AUFRUF ZU FORSCHUNGSBEITRÄGEN - QUANTIFIZIERUNG UND PROGNOSE VON EROSIONSPROZESSEN IN DEUTSCHLAND FORSCHUNGSAUFTRAGSNUMMER STAFUE-21-12-KLEI STAND ...
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Aufruf zu Forschungsbeiträgen Quantifizierung und Prognose von Erosionsprozessen in Deutschland Forschungsauftragsnummer STAFuE-21-12-Klei Stand 05.07.2021 Geschäftszeichen: SG01203/27/1-2021#1 – Objekt-ID: 885685 – Revision: 00
Quantifizierung und Prognose von Erosionsraten und Prozessen in Regionen mit dynamischer Landschafts- und Flussnetzentwicklung 1 Veranlassung und Gegenstand Am 21.09.2016 erfolgte die Gründung der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nuk leare Sicherheit auf Basis des Gesetzes zur Neuordnung der Organisationsstruktur im Bereich der Endlagerung aus dem Juni 2016. Zum 24.04.2017 wurde die Aufgabe des Bundes nach § 9a Abs. 3 Satz 1 (AtG) auf die BGE übertragen. Gemäß § 3 des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz vom 5. Mai 2017 (BGBl. I S. 1074)(StandAG)), ist die BGE Vorhabenträgerin für das Standortauswahlver- fahren. Am 05.09.2017 erfolgte der Start des Standortauswahlverfahrens in Berlin. Zu Beginn, in Schritt 1 der Phase I wurde von einer „weißen Landkarte“ Deutschlands ausgegangen und die BGE hat nach Maßgabe der gesetzlich festgelegten Ausschlusskriterien, Min destanforderungen und geowissenschaftlichen Abwägungskriterien Teilgebiete ermittelt. Diese Ergebnisse wurden am 28. September 2020 mit Abschluss des ersten Schrittes der Phase I mit dem „Zwischenbericht Teilgebiete“ veröffentlicht. Zum jetzigen Zeitpunkt sind insgesamt 90 Gebiete mit ca. 240.874 km² Fläche als Teilgebiete nach § 13 StandAG ermittelt worden. In Schritt 2 der Phase I setzt die BGE die vergleichende Analyse auf Basis vorhandener Daten, nach Maßgabe der gesetzlich festgelegten geowissenschaftlichen und planungs wissenschaftlichen Abwägungskriterien sowie der repräsentativen vorläufigen Sicher heitsuntersuchungen um. Danach schlägt die BGE dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) Standortregionen zur übertägigen Erkundung vor. Der Abschluss von Phase I ist mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages und des Bun desrates über Standortregionen für die übertägige Erkundung erreicht. Bei der Bewertung des sicheren Einschlusses von Radionukliden in einem Endlagersys tem muss sichergestellt werden, dass der einschlusswirksame Gebirgsbereich (ewG) seine Barrierefunktion über den Nachweiszeitraum von 1 Million Jahre beibehält. Pro zesse, die die Barriereeigenschaften (z. B. Gebirgsdurchlässigkeit, Mächtigkeit, Ausdeh nung des ewG) negativ beeinflussen können, sind unter anderem Erosionsprozesse, die zu einer Abtragung des Deckgebirges, der Dekompaktion des Wirtsgesteins und im Ext remfall zur Freilegung des ewG führen. Erosionsprozesse werden durch endogen bedingte großräumige Hebungsvorgänge ini tiiert oder verstärkt und durch exogene Prozesse wie klimatische Änderungen beein flusst. Auch Änderungen im Gleichgewichtszustand des Entwässerungssystems infolge von Flussanzapfung und Flussumkehrung können zu einem starken Anstieg linearer Erosion (fluviatile Eintiefung) führen. Derartige Flussnetzreorganisationen können dabei auch in relativ kurzen Zeiträumen (weniger als 1 Million Jahre) auftreten und einen star ken Anstieg der linearen Erosion und Denudation (großflächige Abtragung) durch eine niedrigere Erosionsbasis zur Folge haben (Yanites et al. 2013). Geschäftszeichen: SG01203/27/1-2021#1 – Objekt-ID: 885685 – Revision: 00 2
