Auslandssemester an der Universität Leiden (Wintersemester 2017/2018) - Universität Göttingen

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Auslandssemester an der Universität Leiden (Wintersemester 2017/2018) - Universität Göttingen
Erasmus-Erfahrungsbericht                                            Göttingen, den 01.05.2018

Auslandssemester an der Universität Leiden
(Wintersemester 2017/2018)
Auswahl und Vorbereitung

Nach der Entscheidung ein Erasmus-Auslandssemester zu absolvieren war mir lange unklar in
welches Land und in welche Stadt es denn gehen sollte. Sprachlich kamen mehrere Orte in Frage und
auch mein Interesse galt verschiedenen Universitäten in Europa. Schließlich entschied ich mich für
die Universität Leiden in den Niederlanden als Erstwahl, die ich dann auch erhielt. Der nahgelegene
Wortwitz sei an dieser Stelle ausgespart.

                                       Relevant waren letztlich der gute Ruf und die lange
                                       Geschichte der Universität Leiden, das breite Kursangebot,
                                       die Unterrichtssprache Englisch und das Interesse an den
                                       Niederlanden, die, so sollte ich noch lernen, trotz der Nähe
                                       zu Deutschland in vielen Hinsichten Unterschiede aufwies.
                                       Nicht zu vergessen       der Motivationsgrund in einem -
                                       klimatisch bedingt - dem Untergang geweihten Land zu
                                       studieren.

                                       Die administrative Vorbereitung in Göttingen, im Kontakt
                                       mit dem Leidener Studienbüro verlief überraschend
                                       reibungslos, sodass ich das Learning Agreement frühzeitig
                                       abheften konnte. Nur vor Ort musste ich, da Kurse
                                       kollidierten, noch ein paar Veränderungen vornehmen, was
                                       allerdings ebenfalls ohne Probleme möglich war.

Da die Unterrichtssprache Englisch sein sollte und auch der Alltag in den Niederlanden mit Englisch
überaus gut zu meistern ist, entschied ich mich keinen Sprachkurs im Niederländischen zu besuchen
oder mich anders in das Niederländische einzuarbeiten. Die Universität Leiden bietet jedoch für
Interessierte Sprachkurse an, die nach Bestehen des ersten Niveaus (online) gegen Gebühr
zugänglich sind. Grundsätzlich ist, dies wohl allgemein bekannt, das Niederländische dem Deutschen
nicht fern, weshalb das Erlernen nicht besonders schwierig ist. Notwendig ist es jedoch nicht, auch
wenn es als Zeichen des Respekts, und deshalb bedauere ich meine Entscheidung ein wenig,
angemessen ist.

Um eine Wohnung kümmerte ich mich unglücklicherweise unzureichend bzw. zu spät, weshalb ich an
dieser Stelle allen Nachfolger*innen raten möchte entweder frühzeitig privat auf die Suche zu gehen
(bspw. über Facebook) oder sich vor Ablauf der Frist (!) für einen Platz in einem der Wohnheime der
Universität zu bewerben, wobei es keine Garantie für ein Zimmer gibt. In beiden Fällen ist mit sehr
hohen Wohnkosten zu rechnen. Ich selbst kam, da ich mit einem breiteren Angebot rechnete und
dann enttäuscht wurde, zunächst über Couchsurfing unter und fand dann durch Zufall und großes
Glück nach drei Tagen ein Zimmer zur Untermiete im Norden der Stadt.
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Die Anreise von Göttingen tätigte ich mit der Bahn über Hannover und Amsterdam.
In Leiden begann dann Ende August, eine Woche vor Semesterbeginn, die Orientierungsphase.

Orientation Week Leiden (OWL)

Die Orientierungsphase in Leiden ähnelte in gewisser Weise der in Göttingen insofern, als dass es
darum ging Leute kennenzulernen und Alkohol zu konsumieren. Allerdings geschah dies in Leiden in
deutlich weniger stumpfer Art.

