Was bedeutet Brexit für Verträge mit britischen Parteien? - Zürich, 14. Januar 2020 Nino Sievi Dr. iur., LL.M. Cambridge Rechtsanwalt Schweiz & ...

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Was bedeutet Brexit für Verträge mit britischen Parteien? - Zürich, 14. Januar 2020 Nino Sievi Dr. iur., LL.M. Cambridge Rechtsanwalt Schweiz & ...
Was bedeutet
Brexit für Verträge mit
britischen Parteien?

Zürich, 14. Januar 2020

Nino Sievi
Dr. iur., LL.M. (Cambridge)
Rechtsanwalt (Schweiz & Deutschland)
Was bedeutet Brexit für Verträge mit britischen Parteien? - Zürich, 14. Januar 2020 Nino Sievi Dr. iur., LL.M. Cambridge Rechtsanwalt Schweiz & ...
Disclaimer

  «The Brexit saga is madder than a box of
            hallucinating frogs»

             Financial Times, 9. September 2018
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Übersicht

• Chronologie Brexit
• Brexit auf rechtlicher Ebene
• Austrittsabkommen
• Die Schweiz und der Brexit
• Brexit als Kündigungsgrund
• Vertragsanpassungen infolge Brexit
• Besondere Vertragsklauseln und Problemfelder
• Gerichtsverfahren post Brexit
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Chronologie Brexit

• Mai 2015: General Election
• Juni 2016: Brexit-Abstimmung
• March 2017: «Article 50 notice»
• Juni 2017: General Election
• Juni 2017: Start Brexit-Verhandlungen
• November 2018: Erster Brexit-Deal
• Januar 2019: Parlament lehnt Deal ab
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Chronologie Brexit

• März 2019: Parlament lehnt Deal nochmals ab
• März/April 2019: Verlängerungen der Artikel 50 Frist bis 31. Oktober
• 24.07.2019: Johnson neuer PM
• 17.10.2019: Zweiter Brexit-Deal
• 22.10.2019: Deal nimmt erste Hürde
              im Parlament
• 28.10.2019: Verlängerungen der
              Artikel 50 Frist bis
              31. Januar 2020
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Chronologie Brexit

• 12.12.2019: General Election
• 20.12.2019: Parlament bestätigt Brexit-Deal
• 31.01.2020: Artikel 50 Frist endet
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Was bedeutet Brexit auf
rechtlicher Ebene?

• EU-Mitgliedschaft der UK endet
• Beziehung EU-UK neu durch völkerrechtlichen Vertrag
  geregelt (mit Übergangsperiode bis 31.12.2020)
• Drittstaatenabkommen mit EU als Vertragspartei gelten nicht
  mehr für UK, aber Erstreckung auf UK möglich
• Übernahme EU-Recht in nationales «UK-Recht»
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Konvertierung von EU-Recht zu
«UK-Recht»

• European Union (Withdrawal) Act 2018
  • Aufhebung des European Communities Act 1972
  • Konvertierung von EU-Recht in nationales Recht
      → «retained EU law»
  • Austrittszeitpunkt: 31.01.2020, 11.00 p.m. (GMT)

• European Union (Withdrawal Agreement) Bill
  • Implementierung des Austrittsabkommens
  • Verschiedene Anpassungen des European Union (Withdrawal) Act
    2018: Konvertierung von EU-Recht wird aufgeschoben bis 31.12.2020
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Austrittsabkommen – der «Deal»

• «Deal» regelt Austrittsformalitäten und Übergangsphase (31.01.2020
  bis 31.12.2020)
• Während Übergangsphase:
   •   UK bleibt im EU-Binnenmarkt und der Zollunion
   •   EU-Recht gilt fort in UK
   •   Britische Regierung darf internationale Abkommen im Handelsbereich
       abschliessen – Inkrafttreten erst nach Übergangsphase
• Neues Freihandelsabkommen aushandeln (political declaration)
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Verlängerung der Übergangsphase

           Austrittsabkommen EU-UK
Verlängerung der Übergangsphase
Verlängerung der Übergangsphase

     European Union (Withdrawal Agreement) Bill
Risiko eines «No-Deal»-
Szenarios Ende 2020

• Johnson schliesst eine Verlängerung der Übergangsphase aus
• Abschluss eines vollständigen Freihandelsabkommens innert
  Jahresfrist sehr ambitiös
• Fehlt ein Freihandelsabkommen Ende 2020 und verweigert
  Johnson eine Verlängerung der Übergangsfrist, fällt die UK-EU
  Beziehung in einen vertragslosen Zustand
• Risiko eines «No Deal»-Zustands besteht fort!
«Now this is not the end. It is not even the beginning of the end.
But it is, perhaps, the end of the beginning.»
Die Schweiz und der Brexit