Quantifizierung und Prognose von Erosionsraten und Prozessen in Regionen mit dynamischer Landschafts- und Flussnetzentwicklung Informationen zu Erosions- und Landschaftsentwicklungsprozessen liegen in Deutsch land bisher nur in einem begrenzten Umfang in Form regionaler Studien vor (z. B. Schal ler et al. 2001; Strasser et al. 2010; Winterberg & Willett 2019; Meyer et al. 2010). In diesem Forschungsaufruf sollen daher zunächst im Arbeitspaket 1 (Kapitel 2.1) durch eine Kompilation der verfügbaren Informationen die maßgeblichen Erosionsprozesse und (wenn vorhanden) Raten der letzten 10 Millionen Jahre diskutiert und in Form von Karten zusammengefasst werden. Aufbauend auf dieser Grundlage sollen in einem wei teren Schritt mit einer deutschlandweit anwendbaren Methodik die möglichen Abtra gungsbeträge innerhalb der nächsten 1 Million Jahre abgeleitet werden. Die Ergebnisse dieses Arbeitspaketes sollen für die BGE eine fachliche Grundlage bilden um die Tiefen lage des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs relativ zur Terrainoberfläche ortsspezi fisch zu definieren. Da auf die besondere Bedeutung glazialer Rinnen als tiefgreifender Erosionsprozess bereits in einem separaten Forschungsprojekt eingegangen wird, soll der Schwerpunkt dieses Arbeitspaketes auf Prozessen liegen, die nicht mit der Bildung glazialer Rinnen zusammenhängen. Weiterhin dienen die Ergebnisse dieses For schungsaufrufs als Grundlage, um das Maß der möglichen Dekompaktion und die dar aus resultierenden Effekte auf die Sicherheit eines potentiellen Endlagers abschätzen zu können. Der Schwerpunkt des zweiten Arbeitspakets (Kapitel 2.2) liegt in einer detaillierten Analyse der dynamischen Landschaftsentwicklungsprozesse der südwestdeutschen Schichtstufenlandschaft. Die Landschaftsentwicklung dieser Region ist seit dem späten Miozän durch weitreichende Flussnetzreorganisationen geprägt (Villinger 1998; Villin ger, 2003; Ziegler & Fraefel 2009). So führte vor etwa 4,2 Millionen Jahren die Umstel lung der Entwässerung von der Aare in die Donau hin zum Rhein zu einer fluviatilen Eintiefung von bis zu 800 Metern (Yanites et al. 2013). Diese fortschreitende Ausweitung des rheinischen Flusseinzugsgebietes findet auch durch die Ausweitung des Flussein zugsgebietes des Neckar auf Kosten des Einzugsgebietes der Donau statt. Wie in der Nordschweiz, gibt es auch in der südwestdeutschen Schichtstufenlandschaft Hinweise auf eine Erhöhung der Flusseinschneidungsraten durch gerichtete Erosion. Verstärkt wurde die fluviatile Eintiefung zudem durch die episodische Erhöhung der Erosionsraten während der letzten Kaltzeiten (Strasser et al. 2010). Der fluviatilen Eintiefung der Flusssysteme folgt die großflächige Denudation, was in der südwestdeutschen Schichtstufenlandschaft eine gerichtete Verlagerung der jurassi schen und triassischen Schichtstufen zur Folge hatte. Diese erosionsresistenten Litho logien spielen für den Schutz des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs eine wichtige Rolle. Das Arbeitspaket 2 dieses Forschungsaufrufes konzentriert sich daher auf die Quantifi zierung der Erosionsraten und Beträge des Flussnetzsystems der südwestdeutschen Schichtstufenlandschaft. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden klimatischen Ent wicklung sowie der Erosionsresistenz der vorkommenden geologischen Einheiten soll die Entwicklung des Flussnetzsystems (Einzugsgebiet Donau vs. Einzugsgebiet Rhein) und die daraus resultierenden maximal zu erwartenden Flusseinschneidungstiefen mit Geschäftszeichen: SG01203/27/1-2021#1 – Objekt-ID: 885685 – Revision: 00 3