Die Universität, die Fakultät und einige
Professor*innen stellten sich vor und gaben einen
ersten Einblick in die Geschichte und das Leitbild
der Universität ("libertatis praesidium"). Zudem
wurden allerhand Informationen rund um das
Studium und Leben in Leiden gegeben, um einen
reibungslosen Start zu ermöglichen. Auch zur
niederländischen Kultur, Lebensart sowie Sprache
gab es einige (tw. stereotypisierte) Einführungen.
Ob Vorurteil bedienend oder nicht, jedenfalls ein
praktisches Muss, konnte man während der
Orientierungsphase auch ein Fahrrad zu relativ
günstigen Preisen erwerben.

Das wichtigste war selbstverständlich andere Studierende kennenzulernen, wozu es bei
Kennlernspielen, einem kleinen Festival, einer Bootstour und Erkundung der "Leidener Clubszene"
Möglichkeit gab. Bei sehr gutem Wetter hatten wir so eine sehr spannende und unterhaltsame erste
Woche, bei der ich auch die Stadt schon etwas kennenlernte.

Stadt

Wahrscheinlich wird man Leiden nicht gerecht, wenn man es als Klein-Amsterdam bezeichnet, denn
eigentlich ist es mehr als das und mehr als ein ruhigerer Vorort der Metropole, in dem viele reiche
Amsterdamer*innen und Haager*innen leben und täglich in die beiden umliegenden Städte pendeln.
Aber die Bezeichnung kann zumindest ein erstes Bild davon entstehen lassen wie es in Leiden
aussieht.

                                                     Durch die Innenstadt, die von einem größeren
                                                     Kanal umrundet wird, ziehen sich viele kleinere
                                                     und größere Kanäle. Auf diesen fahren bei
                                                     schönem Wetter viele Bewohner*innen der
                                                     Stadt in Booten umher und an den Kanälen
                                                     rollt man täglich auf dem Drahtesel sehr
                                                     idyllisch zur Universität, zur Bar oder in einen
                                                     der vielen Parks. Jeden Samstag ist am
                                                     Hauptkanal der große Markt, auf dem sich alles
                                                     Mögliche, ja auch viel Käse, kaufen lässt.
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Auch sonst ist Leiden sehr belebt. Es scheint, trotz der gleichen Einwohner*innenzahl wie Göttingen
deutlich größer. Es gibt viele Geschäfte, Cafés sowie Bars und lädt ein länger durch die Innenstadt zu
schlendern. Etwa eine halbe Stunde mit dem Fahrrad entfernt liegt die Nordsee, an die man an den
letzten schönen Herbsttagen auf jeden Fall einmal radeln sollte. Auch sonst gibt es um Leiden herum
neben den beiden großen Städten Amsterdam und Den Haag einiges zu sehen.

Prägend in Leiden ist aber wohl die Universität, die im Jahr 1575 gegründet wurde und somit die
älteste Universität in den Niederlanden ist.

                                                       Universität

                                                       Die Gebäude der Universität, die auch einen
                                                       Campus in Den Haag hat, finden sich in Leiden
                                                       beinahe an jeder Ecke und viele von diesen
                                                       sind wirklich sehenswert. Die Sternwarte und
                                                       das Kamerlingh Onnes Gebäude (KOG), die
                                                       beide von der juristischen Fakultät genutzt
                                                       werden, gehören auch zu diesen.

                                                      Die Universität Leiden lebt auch von ihrer
                                                      langen Tradition und Geschichte. Viele große
Namen gingen hier einst ein und aus und auch heute ist die Universität noch hoch angesehen. Ein
bekannter Rechtsphilosoph, der hier tätig war, ist Hugo Grotius, der als einer der Wegbereiter oder
Grundlagengeber des Völkerrechts gilt. So ist auch das Institut für Internationales Recht nach Grotius
benannt. Die juristische Fakultät zeichnet sich insgesamt durch ihre Vielfalt an Instituten und
interdisziplinären Forschungseinrichtungen aus.

