlangsamen. Wir gehen Inflationsraten nehmen auf hohem Niveau ab davon aus, dass vor allem der private Konsum und die Zentralbanken reduzieren vorsichtig ihre expansive Ausrüstungsinvestitionen das Wachstum tragen wer- Geldpolitik ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021 | 9
FOKUS Navigieren in einem aussergewöhnlichen Umfeld Die Konjunkturerholung vom Pandemieeinbruch verlief äusserst rasant, aber auch uneinheitlich. Unsicherheit über zyklische und strukturelle Faktoren erschwert die Orientierung. Josh Bouchard Investment-Stratege Die letzten 18 Monate waren für Anleger wegen des vergleichbar, die die Weltwirtschaft seit dem Zweiten unsicheren Umfeldes sehr herausfordernd. Auch wenn Weltkrieg üblicherweise erlebte. Anstatt auf makroöko- sich die globale Erholung noch fortsetzt, so bleibt der nomischen Einflüssen zu basieren, wie einer zu restrik- Ausblick für Wachstum, Inflation und Geldpolitik mit tiven Geldpolitik oder dem Platzen einer Blase, wurde vielen Ungewissheiten behaftet. Gleichzeitig befin- der Einbruch im 1. Halbjahr 2020 von den Staaten durch den sich die Bewertungen der meisten Anlageklassen die angeordneten Lockdowns mitten in einer bereits mittlerweile auf hohen Niveaus. Wie in dichtem Nebel recht reifen Expansionsphase ausgelöst. Die Wirtschaft ist die Orientierung in einem solchen Umfeld sehr an- wurde dadurch zwar in einigen Sektoren weitgehend spruchsvoll. Es ist daher wichtig, die grössten Risiken stillgelegt. Aber wegen der kräftigen Stützungsreak- für die Wirtschaft und die Finanzmärkte zu erkennen. tionen der Notenbanken und Regierungen und der als Nur dann können Sie Ihr Portfolio robuster gegenüber vorübergehend betrachteten Natur der Krise wurde der dem Eintreten unerwarteter Ereignisse positionieren. Einbruch recht schnell überwunden und die Gefahr einer Abwärtsspirale abgewendet. In gewisser Hinsicht Ursachen und Folgen einer untypischen Erholung kann man das aktuelle Umfeld fast schon als eine Fort- Die aktuelle Konjunkturentwicklung ist aufgrund der führung des letzten, unterbrochenen Konjunkturzyklus pandemiebedingten Sondereffekte kaum mit jenen betrachten. US-Arbeitslose pro offene Stelle Risikoprämien von Unternehmensanleihen global Personen in Basispunkten gegenüber Staatsanleihen 7 600 6 500 5 400 4 300 3 200 2 1 100 Stand heute vergleichbar mit 2007 0 0 2000 2005 2010 2015 2020 2000 2005 2010 2015 2020 10 | ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021
Wo stehen wir im Konjunkturzyklus? Pandemie als wesentliche Ursache Es fällt derzeit besonders schwer, die gegenwärtige Natürlich haben die pandemiebedingten Verwerfungen Wirtschaftslage einem genauen Punkt auf dem soge- zu dieser ungewöhnlichen konjunkturellen Situation nannten Konjunkturzyklus zuzuordnen. So sind einige und dem aktuellen Inflationsdruck beigetragen. Ein Teil Teile der Wirtschaft bedauerlicherweise immer noch dieser Verwerfungen wird sich grösstenteils auflösen in Schwierigkeiten, andere dagegen stehen sehr gut da bzw. mit der Zeit an Bedeutung verlieren. Allerdings ist und weisen z. T. Anzeichen auf, die normalerweise erst schwer zu sagen, wie lange die Rückkehr zur Norma- für den Spätzyklus charakteristisch sind (Arbeitskräfte- lität genau dauern wird, zumal das Virus und seine mangel, zunehmendes Lohnwachstum). Das zeigt sich wirtschaftlichen Folgen weiterhin unvorhersehbar sind. insbesondere im US-Arbeitsmarkt. So gab es bereits vor Deswegen bleiben die konjunkturellen Aussichten für der Pandemie einen Mangel an Fachkräften, der sich Politik und Anleger schwerer zu deuten. erst ab 2018 an steigender Lohninflation erkennen liess. Aufgrund der Aufhebung der Lockdowns trägt die Finanzmärkte signalisieren Optimismus steigende Nachfrage nach Arbeitskräften im Dienstleis- Die Finanzmärkte haben sich mittlerweile komplett von tungsbereich derzeit dazu bei, den Mangel an Arbeits- der Krise erholt und in vielen Fällen neue Höchststände kräften insgesamt zu verschärfen erreicht, was unüblich so kurz nach (siehe Grafik zu US-Arbeitslosen). einem Wirtschaftseinbruch ist. Die Im Prinzip hat sich dadurch das «Der Aufbau von Preise von Vermögenswerten wurden Kräfteverhältnis zugunsten der Ar- zuerst von einer äusserst expansiven beitnehmer verschoben, was ihnen Kapazitäten wirkt Geld- und Fiskalpolitik gestützt, erlaubt, bessere Anstellungsbedin- danach von der Konjunkturerholung gungen