Quantifizierung und Prognose von Erosionsraten und Prozessen in Regionen mit dynamischer Landschafts- und Flussnetzentwicklung einer geeigneten Methode abgeleitet werden. Des Weiteren soll im Rahmen dieses Ar- beitspaketes die Frage beantwortet werden, mit welcher Geschwindigkeit die Verlage- rung der Schichtstufen, insbesondere der oberjurassischen Karbonate, durch erosive Prozesse einhergeht, da dies die direkte Freilegung des Opalinuston als potentielles Wirtsgestein zur Folge haben kann. 2 Leistungsinhalt Mit diesem Aufruf erbitten wir Projektvorschläge für zwei Arbeitspakete bis zum 25.08.2021, die folgende Aspekte und Fragestellungen mit besonderem Augenmerk auf die Sicherheit eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle in Deutschland beleuchten. Das Projekt soll unmittelbar nach Vergabe beginnen und in einem Zeitraum von 2 Jahren abgeschlossen werden. Da beide Arbeitspakete möglicherweise unterschiedliche Untersuchungsmethoden und Konzepte erfordern, sind auch Bewerbungen auf einzelne Arbeitspakete willkommen. Prozesse, die mit der Wirkung und Genese von glazialen Rinnen in Verbindung stehen, sollen in diesen Forschungsaufruf nicht betrachtet werden. Thematisch werden diese Prozesse bereits von anderen Forschungsprojekten der BGE abgedeckt. 2.1 Arbeitspaket 1 – Erosionsprozesse in Deutschland Zu diesem Arbeitspaket erbitten wir Projektvorschläge, die sich mit besonderem Fokus auf einer deutschlandweiten Betrachtung der Erosionsprozesse folgenden Aspekten und Fragestellungen widmen: 1) Zunächst soll anhand einer deutschlandweiten Auswertung der vorhandenen In formationen die regionale Erosionsgeschichte seit dem Miozän kompiliert werden und die Ergebnisse in Form eines Berichts mit entsprechenden Karten erstellt werden. 2) Anschließend soll durch einen geeigneten methodischen Ansatz das regionale Erosionsgeschehen flächendeckend mit dem Ziel ermittelt werden, die möglichen oder zu erwartenden Abtragungsbeträge innerhalb der nächsten 1 Million Jahre anzugeben. Dabei soll auch die Frage beantwortet werden, mit welchen Schwan kungsbreiten, unter Berücksichtigung unterschiedlicher endogener und exoge ner, vor allem klimatischer Szenarien, zu rechnen ist. Die Ergebnisse dieses Punktes sollen eine fachliche Grundlage bilden um die ortsspezifische Tiefenlage des ewG unter der Geländeoberfläche zu ermitteln. Geschäftszeichen: SG01203/27/1-2021#1 – Objekt-ID: 885685 – Revision: 00 4
Quantifizierung und Prognose von Erosionsraten und Prozessen in Regionen mit dynamischer Landschafts- und Flussnetzentwicklung 2.2 Arbeitspaket 2 – Quantifizierung und Prognose von Erosionsraten in Re gionen mit dynamischer Landschafts- und Flussnetzentwicklung Zu diesem Arbeitspaket erbitten wir Projektvorschläge, die mit Blick auf die dynamische Landschaftsentwicklung in Südwestdeutschland folgende Aspekte und Fragestellungen beleuchten: 1. Als Grundlage soll auch in diesem Arbeitspaket eine möglichst detaillierte Re konstruktion und Analyse der Landschafts- und Erosionsgeschichte seit dem Mi ozän erstellt werden. 2. In Kombination mit geeigneten Methoden sollen die aktuellen und zukünftigen Flusseinschneidungsraten sowie die zu erwartende maximale Verlagerung der Schichtstufen in Richtung Südwesten bestimmt werden. Die Ergebnisse sollen es ermöglichen, Bereiche innerhalb der ermittelten Teilgebiete zu identifizieren, die innerhalb des Nachweiszeitraums von 1 Million Jahre möglicherweise durch die Abtragung des Deckgebirges freigelegt werden können. Genauer sollen folgende Fragestellungen in diesem Arbeitspaket berücksichtigt werden: • Welche Flusseinschneidungsraten treten in Flusssystemen auf, die vormals zum danubischen Flusseinzugsgebiet gehörten und nun ins rheinische System ent wässern? • In welchen Bereichen des Flusssystems und mit welchen Raten findet die rück schreitende Erosion