Auftausalzverbrauch im Klimawandel - TAUFIX
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1 Fachbericht MeteoSchweiz Nr. 253 Auftausalzverbrauch im Klimawandel Im Auftrag der Schweizer Salinen AG
2 Autoren Dr. Elias Zubler Dr. Andreas Fischer Dr. Mark Liniger Dipl. Geogr. Thomas Schlegel Projektleitung Dr. Andreas Fischer und Dr. Mark Liniger Auftraggeber Schweizer Salinen AG Herausgeber Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie Empfohlene Zitierung: Zubler, EM, Fischer, AM, Liniger, MA, und Schlegel, T: 2015, Auftausalzverbrauch im Klimawandel, Fachbericht MeteoSchweiz, 253, 36pp. © MeteoSchweiz 2015 ISSN: 2296-0058
Vorwort Während sich die meisten Industrien mit Planungshorizonten 3 von 2-5 Jahren beschäftigen und 10 Jahre schon als exotisch gelten, blicken die Schweizer Salinen bei der Rohstoffplanung ans Ende dieses Jahrhunderts, haben also einen Planungs- horizont von 50 bis 80 Jahren. Folgen die Absatzzahlen für Speise-, Regenerier-, Gewerbe- und Landwirtschaftssalz weit- gehend der demographischen Entwicklung, so wird der Bedarf an Auftausalz weitgehend vom Wetter bestimmt. Es ist also naheliegend, den Bedarf an Auftausalz basierend auf wissen- schaftlich allgemein akzeptierten Szenarien zu ermitteln. MeteoSchweiz hat ein wissenschaftlich fundiertes und regional stark differenziertes Modell entwickelt und auf den Salzver- brauch der Schweiz angewandt. Die Resultate zeigen eine klare Tendenz, haben aber einen grossen Schwankungsbereich wegen erheblichen Unsicherheiten. Für die Salinen resultieren folgende Erkenntnisse: 1. Die durchschnittliche Temperatur wird steigen und damit die Frost- und Schneetage abnehmen; in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in allen Szenarien moderat, in der zweiten je nach Szenario erheblich. 2. Es ist weiter von starken Schwankungen des Winterklimas und damit von Extremen im Salzverbrauch auszugehen. 3. Die Extremwerte können im Bereich der in der Vergangenheit bekannten Salz- verbräuche liegen. Die Schweizer Salinen werden als Konsequenz an der Strategie der zentralen Mehrjahreslager festhalten, denn nur wenn Salz im Winter in genügender Menge ohne zeitintensive lange Trans- porte zur Verfügung steht, kann der Winterdienst und damit die Mobilität der Schweiz gewährleistet werden. Die Saldome spielen in der verlässlichen Versorgungsstrategie eine zentrale Rolle. Dank ihnen können im milden Winter die Salinen im öko- nomischen Dauerbetrieb gefahren werden und im strengen Winter steht genügend Salz zur Verfügung. Die erwartete Ver- brauchsentwicklung wird für die Planung ab 2050 von Bedeu- tung sein und in die Rohstoffplanung einfliessen müssen. Den am Bericht mitwirkenden Mitarbeitenden von MeteoSchweiz gilt mein grosser Dank für ihre wissenschaftlich kompetente und effektive Zusammenarbeit. Dr. Urs Ch. Hofmeier Geschäftsführer Schweizer Salinen AG
Zusammenfassung 4 Das Klima verändert sich sowohl global wie regional. Seit der beispielsweise dem Kanton Zürich. Besonders für Kantone mit Mitte des 20. Jahrhunderts wird ein globaler Anstieg der Mittel- einem tiefer gelegenen Strassennetz wird eine starke Reduktion temperaturen beobachtet, welcher mit sehr hoher Wahrschein- der Anzahl Tage mit Neuschnee und eine entsprechend über- lichkeit primär durch den menschgemachten globalen Anstieg proportionale Abnahme des Salzverbrauchs erwartet, während der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre verursacht für alpine Kantone mit höher gelegenem Strassennetz wie z.B. wird. In der Schweiz ist die Jahrestemperatur seit Beginn der Graubünden im Laufe der Zeit relativ betrachtet eine schwächere Messungen 1864 um rund 1.8°C angestiegen. Für die Zukunft Abnahme zu erwarten ist. ist mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Temperaturen in der Schweiz weiter ansteigen werden. Das Aus- Unter heutigen Bedingungen werden in schneereichen Wintern mass der Erwärmung ist abhängig von der Entwicklung zukünf- bis zu 400‘000 Tonnen Auftausalz benötigt. Die Jahr-zu-Jahr- tiger globaler Treibhausgasemissionen. Fehlen weitreichende Schwankungen sind substantiell. Die in diesem Bericht gemachten internationale Anstrengungen zur Limitierung des Treibhaus- Abschätzungen beleuchten durchschnittliche Änderungen in gasausstosses, wird von den aktuellen Klimamodellen eine Er- 30-jährigen Zeiträumen. Sie geben also keine Auskunft, wie- wärmung von rund 3-5°C gegen Ende des 21. Jahrhunderts viel Salz in einzelnen zukünftigen Jahren nachgefragt wird. Auf- im Vergleich zum heutigen langjährigen Mittelwert erwartet. grund der aktuell verfügbaren Klimaszenarien muss auch für die Zukunft von einer gleich starken Jahr-zu-Jahr-Schwankung Angesichts dieser sich abzeichnenden Veränderungen des der Wintertemperatur und der Anzahl Neuschneetage in der Schweizer Klimas hat die Schweizer Salinen AG die Meteo- Schweiz ausgegangen werden. Damit sind auch in Zukunft Schweiz angefragt, eine Expertise zu erstellen, welche die zu noch schneereiche Winter möglich. erwartenden klimatologischen Veränderungen und den damit verbundenen Auftausalzverbrauch untersucht. Auftausalz wird Die Resultate dieser Studie basieren auf einer Reihe von An- während des Winters vornehmlich als Mittel zur Bekämpfung nahmen und sind mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Die von Schnee- und Eisglätte auf Strassen verwendet. Grundlage Ergebnisse sollten daher als grobe Schätzungen interpretiert der Studie sind die CH2011-Klimaszenarien sowie winter- werden. Auch sollten die Resultate der Studie bei Erscheinen von relevante Klimaindikatoren der MeteoSchweiz. Mit monatlichen aufdatierten nationalen Klimaszenarien und neuen Daten zum Daten zum Salzumsatz der Schweizer Salinen AG von 1997 bis beobachteten Klima und Salzverbrauch erneut beurteilt werden. 2013 und Strasseninformationen der Landestopographie wurde die Beziehung zwischen klimatischen Schwankungen und dem Salzverbrauch für das heutige Klima abgeschätzt, separat für alle Kantone. Die Analyse zeigte, dass die Anzahl Neuschneetage pro Jahr eine hohe Korrelation zum Salzverbrauch aufweist und deshalb als Indikator verwendet werden kann. Diese Beziehung und die projizierten Änderungen in Neuschneetagen gemäss den verschiedenen Klimaszenarien sind die Basis für eine Ext- rapolation des Salzverbrauchs in die Zukunft. Durch den erwarteten Temperaturanstieg im Laufe des Jahr- hunderts wird die Anzahl Tage mit Neuschnee abnehmen. Es ist daher naheliegend, dass in Zukunft auch weniger Auftau- salz gebraucht werden dürfte. In der Tat zeigen die Resultate der Studie eine Abnahme des mittleren Salzbedarfs, insbeson- dere für Emissionsszenarien ohne bedeutende internationale Massnahmen zur Emissionseindämmung der Treibhausgase. Gemäss diesen Szenarien wird der mittlere gesamtschweize- rische Salzumsatz für den Zeitraum 2045-2074 auf etwa die Hälfte des heutigen Erwartungswertes von 220‘000 Tonnen geschätzt. Gegen Ende des 21. Jahrhunderts dürfte der mitt- lere Salzumsatz über eine 30-jährige Periode unter Annahme des pessimistischsten Emissionsszenarios bei ungefähr 70‘000 Tonnen liegen, was leicht tiefer ist als das Jahresminimum von 1997. Zurzeit ist der Salzverbrauch am grössten in Kantonen mit grosser Bevölkerungszahl und dichtem Strassennetz, wie