einzufordern oder auf bes- preistreibend bei selbst und schliesslich von einer sere Angebote zu warten. Folglich Löhnen und Roh- «There is no alternative»-(TINA-) steigt die relative Nachfrage auf dem Mentalität der Anleger weiter befeu- Arbeitsmarkt, obwohl die Zahl der stoffen.» ert. Infolgedessen befinden sich Arbeitslosen noch erhöht ist. Solche Risikoprämien, vor allem bei Unter- Ungleichgewichte dürften über die nehmensanleihen, auf tiefsten Ni- Zeit zu steigenden Löhnen, zunehmendem Inflations- veaus (siehe Grafik zu Risikoprämien). Die Unternehmen druck und dadurch vermutlich auch höheren Renditen tragen selbst dazu bei, indem sie billiges Geld verwenden, führen. um Aktien mithilfe von «Financial Engineering» (M&A, LBOs) zu kaufen. Ferner weisen einige Marktsegmente Unternehmen insgesamt erlebten dank der staatlichen Merkmale von Blasenbildung auf. Zusammengefasst ver- Unterstützung und der Belebung des Privatkonsums schärfen hohe Vermögenspreise und risikoreich positio- eine rasche Erholung. Als Folge dessen hat die Ertrags- nierte Anleger die Gratwanderung für Zentralbanken, kraft der Unternehmen global schon ihren Höhenpunkt da kleine Anpassungen der Geldpolitik in einem solchen aus dem Jahr 2019 übertroffen. Umfragen bei Firmen Umfeld schnell überproportionale Marktreaktionen zeigen zudem, dass sie Pläne für eine Ausweitung der auslösen können. Kapazitäten haben, um auf die gestiegene Nachfrage zu reagieren und/oder um durch die Pandemie aufge- Anspruchsvolle Situation für Notenbanken und deckte Schwächen zu beheben. Angesichts robusten Regierungen Gewinnwachstums und einer immer noch sehr opti- Bis jetzt haben die Notenbanken und Regierungen die mistischen Stimmung sollte eine Vielzahl dieser Pläne globale Wirtschaft recht erfolgreich durch die Krise bald umgesetzt werden. Die Erschaffung zusätzlicher navigiert, aber in der kommenden Phase müssen sie die Kapazitäten dürfte in diesem Umfeld eine preistreiben- Ungleichmässigkeit der Erholung stärker berücksichti- de Wirkung auf Rohstoff- und Arbeitsmärkte haben. gen, wobei die Konjunkturdaten weiterhin schwerer zu deuten bleiben. Seit dem Beginn der Pandemie hat die lockere Politik zu Recht vorwiegend auf die Beschäfti- ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021 | 11
Die Orientierung im aktuellen Umfeld wird durch eine Vielzahl von Faktoren erschwert.
gung und Einkommensstützung abgezielt und dabei Löhne unter Druck kommen könnten, dürfte ihr Um- in Kauf genommen, dass einige Sektoren durch diese satzwachstum durch einen anhaltenden Aufschwung Massnahmen eher in eine Überhitzungssituation ge- gestützt werden. Davon dürften Aktien eher profitieren trieben werden. Aufgrund der bestehenden Abwärts- als Unternehmensanleihen. risiken erachten wir nur eine schrittweise und vorsich- tige Abkehr von der Krisenpolitik als wahrscheinlich. Über allen Anlageklassen gemeinsam schwebt das oben Da Geldpolitik ein ungenaues Instrument ist, müssen erwähnte Risiko steigender Zinsen. Denn Vermögens- unbeabsichtigte Entwicklungen (z. B. Überhitzung) in preise basieren im Grunde auf risikofreien Zinsen, weil einigen Sektoren zur Unterstützung anderer in Kauf diese die sichere Anlagealternative darstellen. Deswegen genommen werden. Anleger sollten darauf mit Blick auf führen steigende Renditen ceteris paribus dazu, dass ihre Allokationen vorbereitet sein. die erwarteten Renditen anderer Vermögenswerte auch steigen. Die Folge sind jedoch niedrigere Preise. Auswirkungen der anhaltend lockeren Politik Angesichts der globalen «Jagd nach Renditen» und der auf Vermögenspreise geringen Risikoprämien sind steigende Renditen zurzeit Die meisten Portfolios sind für eine Fortsetzung des der- ein besonders wichtiges Risiko, da sie Druck auf hoch zeitigen Marktumfelds positioniert. Falls die Geld- und bewertete Vermögenspreise auslösen würden in einem Fiskalpolitik also mittelfristig zu locker bleibt, sollten Umfeld, in dem viele Anleger bereits stark in risikorei- Anleger auf die Auswirkungen ei- cheren Anlagen positioniert sind. ner Verlängerung der bisherigen Konjunkturdynamik achten (d. h. Wie als Anleger reagieren? höherer Inflationsdruck bei soli- «Obligationen schei- Wie sollten Anleger nun aber auf dem Wachstum). Die auffälligste nen am offensicht- eine solche ungewisse Lage re- Fehlbewertung dürfte in einem agieren? Grundsätzlich ist ein ge- solchen