statt? • Lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse auf eine möglichst modelgestützte Prognose der Flussnetzentwicklung und den damit verbundenen zu erwartenden Erosionsbeträgen unter Berücksichtigung verschiedener Randbedingungen (z. B. Klimaschwankungen, Veränderung der Erosionsbasis) für den Nachweis zeitraum von 1 Million Jahre übertragen? • Mit welchen Raten haben sich die triassischen und jurassischen Schichtstufen seit dem Miozän verlagert, und kann eine Ableitung der zu erwartenden Verlage rung innerhalb des Nachweiszeitraumes von 1 Million Jahre gegeben werden? • Mit welchen Ungewissheiten, vor dem Hintergrund des Einflusses der klimati schen Verhältnisse auf Erosionsprozesse, sind die Angaben zur Prognose der gestellten Fragen behaftet? Hinweis: Die Fokussierung des zweiten Arbeitspaketes auf die südwestdeutsche Schichtstufenlandschaft begründet sich in den dort in verstärktem Maße auftretenden Landschaftsentwicklungsprozessen und der damit verbundenen hohen Relevanz dieser Prozesse in diesen Regionen. Geschäftszeichen: SG01203/27/1-2021#1 – Objekt-ID: 885685 – Revision: 00 5
Quantifizierung und Prognose von Erosionsraten und Prozessen in Regionen mit dynamischer Landschafts- und Flussnetzentwicklung 3 Literaturverzeichnis AtG: Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), das zuletzt durch Artikel 239 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist Meyer, H., Hetzel, R. & Strauss, H. (2010): Erosion rates on different timescales derived from cosmogenic 10Be and river loads: Implications for landscape evolution in the Rhenish Massif, Germany. International Journal of Earth Sciences, Bd. 99, S. 395-412. DOI: 10.1007/s00531-008-0388-y Schaller, M., von Blanckenburg, F., Hovius, N. & Kubik, P. W. (2001): Large-scale erosion rates from In situ-produced cosmogenic nuclides in European river sediments. Earth and Planetary Science Letters, Bd. 188, S. 441-458. DOI: 10.1016/S0012-821X(01)00320-X StandAG: Standortauswahlgesetz vom 5. Mai 2017 (BGBl. I S. 1074), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 7. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2760) geändert worden ist Strasser, A., Strasser, M. & Seyfried, H. (2010): Quantifying erosion over timescales of one million years: A photogrammetric approach on the amount of Rhenish erosion in southwestern Germany. Geomorphology, Bd. 122, S. 244-253. DOI: 10.1016/j.geomorph.2009.06.027 Villinger, E. (1998): Zur Flußgeschichte von Rhein und Donau in Südwestdeutschland. Jahresberichte und Mitteilungen des oberrheinischen geologischen Vereins, Bd. 80, S. 361-398. DOI: 10.1127/jmogv/80/1998/361 Villinger, E. (2003): Zur Paläogeographie von Alpenrhein und oberer Donau. Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, Bd. 154, S. 193-253. DOI: 10.1127/zdgg/154/2003/193 Winterberg, S. & Willett, S. D. (2019): Greater Alpine river network evolution, interpretations based on novel drainage analysis. Swiss Journal of Geosciences, Bd. 112, S. 3-22. ISSN 16618734. DOI: 10.1007/s00015-018-0332-5 Yanites, B. J., Ehlers, T. A., Becker, J. K., Schnellmann, M. & Heuberger, S. (2013): High magnitude and rapid incision from river capture: Rhine River, Switzerland. Journal of Geophysical Research: Earth Surface, Bd. 118, S. 1060-1084. ISSN 2169-9003. DOI: https://doi.org/10.1002/jgrf.20056 Ziegler, P. A. & Fraefel, M. (2009): Response of drainage systems to Neogene evolution of the Jura fold-thrust belt and Upper Rhine Graben. Swiss Journal of Geosciences, Bd. 102, S. 57-75. ISSN 16618734. DOI: 10.1007/s00015-009- 1306-4 Geschäftszeichen: SG01203/27/1-2021#1 – Objekt-ID: 885685 – Revision: 00 6
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