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 5 2 Klimaentwicklung der Schweiz im Winter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1 Änderungen der mittleren Temperatur und Niederschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.2 Langfristige Entwicklungen von Klimaindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3 Auftausalz im Winterdienst heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.1 Datengrundlage zu Auftausalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.2 Salzumsatz der Schweizer Salinen AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.2.1 Zeitliche Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.2.2 Regionale Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.3 Zusammenhang Salzverbrauch und Klima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.4 Salzumsatz pro Neuschneetag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.5 Einflüsse weiterer Klimagrössen auf den Salzumsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 4 Zukünftige Entwicklung des Salzumsatzes im Klimawandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4.1 Gesamtschweizerische Entwicklung des Salzumsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4.2 Entwicklung des Salzumsatzes auf kantonaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5 Annahmen und Limitierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 6 Schlussfolgerung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 7 Referenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
1| Einleitung 6 Weltweite Messungen sowie Modellstudien belegen, dass sich Angesichts dieser sich abzeichnenden Veränderungen des das Klima sowohl global wie regional verändert und dass der Schweizer Klimas hat die Schweizer Salinen AG die Meteo- beobachtete Anstieg der globalen Mitteltemperaturen seit der Schweiz angefragt, eine Expertise zu erstellen, welche die zu Mitte des 20. Jahrhunderts mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erwartenden klimatologischen Veränderungen und den damit durch den menschgemachten globalen Anstieg der Treibhaus- verbundenen Auftausalzverbrauch untersucht. Auftausalz wird gase in der Atmosphäre verursacht wird (IPCC 2013). So ist auch während des Winters vornehmlich als Mittel zur Bekämpfung das Klima der Schweiz im Wandel begriffen: Die Jahresmittel- von Schnee- und Eisglätte auf Strassen verwendet. Sollten die temperatur in der Schweiz ist seit Messbeginn 1864 ungefähr Winter in Zukunft milder und weniger schneereich werden, könnte um +1.8°C angestiegen. Über die letzten paar Jahrzehnte ist der der Bedarf an Auftausalz zurückgehen. Für die Expertise sollen Anstieg ausserdem deutlich stärker ausgefallen. Zudem zeigt die CH2011-Klimaszenarien verwendet und entsprechend auf- sich, dass die gesamtschweizerische Temperatur rund 1.6 mal bereitet werden. Als weitere Grundlage dienen Auftausalz- stärker angestiegen ist als der Durchschnitt über allen Land- verkäufe der Schweizer Salinen AG über die letzten 15 Jahre. flächen der Nordhemisphäre (Ceppi et al. 2012). Ziel ist die grobe Quantifizierung der mittleren Änderung des Auftausalzverbrauchs in der Schweiz im 21. Jahrhundert, aus- Für die Zukunft ist zu erwarten, dass sich das Klima in der Schweiz schliesslich aufgrund möglicher klimatischer Veränderungen. weiter verändern wird. Die aktuellen Schweizer Klimaszenarien («CH2011 Klimaszenarien»; CH2011 2011) zeigen im Laufe des Dieser Bericht beschreibt die wesentlichen Schritte zur Ab- 21. Jahrhunderts eine signifikante Veränderung gegenüber dem schätzung des zukünftigen Auftausalzverbrauchs aufgrund von heutigen und vergangenen Zustand. Während die Temperaturen klimatologischen Veränderungen. In Kapitel 2 werden die sehr wahrscheinlich gesamtschweizerisch ansteigen werden, klimatischen Veränderungen im Winter in der Schweiz be- dürften die mittleren Niederschlagsmengen im Sommer wahr- schrieben. Die Salzverbrauchszahlen und deren Abhängig- scheinlich überall in der Schweiz abnehmen. Auch zeigen die keiten von klimatischen Bedingungen sind Bestandteil von Szenarien die Möglichkeit einer Zunahme der Winternieder- Kapitel 3. In Kapitel 4 werden die gefundenen Beziehungen schläge in Teilen der Schweiz. Zusammen mit diesen mittleren in die Zukunft extrapoliert. Änderungen ist auch eine Änderung im Charakter von Extrem- ereignissen zu erwarten. Dennoch sind gerade hierzu heute meist nur qualitative Aussagen möglich, da die seltenen Extrem- ereignisse statistisch schlecht erfassbar sind (Frei und Schär 2001; OcCC 2003). Gemäss CH2011 (2011) ist von häufigeren, intensi- veren und länger anhaltenden Wärmeperioden und Hitzewellen im Sommer auszugehen, während die mittlere Zahl der kalten Wintertage und -nächte vermutlich abnehmen wird. Zusätzlich wird eine Verschiebung von festem Niederschlag (Schnee) hin zu flüssigem Niederschlag (Regen) erwartet (Steger et al. 2013).
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2| Klimaentwicklung der Schweiz im Winter 2.1 9 Änderungen der mittleren Temperatur und Niederschlag Klimatische Veränderungen in der Schweiz sind auch im Winter A2: starker Anstieg (Zunahme der Treibhausgasemissionen bis feststellbar: die beobachteten Erwärmungstendenzen über die 2100; violett in Abbildung 1 und 2) letzten Jahrzehnte sind eindeutig und unterscheiden sich regi- onal nicht wesentlich (Begert et al. 2005). Seit 1901 ist die ge- A1B: moderater Anstieg (Zunahme der Treibhausgasemissionen samtschweizerische Mitteltemperatur im Winter um +0.16°C bis 2050, dann leichte Abnahme; grau in Abbildung 1 und 2) pro Jahrzehnt angestiegen, was konsistent ist mit früheren Studien (vergleiche hierzu auch den Anstieg der dicken schwarzen RCP3PD: Reduktion (Verminderung der Treibhausgasemissionen Linien in Abbildung 1 für die Nordost- und Südschweiz über bis 2100 auf den Stand von 1900; gelb in Abbildung 1 und 2) die letzten 150 Jahren; Begert et al. 2005, Bader und Bantle 2004; Rebetez und Reinhard 2008; Appenzeller et al. 2008). Demgegenüber verlaufen die langfristigen Entwicklungen im Die beiden Szenarien A1B und A2 (Nakicenovic und Swart Winterniederschlag über der Schweiz oft uneinheitlich (Begert 2000, IPCC 2007) gehen von keinen expliziten internationalen et al. 2005). Eindeutige Tendenzen sind kaum zu erkennen. Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen aus. Einzig im nördlichen Mittelland wird eine signifikante Zunahme In A1B führt lediglich der in diesem Szenario angenommene seit Messbeginn 1864 festgestellt. technische Fortschritt zu einer leichten Reduktion gegen Ende Jahrhundert. Demgegenüber steht RCP3PD für ein Stabilisie- Wie in Abbildung 1 anhand der roten/blauen (pos./neg. Abwei- rungsszenario, das entschlossenes, koordiniertes Handeln vor- chung der Temperatur) bzw. der grün/braunen (pos./neg. Ab- sieht, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren (Moss et weichung des Niederschlags) Balken angezeigt, werden die al. 2010). Damit liesse sich die globale Erwärmung gegenüber langfristigen Tendenzen von starken Jahr-zu-Jahr Schwankungen dem vorindustriellen Temperaturniveau auf 2°C beschränken überlagert. Ins Auge stechen beispielsweise die sehr kalten (Meinshausen et al. 2011, Rogelj et al. 2012). Winter vor 1900, sowie die Winteranomalie 1962/1963 in der Nordostschweiz, welche im Schnitt mehr als 5°C unterhalb dem Für die drei gewählten Emissionsszenarien zeigt Abbildung 1 langjährigen Durchschnittswert des Referenzzeitraums 1980- die erwarteten zukünftigen Änderungen in der mittleren Tem- 2009 lag. Eine ausgesprochen grosse Jahr-zu-Jahr-Variabilität peratur und Niederschlag. Die Änderungen beziehen sich auf zeigt sich im Niederschlag der Südschweiz, wo in gewissen Jahren den Durchschnittswert des Referenzzeitraums 1980-2009 und ein Überschuss von über 100% bzw. ein Defizit von über 70% wurden für drei ausgewählte Zeiträume im 21. Jahrhundert be- relativ zu 1980-2009 beobachtet wurde. rechnet. Die berechneten Änderungen für die verschiedenen Emissionsszenarien sind mit Unsicherheiten behaftet, welche Um konsolidierte Aussagen über die erwartete Entwicklung im durch die farbigen Balken in den Grafiken dargestellt werden. 21. Jahrhundert treffen zu können, wurden im Jahr 2011 neue Klimaszenarien für die Schweiz berechnet («Klimaszenarien Das Ausmass der projizierten Veränderungen über der Schweiz CH2011»). Die Klimaszenarien CH2011 wurden wissenschaftlich ist stark abhängig von den Emissionsszenarien und vom be- von Experten aus verschiedenen Institutionen erarbeitet, darunter trachteten Zeitraum. Für die Mitteltemperaturen ist ein gesamt- ETH Zürich, Center for Climate Systems Modeling (C2SM) und schweizerischer Anstieg zu erwarten: für die nahe Zukunft MeteoSchweiz. Die Szenarien beruhen auf einer Vielzahl von (2020-2049) beträgt die Zunahme gemäss dem moderaten Projektionen mittels Klimamodellen und auf Annahmen zur Szenario A1B etwa 1.3°C (schwarze horizontale Linie in den zukünftigen Entwicklung globaler Treibhausgasemissionen Balken), welche im Laufe des 21. Jahrhunderts auf etwa 2.3°C (sogenannte Emissionsszenarien). Die zukünftigen Emissions- (2045-2074) bzw. etwa 3.2°C (2070-2099) ansteigt. Mit dem entwicklungen sind abhängig davon, wie sich die gesellschaft- Stabilisierungsszenario RCP3PD würden die Wintertemperaturen lichen, ökonomischen, und technologischen Bedingungen ver- in den nächsten Jahrzehnten weniger stark zunehmen. Bis zum ändern. Von einer Vielzahl von möglichen Szenarien wurden in Ende des 21. Jahrhunderts könnte die Erwärmung auf einem CH2011 (2011) die klimatischen Veränderungen gemäss dreier Niveau von etwa +1.4°C gegenüber heute (Periode 1980-2009) Szenarien genauer untersucht (siehe Abbildung 2): stabilisiert werden.
10 Der Winterniederschlag über der Schweiz weist nur südlich der gemäss A1B könnte der Niederschlag um rund +20% ansteigen, Alpen eine zunehmende Tendenz auf. In den übrigen Regionen während die Zunahme gemäss dem Stabilisierungsszenario der Schweiz lassen sich keine gesicherten Trendaussagen treffen: RCP3PD bloss +8% beträgt (schwarze horizontale Linie in den der Niederschlag kann also sowohl zu- als auch abnehmen, Balken). In den beiden früheren Zukunftsperioden (2020-2049 wie anhand der Nordostschweiz in Abbildung 1 gezeigt ist. Der und 2045-2074) sind die Unterschiede nach Emissionsszenario Anstieg in der Südschweiz gegen Ende des 21. Jahrhunderts ist nicht stark ausgeprägt. wiederum stark abhängig von der Wahl des Emissionsszenarios: Nordostschweiz 888 88 666 66 A2 A1B [°C] [°C] A2 A1B Anomalien/Änderungen (oC)[°C] Anomalie/Änderung[°C] RCP3PD RCP3PD RCP3PD A1B 444 44 RCP3PD RCP3PD RCP3PD A1B A2A2 Anomalie/Änderung A1B Temperatur im Winter Anomalie/Änderung Anomalie/Änderung A1B A2 A2 222 22 000 00 8 8 −2 −2 -2 −2 −2 6 6 −4 −4 A2 A1B Anomalie/Änderung [°C] Anomalie/Änderung [°C] −4 -4 −4 RCP3PD RCP3PD RCP3PD A1B 4 4 2070-2099 A2 A1B −6 −6 2045-2074 −6 −6 A2 -6 A2 2 2 2020-2049 0 1875 1875 1875 1900 1900 1900 1925 1925 1925 1950 1950 1950 1975 1975 1975 2000 02000 2000 2025 2025 2025 2050 2050 2050 2075 2075 2075 2100 2100 2100 −2 −2 −4 −4 150 150 −6 75 75 75 −6 125 125 [%] 50 [%] 50 1875 1900 1925 1950 1975 50 2000 2025 2050 2075 2100 1875 1900 1925 1950 1975 2000 100 2025 100 RCP3PD Anomalien/Änderungen (%) RCP3PD RCP3PD Niederschlag im Winter RCP3PD Anomalie/Änderung RCP3PD RCP3PD Anomalie/Änderung 75 A1B 25 A1B A1B A2 75 A1B 25 25 A1B A1B A2 A2 A2 A2 A2 50 50 150 00 75 0 125 25 25 Anomalie/Änderung [%] 50 −25 00 -25 100 −25 RCP3PD RCP3PD RCP3PD 75 A1B 25 −25 A1B A1B A2 −50 −25 A2 A2 -50 −50 50 2070-2099 0 −50 −50 A2 −75 -75 25 2045-2074 −75 −75 −75 −25 0 2020-2049 1875 1875 1900 1900 1925 1925 1950 1950 1975 −252000 1975 2000 2025 2025 2050 2050 2075 2075 2100 2100 −50 1875 1900 1925 1950 1975 2000 2025 2050 2075 2100 −50 −75 −75 1875 1900 1925 1950 1975 2000 2025 2050 2075 2100 1875 1900 1925 1950 1975 2000 2025
11 88 Südschweiz 8 66 A2A2 6 A1B [°C] A1B Anomalien/Änderungen (oC)[°C] RCP3PD RCP3PD RCP3PD A1B RCP3PD 44 RCP3PD RCP3PD A2A2 RCP3PD A1B RCP3PD 4 Anomalie/Änderung A1B Anomalie/Änderung Temperatur im Winter A1B A2A2 22 2 00 0 −2 8 8 −2 -2 6 6 −4 A2 A1B Anomalie/Änderung [°C] Anomalie/Änderung [°C] −4 -4 RCP3PD RCP3PD RCP3PD A1B 4 2070-2099 4 A2 −6 A1B 2045-2074 −6 A2 -6 2 2020-2049 2 2100 1875 1900 1925 1950 1975 2000 2025 2050 2075 2100 2100 18750 1875 1900 1900 1925 1925 1950 1950 1975 1975 2000 2000 2025 2025 2050 2050 2075 2075 2100 2100 0 −2 −2 −4 −4 150 150 150 125 125 −6 −6 125 100 100 1875 1900 1925 1950 1975 2000 2025 2050 2075 2100 1875 1900 1925 1950 100 RCP3PD Anomalien/Änderungen (%) Niederschlag im Winter RCP3PD 75 75 75 RCP3PD RCP3PD A1B RCP3PD A2A2 RCP3PD 50 RCP3PD A1B RCP3PD 50 A1B 50 A2A2 A1B A1B 150 A2A2 A1B 25 25 75 25 125 Anomalie/Änderung [%] 00 50 0 100 RCP3PD RCP3PD RCP3PD −25 75 A1B -25 25 A1B A1B A2 −25 A2 A2 −50 -50 50 −50 0 2070-2099 25 −75 -75 2045-2074 −75 −25 2020-2049 0 2100 1875 1875 1900 1900 1925 1925 1950 1950 1975 1975 2000 2000 2025 2025 2050 2050 2075 2075 2100 2100 −25 2100 −50 1875 1900 1925 1950 1975 2000 2025 2050 2075 2100 −50 −75 −75 Abbildung 1 1875 Vergangene und 1900 Entwicklung zukünftige 1925 1950 1975(Dezember im Winter 2000 bis 2025 2050 Februar) 2075 2100 der Temperatur (°C) und des 1875 1900 1925 1950 Niederschlags (%) in der Nordostschweiz (links auf Seite 10) und der Südschweiz (rechts auf Seite 11). Die Abweichungen beziehen sich auf den Referenzzeitraum 1980-2009. Die dünnen farbigen Balken zeigen die jährlichen Abweichungen der Beobachtungen, die dicken schwarzen Linien sind die entsprechenden über 30 Jahre geglätteten Durchschnittswerte. Die graue Schattierung gibt die Spannweite der jährlichen Abweichungen an, wie sie die Klimamodelle für das A1B Szenario prognostizieren (das 5-95 Perzentil für jedes Jahr über den ganzen Modellsatz). Die dicken farbigen Balken zeigen die mittleren Schätzungen der Projektionen in die Zukunft und den damit verbundenen Unsicherheitsbereich für ausgewählte Zeit- räume von 30 Jahren und für drei verschiedene Szenarien von zukünftigen Treibhausgasemissionen.
