Das Lugano Übereinkommen in der Praxis - Weiterbildungsveranstaltung des Luzerner Anwaltsverbands vom 15. Januar 2008

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Das Lugano Übereinkommen in
der Praxis

Weiterbildungsveranstaltung des
Luzerner Anwaltsverbands vom
15. Januar 2008

Prof. Dr. Andreas Furrer
Professor an der Universität Luzern
Partner Meyer Müller Eckert, Zürich/Zug
Überblick

1. Grundstruktur des Lugano Übereinkommens
– Einzelfragen
      – Wann kommt das Lugano Übereinkommen zur
        Anwendung?
      – Wichtige Entscheidungen der letzten zwei Jahre
            – Bundesgericht
            – EuGH
      – Auslegung des LugÜ
– Eckpunkte der Revision des Übereinkommens
      – Gesamtzusammenhang: Dynamik in der EU
      – Wichtigste Eckpunkte der Revision
– Schlussbemerkungen

  Andreas Furrer                                Januar 2008, page 2
Grundstruktur des Lugano Überereinkommens

• Vertragsstaaten bis 2010:
     • Belgien                     • Luxemburg
     • Dänemark                    • Niederlande
     • Deutschland                 • Norwegen
     • Finnland                    • Österreich
     • Frankreich                  • Polen
     • Griechenland                • Portugal
     • Grossbritannien             • Schweden
     • Irland                      • Schweiz
     • Island                      • Spanien
     • Italien

 • Voraussichtliche Vertragsstaaten ab 2010
      • EU und damit Wirkung für alle EU-Staaten
      • Schweiz, Island und Norwegen

  Andreas Furrer                                   Januar 2008, page 3
Grundstruktur des Lugano Überereinkommens
• Vertragsstaaten
• Regelungsinhalt
     - Direkte Zuständigkeit
            • Allgemeine Zuständigkeiten (LugÜ 2 bis 4)
            • Besondere Zuständigkeiten (LugÜ 5 bis 15)
            • Ausschliessliche Zuständigkeiten (LugÜ 16 & 17)
            • Koordinationsbestimmungen (LugÜ 18 bis 23)
            • Vorsorgliche Massnahmen (LugÜ 24)
     - Anerkennung und Vollstreckung
            • Grundsätze der Anerkennung (LugÜ 25 bis 30)
            • Grundsätze der Vollstreckung (LugÜ 31 bis 45)
     – Gemeinsame Vorschriften
            • Formelle Fragen (LugÜ 46 bis 51)
            • Definition Wohnsitz / Sitz (LugÜ 52 & 53)
            • Koordinationsvorschriften mit EU-Recht / Völkerrecht
              (LugÜ 54 bis 59 und Protokolle Nr. 1 & 3)
     – Protokoll Nr. 2 betr. Auslegung LugÜ

  Andreas Furrer                                          Januar 2008, page 4
Grundsätze der Zuständigkeiten
• Allgemeine Zuständigkeiten
   - Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten (LugÜ 2)
   - Ergänzende zusätzliche Zuständigkeiten
         - Beidseitig: LugÜ 5 (Vertrag, Delikt)
         - Einseitig zugunsten schwächerer Partei: Versicherung
           (LugÜ 7 ff.) und Konsument (LugÜ 13 f.)

• Ausschliessliche Zuständigkeiten
   - Ausnahmefälle (LugÜ 16)
         • Dingliche Klagen
         • Gültigkeit, Nichtigkeit & Auflösung von Gesellschaften
         • Klagen betr. Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche
           Register
         • Immaterialgüterrecht
         • Verfahren im Rahmen der Zwangsvollstreckung
   - Gerichtsstandsvereinbarungen (LugÜ 17)

  Andreas Furrer                                           Januar 2008, page 5
Grundsätze der Koordination der Gerichte
• lis pendens bei zwingenden Bestimmungen (LugÜ 19)
• lis pendens bei konkurrierenden Zuständigkeiten
  (LugÜ 21 bis 23)
• Einlassung (LugÜ 20)
• Allgemeine Zuständigkeit für einstweilige Mass-
  nahmen (LugÜ 24)

  Andreas Furrer                             Januar 2008, page 6
Grundsätze der Anerkennung und Vollstreckung
• Zuständigkeit
   - Direkte Anerkennung
         - ohne Überprüfungsmöglichkeit (LugÜ 28 IV), ohne
           spezifisches Verfahren (LugÜ 26 I)
         - Ohne materiellrechtliche Prüfung (LugÜ 29)
   - Direkte Zuständigkeiten bilden hierzu die indirekte
     Zuständigkeit (LugÜ 26 II)
   - Enger Ausnahmekatalog in LugÜ 27 und 28
• Vollstreckung
   - Direkte Vollstreckung ohne kontradiktorisches Verfahren
     möglich (ZPO LU 304 & 305)
   - Klassisches Vollstreckungsverfahren nach
     schweizerischem Recht üblich

