Anregungen des BDEW im Zusammenhang mit den Energy Road Maps 2050 der EU-Kommission - Stellungnahme

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BDEW Bundesverband
                            der Energie- und
                            Wasserwirtschaft e.V.
                            Reinhardtstraße 32
                            10117 Berlin

Stellungnahme

Anregungen des BDEW im
Zusammenhang mit den
Energy Road Maps 2050 der
EU-Kommission
Berlin, 4. März 2011
1. Vorbemerkung

  Die EU-Kommission wird im Jahr 2011 insgesamt vier Road Maps zum Thema Energie
  für das Jahr 2050 erarbeiten. Aktueller Anknüpfungspunkt für den BDEW ist der Fragebo-
  gen der GD ENER für eine künftige „Energy Road Map 2050“.
  Der BDEW sieht – trotz der beträchtlichen Prognoseunsicherheiten, die mit einem so
  langfristigen Zeithorizont verbunden sind – das Vorhaben der Kommission als sinnvoll
  und unterstützenswert an. Bei einer Energiepolitik für 2050 geht es um eine ehrgeizige,
  aber geordnete Reduktion von CO2-Emissionen und anderen Treibhausgasen.
  In der Wahl des Zeithorizonts 2050 liegt auch die große Chance begründet, eine den
  Herausforderungen genügende, in sich stimmige Energiepolitik für die EU zu entwickeln,
  statt sich in den zuweilen feinteiligen und schwierigen energiepolitischen Kontroversen
  zwischen 27 Mitgliedstaaten und der EU zu verheddern.
  Mit den nachfolgenden Anregungen knüpft der BDEW an den Fragebogen zur
     •   „Energy Road Map 2050“
  an. Wegen des engen Sachzusammenhangs möchte er seinen Beitrag auch als Impuls
  für
     •   die „Low Carbon Economy Road Map 2050”,
     •   die „Road Map“ zur ressourceneffizienten Wirtschaft,
     •   das Weißbuch zur nachhaltigen Verkehrspolitik,
  verstanden wissen. Der BDEW regt an, dass die hierbei entstehenden Dokumente in eine
  Art Gesamtpaket einfließen, damit Übergänge, aber ggf. auch Brüche besser sichtbar
  werden. Er wünscht sich von EU-Kommission und Bundesregierung gleichermaßen, dass
  europäische und deutsche Planungen eng verknüpft werden.

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Welche Aspekte sollten in die Beschreibung der Energiewelt des Jahres 2050 einflie-
ßen?
   Am Ausgangspunkt steht die politische Verpflichtung des Europäischen Rates, dass die
   EU bis 2050 ihre CO2-Emissionen um 80 bis 95 % reduzieren soll. Die EU-Kommission
   greift dieses Dekarbonisierungsziel in der Strategie Energy 2020 auf. Das Energiekonzept
   der Bundesregierung spricht von mindestens 80 %. Für die Energieversorgung bedeutet
   dass, den Übergang auf ein weitestgehend CO2-neutrales Energiesystem im Jahr 2050.
   In seiner Stellungnahme zum Energiekonzept der Bundesregierung hat sich der BDEW
   ausdrücklich zu diesem Ziel bekannt. Wenn dieses Ziel im Mittelpunkt steht, ordnet sich
   vieles von selber ein.

      a. Gesellschaftlichen Konsens über akzeptable kurz- und mittelfristige Einbu-
         ßen des Bruttosozialprodukts herbeiführen
          Die Erreichung des beschriebenen Klimaziels ist kurz- und mittelfristig nicht zum
          Nulltarif zu haben. Sie wird im Gegenteil den Menschen in Deutschland und an-
          derswo in Europa einiges abverlangen. Das Unterfangen wird dadurch erleichtert,
          dass der Klimaschutz breite gesellschaftliche Akzeptanz genießt. Dennoch ist es
          wichtig, klar zu sagen auf welchen Korridor von Einbußen des möglichen künftigen
          Bruttosozialprodukts sich die Gesellschaft verständigen soll.
          Dekarbonisierungsstrategien mit dem beschriebenen Ziel für 2050 können unter-
          schiedlich aussehen. Es wäre hilfreich, wenn die EU-Kommission die relevanten
          Variablen benennen würde, die die Zielereichung verteuern oder verbilligen.