Fall bei den Obligationen lichsten fehlbewertet, nügend diversifiziertes Portfolio vorliegen, weil sie angesichts der sollte sich die aktuelle immer der richtige Ansatzpunkt. heutigen Inflationsraten negative Allerdings gibt es Zeiträume, in Realrenditen liefern. Und dies Konjunkturdynamik denen gewisse Faktoren asym- in einem Ausmass, das sich seit metrische Risiken darstellen. Jahren nicht beobachten liess. fortsetzen.» Dies ist heute der Fall aufgrund Die Inflation dürfte zwar abneh- der allgemeinen wirtschaftlichen men, aber die Geschwindigkeit Ungewissheit, der hohen Preise des Rückgangs sowie das Niveau, auf welchem sie sich von Vermögenswerten und des unsicheren Inflations- einpendeln könnte, sind nur schwer zu prognostizieren. ausblicks. Anleger sollten sich vor allem wegen dieser Das ist eine Unsicherheit, die insbesondere die Anlage- Faktoren eher vorsichtig und geduldig verhalten, bis klasse Obligationen in Mitleidenschaft ziehen kann. sich der Nebel etwas lichtet. Auch Aktien und Unternehmensanleihen wären teil- Ferner finden wir eine leichte Ausrichtung gegenüber weise von einer Fortsetzung der aktuellen Konjunktur- den oben erwähnten Faktoren sinnvoll, um das Portfolio dynamik betroffen. Auf volkswirtschaftlicher Ebene sicherer zu gestalten, falls die unübliche Wirtschafts- sind Löhne die grösste Kostenkomponente der Unter- entwicklung etwas länger anhält. Aktien sollten insge- nehmen. Die Ertragskraft nimmt aus Sicht der Unterneh- samt gegenüber Anleihen bevorzugt werden, da sie men dabei zu, solange die Produktivität der Angestellten trotz Margendrucks vom Umsatzwachstum der Unter- schneller wächst als deren inflationsbereinigte Löhne. nehmen profitieren. Im Aktienbereich bieten Finanz- In den letzten 20 Jahren erlebten viele Firmen eine steti- werte die beste Absicherung gegenüber steigenden ge Steigerung ihrer Profitabilität, deren Ursache vor allem Renditen. Zyklische Sektoren und Länderindizes haben die schwache Lohnkosteninflation (u. a. Globalisierung / einen Teil ihrer Gewinne vom Jahresanfang abgegeben wirtschaftsfreundliche Politik / Automatisierung) war. und sind deshalb wieder attraktiver und insgesamt we- Einige dieser Ursachen scheinen sich erst vor kurzem niger zinssensitiv. Zur Absicherung gegenüber steigen- in die andere Richtung gedreht zu haben. Aber auch der Inflation spielen Rohstoffe und Edelmetalle immer wenn die Gewinne der Unternehmen aufgrund höherer noch eine wichtige Rolle. ¢ ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021 | 13
Festverzinsliche Anlagen Der Konjunkturausblick spricht für steigende Ren- diten. Eine robuste Nachfrage nach Staatsanleihen begrenzt teilweise das Anstiegspotenzial. Unter- nehmensanleihen sind mittlerweile sehr teuer. Die Zinsmärkte haben in den vergangenen Monaten recht eindrucksvoll gezeigt, dass Marktentwicklungen schnell anders verlaufen können, als die Fundamentaldaten suggerieren würden. Just nachdem die Sorgen vor einem Anstieg der US-Inflation und dem näherrückenden Ende der sehr lockeren Björn Eberhardt Geldpolitik zum Anfang des Sommers einen vorläufigen Höhepunkt erreicht Leiter Investment Office hatten, begann ein beeindruckender Rückgang der Renditen von Staatsan- leihen. Seit Anfang August tendieren die Renditen wieder nach oben und bewegen sich damit nach unserer Einschätzung mehr in eine Richtung, die im Einklang mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen steht. Fed-Tapering trifft auf Neben dem Ausblick für die Konjunktur spielen grundsätzliche Angebots- sinkende US-Defizite und Nachfragebedingungen eine entscheidende Rolle – und hier könnte es in den kommenden Monaten einige interessante Entwicklungen geben. Auf der Angebotsseite dürfte es bald zu langsam sinkenden Volumen an Neu- emissionen kommen, da der grösste krisenbedingte Finanzierungsbedarf bereits in der Vergangenheit lieg. Damit wird das Angebot der neuen US-Trea- suries weniger stark zunehmen als in den vergangenen Quartalen. Schätzungen des US-Finanzministeriums selbst gehen von einem langsamen Rückgang der Auktionsvolumina bereits ab Mitte Q4 2021 aus. Auf der Nachfrageseite steht das «Tapering» in recht naher Zukunft an, d. h. das allmähliche Zurückfahren der laufenden Wertpapierkäufe seitens der US-Notenbank Fed. Dieser Prozess dürfte noch dieses Jahr beginnen und im Verlauf von 2022 enden. Selbst danach wird die Fed aber ein wichtiger Käufer Rendite 10-jähriger Staatsanleihen Fed-Bestände an US-Staatsanleihen in % Fälligkeiten 2022–2026, in Mrd. USD 2.0 800 1.5 1.0 600 0.5 0.0 400 –0.5 –1.0 200 Jan 2020 Jul 2020 Jan 2021 Jul 2021 0 2022 2023 2024 2025 2026 USA UK Schweiz Deutschland 14 | ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021
