Wenn Google mit Bomben wirft - Der US-Konzern Google beherrscht die Suche im Netz. Neutrale Ergebnisse liefert er aber nicht. Auch nicht im ...
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so. POLITIK Wenn Google mit Bomben wirft ... Der US-Konzern Google beherrscht die Suche im Netz. Neutrale Ergebnisse liefert er aber nicht. Auch nicht im Bundestagswahlkampf. Viele Menschen vergessen das. Das ist bedenklich. Von Markus Werning
Sonntag, 1. September 2013 vVvvvvv so.Politik Wenn Google mit Bomben wirft ... Googles Wahlhilfe Auf seiner Seite zur Bundestagswahl zeigt der Konzern, worüber die Mitglieder seines sozialen Netzwerks Google+ gerade sprechen. Je intensi- ver die Debatte, desto größer die Sprechblase. Wischen sie über A das Bild. ngela Merkel hat Glück, eine Google-Bombe blieb Diese Manipulationen werden Google-Bomben genannt, der Bundeskanzlerin bisher erspart. George W. Bush und man kann darüber schmunzeln. Man kann sich deshalb nicht, genauso wenig wie Barack Obama. Als die US- aber auch Sorgen machen, weil die meisten Menschen mit Amerikaner vor etwa zehn Jahren „miserable failure“ in die der Software das Internet durchsuchen, und wenn ihnen Suchmaschine eintippten, verwies die Software auf den da- dann Bush oder Obama als die größten Versager präsentiert maligen Präsidenten der USA. Dafür hatten dessen Gegner werden, denken sie vielleicht: Es wird wohl etwas dran sein, gesorgt, indem sie Googles Algorithmus austricksten – und wenn es hier steht, oder? Eine Studie von Wissenschaftlern zwar so erfolgreich, dass die Software auf die offizielle Bio- der Universität Mainz lässt das jedenfalls vermuten. grafie des Republikaners verwies, wenn jemand im Internet nach einem Versager suchte. Und als die US-Amerikaner Das Team um die Publizistikprofessorin Birgit Stark hat sich 2009 „worst failure ever“ eingaben, wurde ihnen die Seite angesehen, wie sich Menschen im Internet informieren und des Weißen Hauses über Obama vorgeschlagen. ob sie beurteilen können, was ihnen gezeigt wird. Das Ergeb- «
Sonntag, 1. September 2013 vvVvvvv so.Politik Wenn Google mit Bomben wirft ... nis ist ernüchternd. Die Forscher stellten „ein mangelndes Problembewusstsein und einen weitgehend unkritischen Umgang mit Google“ fest, „insbesondere bei Nutzern unter 30 Jahren“. Die meisten Menschen verwendeten die Such- maschine, aber nur wenige gingen „sicher und kritisch“ mit dem um, was ihnen die Software liefere. Nun hat Google seine Algorithmen in den vergangenen Jah- ren geändert. „Ein Stück weit erkennt das System heute, ob hier jemand das Ranking manipulieren will“, sagt Lars Rep- pesgaard vom Beratungsunternehmen Doubleyuu in Ham- burg. „Die Gefahr, dass Google-Bomben heute zünden, hal- Suchergebnisse zu „Wahlprogramm“ « « te ich für gering.“ Aber deswegen liefert die Software noch lange keine neutralen Ergebnisse. Sie sind personalisiert, basieren also auf früheren Suchanfragen eines Nutzers – al- mand nach ihrem Steuerkonzept suchte. Die Seite der Partei lerdings nicht nur. Was das Programm ausspuckt, lässt sich dazu landete dagegen erst dahinter. Dass man seine Pläne immer noch von außen beeinflussen, und das wird auch ge- aber zunächst lieber selbst erklären wolle, bevor es Journa- macht. Auch von den Parteien, gerade im Wahlkampf. listen tun, sei doch nachvollziehbar, sagt einer der Politiker. Zumal mindestens zwei der Artikel davon handelten, welche Einer von ihnen ist es zum Beispiel einmal gelungen, sich Wähler durch die Steuervorschläge belastet würden. Diese ganz nach vorne zu schieben. Bis vor einigen Wochen hat- Berichte stehen zwar immer noch in der Trefferliste – nun te Google zuerst auf Nachrichtenseiten verwiesen, wenn je- aber hinter der Seite der Partei. «