12 140 140 A1Fl 120 120 A2 100 100 80 80 GtCO2eq/Jahr A1B Abbildung 2 60 60 B2 Globale Emission von B1 A1T Treibhausgasen für unter- 40 40 schiedliche Szenarien, in Gigatonnen CO2-Äquivalent 20 20 pro Jahr; ab 2000 prognos- RCP3PD tizierte Werte. Die drei gewählten Emissions- 00 szenarien von CH2011 1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020 2040 2060 2080 2100 sind fett gezeichnet. 1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020 2040 2060 2080 2100 Allgemein sind die Änderungen der künftigen Temperatur- und Dies ist in Abbildung 1 anhand der Jahr-zu-Jahr-Schwankungen Niederschlagsbedingungen mit Unsicherheiten behaftet. Da die in Klimamodellen für vergangenes und zukünftiges Klima ge- gesellschaftliche Entwicklung nicht vorhergesagt werden kann, zeigt (grau hinterlegter Bereich). Insbesondere wird ersichtlich, müssen die Emissionsszenarien als mögliche Wege unter vielen dass selbst bei einer Erwärmung gemäss dem mittleren A1B- interpretiert werden. Auch für ein spezifisches Szenario ergeben Szenario auch noch in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts sich aus der Methodik, der beschränkten Datenlage und Un- vereinzelt Winter auftreten können, deren Temperaturen nahe bekannten im Klimasystem substantielle Unsicherheiten. Bei- oder sogar unter dem heutigen Referenzwert liegen. Eine signi- spielsweise ist für die Nordostschweiz Ende Jahrhundert unter fikante Änderung in der Jahr-zu-Jahr-Variabilität der Wintertem- Annahme des A1B-Szenarios im Mittel eine Temperaturzunahme peratur ist unter den analysierten Klimamodellen nicht eruierbar: von +3.2°C zu erwarten, aber unter Berücksichtigung der Un- rund die Hälfte der Modelle projizieren eine Zunahme bzw. eine sicherheiten sind durchaus auch Temperaturänderungswerte Abnahme in der Standardabweichung von 30-Jahres-Perioden von +2°C oder aber bis zu +4°C möglich. Zudem bleibt zu be- Ende des Jahrhunderts gegenüber 1980-2009 (nicht gezeigt). achten, dass die genannten mittleren Änderungen für Zeiträume Für die vorliegende Studie treffen wir deshalb die Annahme, dass von 30 Jahren gelten. Sie informieren also über Änderungen die Jahr-zu-Jahr-Variabilität in Zukunft gleich bleibt wie heute. im langjährigen Durchschnitt. Positive und negative jährliche Schwankungen um diesen Mittelwert werden aber nach wie vor Teil des zukünftigen Klimas sein.
2.2 13 Langfristige Entwicklungen von Klimaindikatoren Besonders anschaulich lassen sich die klimatischen Veränderun- gen anhand geeigneter Klimaindikatoren darstellen. Abbildung 3 zeigt die Anzahl Neuschneetage (Tage mit Neuschnee über 1 cm) seit den frühen 1960er-Jahren für eine tief liegende Mess- station (Zürich/Fluntern, 556 m ü.M.) und für eine hoch gele- gene Station in den Alpen (Grimsel Hospiz, 1980 m ü.M.). Beide Verläufe zeigen eine langfristige Abnahme der Neuschneetage über die letzten Dekaden (Scherrer et al. 2004, 2013). Dies wird durch die beiden Trendlinien auch statistisch bestätigt. Grund- sätzlich zeigen alle MeteoSchweiz-Stationen eine Abnahme der Anzahl Neuschneetage seit den frühen 1960er-Jahren. Der Trend ist allerdings nicht in allen Fällen statistisch signifikant. Auffallend ist in beiden Zeitreihen eine hohe Jahr-zu-Jahr- Schwankung in der Anzahl der Tage mit Neuschnee. Zudem wird deutlich, dass sich der langfristige Abwärtstrend in den letzten beiden Jahrzehnten abgeschwächt hat. An der Station Zürich zeigt sich sogar wieder eine leichte Zunahme der Anzahl Neuschneetage seit den frühen 1990er-Jahren. Zürich/Fluntern (1962-2014) Abbildung 3 6060 Beobachteter Verlauf der 60 Hydrologisches Jahr (Oktober bis September) Anzahl Neuschneetage mit weniger als 1 cm Anzahl Neuschneetage an 5050 den Stationen Zürich/ 50 Fluntern (556 m ü.M., oben) 4040 und Grimsel Hospiz 40 (1980 m ü.M., unten) für 3030 das hydrologische Jahr von 30 Oktober bis September des 2020 darauffolgenden Jahres 20 berechnet. Die rote Linie 1010 zeigt die über jeweils 11 10 Jahre geglätteten Verläufe. 00 Die gestrichelte rote Linie 0 1960 1960 1970 1970 1980 1980 1990 1990 2000 2010 2010 widerspiegelt die lineare 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Trendlinie über die Grimsel Hospiz (1965-2011) gesamte Zeitreihe. 140 140 140 Hydrologisches Jahr (Oktober bis September) Anzahl Neuschneetage mit weniger als 1 cm 120 120 120 100 100 100 80 80 80 60 60 60 1960 1970 1980 1990 2000 2010 1960 1960 1970 1970 1980 1980 1990 2000 2010 2010