am Markt bleiben, da sie fällig werdende Wertpapiere reinvestiert, um ihre Bilanzsumme konstant zu halten. So müssen z. B. im Jahr 2022 Anleihen im Wert von ca. USD 800 Mrd. reinvestiert werden. Mit der zeitlichen Überlap- pung rückläufiger Fed-Käufe und sinkender US-Haushaltsdefizite treffen Fak- toren aufeinander, die in entgegengesetzter Richtung auf das Renditeniveau wirken. Hinzu tritt, dass ab Oktober kleinere und mittelgrosse US-Banken bei der Fed US-Banken könnten vermehrt Liquidität gegen US-Staatsanleihen als Sicherheit holen können. Das macht Treasuries kaufen für die Banken das Halten von US-Staatsanleihen attraktiver, denn Treasuries bieten eine höhere Rendite als Cash-Reserven bei der Fed. Somit könnte zu- sätzliche Nachfrage nach Staatsanleihen entstehen, da kleinere US-Banken über substanzielle Überschussreserven verfügen. Diese Faktoren wirken dämpfend auf das Anstiegspotenzial für US-Renditen. Renditen könnten steigen, Aufwärtsdruck ergibt sich dagegen aufgrund des robusten Wachstumstempos Potenzial aber begrenzt der US-Wirtschaft, trotz abnehmender Dynamik. Hinzu tritt die Aussicht auf steigende US-Leitzinsen ab 2023 sowie das anstehende Fed-Tapering. In der Summe rechnen wir mit nur moderat nach oben tendierenden Renditen. Da die US-Märkte auch für die europäischen Märkte wegweisend sind, dürfte sich am Negativzinsbild in der Schweiz und in Deutschland vorerst wenig ändern. Zudem bleibt in der Eurozone die Europäische Zentralbank wohl noch deutlich länger als die US-Notenbank am Markt aktiv, selbst nachdem das Pandemie-Kaufprogramm im Verlauf von 2022 beendet werden dürfte. In der Summe empfehlen wir aufgrund der tiefen Renditeniveaus und des Risikos steigender Renditen eine Untergewichtung von Staatsanleihen in den Hauptwährungen. Unternehmensanleihen teuer, An den Märkten für Unternehmensanleihen haben sich in den vergangenen Schwellenländeranleihen Monaten die Risikoprämien nochmals leicht eingeengt und dabei teilweise interessant neue Rekordtiefs erreicht. Im Falle steigender Renditen bieten solche Anlagen daher nur noch einen minimalen Puffer. Auf den aktuellen Prämienniveaus ist die Anlageklasse damit nicht attraktiv. In diesem Umfeld niedriger Renditen und Risikoprämien in den Industrie- IN KÜRZE ländern bieten Schwellenländeranleihen aus unserer Sicht weiterhin einen Staatsanleihen aufgrund tiefer attraktiven Weg zur Portfoliodiversifikation. Die Anlageklasse hat auch die Renditen und Zinsanstiegsrisikos jüngsten Marktturbulenzen vergleichsweise gut überstanden und die Risiko- unattraktiv prämien von Schwellenländern liegen im Gegensatz zu anderen Märkten Nachfrageseitige Faktoren begren- nicht auf historischen Tiefs. Bei Lokalwährungsanleihen stützt zudem die zen das Ausmass eines allfälligen eher niedrige Bewertung vieler Schwellenländerwährungen. ¢ Renditeanstiegs Unternehmensanleihen nach enormer Rally ebenfalls sehr teuer bewertet Chancen für Diversifikation bei an- sprechenden Renditen bieten sich über Schwellenländeranleihen ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021 | 15
Aktienmärkte Die Gewinnerwartungen legen Dies ist unseres Erachtens eine ansprechende und durchaus realistische Erwartung. langsamer zu als bisher. Die steigende Inflation droht die Margen zu belas- Sektor- und Titelselektion zunehmend wichtig ten. Darum empfiehlt sich eine sorg- Risiken für die erwartete Gewinnentwicklung ergeben sich aufgrund steigender Kosten. Die Gewinnmargen für fältige Sektor- und Titelselektion. die Leitindizes in den USA, Europa und der Schweiz Wir bevorzugen Unternehmen mit haben sich mittlerweile über das Vorkrisenniveau hinaus hoher Preissetzungsmacht. erholt. Viele Unternehmen haben die Coronavirus- Pandemie genutzt, um Effizienzmassnahmen umzuset- Die Gewinnerwartungen für die nächsten 12 Monate zen, wodurch die Margen gestärkt wurden. haben sich sowohl für den Schweizer (SMI) als auch für den europäischen Aktienmarkt (STOXX Europe 600) Höhere Transport-, Verpackungs- und Lohnkosten oder erholt. Beide Indizes haben das Vorkrisenniveau