Sonntag, 1. September 2013 vvvVvvv so.Politik Wenn Google mit Bomben wirft ... B Das Beispiel ist allerdings eine Ausnahme. Sehr erfolgreich sind CDU, SPD und Co. nicht darin, Googles Algorithmen zu beeinflussen. Sie kämen gegen die Betreiber anderer Seiten nicht an, sagt der Politiker. Das belegt eine Auswertung der Firma Searchmetrics für den sonntag. Sie ist auf Suchma- schinenoptimierung spezialisiert und berät Unternehmen darin. Für uns hat sie analysiert, ob jemand die Seiten der Parteien findet, wenn er nach Informationen über Daten- schutz, Rente, Kindergeld oder Gentechnik sucht. Das Er- gebnis: Wahrscheinlich nicht. In der Auswertung von Searchmetrics landeten die Seiten Die Größe der Ballons spiegelt das je- Wischen sie über weilige Suchinteresse auf Google wider. der großen Parteien jedenfalls auf den Plätzen 25, 26, 27 das Bild. Quelle: Google Trends, Politik-digital.de und 28. Jemand müsste sich also schon bis auf die dritte Ergebnisseite einer Anfrage an Google vorarbeiten, um auf CDU, SPD und Co. zu stoßen. Aber wer macht das? „In der Das tun sie auch. Wer zum Beispiel in den vergangenen Wo- Regel schauen sich die Menschen nur die ersten drei Tref- chen „Energiewende“ eingab, fand vor einigen Tagen – ver- fer an“, sagt Kommunikationswissenschaftlerin Stark. Des- bunden mit einem kleinen Hinweis „Anzeige“ – die Seite halb bleibt den Parteien nur eine Möglichkeit, wenn sie über eines Unternehmens und die der SPD ganz oben. Gestern Google wahrgenommen werden wollen und mit Suchma- allerdings nicht mehr – die Plätze werden täglich neu ver- schinenoptimierung nicht weiterkommen: Sie müssen auf kauft. Es reicht auch nicht, nur für „Energiewende“ zu bie- der Seite Werbung schalten. ten, weil potenzielle Wähler genauso gut nach „Windkraft“, «
Sonntag, 1. September 2013 vvvvVvv so.Politik Wenn Google mit Bomben wirft ... „Windenergie“ oder „Strompreis“ suchen könnten, wenn sie sich über die Pläne einer Partei informieren wollen. Des- halb kommen einige Wörter zusammen. „Das summiert sich“, sagt ein Parteivertreter. „Wer politische Kampagnen durchführt, muss viel Geld und Know-how einsetzen, um die Suchergebnisse zu manipulieren“, sagt Google-Experte Reppesgaard. Ob sich das jede Partei leisten kann? In der Analyse von Searchmetrics tauchen die Seiten der kleineren Gruppierungen nicht einmal unter den Top 30 auf. Aber dann ist es eine finanzielle Frage, ob jemand über Google die Wähler selbst über die eigenen Pläne informie- Die Parteien machen Suchmaschinenopti- ren kann – und eine Alternative gibt es für ihn kaum: 90 Pro- Wischen sie über mierung, aber unterschiedlich stark, sagt zent der Internetnutzer durchsuchen das Netz mit der Soft- das Bild. Forscher Andreas Jungherr. ware des Konzerns. „Die Suchmaschine ist wichtig für die politische Meinungsbildung“, sagt Gerhard Vowe, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Düsseldorf. Das Mitte August ist dieses Angebot noch etwas größer gewor- Unternehmen habe ein Produkt im Angebot, „dem sich nie- den: Google hat eine eigene Seite zur Bundestagswahl ein- mand mit politischen Ambitionen verweigern kann: Einfluss gerichtet. Dort verweist der Konzern zum einen auf Nach- auf den unentschlossenen und politisch wenig interessier- richten und Videos über die Parteien und Themen wie Arbeit, ten, aber wahlentscheidenden Wähler“, schreibt die „Frank- Soziales, Europa oder Bildung. Zum anderen zeigt die Firma, furter Allgemeine Zeitung“. worüber die Mitglieder seines sozialen Netzwerkes Google+ «