14 Um Klimaindikatoren auch für zukünftige Klimaszenarien zu Beide Indikatoren sind im Wesentlichen temperaturbasiert: berechnen, wurde mit einem statistischen Verfahren (Zubler Frosttage sind Tage, an denen die Tages-Minimaltemperatur et al. 2014a) und unter Zuhilfenahme von sog. gegitterten Be- kleiner als 0°C ist. Für die Anzahl Neuschneetage wird eine obachtungen von MeteoSchweiz (Frei 2014) eine Vielzahl von Approximation aus täglicher Temperatur und Niederschlag Klimaindikatoren auf einem 2 km-Raster gerechnet. Diese sind verwendet (Zubler et al. 2014b), da nur für diese beiden Vari- für die drei hier gewählten Emissionsszenarien, drei Zukunfts- ablen Szenarien verfügbar sind. Es wurde folgende Definition perioden und drei Unsicherheitsschätzungen verfügbar (Zubler verwendet: Neuschneetage sind Tage, an denen die Mittel- et al. 2014b). Sie dienten auch als Grundlage für den Fachbericht temperatur kleiner als 2°C und der Niederschlag grösser als «Klimaszenarien Schweiz – eine regionale Übersicht» (Meteo- 1 mm ist. Der Ansatz erlaubt eine Abschätzung der räumlichen Schweiz 2013), welcher einen umfassenderen Überblick zu den Verteilung der Neuschneetage auf dem 2 km-Gitter (Zubler klimatischen Veränderungen im Zeitraum 2045-2074 gewährt. et al. 2014b). Ein Vergleich der auf diese Weise abgeschätzten Werte mit den tatsächlich an den Mess-Stationen gemesse- Hier wird auf zwei winter-relevante Klimaindikatoren näher ein- nen Neuschneetagen (d.h. Anzahl Tage mit Neuschneehöhe gegangen: Abbildung 4 zeigt die heutigen und zukünftigen An- ≥ 1 cm) ist in Abbildung 5 gezeigt und bestätigt die Wahl der zahl Neuschneetage und Anzahl Frosttage über der Schweiz in gewählten Approximation. absoluten Werten. Die zukünftige Schätzung gilt unter Annahme des Emissionsszenarios A1B um die Zeitperiode 2045-2074. Neuschneetage Neuschneetage Abbildung 4 Neuschneetage Neuschneetage Neuschneetage 2045-2074 (A1B, 2045-2074 2045-2074 Neuschneetage 1980-2009 Heutige (links) und 1980-2009 1980-2009 medium) 2045-2074 2045-2074 (A1B, medium) zukünftige (rechts) Anzahl 1980-2009 1980-2009 (A1B, medium) 2045-2074 (A1B, medium) (A1B, medium) 1980-2009 Neuschneetage Neuschneetage und (A1B, medium) Frosttage. Die zukünftigen 2045-2074 Indikatorwerte sind für den 1980-2009 (A1B, medium) Zeitraum 2045-2074 unter Annahme von A1B gezeigt (mittlere Schätzung). Quelle: Zubler et al. (2014b) 5 10 20 30 40 60 80 100 120 [Tage] Anzahl AnzahlTage Anzahl Tage mit Neuschnee Tagemit mitNeuschnee Neuschnee Anzahl Tage Anzahl mit Tage Neuschnee mit Neuschnee Frosttage Frosttage Frosttage Frosttage 1980-2009 Anzahl Tage mit Neuschnee 2045-2074 (A1B, medium) Frosttage Frosttage Frosttage Anzahl Tage mit Frost 25 50 100 125 150 200 250 300 350 [Tage] Anzahl AnzahlTage Tagemit mitFrost Frost Anzahl Tage mit Frost Anzahl AnzahlTage mit Tage Frost mit Frost
180 15 Berechnete jährliche Anzahl Neuschneetage an 46 Mess-Stationen der MeteoSchweiz (1980-2009) Abbildung 5 Beobachtete und indirekt abgeschätzte Anzahl Neuschneetage pro Jahr 150 für die Periode 1980-2009 und 46 Stationen der MeteoSchweiz (Begert et al. 2007). Beobachtete 120 Werte sind die Tage mit Neuschneehöhen ≥ 1cm. Die aus Niederschlag und Temperatur abgeleiteten 90 Werte sind Tage mit Mitteltemperatur < 2°C und Niederschlag ≥ 1 mm (vergleiche Text). Die rote 60 Linie entspricht dem 1:1-Verhältnis oder perfekter Übereinstimmung. 30 Quelle: Zubler et al. (2014b) 0 0 30 60 90 120 150 180 Beobachtete jährliche Anzahl Neuschneetage an 46 Mess-Stationen der MeteoSchweiz (1980-2009) Beobachtete jährliche Anzahl Neuschneetage an 46 NBCN-Stationen der MeteoSchweiz (1980-2009) Wie aus Abbildung 4 oben deutlich wird, schneit es in den zen- tralen Hochalpen heute an durchschnittlich über 100 Tagen im Jahr. In den Voralpen sind rund 40 bis 80 Tage mit Schneefall typisch, im Flachland zwischen 10 und 30 Tage. Bis 2060 ist mit einer Abnahme von bis gegen 30 Tagen in den Alpen zu rechnen, wodurch die Zahl der Neuschneetage an vielen Stellen unter 80 sinkt. Im Mittelland wird die Zahl der Tage mit Neu- schnee um 55% bis 75% auf deutlich unter 10 Tage, in den Tieflagen des Tessin sogar auf 0 bis 1 Tag zurückgehen. Mit der erwarteten Temperaturzunahme werden auch die Frosttage abnehmen. In den tieferen Lagen des Mittellandes gibt es heute etwa 80 Frosttage. Entlang der Voralpen werden etwa 120 Tage registriert. In den Alpen gibt es mit Ausnahme einzelner Täler an mehr als einem Drittel aller Tage Frost. Im westlichen Mitteland und im Tessin nimmt die Zahl der Frost- tage bis 2060 auf weniger als 50 Tage in einem Jahr ab. Das entspricht in etwa einer Abnahme gegenüber heute von rund einem Monat. Die grösste absolute Abnahme an Frosttagen mit z.T. über 50 Tagen findet man in den Hochgebirgsregionen.