über- Rohmaterialpreise drohen die Margen der Unternehmen schritten. Seit dem Tiefstand vor einem Jahr haben nun aber zu belasten. Zudem macht sich in gewissen die Gewinnerwartungen für die nächsten 12 Monate Sektoren eine Knappheit einiger Vorprodukte bemerk- des europäischen Aktienindex um über 40% zugelegt. bar, beispielsweise bei Kunststoffen, Baumaterialien Vergleicht man die Gewinnerwartungen der beiden oder Halbleitern. Auch wenn wir viele Effekte für tempo- Indizes, fällt auf, dass die erwarteten Gewinne des rär halten und eine Abschwächung der Inflation er- Schweizer Aktienindex deutlich weniger stark von der warten, zeigen Preissteigerungen selektiv Wirkung auf Krise betroffen waren als diejenigen in Europa. Der die Profitabilität von Unternehmen. Grund ist die defensive Zusammensetzung des Schwei- zer Aktienmarktes. Einige Unternehmen haben sich im Laufe der Zeit einen besonders guten Namen gemacht. Ihre Marken Das hohe Wachstum der Gewinnerwartungen wird stehen beispielsweise für sehr gute Qualität, besondere sich in den kommenden Monaten abschwächen. Zum Eigenschaften oder einen bestimmten Lifestyle. Daraus einen haben einige Wirtschaftsregionen ihren Wachs- resultieren handfeste Wettbewerbsvorteile. Kunden tumszenit überschritten, zum anderen fällt die tiefe sind loyaler und weniger preissensitiv. Dadurch besteht Vergleichsbasis weg. Für das kommende Jahr ist sowohl für diese Unternehmen die Möglichkeit, Preiserhöhun- für den Schweizer Aktienindex als auch für den euro- gen durchzusetzen. Das führt in der Summe zu einer päischen ein Gewinnwachstum von ca. 8% eingepreist. höheren und stabileren Profitabilität. Gewinnerwartungen für die nächsten 12 Monate Gewinnmargen indexiert per 21.02.2020 in % 110 12 10 100 8 90 6 80 4 2 70 0 Jan 2018 Jul 2018 Jan 2019 Jul 2019 Jan 2020 Jul 2020 Jan 2021 Jul 2021 2016 2017 2018 2019 2020 2021 SMI STOXX Europe 600 Schweiz USA Eurozone 16 | ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021
Sektoreinstufung Fast in jedem Sektor finden sich Unternehmen, die aufgrund von Wettbewerbsvorteilen oder ihrer öffent- lichen Wahrnehmung eine gewisse Flexibilität bei der Festlegung der Preise haben. Unsere bevorzugten Sektoren sind Energie, Finanzen, Informationstechnologie sowie Roh- und Grundstoffe. Sektor LUKB-Einstufung Reto Lötscher Basiskonsumgüter untergewichten Leiter Finanzanalyse Energie übergewichten Finanzen übergewichten Gesundheitswesen neutral der weitgehend von steigenden Materialkosten isoliert Immobilien neutral sind (z. B. im Bereich Software) oder Preissetzungsmacht Industrie neutral haben (z. B. aufgrund guter Marken, einer dominierenden IT übergewichten Marktposition, etc.). Kommunikation neutral Nicht-Basiskonsumgüter neutral Der Sektor Roh- und Grundstoffe ist im Vergleich zum Roh- und Grundstoffe übergewichten Gesamtmarkt attraktiv bewertet. Innerhalb des Sektors Versorger untergewichten bevorzugen wir Bergbauunternehmen, die in stabilen Regionen (Australien oder Nordeuropa) tätig sind und Mit zunehmender Normalisierung des sozialen und über eine starke Bilanz verfügen. Die Umstellung auf wirtschaftlichen Alltags eröffnet sich für den Energie- neue Energieformen, die Elektromobilität, die Her- sektor Potenzial. Die Nachfrage nach fossilen Brennstof- stellung von Speicherkapazitäten (Batterien) sowie der fen bleibt intakt, auch wenn der Druck auf die Energie- Bedarf an neuen Stromnetzen wird die Nachfrage nach konzerne steigt, sich nachhaltigeren Geschäftsmodellen verschiedenen Metallen langfristig treiben. Ebenfalls zuzuwenden. Die soliden Bilanzen und hohen Cash- attraktiv sind Industriegasunternehmen. Ihr Geschäfts- flows erlauben nebst der Neuausrichtung der Unterneh- modell (wenig Konkurrenz, hohe Eintrittsbarrieren, men weiterhin eine attraktive Ausschüttungspolitik. diversifizierte Kundenbasis) ist krisenfest und ermög- licht stetige Preiserhöhungen. ¢ Im Bereich der Finanzwerte gehören die Banken zu den Gewinnern. Höhere Zinsen und eine steiler werden- de Zinskurve begünstigen die Zinsmargen, eine robuste Konjunkturentwicklung lässt die Rückstellungen für notleidende Kredite sinken und führt generell zu höherer Kreditnachfrage, was für steigende Erträge bei den Banken sorgt. Heute kommt noch eine weitere Kompo- nente zum Tragen: die hohe Anzahl an Fusionen, Über- nahmen und Börsengängen. Davon profitieren die IN KÜRZE Investmentbanken. Gewinnerwartungen wachsen weiter, wenn auch langsamer Mit der Normalisierung des Wachstumstempos der Un- Höhere Inflation könnte Margen künftig belasten ternehmensgewinne gewinnt das strukturell getriebene und gut sichtbare Gewinnwachstum von Technologie- Bevorzugte Sektoren: Energie, Finanzen, IT, Roh- und aktien wieder an Attraktivität. Zudem finden sich inner- Grundstoffe halb des IT-Sektors auch einige Unternehmen, die entwe- Unternehmen mit Preissetzungsmacht bevorzugen ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021 | 17