Sonntag, 1. September 2013 vvvvvVv so.Politik Wenn Google mit Bomben wirft ... gerade debattieren. Auf einer bunten Stadtkarte werden „Ist es für eine Gesellschaft akzeptabel, dass ein Unter- dafür die Stichwörter der 20 am meisten besprochenen The- nehmen, das so einen Einfluss auf unser Verhalten ausübt, men gezeigt. Angela Merkel ist darunter, Peer Steinbrück völlig intransparent handelt und niemandem außer den Ak- ebenfalls, Prism auch, die CDU an vielen Tagen aber nicht. tionären Rechenschaft schuldig ist?“, fragt Reppesgaard. „Das ist ein Spiegelbild der tatsächlich stattfindenden Dis- „Wir haben keine Zensur“, sagt der Politikwissenschatler » kussion auf Google+“, erklärt ein Fir- Andreas Jungherr von der Universität Bam- Google gehört genau « mensprecher. berg. Google versuche, Relevanz abzubil- beobachtet. den, und „irgendwie müssen sie gewich- Dagegen sieht Medien- und Politik- Gerhard Vowe ten“. Nur dass Googles Kriterien dafür eben wissenschaftler Vowe darin die Gefahr, nicht bekannt seien, ergänzt Reppesgaard, dass sich Nutzer vorwiegend mit denjenigen Kandidaten und ob die Verantwortlichen im Unternehmen „weiterhin in- beschäftigen, über die sich auch andere häufig informieren. tegre Entscheidungen treffen oder ihr eigenes Süppchen ko- Das Risiko dürfe zwar nicht überschätzt werden, weil viele chen, das wissen wir nicht und darauf können wir uns nicht Menschen noch selbst nach Themen, Politikern und Partei- verlassen“. en suchten. „Aber so können Spiralprozesse entstehen, die die Vielfalt einschränken.“ Im Allgemeinen werde der Ein- Die Forscher in Mainz sprechen sich deshalb dafür aus, „Such- fluss der Konzernangebote auf die öffentliche Meinungsbil- maschinen stärker als bisher medienrechtlich zu regulieren“. dung „völlig unterschätzt“, dabei sei er „bei neuen Themen Genauso wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wegen und bei Jüngeren“ groß. „Google gehört deshalb genau be- „Googles Marktdominanz“ insgesamt und wegen der „man- obachtet“, sagt der Sprecher der DFG-Forschergruppe „Po- gelnden Suchmaschinenkompetenz vieler Internetnutzer“. litische Kommunikation in der Onlinewelt“. Das sieht nicht Alle Anbieter von Webinhalten müssten die gleichen Chan- nur Vowe so. cen auf eine aussichtsreiche Position in den Trefferlisten ha-
Sonntag, 1. September 2013 vvvvvvV so.Politik Wenn Google mit Bomben wirft ... ben. Außerdem müssten die Betreiber von Suchmaschinen gehen“, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin aus die Funktionsweise ihrer Software offenlegen, um Manipu- Mainz. Der Einfluss anderer Medien dürfe nicht vergessen lationen erkennen zu können. Zunächst müsse allerdings werden, meint Vowe. „Google mag zwar – gerade für Jüngere geklärt werden, wie eine Regulierung überhaupt umgesetzt – ein wichtiger Zugang zu politischen Informationen sein.“ werden könne, sagt Stark. Denn im Gegensatz zum öffent- Aber sie nutzten auch die Netzableger der klassischen Mas- lich-rechtlichen Rundfunk sei Google ein weltweit agieren- senmedien, die „einer womöglich verengten Perspektive ei- der Konzern. nes Google-Angebotes“ eine Vielfalt und Ausgewogenheit entgegensetzten. Hinzu komme, dass die Entscheidung für Vor der Wahl ändert sich also nichts mehr. Trotz aller Kri- eine bestimmte Partei von vielen Faktoren abhänge, „zum tik und Bedenken glauben Vowe und Stark aber auch nicht, Beispiel längerfristigen Parteineigungen oder auch persön- dass die Zusammensetzung des nächsten Bundestages von lichen Gesprächen im Bekanntenkreis“. Bush und Obama Googles Suchmaschine abhängt. „So weit würde ich nicht wurden ja auch gewählt. Trotz der Google-Bomben. N
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