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3| Auftausalz im Winterdienst heute 3.1 3.2 17 Datengrundlage zu Auftausalz Salzumsatz der Schweizer Salinen AG 3.2.1 Zeitliche Muster Grundlage für diese Studie sind neben den meteorologischen Seit Mitte der 1950er-Jahre beliefern die Schweizer Salinen AG Daten auch monatliche Daten zum Absatz von Auftausalz (in die Schweiz mit Auftausalz. Seither gab es, neben ausgeprägten Tonnen) der Schweizer Salinen AG über die Periode Januar 1997 Jahr-zu-Jahr-Schwankungen, einen langfristigen Trend zu ver- bis Dezember 2013. Die Schweizer Salinen AG verkaufen ver- mehrtem Salzverbrauch (Abbildung 6, rote Linie). Die langfristige schiedene Auftausalzprodukte in verschiedenen Verpackungs- Entwicklung in den Daten ist anthropogener Natur: insbeson- grössen. Diese wurden der Einfachheit halber zusammengefasst. dere spielen die erhöhte Sensibilisierung der Schweizer Bevöl- Die monatlichen Daten der Schweizer Salinen AG sind zudem kerung, der erhöhte Bedarf nach Verkehrssicherheit und auch nach Käufer aufgeschlüsselt. In der Regel sind Ämter, die für der kontinuierliche Ausbau des Schweizer Strassennetzes eine eine politische Region (Gemeinde, Stadt, Kanton) einkaufen, Rolle. Der Einbruch in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren oder Detailhändler mit lokalen Filialen, Bauhandelsfirmen und ist darauf zurückzuführen, dass Auftausalz in dieser Phase aus Verkehrsbetriebe wichtige Kunden der Schweizer Salinen AG. Gründen des Umweltschutzes weniger oft eingesetzt wurde. In der vorliegenden Studie sollen ausschliesslich die wetter- bzw. In den gelieferten Datentabellen der Schweizer Salinen AG sind klimabedingten Abhängigkeiten des Auftausalzverbrauchs ana- diese mit der entsprechenden Postleitzahl indexiert. In den fol- lysiert werden. Aus diesem Grund wird hier nur der Zeitraum genden Unterkapiteln werden zeitliche und räumliche Muster 1997-2013 für die Analyse verwendet, in welchem die oben im Salzumsatz der Schweizer Salinen AG grafisch dargestellt und genannten anthropogenen Einflussfaktoren auf den Verbrauch erläutert. Es wird zudem erklärt, wie die Daten für die Analyse näherungsweise als konstant angenommen werden können und der Beziehung zwischen Klima und Salzumsatz zeitlich und die Unterschiede von Jahr zu Jahr zu einem Grossteil klimato- räumlich aggregiert wurden. logischer Natur sind (wie nachfolgend gezeigt). Absatz Auftausalz (in 1'000 Tonnen) 400 400 Absatz «Auftausalz» (in 1000 Tonnen) Abbildung 6 Jährlicher Salzumsatz 350 350 1956-2011 in 1000 Tonnen. 300 300 Quelle: Schweizer Salinen AG, 250 250 http://www.salz.ch/wp-content/up- 200 loads/pdfs/Infoblatt_saldome2.pdf 200 150 150 100 100 Trend 50 50 00 1956 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 2008 2011 1956 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 2008
18 Betrachtet man den Jahresgang des gesamtschweizerischen Salzumsatzes der Schweizer Salinen AG (Abbildung 7), stellt man fest, dass Salz nicht nur im Winter – also während der Akutphase – eingekauft wird, sondern dass auch während den Sommermonaten beträchtliche Einkäufe getätigt werden. In den meisten Kantonen verläuft ein typisches «Salzjahr» wie folgt: ab Oktober, wenn die ersten Tage mit Neuschnee auftreten können, wird vermehrt Salz eingekauft, um bei allfälligen Neu- schneetagen mit der Strassenräumung beginnen zu können. Am meisten Salz wird in der Akutphase von Dezember bis Februar nachgefragt (Abbildung 7). Am Ende des Winters – in den Monaten März, April – sind die Lager der meisten kanto- nalen und städtischen Behörden fast oder ganz geleert. Diese Lagerbestände werden in den Folgemonaten, also während des Sommers, wieder aufgefüllt. Jahresgang des Salzumsatzes Abbildung 7 Tonnen](in 1000 Tonnen) Gesamtschweizerischer 1997 2000 2003 2006 2009 2012 80 80 1998 2001 2004 2007 2010 2013 Salzumsatz der Schweizer 1999 2002 2005 2008 2011 Salinen AG im Jahresgang von Januar bis Dezember. des Salzumsatzes Die farbigen Linien reprä- 60 60 sentieren die einzelnen Jahresgang[1000 Jahre von 1997 bis 2013. In den Jahren 1997 und 1998 40 fehlen die Daten des Kanton 40 Salzverkauf Waadt, da für diesen Kanton nur 1999 bis 2013 zur Verfügung standen. Waadt 20 20 bezieht seinen Auftausalz als einziger Kanton von der Saline in Bex VD. 0 0 JAN FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ J F M A M J J A S O N D Monat Ein typisches «Salzjahr» n verläuft also von Oktober des Kalen- derjahres n bis September des darauffolgenden Kalenderjahres (n+1). Über diesen Zeitraum werden die monatlichen Salzum- satzmengen der Schweizer Salinen AG in dieser Studie summiert. Es ergeben sich somit jährliche Umsatzmengen für Salzjahre von 1997 bis 2012 (das letzte Salzjahr 2012 beginnt im Oktober 2012 und endet im September 2013).
3.2.2 Regionale Aufteilung 19 Zur regionalen Quantifizierung der Auftausalzverbräuche und deren Zusammenhang mit dem Klima wurden sämtliche Ein- käufe in der vorliegenden Studie kantonal aggregiert. Die An- nahme, dass eingekauftes Auftausalz nicht über die Kantons- grenzen hinaus gestreut wird, ist gemäss den Erfahrungen der Schweizer Salinen AG gerechtfertigt. Abbildung 8 zeigt den jährlichen Salzumsatz auf Kantonsebene gemittelt über den Zeitraum 1997-2012. Der Umsatz ist sehr ungleich verteilt. Als grösste Salzverbraucher gehen die Kantone Zürich, Bern und Waadt hervor, gefolgt von den Gebirgskan- tonen Wallis und Graubünden. Die geringsten Salzumsätze ergeben sich für die Kantone Ob- und Nidwalden, Appenzell Innerrhoden und Glarus. Der Kanton Zürich alleine verbraucht im Mittel mehr Salz als die 11 Kantone am unteren Ende der Skala zusammengenommen. Die sechs umsatzrelevantesten Kantone zusammen sind für mehr als die Hälfte des Salzum- satzes der Schweizer Salinen AG verantwortlich. Auf welchen spezifischen Strassen und in welchem Umfang letztendlich genau gesalzen wird, ist nicht bekannt. Wie die Strassen in der vorliegenden Studie aber berücksichtigt werden und wie die Beziehung zum Klima hergestellt wird, erklärt das folgende Kapitel. Abbildung 8 Mittlerer jährlicher Salzumsatz (1000 Tonnen) Mittlerer Salzumsatz pro Salzjahr und Kanton über Mittlerer jährlicher Salzumsatz [1000 Tonnen] 2525 den Zeitraum 1997-2012 (in 1000 Tonnen). 2020 1515 1010 55 00 Zürich Bern Waadt Wallis Graubünden Gallen Aargau Freiburg Luzern Tessin Solothurn Thurgau Schwyz Neuenburg Basel-Landschaft ZGZug JUJura Appenzell Ausserrhoden URUri Genf Schaffhausen Basel-Stadt Obwalden Nidwalden Appenzell Innerrhoden Glarus ZH BE VD VS GR St. SG AG FR LU TI SO TG SZ NE BL AR GE SH BS OW NW AI GL