Rohstoffe Nach einer starken Rally sind viele Rohstoffpreise auf rekordhohen Niveaus. Eine hohe Nachfrage, Lieferengpässe und geopolitische Ereignisse wirken als Preistreiber, gerade bei Energie und Industrie- metallen. Die Preise vieler Rohstoffe kennen seit über einem Jahr nur eine Richtung: nach oben. Viele Metalle sind inzwischen so teuer wie seit beinahe 10 Jah- Andrew Portmann ren nicht mehr. Aluminium und Zinn erreichten gar Rekordhochs. Die für Analyst Rohstoffe die globale Wirtschaft wichtigsten Rohstoffe sind jedoch Erdöl und Gas. Der gesamte Energiekomplex hat sich seit dem pandemiebedingten Einbruch im Frühjahr 2020 deutlich verteuert. Extrem ist die Situation beim Gaspreis. Kostete die Megawattstunde in Europa Anfang Jahr noch rund EUR 19, be- zahlen Gaskunden aktuell für eine Terminlieferung für den nächsten Monat über EUR 70. Diese Preissteigerungen werden sich direkt oder indirekt auf die Produktionskosten der Industrie auswirken, mit möglichen Folgen für die Teuerung. Europa hat ein Energieproblem, welches im Winter noch zu- nehmen dürfte. Gas spielt in den Strommärkten des Kontinents eine zentra- le Rolle und liefert einen erheblichen Anteil der Grundlaststromversorgung. Erdgas ist in Europa alles andere als reichlich vorhanden. Und Russland hat es nicht eilig, zusätzliche Mengen zu liefern. Der Bau der Nord-Stream-2- Pipeline ist inzwischen abgeschlossen, die ersten Gaslieferungen werden aber nicht vor Oktober erfolgen. Aluminiumpreis hebt ab Auch China leidet unter Energieproblemen. Peking erliess kürzlich Anwei- wegen Putsch und sungen, um den Energieverbrauch verschiedener Industrien einzuschrän- Produktionskürzungen ken. China ist der weltgrösste Produzent des sehr energieintensiven Alumi- niums. Aluminiumhütten sollen auf nachhaltigere Energie umstellen, was im Klartext eine Umstellung von Kohle- auf Solar- und Kernenergie bedeutet. Ausgewählte Metallpreise Erdgaspreis in Europa indexiert, Okt 2018 = 100 in EUR/MWh 350 80 300 70 250 60 200 50 150 40 100 50 30 0 20 Okt 2018 Apr 2019 Okt 2019 Apr 2020 Okt 2020 Apr 2021 10 0 2017 2018 2019 2020 2021 Aluminium Eisenerz Gold Kupfer Palladium 18 | ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021
Die Aluminiumproduktion ist in der Folge in einigen Provinzen um 30% gegenüber April gesunken. Der globale Aluminiummarkt wird zudem durch einen Militärputsch in Guinea erschüttert. China hat dieses Jahr 55% seines Bauxits – das Ausgangs- material für die Herstellung von Aluminium – aus dem westafrikanischen Land importiert. Dank milliardenschwerer Investitionen aus China ist Guinea nun der zweitgrösste Akteur im globalen Bauxitgeschäft. Kurzfristig ist damit zu rechnen, dass Aluminiumhersteller als Absicherung gegen Lieferunterbre- chungen aus Guinea zusätzliche Bauxitmengen auf dem Weltmarkt nachfra- gen werden, was ebenfalls den Aluminiumpreis stützt. Edelmetalle gehören dieses Jahr zu den Schlusslichtern im Rohstoffbereich. Turbulenzen bei den Während Gold und Platin in Schweizer Franken gerechnet nur leicht im Minus Edelmetallen notieren, liegen die Preise für Silber und Palladium mit rund 10% deutlicher im negativen Bereich. Der Palladiumpreis befindet sich seit Mai dieses Jahres in einer starken Korrekturphase. Die geringe Grösse des Palladiummarktes führt dazu, dass der Preis empfindlich auf das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage reagiert. Das Angebot wird zudem von ein paar wenigen Markt- teilnehmern bestimmt. So sind Russland und Südafrika zusammen für rund 80% des Angebots zuständig. Palladium wird wie auch Platin mehrheitlich in der Automobilbranche verwendet. Aktuell werden 85% des produzierten Palladiums in Auto-Katalysatoren eingesetzt. Die Automobilhersteller leiden derzeit unter einem Halbleitermangel und mussten ihre Produktionskapazi- täten zurückfahren. Die Nachfrage nach