• «Mind the gap»-Strategie
• Bilaterale Verträge CH-EU sollen während Übergangsperiode
  für CH-UK weitergelten
• Abkommen CH-UK (in Kraft ab Ende Übergangsperiode) in
  den Bereichen :
   •   Handel
   •   Migration
   •   Strassen- und Luftverkehr
   •   Versicherung
Erstreckung völkerrechtlicher Verträge
während Übergangsperiode
Auswirkungen auf Verträge
• Vertragsrecht bleibt unberührt
• Während Übergangsphase sehr geringe Auswirkungen auf
  Handelsverkehr CH-UK(-EU)
• Ungewissheit der Situation ab 01.01.2021: No-Deal Szenario
  möglich (zumindest unvollständiges Freihandelsabkommen)
• Mögliche Risiken für Vertragsbeziehungen:
   •   Import/Export erschwert
   •   Zolltarife
   •   Veränderungen im regulatorischen Umfeld
   •   Währungsschwankungen
Brexit als Kündigungsgrund

• Wichtiger Grund?
   •   Hohe Anforderungen an Unzumutbarkeit
   •   Einfache Erhöhung der Kosten für Vertragserfüllung genügen
       nicht
   •   Unbestimmter Lieferverzug als möglicher Kündigungsgrund (?)
       (vgl. BGE 89 II 30)
• Doctrine of frustration (abgelehnt in Canary Wharf Group v
  European Medicines Agency, High Court)
• Spezielle Kündigungsklausel notwendig
Vertragsanpassungen infolge Brexit

• Clausula rebus sic stantibus:
  Die clausula setzt [unvorhersehbare] Veränderungen der äusseren
  Umstände voraus, von denen alle Vertragsparteien gleichermassen
  betroffen sind, und die zu einer gravierenden Äquivalenzstörung
  geführt haben.
• Auswirkungen von Brexit bis 31.12.2020 gering
• Ab wann war Brexit vorhersehbar?
        •   Wahlversprechen Cameron (Wahlkampf Frühling 2015)
        •   Abstimmung 2016
        •   Artikel 50 Notifikation
        •   Genehmigung von Johnsons Deal durch Parlament (Okt./Dez. 2019)
Vertragsanpassungen infolge Brexit

• «Material adverse change»-Klauseln, eher selten in Verträgen
• Beispiel:
  Where as a result of Brexit the Supplier’s costs of providing
  the Services under this Agreement are materially increased
  the Supplier shall be entitled to increase the Fees on at least 30
  days’ written notice to the Customer.
Notwendigkeit besonderer
vertraglicher Regelungen

Dispositives Vertragsrecht adressiert die vom Brexit
herrührenden Risiken ungenügend:
• Kein Kündigungsrecht
• Kein Anspruch auf Vertragsanpassungen

→ Es braucht besondere Vertragsklauseln
→ Risiken müssen vertraglich alloziert werden
Brexit-Klauseln

• Klauseln, die von Brexit herrührende Risiken adressieren
• Trigger Event:
   •   Austritt aus EU
   •   Vertragloser Zustand EU-UK
• Folgen:
   •   Pflicht zum Nachverhandeln
   •   Kündigungsrecht
   •   Automatische Preisanpassung (Berechnungsformel)
   •   Reduktion der Verpflichtung auf «reasonable efforts»
Brexit-Klausel, Beispiel 1

If the United Kingdom, or any other Major Market which is currently a member
state of the EU, withdraws from the EU and such withdrawal is likely to have
a material adverse effect on the activities contemplated under this
Agreement or the rights or obligations of either Party hereunder, the Parties
shall negotiate in good faith an adjustment or amendment to the terms
hereof if necessary to preserve each Party’s rights hereunder as such rights
were reasonably contemplated by the Parties as of the Effective Date.
Brexit-Klausel, Beispiel 2

In case of a Brexit where the United Kingdom leaves the European
Union, the single market and the customs union without an
agreement with the European Union, the Parties agree to discuss
alternative business models in order to reduce risks and costs which
could be generated by Brexit without impacting the economics of this
Agreement for both Parties.
Problemfeld: Währungsschwankungen