      b. Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten über die Zusammensetzung des
         nationalen Energiemix
          Der Vertrag von Lissabon bestätigt das Recht der Mitgliedstaaten, frei über die
          Zusammensetzungen ihres nationalen Energiemix zu entscheiden.
          Die Road Maps für 2050 sollte darauf eingehen, welche Konsequenzen diese
          Freiheit für die Erreichung des Klimazieles hat.

      c. Fortführung des Emissionszertifikatehandels
          Der Emissionszertifikatehandel ist – bezogen auf Großemittenten - das rationalste
          und volkswirtschaftliche effizienteste Mittel der Emissionsreduzierung.
          Allerdings haben Mitgliedstaaten begonnen, neben diesem Instrument weitere In-
          strumente einzusetzen, die die Wirksamkeit des Emissionszertifikatehandels be-
          einträchtigen.
          Die Road Maps für 2050 sollten daher klare Aussagen enthalten, welche Rolle sie
          dem Emissionszertifikatehandel zumessen.

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d. Fortführung des Wettbewerbs vs. Rückkehr zur Monopolwirtschaft
   Der BDEW und seine Mitgliedsunternehmen bekennen sich ohne wenn und aber
   zu Wettbewerb. Dass gleichwohl eine solche Debatte nötig und ihr Ergebnis von
   der EU-Kommission festzuhalten ist, sollen zwei Beispiele deutlich machen.
   Heute werden erneuerbare Energien in den Mitgliedstaaten häufig außerhalb des
   Marktes für Strom und Gas gefördert. In Deutschland liegt der Anteil erneuerbarer
   Energien bei 29% der installierten Stromerzeugungskapazität und deckt 17% des
   Strombedarfs. Nach dem Energiekonzept der Bundesregierung soll der Anteil der
   Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch im Jahr
   2050 bei 80% liegen. Ein auf die restlichen 20 % beschränkter Erzeugungswett-
   bewerb wäre jedoch eine absurde Vorstellung.
   Das britische Energieministerium hat ein Gesetzespaket angekündigt, dass im Er-
   gebnis dazu führt, dass der Gesetzgeber mittels der von ihm geschaffenen neuen
   Rahmenbedingungen entscheidet, welche Erzeugungstechnologien künftig profi-
   tabel sind und welche nicht. Auch wenn die Mitgliedstaaten wie oben bemerkt frei
   in der Entscheidung über die Zusammensetzung des Energiemix sind, lässt sich
   dennoch feststellen, dass sehr feinteilige Vorgaben Investitionssignale des Mark-
   tes als ganz wesentliches Element des Wettbewerbs aushebeln können.
   In den genannten Fällen sollte sich die EU-Kommission positionieren und den Mit-
   gliedstaaten aufzeigen, welche Rolle sie dem Markt im Jahr 2050 zubilligt.

e. Rolle von Erdgas und KWK im Jahr 2050
   Der BDEW ist einerseits erfreut, dass der Ausbau der Gasinfrastruktur einen pro-
   minenten Platz im Infrastrukturpaket einnimmt. Es ist ebenfalls zu begrüßen, dass
   die EU-Kommission dem Ausbau von Fernwärme- und -kältenetzen eine hohe
   Bedeutung einräumt. Andererseits ist es mit Blick auf das Jahr 2050 erforderlich,
   dass die EU-Kommission ihre Haltung zum Energieträger Gas und zu der der
   KWK zugedachten Rolle verdeutlicht. Genau dies wäre wichtig, damit sich die
   notwendigen Investitionen in Infrastrukturen auch realisiert werden.
   Der BDEW setzt sich dafür ein, dass Gas und KWK auf Basis erneuerbarer Ener-
   gien auch nach 2050 eine tragende Rolle in der Energieversorgung Europas spie-
   len soll.