Palladium wie auch Platin ist ent- sprechend zurückgegangen, was sich negativ auf die Preise auswirkte. Zudem dürfte mittel- und langfristig der Trend zu Elektrofahrzeugen die Nachfrage nach diesen Metallen weiter belasten. Nach deutlichen Preisanstiegen bei vielen Industriemetallen sehen wir der- Industriemetalle aktuell unter zeit einen dämpfenden Einfluss Chinas. Die Verlangsamung des chinesischen Druck, gute längerfristige Wirtschaftswachstums, die kürzlich aufgetauchten Probleme am Immobi- Perspektiven intakt lienmarkt wie auch die bereits erwähnten Energieprobleme führten in den letzten Wochen zu einer Abkühlung der Nachfrage. China ist bei allen Indus- triemetallen der grösste Verbraucher. Beim Eisenerz ist China gar für rund 70% der Nachfrage verantwortlich. Die Eisenerzpreise sind seit der Jahres- IN KÜRZE mitte um über 40% gefallen. Dieser Preisrückgang ist auf die Drosselung der chinesischen Stahlproduktion zurückzuführen. Die kurzfristigen Auswir- Energiepreise profitieren vom kungen in spezifischen Rohstoffen trüben jedoch das allgemein positive Bild globalen Wirtschaftswachstum der Rohstoffmärkte nicht. Der langfristige Trend zu nachhaltiger Energie wird Engpässe in Europa bewirken sowohl die Erdöl- wie auch die Metallmärkte tiefgreifend beeinflussen. Die massive Preiserhöhungen bei Elektrifizierung steht bei der Energiewende an vorderster Front. Die gesam- Erdgas und am Strommarkt te Energiewertschöpfungskette – von Windturbinen und Solarmodulen über Angebot bei Industriemetallen die Übertragungsinfrastruktur bis hin zu Energiespeichern – wird gewaltige kann nur mit Verzögerung auf Investitionen erfahren. Für die Industriemetalle, die in all diesen Bereichen hohe Nachfrage reagieren benötigt werden, erwarten wir folglich eine Zunahme der Nachfrage. ¢ Wir bleiben bei unserer positiven Sicht für Rohstoffe ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021 | 19
Immobilien Der Leerstand auf dem Schweizer ten Mittel weniger unbewohnte Wohnungen. Das untere Wiggertal ist die Luzerner Region mit der höchsten Leer- Wohnungsmarkt nimmt zum ersten standsquote (2.49%). Sursee/Sempachersee und Agglo- Mal seit 12 Jahren ab. Der bestehende merationsgürtel sind jene Regionen mit der niedrigsten Anlagenotstand dürfte die Schweizer Quote von 0.79% bzw. 0.80%. In der Stadt Luzern sind 1.1% des städtischen Wohnungsbestands unbesetzt. Immobilienfonds stützen. Wir erach- ten europäische Immobilienaktien Geringere Bautätigkeit und robuste Nachfrage als interessant. reduzieren Leerstand Die Abnahme der Leerwohnungen in der Schweiz beruht vor allem auf zwei Faktoren. Einerseits wird weniger ge- Die Zahlen zum Schweizer Mietwohnungsmarkt zeigen, baut, andererseits ist die Nachfrage nach Wohnraum sehr dass der Leerstand im vergangenen Jahr kleiner wurde. robust. In den vergangenen drei Jahren verzeichneten Gemäss dem Bundesamt für Statistik standen am 1. Juni die Baubewilligungen von Mietwohnungen eine Abnah- dieses Jahres 7’467 Wohnungen weniger leer als im Vor- me. Hinzu kommt, dass ein Teil der Baubewilligungen auf jahr. Das entspricht einer Abnahme von 9.5%. Insgesamt Ersatzneubauten zurückzuführen ist und somit die Zahl wurden noch 71’365 Leerwohnungen gezählt, was 1.54% der neu erstellten Wohnungen effektiv geringer ausfällt. des Gesamtwohnungsbestandes einschliesslich Einfami- Andererseits zeigt sich die Nachfrage nach Mietwohnun- lienhäuser entspricht. Im Vorjahr lag die Quote noch bei gen und Wohneigentum sehr robust dank einer höher 1.72%. Kräftig war der Rückgang bei den unbewohnten als erwarteten Nettozuwanderung. Wohnungen in den Kantonen Aargau, Bern und Zürich. Anders sieht es im Kanton Tessin aus, wo ein Anstieg Bessere Auslastung stoppt Rückgang bei leerstehender Wohnungen zu verzeichnen war. Insge- Angebotsmieten samt nahmen die Leerstände in 16 Kantonen ab und in Die bessere Auslastung der Mietwohnungen dürfte Aus- 10 Kantonen zu. wirkungen auf die Angebotsmieten haben. Mit Ange- botsmieten werden jene Mietpreise bezeichnet, zu denen Tiefer Leerstand im Kanton Luzern Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt angeboten wer- Im Kanton Luzern standen gemäss LUSTAT per Stichtag den. Nachdem die Angebotsmieten über die letzten Jah- 1. Juni 2’513 Wohnungen leer. Das entspricht einer Leer- re im Zuge des steigenden Leerstands rückläufig waren, wohnungsziffer von 1.23%, nach 1.5% im