20 3.3 Zusammenhang Salzverbrauch und Klima Strassen werden primär während oder unmittelbar nach Schnee- vier Kantonen dargestellt. Für die Mittellandkantone liegt dieser fällen gesalzen. Dementsprechend ist zu erwarten, dass der Salz- Wert in fast allen Fällen über 0.8, was einer sehr hohen Korrela- umsatz in einem Kanton stark mit der Anzahl Neuschneetage kor- tion entspricht. In diesen Fällen erklären Neuschneetage die Ent- reliert. Um dies zu untersuchen, wurde die Anzahl Neuschneetage wicklung im Salzumsatz sehr gut. Wie die Abbildung zeigt, sind über dieselbe Aggregationsperiode wie das Salzjahr ausgewertet. für Kantone wie Basel-Landschaft und Zürich sogar die langfris- tigen positiven Trends im Salzumsatz durch die im Stichproben- Die Beziehung zwischen Neuschneetagen und dem Salzumsatz zeitraum 1997-2012 wieder etwas schneereicher gewordenen wurde für alle Kantone separat mittels Streudiagrammen und Winter zu erklären (siehe auch Abbildung 3). einer Pearson-Korrelation untersucht. Der resultierende Kor- relationskoeffizient («R») kann zwischen -1 und 1 liegen. Eine Nur in wenigen Kantonen ergibt sich kein gesicherter Zusam- Korrelation von 1 entspricht einer perfekten Korrelation (exakt menhang zwischen den Neuschneetagen und dem Salzver- gleicher zeitlicher Verlauf der beiden verglichenen Grössen), -1 brauch: in diesen Fällen liegt die Korrelation zwischen Salzum- bedeutet eine perfekte Antikorrelation. Ein Wert von 0 würde satz und Anzahl Neuschneetage pro Salzjahr um R = 0.5 oder bedeuten, dass Schwankungen der beiden Vergleichsgrössen leicht darunter. In den zwei umsatzstarken Bergkantonen Wallis keinen Bezug zueinander haben. Der genaue Wert des Kor- und Graubünden ergeben sich ebenfalls verhältnismässig tiefe relationskoeffizienten ist mit Unsicherheiten behaftet, welche Werte um 0.5, wie Abbildung 9 zeigt. Zwar werden in diesen bei kleiner Stichprobe grösser wird. Bei einer Stichprobe von Kantonen die Jahr-zu-Jahr-Schwankungen im Salzumsatz eben- 16 Punkten, wie in dieser Studie (1997-2012), spricht man ab falls gut mit der Anzahl Neuschneetage erklärt, aber die erkenn- einem Koeffizienten von über 0.5 bzw. unter -0.5 von einem bare langfristige Zunahme des Salzverbrauchs kann nicht mit der signifikant positiven bzw. negativen Zusammenhang. Anzahl Neuschneetage erklärt werden, diese unterschiedlichen Trends verringern die Korrelation. Es ist deshalb anzunehmen, Die Resultate der Korrelationsanalyse zeigen in beinahe allen Kan- dass vor allem in den Bergregionen ein nicht klimatisch bedingter tonen einen markanten und signifikant positiven Zusammenhang langfristiger Anstieg des Salzbedarfs festzustellen ist. Wie sich zwischen der Anzahl Tagen mit Neuschnee und dem kantonalen dieser Trend weiterentwickelt, kann im Rahmen dieser Studie Salzumsatz. In Abbildung 9 sind exemplarisch die Resultate von nicht beantwortet werden. Abbildung 9 Basel-Landschaft R = 0.93 Zürich R = 0.89 2 Standardisierte Werte Standardisierte Zeit- reihen der Periode 1997- 2012 von Salzumsatz und 1 Neuschneetagen kantonal aggregiert, exemplarisch 0 für die Kantone Basel-Land- schaft (BL), Zürich (ZH), -1 Wallis (VS) und Graubünden (GR). Der Korrelationskoef- -2 fizient R ist ein Mass für die 2000 2005 2010 2000 2005 2010 Ähnlichkeit der Zeitreihen. Rote Linien: Neuschnee- Wallis R = 0.54 Graubünden R = 0.49 tage, schwarze Linien: Salz- 2 umsatz. Die Werte wurden für einen direkten Vergleich 1 standardisiert (Abzug des jeweiligen Mittelwerts und 0 Normierung mit jeweiliger Standardabweichung). -1 So werden die Daten einheitenfrei. -2 2000 2005 2010 2000 2005 2010
21 Aus der Erkenntnis der allgemein hohen Korrelationen zwischen Gitterboxen in Höhenstufen mit grosser Strassenfläche erhalten der Anzahl Neuschneetage (Nk) und dem Salzumsatz (Sk) wird also ein höheres Gewicht als solche mit geringer Strassenfläche. eine lineare Beziehung auf Kantonsebene (k) hergeleitet: Das Gewicht ist demnach proportional zur Strassenfläche. Als konzeptionelles Beispiel seien hier die Kantone Aargau und Sk = ak Nk + bk + e Graubünden qualitativ verglichen: Hierbei entspricht ak dem linearen Regressionskoeffizienten – Im Kanton Aargau liegen die grössten Ballungsräume und (Salzumsatz/Neuschneetag). Der statistische Fehlerterm wird Agglomerationen zwischen 400 und 500 m ü.M. entlang mit e bezeichnet. Für den spezifischen Fall, dass kein Neu- dem Jurasüdfuss zwischen Aarau und Baden. In dieser schneetag in einem Jahr auftritt (also Nk = 0), entspricht der Höhenstufe finden sich die meisten Strassen des Kantons Erwartungswert des Salzumsatzes bk («Achsenabschnitt»). Die Aargau. Dementsprechend werden Gitterboxen innerhalb statistische Analyse zeigt jedoch, dass sich dieser Achsenab- des Kantons zwischen 400 und 500 m ü.M. am stärksten schnitt in keinem Kanton signifikant von Null unterscheidet. Aus gewichtet; Neuschneetage, welche in diesen Gitterboxen diesem Grund wird er im linearen Modell weggelassen und anfallen, erhalten das grösste Gewicht bei der räumlichen die Beziehung zwischen Neuschneetagen (Nk) und Salzumsatz Mittelung. Schliesslich hat der Aargau nur wenige Strassen (Sk) reduziert sich auf: oberhalb von 600 m, weshalb diesen Höhen bei der Mit- telung kaum noch Gewicht zugesprochen wird. Sk = ak Nk + e – Im Kanton Graubünden liegen die bevölkerungsreichsten Es wird also die Annahme getroffen, dass Neuschneetage auf- Orte im Tal zwischen Landquart, Chur und Thusis. Analog treten müssen, damit Salz auch tatsächlich verbraucht wird. zur Situation im Kanton Aargau werden diese Regionen stark gewichtet. Nun gibt es aber im Kanton Graubünden viele Die mittleren kantonalen Neuschneetage berechnen sich aus wichtige Strassen im Engadin, im Prättigau und anderen Tä- den Neuschneetagen auf dem 2-km Gitter des jeweiligen lern; zusätzlich gibt es Passstrassen, welche diese Täler mit Kantons. Um die Neuschneetage über einem spezifischen der Region Chur verbinden. Deshalb wird in einem Kanton Kantonsgebiet zu aggregieren, werden die Gitterboxen nach wie Graubünden auch weiter oben liegenden Gitterboxen ihrem Anteil an der kantonalen Gesamtfläche an Strassen ge- ein gewisses – wenn auch eher kleines – Gewicht zuge- wichtet. Spezifisch wird für jeden Kanton in Höhenstufen von sprochen. 100 m der Anteil an der kantonalen Gesamtfläche an Strassen bestimmt. Die Strassenfläche pro Kanton wurde aus dem Daten- satz «swissTLM3D» der Landestopographie hergeleitet. Als zu salzende Wege wurden alle Strassenkategorien von 3 m bis 10 m Breite, Autostrassen, Autobahnen, Plätze, Zu-, Ein- und Aus- fahrten sowie Brücken berücksichtigt. Nicht in die Berechnung einbezogen wurden bedeckte Strassenabschnitte wie Tunnels oder Galerien, ebenso wie nicht befahrbare Wege.