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f.   Erneuerbare Energien
        i. Wettbewerb
           Es wurde bereits angesprochen, dass der BDEW eine Marktintegration er-
           neuerbarer Energien für zwingend geboten hält. Dennoch wäre es wün-
           schenswert, wenn die Kommission erkennen ließe, wie Sie sich die Rolle
           der Erneuerbaren im Jahr 2050 vorstellt. Sind sie z.B. gegenüber anderen
           Energieträgern wettbewerbsfähig geworden (unterstellt es gibt weiterhin
           einen Emissionszertifikatehandel)?

        ii. Einspeisevorrang
           Ebenso sollte die EU-Kommission Szenarien entwickeln, die erkennen las-
           sen, ob der Einspeisevorrang im Jahr 2050 noch erforderlich oder ob er
           entbehrlich ist.

       iii. Speichertechnologien
           Nach Einschätzung des BDEW werden zahlreiche Speichertechnologien
           frühestens nach 2020 wirtschaftlich sein. Dennoch liegt auf der Hand, dass
           sie in Zukunft eine große Rolle spielen können, um fluktuierende Einspei-
           sungen aus erneuerbaren Energien zu verstetigen. Deshalb ist es wichtig,
           dass die EU-Kommission Wege zum Ausbau entsprechender Kapazitäten
           und zur Erschließung neue Speichertechnologien aufzeigt.

g. Klarheit über Bedarf an großräumigen und kleinräumigen Strukturen der
   Energieversorgung

        i. Energieautobahnen
           Die angekündigte Blaupause für Netzausbau bis 2050 ist willkommen. Po-
           sitiv bewertet wird auch die Ankündigung, das geplante Zielnetz 2050
           gleich aus europäischer Blickrichtung zu entwickeln. In diesem Zusam-
           menhang hält der BDEW u. a. die Planung eines deutschen Overlay-
           Netzes („Stromautobahnen“) für erforderlich, das in einen europäischen
           Verbund integriert wird.
           Hier wäre es hilfreich, wenn die EU-Kommission näher beschreiben könn-
           te, welchen Beitrag zum Umbau der Energiewirtschaft, zum Wettbewerb
           und zur Versorgungssicherheit Übertragungs- und Fernleitungsnetze leis-
           ten sollen und welche Konzepte verfolgenswert erscheinen.

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ii. Mitgliedstaatliche Energieautarkie?
                 Bislang sind die Mitgliedstaaten in ihrer nationalen Energiepolitik bestrebt
                 Energieautarkie zu verwirklichen. Passt dieses Konzept in die Zukunft des
                 Jahres 2050? Und wenn nein: Welche Schlussfolgerungen ergeben sich
                 für die Road Maps?

2. Auf welche Aspekte sollte bei der Erstellung von Road Maps geachtet werden, die
   den Weg bis 2050 beschreiben? – Meilensteine und zu entwickelnde Politikfelder
   Nicht nur die Ziele für 2050 selbst, sondern auch die Art und Weise wie und in welchen
   Schritten wir diesen Weg einschlagen, wird über das Ausmaß an kurz- und mittelfristigen
   Wohlfahrtsverlusten entscheiden.