Vorjahr. Somit gibt es Signale, dass sich dies nun ändern könnte. So zählt der Kanton Luzern im Vergleich zum schweizwei- lagen die Angebotsmieten im August im Vergleich zum Leerwohnungsziffer in den Schweizer Bezirken 2021 Entwicklung von Schweizer Immobilienfonds Anteil leerstehender Wohnungen am Gesamtwohnungsbestand, in % Gesamtrendite, indexiert, Jan 2021 = 100 115 110 105 100 95 90 Jan 2021 Feb 2021 Mär 2021 Apr 2021 Mai 2021 Jun 2021 Jul 2021 Aug 2021 Sep 2021 Gewerbeimmobilien (UBS Swissreal) Immobilienfonds CH gesamt 0 – 0.5 0.5 – 1.25 1.25 – 2.0 2.0 – 3.5 3.5 – 5.0 (0,0.5] (1.25,2] (3.5,5] Logistik (CS LogisticsPlus) Wohnimmobilien (Swisscanto Ifca) (0.5,1.25] (2,3.5] 20 | ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021
Vorjahresmonat gemäss den Zahlen von Homegate im schweizweiten Mittel 0.5% höher. Je nach Region gibt es jedoch deutliche Unterschiede. Schweizer Immobilienanlagen weiter attraktiv Nach einer sehr robusten Performance im 2. Quartal 2021 hat sich das Gros der Schweizer Immobilienfonds im 3. Quartal bislang seitwärts bis leicht negativ entwickelt. Zum einen war der Kursanstieg im Juni bei Schweizer Immobilienfonds ungewohnt kräftig ausgefallen. Der Tom Eyer breite Schweizer Immobilienfondsindex legte in kurzer Analyst Immobilienanlagen Zeit um über 7% zu. Zum anderen haben die CHF-Zinsen seit Anfang August etwas angezogen, was die Immobilien- fondskurse ebenfalls leicht belastet haben könnte. Alles in rüchte über neue politische Vorstösse bezüglich Mieten- allem zeigen sich die Fundamentaldaten für den Schwei- deckel in Berlin für Verunsicherung gesorgt. Die Über- zer Immobilienmarkt weiterhin günstig. Die Wirtschaft nahme dürfte gemäss aktuellem Wissensstand zustande verliert zwar etwas an Dynamik, dürfte aber 2022 eben- kommen, sodass diese Unsicherheit verschwinden dürfte. falls noch überdurchschnittlich stark wachsen. Davon Das Thema Mietendeckel bleibt jedoch vorerst erhalten. werden zyklische Immobilienfonds aus dem Gewerbe- Daneben dürfte auch der Renditeanstieg der vergangenen und Logistiksegment profitieren, da durch das anhaltend Wochen belastet haben. hohe Wachstumstempo das Risiko von Mietausfällen und Leerständen sinkt. Defensive Immobilienfonds, welche Europäische Immobilienanlagen profitieren sich auf das Segment Wohnen fokussieren, können vom von Konjunkturaufschwung tieferen Leerstand bei den Mietwohnungen profitieren. Mittelfristig erwarten wir, dass auf Wohnen fokussier- Einerseits steigen die Chancen bei der Vermietungsquote, te Immobilienunternehmen von der anhaltend starken andererseits verbessern sich die Aussichten auf eine Er- Nachfrage nach Wohnraum in städtischen Gebieten höhung der Angebotsmieten. Europas profitieren. Der Nachfrageüberhang führt dazu, dass die Mietpreise weiteren Aufwertungsdruck spüren. Schweizer Immobilienfonds bieten angesichts des zins- Der laufende Konjunkturaufschwung in Europa dürfte bedingten Anlagenotstands und der beschränkten An- den zurückgebliebenen Immobiliensegmenten wie Ein- lagealternativen mit einer geschätzten Ausschüttungs- zelhandel (Retail), Freizeit, Hotellerie und Büroflächen rendite von 2.2% interessante Möglichkeiten, um das Schub verleihen. Angesichts des robusten Wirtschaftsaus- Portfolio zu diversifizieren. Opportunitäten sehen wir blicks für das nächste Jahr bleibt das Umfeld für europäi- derzeit bei gemischten Immobilienfonds, die über einen sche REITs aus unserer Sicht konstruktiv. ¢ gewissen Gewerbeanteil verfügen, und bei Gewerbeim- mobilienfonds. Auch bei Logistikimmobilienfonds bieten sich Chancen. Europäische REITs: die zwei grössten deutschen IN KÜRZE Immobilienkonzerne fusionieren Schweizer Immobilienfonds bieten interessante Nach einem Kursanstieg im Juli und August haben euro- Möglichkeit zur Portfoliodiversifizierung päische Immobilienunternehmen (Real Estate Investment Gemischte Schweizer Immobilienfonds bevorzugen Trusts, REITs) im September einen Teil der Kursgewinne wieder abgegeben. Zum einen gab es in den letzten Wo- Opportunitäten bei Schweizer Geschäfts- und chen Unsicherheiten bezüglich der Fusion von Vonovia Logistikimmobilienfonds und Deutsche Wohnen, den beiden grössten deutschen EUR-Immobilienanlagen profitieren von Konjunktur- Immobilienkonzernen. Zum anderen haben auch Ge- aufschwung ANLAGEPOLITIK | 4. Quartal 2021 | 21
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