  Andreas Furrer                                        Januar 2008, page 7
Überblick

1. Grundstruktur des Lugano Übereinkommens
– Einzelfragen
      – Wann kommt das Lugano Übereinkommen zur
        Anwendung?
      – Wichtige Entscheidungen der letzten zwei Jahre
            – Bundesgericht
            – EuGH
      – Auslegung des Übereinkommens
– Eckpunkte der Revision des Übereinkommens
      – Dynamik der Entwicklung innerhalb der EU
      – Wichtigste Änderungen
      – Konkordanztabelle
– Schlussbemerkungen

  Andreas Furrer                                Januar 2008, page 8
Wann kommt das LugÜ zur Anwendung?
• Grundsatz:
     • Entscheidend: Wohnsitz des Beklagten in LugÜ-Staat
     • Voraussetzung auch für alle konkurrierenden
       Zuständigkeiten
           • Rs. C-281/02, Urteil v. 1. 3. 2005, Slg. 2005, I-1383 (Owusu)
           • Gutachten 1/03 zum revLugÜ, Slg. 2006, S. I-1145

     • Vorrang EuGVO gem. LugÜ 54b

• Ausnahmen:
     • Zwingende Bestimmungen (LugÜ 16)
     • Gerichtsstandsvereinbarung (LugÜ 17)
     Beide Artikel definieren den Anwendungsbereich
     autonom

  Andreas Furrer                                           Januar 2008, page 9
Wichtige Entscheidungen des Bundesgerichts
- BGE 4P.25/2007, Urteil v. 15.03.07
  Begriff des Wohnsitzes nach LugÜ und IPRG 20 / GstG 3 II,
  nicht ZGB 23: Kein fiktiver Wohnsitz
- BGE 4C.43/2006, Urteil v. 28.03.07
  Kontokorrentvertrag mit Verpfändung: Begriff Verbraucher
  ergibt sich aus Stellung im Vertrag i.V.m. Natur & Ziel; enge
  Auslegung; Verbraucher beweispflichtig
- BGE 4A.155/2007, Urteil v. 9.10.07
  Passive Streitgenossenschaft: Anwendung LugÜ 6
  Z. 1 bei mehren Beklagten in CH, Vermeidung
  widersprechender Urteile: Dieselbe Sach- & Rechtslage,
  Grenze Rechtsmissbrauch, Umgang mit doppelrelevanter
  Tatsache: Bestreitung der Tatsache bildet noch keine
  Einlassung
- BGE 4C.318/2006, Urteil v. 13.03.07
  Negative Feststellungsklage: Beurteilung vertraglicher und
  deliktischer Ansprüche: Hohe Ansprüche an Sachnähe
  Ähnlich: BGE 4C.210/2006, Urteil v. 23.10.06

  Andreas Furrer                                  Januar 2008, page 10
Wichtige Entscheidungen des Bundesgerichts
- BGE 4C.210/2007, Urteil v. 6.03.07
 Begriff des Wohnsitzes nach LugÜ und IPRG 20 / GstG 3 II,
 nicht ZGB 23: Kein fiktiver Wohnsitz

 Andreas Furrer                               Januar 2008, page 11
Wichtige Entscheidungen EuGH
- Rs. C-103/05 – Reisch Montana
  Art. 6 EuGVÜ; Klage gegen Bürgen am Wohnsitz des
  Schuldners; fehlende Passivlegitimation des Schuldners
  (bereits in Konkurs); unerheblich: Klage am WS des
  Schuldners möglich
- Rs. C-386/05 – Color Drack
  Neuer Art. 5 Ziff. 1 EuGVO; Autonome Auslegung
  „Erfüllungsort“: Bei Mehreren Erfüllungsorten im Inland
  Hauptforderung oder Gleichwertige Forderung, aber
  beschränkte Aussagekraft!
- Rs. C-3/05 – Gaetano Verdoliva
  Niederländisches Urteil, Vollstreckung in I; Zustellung des
  italienischen Zulassungsurteils in Italien: EUGVÜ
  massgebend; rechtliches Gehör muss gewahrt sein
- Rs. C-98/06 – Gaetano Verdoliva
  Art. 6 Nr. 1 EuGVO: Gleichartige Ansprüche gegen mehre
  Beklagte aus unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen,
  Zusammenhang, der Gefahr widersprechender Urteile
  begründen würde, Massstabe bei EuGVO 2 weniger streng
  als bei EuGVO 5