      a. Erneuerbare Energien
          Der BDEW hält die aktuelle Debatte um eine mögliche Vereinheitlichung von För-
          dersystemen in der EU für schädlich, weil sie von akuten Reformnotwendigkeiten
          in Deutschland ablenkt.
          Der BDEW hegt die Vermutung, dass es unter dem Aspekt der lokalen Akzeptanz
          erforderlich sein wird, dass jeder Mitgliedstaat auch in Zukunft zumindest einen
          bestimmten Anteil Erneuerbarer auch wirklich vor der eigenen Haustür realisiert.
          Mit Blick auf die mittel- und längerfristige Entwicklung sollte die EU-Kommission
          jedoch darlegen, welche Effizienzpotentiale beim Ausbau der Erneuerbaren durch
          eine verstärkte Förderung der im europäischen Rahmen besonders effizienten
          Standorte gehoben werden können.

      b. Rolle von Erdgas auf dem Weg bis 2050
          Die EU-Kommission setzt erkennbar in der näheren Zeit auf den Energieträger
          Erdgas. Dies begrüßt der BDEW.
          Erdgas hat unter allen fossilen Energieträgern durch seinen geringen Kohlendi-
          oxidausstoß und seine hohen Wirkungsgrade in technischen Anwendungen die
          günstigste Kohlendioxidbilanz.
          Moderne Erdgaskraftwerke sind bestens geeignet, die durch die verstärkte Ein-
          speisung von erneuerbaren Energien entstehenden Schwankungen in der Stro-
          merzeugung bei geringen Wirkungsgradverlusten auszugleichen. Erdgaskraftwer-
          ke bieten hierbei wirtschaftliche Lösungen.
          Im Wärmemarkt können dezentrale und systemintegrierende Maßnahmen, die in-
          novative Heizungstechniken – insbesondere Mikro- und Mini-BHKW – mit wach-

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senden Anteilen erneuerbarer Energien koppeln, eine verlässliche Zukunftsper-
   spektive für einen nachhaltigen Wärmemarkt über 2020 hinaus eröffnen.

c. Rolle der Kraft-Wärme-Kopplung
   Es ist zu begrüßen, dass die EU-Kommission dem Ausbau von Fernwärme- und -
   kältenetzen eine hohe Bedeutung einräumt. Damit unterstreicht sie das erhebliche
   Potenzial dieser Technologien.
   Dabei ist es von Vorteil, dass in Fernwärmenetze einspeisende KWK-Anlagen Er-
   neuerbaren Energien einsetzen können. Fernwärmesysteme tragen damit insbe-
   sondere in dicht besiedelten Gebieten aufgrund der idealen Einsatzmöglichkeiten
   von Biomasse und perspektivisch Geothermie sowie der energetischen Verwer-
   tung von Abfall in besonderem Maße dazu bei, dass der Anteil der Erneuerbaren
   im Wärmemarkt gesteigert werden kann.
   Es wäre daher erfreulich, wenn die EU-Kommission darstellen könnte, welche Rol-
   le die EU der KWK auf dem Weg nach 2050 zumisst.

d. Intelligente Strom- und Gasnetze
   Die Kommission hat sich wiederholt für den Übergang zu intelligenten Netzen
   ausgesprochen. Hier wäre eine Zielvorstellung für das Jahr 2030 hilfreich. Dabei
   sollte die Rolle von Anbietern und Kunden in einem wettbewerblichen Rahmen
   angemessen Niederschlag finden.

e. Energieaußenpolitik
   Energieaußenpolitik wird zunehmend wichtiger als Baustein für Versorgungssi-
   cherheit, Klimaschutz und Wettbewerb. Ebenso wie die EU-Kommission sieht es
   die deutsche Energiewirtschaft als wünschenswert an, wenn die EU ihr Profil in
   der Energieaußenpolitik schärft.
   Die EU-Kommission sollte Ihre Vorstellungen für eine Flankierung der Road Map
   Meilensteine durch eine entsprechende Energieaußenpolitik eingehen.
   Von besonderem Interesse wären Aussagen zur Rolle
      •   der Energiegemeinschaft,
      •   Russlands,
      •   Nordafrikas
   ggf. einschließlich Visionen für eine langfristige Zusammenarbeit.

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Dr. Stephan Krieger           Marcel Schäufele
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