Aquakultur - Heute im Bodensee, morgen überall - Dr. Antje Boll BUND Regionalverband Bodensee-Oberschwaben 30.11.2017 - 2017_11_30_GNF_Symposium ...
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Aquakultur – Heute im Bodensee, morgen überall Dr. Antje Boll BUND Regionalverband Bodensee- Oberschwaben 30.11.2017
Vorteile von Aquakulturen • Niedrigere Preise • Kontinuierliche und planbare Produktion • Vielfalt: Über 150 Fischarten sowie Shrimps und Muscheln können in Aquakultur produziert werden • Können der Überfischung der Meere entgegenwirken und eine neue Nahrungsquelle darstellen, wenn man pflanzenfressende Fische züchtet • Neue Eiweißquellen für die Ernährung • Synergien nutzen z.B. Aquaponic
Formen der Aquakultur • Teichwirtschaft (Karpfen, Forellen) • Geschlossene Kreislaufsysteme • Netzkäfige • Aquaponic Bild Wikipedia Piet Spaans
Netzkäfige im Bodensee? • Eine Genossenschaft aus 3 Berufsfischern und mehreren Fischhändlern will Sandfelchen im Bodensee in Netzkäfigen mästen • Sie werden vom Landwirtschaftsministerium BW und der Fischereiforschungsstelle in Langenargen massiv unterstützt • Der Genehmigungsantrag wird wohl noch dieses Jahr gestellt werden • Geplanter Standort vor Wallhausen Wikipedia Marco Hertwig
Rechtliche Grundlagen • Vogelschutzrichtlinie aus dem Jahre 1979 (Richtlinie 79/409/EWG) • Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie aus dem Jahre 1992 (kurz FFH-Richtlinie, Richtlinie 92/43/EWG) => Umweltverträglichkeitsprüfung • Bodenseerichtlinie 4.5. von 2005 (2014) • Wasserrechtliche Genehmigung • EU Wasserrahmenrichtlinie
Welche Nachteile haben die Netzkäfige im Bodensee? • Wasserqualität und Bentos leiden unter Fischkot und Futterresten • Belastetes Futter • Einsatz von Fischmehl schädigt Meeresfische • Einsatz von GVO und Glyphosat bei Sojaproduktion • Krankheiten können sich ausbreiten durch Entweichen von Mastfischen • Umweltverschmutzung durch Reinigungsmittel • Tierwohl, Dichtestress, keine natürlichen Hälterungen
Wasserqualität •Der Bodensee versorgt über 5 Mio. Menschen mit Trinkwasser •Wasserverschmutzung zu befürchten durch: Futtermittel, Fischkot und eingesetzte Zusatzstoffe wie ggf . Antioxidantien im Fischfutter, Antibiotika, Reinigungsmittel für Bild:Obersee Netzkäfige (z.B. Kupfer) F. Göckelhofer Wikipedia •Es gilt der Vorsorgegrundsatz!
Problemfeld Fischkot und Futterablagerungen •Örtliche Schädigung der Sedimente, des Freiwassers, der Wasserqualität und der Artenzusammensetzung •Vermehrtes Auftreten von Algenblüten •In Skandinavien werden keine Küsten nahen Anlagen mehr genehmigt Bild: Lachzuchtanlage Quelle: Erik Christensen Belegt durch viele wissenschaftliche Studien: z.B. Holmer, 1991; Wikipedia Findlay & Watling, 1997; Hargrave et al., 1997; Pergent et al.,1999; Pearson & Black, 2000; La Rosa et al., 2001; Mirto et al., 2002; Sara et al. 2003
Problemfeld Futterqualität • Problem: Heimisches Bio-Soja steht nicht ausreichend zur Verfügung und ist teuer => GVO Soja und Glyphosat • Problem: Ausgereiftes Fischfutter zur Aufzucht von Sandfelchen auf Sojabasis steht nicht zur Verfügung. Zufütterung durch tierisches Futter und Plankton nötig. => Konkurrenz zum Wildfisch. • Problem: Futter ohne Etoxiquin ist teuer und in der Regel nicht wirtschaftlich • Problem: Dauerhafte Kontrolle des eingesetzten Futters?
Problemfeld Antibiotika •Bodensee ist im Sommer oberflächlich > 25 ° C warm •Keime vermehren sich schnell •Viele verschiedene Keime sind im Wasser •Nicht alle Fischkrankheiten können geimpft werden •Wenn Krankheiten auftreten müssen doch Antibiotika gegeben werden. Das gebietet das Tierschutzgesetz. Alternativ müsste der Bestand gekeult werden.