  Andreas Furrer                                  Januar 2008, page 12
Auslegung des Lugano Übereinkommens
- Grundsatz:
     • Rechtsprechung EuGH „gebührend Rechnung tragen“
     • Rechtsprechung anderer Vertragsstaaten „ gebührend
       Rechnung tragen“
     • Zeitpunkt:
           • Vor September 1988: Übernahme zwingend notwendig
           • Nach September 1988: Grundsatz des „gebührend
             Rechnung tragen“

- Relativierung
     • Gleicher Wortlaut?
           • Differenz EuGVÜ und LugÜ!
           • Achtung: Differenz zu EuGVO grösser!
     • Sind die Argumente für die Auslegung auf die Schweiz
       übertragbar?

  Andreas Furrer                                     Januar 2008, page 13
Überblick

1. Grundstruktur des Lugano Übereinkommens
– Einzelfragen
      – Wann kommt das Lugano Übereinkommen zur
        Anwendung?
      – Wichtige Entscheidungen der letzten zwei Jahre
            – Bundesgericht
            – EuGH
      – Auslegung des Übereinkommens
– Eckpunkte der Revision des Übereinkommens
      – Dynamik der Entwicklung innerhalb der EU
      – Wichtigste Änderungen
      – Konkordanztabelle
– Schlussbemerkungen

  Andreas Furrer                               Januar 2008, page 14
Eckpunkte der Revision des LugÜ
• Dynamik innerhalb der EU, Auswahl:
   – Verordnung (EG) Nr. 1346/2000: Insolvenzverfahren
   – Verordnung (EG) Nr. 1348/2000: Zustellung
     gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke
     in Zivil- und Handelssachen (ZustVO)
   – Verordnung (EG) Nr. 44/2001: EuGVO
   – Verordnung (EG) Nr. 1206/2001: Beweisaufnahme in
     Zivil- und Handelssachen (Beweis VO)
   – Richtlinie 2002/8/EG: Verbesserung des Zugangs
     zum Recht, Prozesskostenhilfe
   – Verordnung (EG) Nr. 2201/2003: Zuständigkeit und die
     Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen
     in Ehesachen, elterliche Verantwortung
   – Verordnung (EG) Nr. 805/2004: europäischer
     Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen

  Andreas Furrer                              Januar 2008, page 15
§

Vorerst Weitergeltung LugÜ
• Stand der Revisionsarbeiten
   – April 1999: Erster Entwurf
   – Mai 1999: Vertrag von Amsterdam
   – Dezember 2000: EuGVO, in Kraft seit dem 1.03.2002
   – März 2003: Rat unterbreitet Kompetenzfrage dem EuGH
   – Februar 2006: Gutachten 1/03
   – Dezember 2006: Zweiter Revisionsentwurf
         • Anpassung an EuGVO revidiert
         • EuGH hat Auslegungskompetenz
         • Nur vier Vertragsparteien
               ¾ Schnellere Ratifikation / Anpassung
               ¾ Notwendig, da dynamische Entwicklung innerhalb der EU

         • Neue EU-Mitgliedstaaten
   – 30. Oktober 2008
         • Paraphierung LugÜ und Protokolle
         • Relevanter Zeitpunkt für Auslegung!
   – Voraussichtlich 1.1.2010: Inkrafttreten

  Andreas Furrer                                              Januar 2008, page 16
Wichtigste Revisionspunkte
• Formell:
   • EU als Vertragsstaat: EuGH als Auslegungsinstanz
     innerhalb der EU
   • Neue Systematik
• Inhaltlich
   • LugÜ 5:
         • Autonome Definition des Erfüllungsortes, insb. Ausschluss
           am Zahlungsort
         • Arbeitsverträge neu in Art. 18 LugÜ
         • Weitere Definition der Unterhaltsklagen (neben Scheidung
           auch bei Sorgerecht)

   • LugÜ 13 (neu 15):
         • Erweiterung der verbraucherrelevanten Verträge
         • Anpassung an E-Commerce („Ausrichten des Angebots“)
   • LugÜ 23 (neu 30):
         • Autonome Definition der Rechtshängigkeit
   • LugÜ 24 Ziff. 2 (neu 34 Ziff. 2):
         • Nur noch Einrede der nicht rechtzeitigen Zustellung
           Schriftstück, nicht mehr „nicht ordnungsgemäss“

  Andreas Furrer                                         Januar 2008, page 17
s

                    Besten Dank für
                 Ihre Aufmerksamkeit

Andreas Furrer                         Januar 2008, page 18
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