22 3.4 Salzumsatz pro Neuschneetag Abbildung 10 zeigt die kantonalen Salzumsätze pro Neuschnee- Neuschneetag einzusetzen. Es ergeben sich auch für die Alpen- tag (wobei die jeweiligen Neuschneetage gemäss der oben kantone Wallis und Graubünden erstaunlich bescheidene Um- beschriebenen Methode kantonal gemittelt wurden), sortiert satzzahlen pro Neuschneetag. Dies könnte darauf hindeuten, vom grössten zum kleinsten Umsatz. Die Unsicherheit dieser dass in diesen Kantonen grössere Strassenabschnitte gar nicht Schätzungen (Konfidenzintervall von ak) wird durch die vertikalen gesalzen oder zumindest nicht zwingend schwarzgeräumt Linien verdeutlicht. Für die Gesamtschweiz wird der Salzver- werden. In Regionen mit hohem Verkehrsaufkommen wie den brauch pro Neuschneetag auf über 10‘000 Tonnen geschätzt, Kantonen Zürich, Waadt, Aargau und Bern wird vermutlich viel wobei die Kantone Zürich, Waadt, Bern und Aargau die höchsten öfter schwarzgeräumt und damit viel Salz pro Neuschneetag Werte aufweisen (mehr als 700 Tonnen pro Neuschneetag). ausgetragen. Dies wiederspiegelt die hohe Bevölkerungsdichte und die hohe Strassenflächendichte in diesen Kantonen. Kaum ins Gewicht Die Unsicherheiten in den gezeigten Schätzungen sind relativ fallen kleine Voralpenkantone wie Obwalden, Nidwalden, Glarus klein und wiederspiegeln die hohe Korrelation zwischen Neu- und Appenzell Innerrhoden. Selbst Uri, ein Kanton mit grossen schneetagen und dem Salzumsatz. Dies hängt auch mit der Autobahnflächen, scheint verhältnismässig wenig Salz pro Wahl des statistischen Modells zusammen, resp. mit der Be- dingung, dass der Salzumsatz null ist, wenn kein Schnee fällt. Abbildung 10 Salzumsatz pro Neuschneetag (Tonnen) Geschätzter Salzumsatz in Tonnen pro Neuschneetag (linearer Regressions- 1500 1500 Salzumsatz [Tonnen]/Neuschneetag koeffizient ak), aufge- schlüsselt nach Kantonen. Die vertikalen Linien zu jedem Balken zeigen den Unsicherheitsbereich 1000 1000 (95%-Konfidenzintervall) der Schätzung an. 500 500 00 Zürich Waadt Bern Aargau Tessin St. Gallen Freiburg Wallis Luzern Thurgau Graubünden Solothurn Genf Basel-Landschaft Schwyz Basel-Stadt Neuenburg Zug Jura Schaffhausen Appenzell Ausserrhoden URUri Nidwalden Obwalden Glarus Appenzell Innerrhoden OW ZH VD BE AG GL TI SG FR VS LU TG GR SO GE BL SZ BS NE ZG JU SH AR NW AI
23 Normiert man den Salzverbrauch pro Neuschneetag zusätzlich erklären, warum die Werte in Abbildung 11 meist höher sind mit der Strassenfläche, kann damit ein Mass für die Zahl der als 5-20 g/m2. Besonders in den Stadtkantonen scheinen im Einsätze und den Bedarf nach Schwarzräumung abgeleitet Mittel häufigere Einsätze pro Strassenabschnitt durchgeführt zu werden (Abbildung 11). Durch die Normierung lässt sich der werden. Das ist angesichts des vermutlich sehr hohen mittleren Salzverbrauch in g/m2 angeben, was einen direkten Vergleich Verkehrsaufkommens pro Strassenabschnitt nicht erstaunlich. mit der heute gültigen Empfehlung für den Salzverbrauch pro Zudem könnte im Gegensatz zu Voralpen- und Alpenkantonen Einsatz erlaubt. Letztere liegt bei heutiger Salzqualität je nach in Städten ein grösserer Bedarf nach Schwarzräumung bestehen. Witterung bei 5-20 g/m2 pro Einsatz (www.salz.ch). Schneit es an einem Neuschneetag anhaltend, können mehrere Einsätze auf An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass die exakte Strassenfläche, dem gleichen Abschnitt für eine Schwarzräumung notwendig sein. die gesalzen wird, nicht bekannt ist. Auch die Zahl der Einsätze Auch nach dem Schneefall sind Salzeinsätze denkbar, z.B. zur pro Abschnitt liegt nicht vor. Dementsprechend handelt es sich Verhinderung von gefrierendem Schmelzwasser. Die Notwen- hier um grobe Abschätzungen. Die tatsächlichen Werte können digkeit von mehreren Einsätzen pro Schneefallereignis dürfte von den hier gezeigten dementsprechend abweichen. Salzverbrauch pro Neuschneetag und Strassenfläche Abbildung 11 Salzverbrauch pro Neuschneetag und Strassenfläche (g/m2) Ähnlich wie Abbildung 10, 8080 aber zusätzlich normiert mit der kantonalen Strassenfläche. Wichtig: die berechneten Werte sind 6060 Schätzungen und können Salzverbrauch [g/m2] von den tatsächlichen Werten (unbekannt) abweichen, da nicht klar ist, welche Strassen wie 4040 oft gesalzt wurden pro Neuschneetag. Heutige Empfehlungen für den Salz- verbrauch beim Ausstreuen 2020 liegen ungefähr zwischen 5-20 g/m2 pro Einsatz für eine Schwarzräumung. 00 Basel-Stadt Zug Tessin Zürich Freiburg Genf Appenzell Ausserrhoden Waadt Schaffhausen Schwyz Luzern Basel-Landschaft Aargau St. Gallen Solothurn Thurgau Wallis Neuenburg URUri Nidwalden Bern Graubünden Jura Appenzell Innerrhoden Obwalden Glarus BS ZG TI ZH FR GE AR VD SH SZ LU BL AG SG SO TG VS NE OW NW BE GR JU AI GL Kantone
24 Der Pro-Kopf-Verbrauch von Auftausalz pro Neuschneetag be- läuft sich auf etwa 1.3 kg im Durchschnitt über alle Kantone für die ständige Wohnbevölkerung (Quelle für kantonale Bevölke- rungszahlen: Bundesamt für Statistik BFS). Abbildung 12 zeigt den Pro-Kopf-Verbrauch für jeden Kanton. Über diesem Durch- schnitt liegen u.a. Transitkantone mit wichtigen Autobahnen wie das Tessin und Uri, sowie eher grosse ländliche Kantone mit verhältnismässig geringer Bevölkerungsdichte. Die städtischen Kantone mit grosser Wohnbevölkerung wie Zürich, Aargau, Bern und Basel-Stadt liegen unterhalb des Durchschnitts. Salzumsatz pro Neuschneetag und Kopf Abbildung 12 Salzumsatz pro Neuschneetrag und Kopf (kg) Geschätzter kantonaler Salzumsatz pro Neuschnee- Salzumsatz pro Neuschneetag und Kopf [kg] tag und Kopf der ständigen 2.0 2.0 Wohnbevölkerung. Quelle für Bevölkerungszahlen: STATPOP (cc-d-01.02.01.01.11.02), 1.51.5 Bundesamt für Statistik BFS, 2013 1.01.0 0.5 0.5 0.00 Tessin Freiburg Jura Graubünden URUri Wallis Schaffhausen Appenzell Ausserrhoden Waadt Thurgau Zug Schwyz St. Gallen Solothurn Aargau Luzern Zürich Neuenburg Basel-Stadt Bern Basel-Landschaft Nidwalden Appenzell Innerrhoden Obwalden Genf Glarus TI FR JU GR VS SH AR VD TG ZG SZ SG SO OW AG LU ZH NE BS BE BL NW AI GE GL
3.5 25 Einflüsse weiterer Klimagrössen auf den Salzumsatz Im Rahmen dieser Studie wurden neben Neuschneetagen auch noch weitere Einflussfaktoren auf den Salzumsatz untersucht. Insbesondere der Einfluss von Frosttagen (Tagesminimumtem- peratur unter 0°C) wurde überprüft. Hierbei wurde festgestellt, dass kantonal gemittelte Frosttage auch relativ gut mit dem Salzumsatz korrelieren, allerdings in keinem Kanton besser als die Neuschneetage. Dies ist damit zu begründen, dass Neu- schneetage auch oft Frosttage sind (und umgekehrt): Tage mit einem Temperaturminimum unter 0°C haben meist auch eine mittlere Temperatur unter 2°C. Schliesst man trockene Frosttage (Tagesminimumtemperatur unter 0°C, aber kein Niederschlag in Form von Schnee oder Eisregen) als zusätzlichen erklärenden Faktor in unser Regressionsmodell ein, ist statistisch kein Mehr- wert zu erkennen. Die daraus resultierende Information ist also redundant (hier nicht weiter ausgeführt). Diese Erkenntnis stimmt qualitativ mit den Resultaten einer Studie der Stadt Bern überein (Schneider, Tiefbauamt Stadt Bern, 2013). Schneefall- oder Eisregentage (in Neuschneetagen enthalten) erklären also den grössten Teil der Schwankungen in der Jahr für Jahr umgesetzten Salzmenge. Frosttage ohne Niederschlag dürften nur dann von Bedeutung für den Winterdienst sein, wenn sie auf Neuschneetage folgen. Dies wurde hier nicht im Detail untersucht. In künftigen Studien ähnlicher Art könnten solche Bedingungen ebenfalls berücksichtigt werden.
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