Problemfeld Entweichen von Mastfischen •Das Entweichen von Fischen aus Netzgehegen ist vielfach wissenschaftlich belegt. •Besonders das Reinigen der Anlage während des Betriebes stellt ein Risiko dar. •Entweichende Fische können Fischkrankheiten übertragen, gegen die sie selber immun sind => Schädigung der Wildpopulation •Entweichende Fische haben durch die Zucht eine andere genetische zusammensetzung als die Wildpopulation (Genshift)
Problemfeld Reinigungsmittel •Im Bodensee treten regelmäßig Algenblüten auf (Kieselalgen und Blutburgunderalgen) •Die Netze müssen während des Betriebs mit Reinigungsmitteln gereinigt werden oder •vor Ausbringen mit Kupfer haltigen Mitteln imprägniert werden. •Alle Mittel verunreinigen das Trinkwasser •Alternativ müsste der gesamte Bestand gekeult werden und die Netze an Land gereinigt werden.
Tierwohl • Das Vorenthalten von Antibiotika- behandlung im Krankheitsfall verstößt gegen das Tierschutz- gesetz. • Hohe Mortalitätsraten der Felchen bereits in der Versuchsanordnung der FFS (20 % ) • Keine artgerechte Haltung im Freiwasser: Sandfelchen sind Fische, die natürlicherweise in Bodennähe leben. • Sandfelchen kommen natürlicherweise nicht dauerhaft in so hohen Bestandsdichten zusammen.
Problemfeld Naturschutz
Armleuchteralge „Der im Bodensee vorkommende Lebensraumtyp Kalkreiches, nährstoffarmes Stillgewässer mit Armleuchteralgen ist nicht nur in BW, sondern in ganz Europa wegen seiner Kleinflächigkeit und Seltenheit besonders schutzbedürftig. Wegen ihrer hohen Ansprüche an die Wasserqualität sind die meisten Arten der Armleuchteralgen inzwischen in den Roten Listen als gefährdet, stark gefährdet oder sogar als vom Aussterben bedroht verzeichnet.“ (Zitat Flyer FFH Gebiet Überlinger See; RP Tübingen)
Kolbenente „Vogelarten wie die Kolbenente, zu deren wichtigsten Nahrungs- pflanzen die Armleuchteralgen gehören, wurden immer seltener. Dank der Fortschritte bei der Gewässerreinigung hat sich die Wasserqualität wesentlich verbessert und die Bestände der Armleuchteralgen Bild: Kolbenenten Quelle. M. Granitza NABU haben deutlich zugenommen.“ (Zitat Flyer FFH Gebiet Überlinger See; RP Tübingen)
International bedeutsames Brut- und Rastgebiet für Vögel „Das Bodenseegebiet spielt durch seine zentrale geografische Lage eine große Rolle als Brut- und Rastgebiet für viele europäische Vogelarten. Allein das Vogelschutzgebiet »Überlinger See« beherbergt 25 Vogelarten der Vogelschutzrichtlinie. Zudem ist der Überlinger See ein Bild: Überwinternde Wasservögel Rast- und Überwinterungsgebiet Quelle: H. Werner NABU von internationalem Rang.“ (Zitat Flyer FFH Gebiet Überlinger See; RP Tübingen).
Nutzen und Wirtschaftlichkeit •Umsatz Tourismus Bodenseeregion 3,8 Mrd € •Geplanter Umsatz Felchenzucht ca. 3,6 Mio € •Subventionen durch den Steuerzahler 40% •Rolle der FFS und Fischbrutanstalt ungeklärt. •Bereits bei den Forschungsarbeiten war Norwegisches Institut (NOFIMA) beteiligt. Die Nachahmer stehen in den Startlöchern. Akvainvest Møre & Romsdal ist Anteilseigner von NOFIMA. •Die Schaffung eines Präzedenzfalles muss verhindert werden. Keine industrielle Fischzucht im Bodensee!
Netzkäfige sind nicht alternativlos! •95% der Berufsfischer, Umweltverbände, Segler, Taucher, Wasserversorger, Gemeinden und Landkreise rund um den See sprechen sich gegen Netzgehege aus!!! •Alternative Wildfisch => Aufpreisinitiative und wirtschaftliche Unterstützung der Bodenseefischer*innen •Alternative Zukauf/Import aus dem europäischen Ausland => CO2 Bilanz nicht schlechter als Fischfuttertransport •Alternative Zuchtanlagen in Rundstrombecken und Kreislaufanlagen an Land => Produktion nur 50 Cent/Kilo teurer als Netzkäfige