• Art. 84 OR:
    1   Geldschulden sind in gesetzlichen Zahlungsmitteln der geschuldeten
        Währung zu bezahlen.
    2   Lautet die Schuld auf eine Währung, die am Zahlungsort nicht
        Landeswährung ist, so kann die geschuldete Summe nach ihrem Wert
        zur Verfallzeit dennoch in Landeswährung bezahlt werden, sofern nicht
        durch den Gebrauch des Wortes «effektiv» oder eines ähnlichen
        Zusatzes die wortgetreue Erfüllung des Vertrags ausbedungen ist.
• Miliangos v George Frank (Textiles) Ltd, House of Lords
    → Umrechnungskurs im Zahlungszeitpunkt massgebend
Problemfeld: Wechselndes
regulatorisches Umfeld

• Ungewissheit nach Übergangsfrist
• Erste legislative Bewegungen erkennbar: UKCA (UK Conformity
  Assessed) marking
• Dispositives Kaufrecht: Produkte müssen «fit for purpose»
  geliefert werden
      → Risiko: Mehrkosten zu Lasten des Verkäufers
• Preisanpassungsklausel
Problemfeld: Wechselndes
regulatorisches Umfeld

In the event that prior to Seller obtaining EU Regulatory Approval, a
separate Regulatory Approval becomes necessary for the
Commercialization of the Products in the United Kingdom, Seller shall
use commercially reasonable efforts to seek Regulatory Approval
and to comply with the provisions of this subsection (a) with respect to
the United Kingdom mutatis mutandis. Any additional costs shall be
borne by the Parties in equal shares.
«Royal fish»
Problemfeld: Transport/Export/Import

• Risiko: Lieferverzögerung & zusätzliche Kosten
• Risikoallokation durch Incoterms:
   •   Export nach UK: EXW/FCA
   •   Import von UK: DDP/CPT

• Besondere Vertragsklausel:
   •   «Best efforts» oder «reasonable efforts» betreffend Verzug
   •   Risiko für Erhöhung der Zölle allozieren; Lösung der Incoterms für Importzölle
       einseitig zu Lasten Käufer
         → Preisanpassungsklausel
Problemfeld: Transport/Export/Import

Products shall be delivered within the agreed delivery schedule. But
in case the United Kingdom ceases to be a member of the European
Union and/or the European Economic Area (Brexit) and Brexit entails
delays at the UK/EU border due to reestablishment of checks at
UK/EU border, the Seller shall make its best efforts to (i) prevent
such delays and to (ii) continue to ensure timely deliveries.
Problemfeld: Definition
Vertragsgebiet

• Vertragsgebiet definiert als EU,
  Zollunion, EWR
• Auslegungsfrage, ob UK noch Teil von
  Vertragsgebiet:
   •   «from time to time»
   •   Länderliste
• Auch UK als Vertragsgebiet langfristig
  unsicher → Schottland
Gerichtsverfahren post-Brexit

• UK wird LugÜ weiter anwenden (zumindest
  während Übergangsperiode)
• CH-Gerichte werden LugÜ wohl nicht anwenden:
   •   Territorialer Anwendungsbereich ist definiert, m.E. kein
        Raum für Erweiterung während Übergangsfrist
   •   Art. 1(3): In diesem Übereinkommen bezeichnet der
       Ausdruck «durch dieses Übereinkommen gebundener
       Staat» jeden Staat, der Vertragspartei dieses
       Übereinkommens oder ein Mitgliedstaat der
       Europäischen Gemeinschaft ist.
• Rechtliche Situation nach 31.12.2020 unklar, aber
  Vollstreckung nach Common Law zumutbar
Was müssen Unternehmen jetzt tun?

• Neue Verträge:
   •   Risiken analysieren und im Vertrag ausdrücklich adressieren
   •   Einbindung einer gesamthaften (post) Brexit-Klausel prüfen
   •   AGBs anpassen
• Bestehende Verträge:
   •   Risiken identifizieren
   •   Vertragsanpassungen verhandeln, um Unklarheiten zu beseitigen
       und Risiken zu allozieren
   •   Vertragliche Kündigungsmöglichkeiten prüfen
Executive Summary

• Geringe Auswirkungen des Brexit während Übergangsfrist
• Ungewisse Situation ab 01.01.2021: No-Deal Szenario möglich
• Dispositives Vertragsrecht bietet wenig Schutz gegen Folgen von
  Brexit
• Risiken in Verträgen jetzt identifizieren und mit Vertragspartnern
  ansprechen
• Entwicklungen genau beobachten
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