Offener Brief an Landwirtschaftsminister Hauk Unterzeichner des offenen Briefs an Minister Hauk sind 32 Organisationen: BUND Landesverband BW, Pro Natura Thurgau, WWF Thurgau, Naturschutzbund Vorarlberg, Bodensee Stiftung, BUND Naturschutz Bayern, NABU Landesverband BW, DUH Bundesverband, DUH Regionalverband Süd, Euronatur, Global Nature Fund, GNF Lebendige Seen, Landesseglerverband BW, Verband Badischer Berufsfischer, Genossenschaft Bayrischer Berufsfischer, Württembergischer Fischereiverein, Fischereiverband Thurgau, Internationale Arbeitsgemeinschaft der Bodensee Sportfischervereine, Verband Deutscher Sporttaucher, Badischer Tauchsportverband, Württembergischer Landesverband für Tauchsport, BUND Regionalverband Bodensee-Oberschwaben, NABU Bezirksverband Donau Bodensee, Badischer Tauchsportverband, Württembergischer Landesverband für Tauchsport, Badische Jäger Kreisverein Konstanz, BUND Konstanz, Angelsportverein Konstanz, Fischereiverein Untersee, Seerheinfischer Tägerwilen, Angelsportverein Gottmadingen, Sport Angler Verein Überlingen, ASV Frühauf Radolfzell, ASV Friedrichshafen
Zusammenfassung • Eintrag von Nährstoffen, Zusatzstoffen, Antibiotika, Reinigungsmittel und Kot verursacht Verunreinigung des Trinkwassers • Entwertung des FFH- und Vogelschutzgebiets • Gefährdung geschützter Arten (Armleuchteralge, Entenarten) • Zerstörung des Lebensraums in der unmittelbaren Umgebung der Mastanlage • Qualität und Kontrolle des Fischfutters mangelhaft • Gefährdung des Tierwohls durch Nichtbehandlung von Krankheiten oder alternativ: Eintrag von Antibiotika ins Gewässer • Nicht artgerechte Haltung in Massentierhaltung • Gefahr: Schaffung eines Präzedenzfalles
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Anhang Datenblatt Landwirtschaftministerium
Ausgangsmaterial Sandfelchen, ggf. Nachkommen von großen Gangfischen Domestikation Derzeit von Bodenseefelchen nur Nachkommen von Wildfischen erhältlich, Selektionszucht (züchterischer Eingriff) empfehlenswert Fütterung Bisher keine Felchenfuttermittel auf dem dt. Markt, Ersatz: hochproteinhaltige Forellenfuttermittel; bei Larvenaufzucht können einzelne Gaben von Artemien Zuwachs verbessern Haltungstemperatur >14 °C Haltungsdichte 15-20 kg/m³ in Durchlaufsystemen (eigene Untersuchungen), in Kreislaufanlagen 40 - 50 kg/m³ (Empfehlung aus Finnland) Futternutzung Ca. 1,3 – 1,5 (kg Futter pro kg Zuwachs) Wachstumsrate Ca. 0,8 – 1,4 (% Zuwachs pro Tag) Gesundheitsmanagement Impfung gegen Furunkulose vor Stresseinwirkung (Umsetzen) erscheint vorteilhaft, getestete Vakzine bisher ohne Zulassung in D Handling Felchen so wenig wie möglich mechanisch beanspruchen, so früh wie möglich in Ausmasteinheit setzen (so genanntes „all in, all out“) Umwelteinfluss Bei Felchen gute Voraussetzungen zur effiziente Reinigung des Ablaufwassers (Partikelgrößenverteilung Kot) gegeben, vergleichbar mit Regenbogenforellen Produktqualität Aquakultur- mit Wildprodukt vergleichbar (Zuchtfisch Vorteile bei Nährwert und Fleischfarbe, Nachteil bei Filetausbeute) Setzlings-produktion Für Bodenseefelchen basierend auf eigenem Elterntierstamm in eigenständiger Einheit zu empfehlen Mast Denkbar: Netzgehege im See, Kreislaufanlage mit Seewasser betrieben
Investitionskosten Umbau FBA LA (für Setzlingsprod.) 0,5 – 1,5 Millionen Euro (Schätzung von norwegischen Experten des Instituts NOFIMA) Netzgehege (zur Ausmast) Zur Produktion von ca. 500 t: > 1,5 Millionen € (Schätzung NOFIMA), mind. 3 AK Kreislaufanlage (Setzlinge+Mast) Zur Produktion von ca. 500 t: 6,5 – 8,3 Millionen € (ohne Land und Wasseranschluss, Schätzung NOFIMA),mind. 3 AK Produktionskosten Setzlinge Ca. 0,5 €/Stück (Schätzung NOFIMA) Netzgehege 5,5 – 6,5 € pro kg Lebendgewicht (Schätzung NOFIMA), 6 – 7 €/kg (real Finnland) Kreislaufanlage 10-20% höher als in Netzgehgen, ca. 6 - 7,5 € pro kg Lebendgewicht (Schätzung NOFIMA) Förderung Mögl. Zuwendungsempfänger Unternehmen der Aquakultur/Binnenfischerei, Neueinsteiger Entwurf Zuwendungsvoraussetzungen Berufliche Qualifikation, Nachweis der Wirtschaftlichkeit Stand Nov 2015 EMFF, Landesmittel 40% der förderfähigen Ausgaben Genossenschaftliche Produktion Voraussetzungen Mind. 3 bzw. 5 Gründungsmitglieder, finanzielles Engagement der Mitglieder sowie tragfähiges Geschäftsmodell erforderlich. Vor der Eintragung der Genossenschaft muss ein Gründungsgutachten erstellt werden. Vorteile Bewährte Unternehmens- und Rechtsform für Kooperationen, Sicherheit durch regelmäßige Prüfung, Mitglieder können einfach ein- bzw. wieder austreten
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