Dies zeigt sich auch an der Breite der angebotenen Kurse. Neben
eher klassischen Kursen zum Europa- und Völkerrecht wurden
auch Kurse zum altägyptischen Recht sowie zum Verhältnis von
Gender und Recht angeboten. Ich selbst versuchte stark in die
Breite zu gehen und die Freiheit des Auslandssemesters
auszukosten. So wählte ich die Kurse European Migration Law,
International Relations and Organizations und Global Economy für
den ersten Block (das Semester in Leiden ist in zwei Blöcke geteilt)
sowie Law in Action, History of European Public Law und Law und
Development and Innovation in China.
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Vor allem die letzteren beiden Kurse waren überaus
                                                 spannend und im Vergleich zu den anderen Kursen,
                                                 die alle speziell für internationale Studierende
                                                 angeboten       wurden,    auch    anspruchsvoller.
                                                 Rechtsvergleichend die Geschichte des öffentlichen
                                                 Rechts in mehreren europäischen Staaten und
                                                 darüber hinaus des internationalen Rechts an einem
                                                 Fallbeispiel zu betrachten war sehr interessant und
                                                 lehrreich. Der Kurs zu China brachte neben tiefen
                                                 Einblicken in die chinesische Geschichte, dem
                                                 Verhältnis von Recht und Politik und insbesondere
in das chinesische Wirtschaftsrecht auch vertiefte Grundlagen im IPL.

Die Kurse fanden stets in angenehmer Atmosphäre in der Sternwarte oder im Kamerlingh Onnes
Gebäude statt, die beide sehr modern eingerichtet sind. Viele Dozent*innen pflegen einen sehr
persönlichen Umgang mit den Studierenden, was ich als motivierender und auch respektvoller
empfunden habe. Es wurde immer viel diskutiert und die Kurse wurden teilweise interaktiv gestaltet.

Im KOG gibt es auch eine Mensa und ein Café, wo man Kleinigkeiten zum Essen und Trinken kaufen
kann. Die Bibliothek bietet ebenfalls ein gutes Lernumfeld und man kann auf eine breite Literatur
analog oder online zugreifen.

Die übrigen Kurse konnten meine Erwartungen nicht wirklich erfüllen und waren leider eher
durchschnittlich. Dadurch blieb allerdings viel Zeit für andere Aktivitäten abseits der Universität.

Freizeit

Für Freizeitaktivitäten hat Leiden sehr viel zu bieten.
Wenn die Tage kälter werden und man nicht mehr am
Strand sitzen kann, finden sich in Leiden selbst und
auch in den nahen Städten allerhand. Ich selbst war
öfters in Amsterdam, Rotterdam und Den Haag, die alle
mit der Bahn sehr gut und schnell zu erreichen sind. In
Den Haag sollte man sich unbedingt den Friedenspalast
anschauen. In den Ferien zwischen den beiden Blöcken
bietet es sich an länger zu verreisen und so war ich mit
ein paar Freund*innen in Belgien unterwegs. Aber auch
nach Frankreich ist es natürlich nicht weit.

In Leiden kann viel Zeit in den unterschiedlichen Bars verbringen oder in den ein oder anderen Club
gehen, wobei Amsterdam für letzteres deutlich besser geeignet ist. Vom International Student
Network werden auch regelmäßig Veranstaltungen und Ausflüge für internationale Studierende
organisiert, auf denen man schnell neue Leute kennenlernt.

Etwas schwierig ist es teilweise mit niederländischen Studierenden in Kontakt zu kommen, da eher
exklusive Verbindungen eine große Rolle spielen, in die man nicht ohne weiteres aufgenommen wird
oder vielleicht garnicht aufgenommen werden möchte. Ich persönlich hatte u.a. deshalb vor allem
mit internationalen Studierenden zu tun.
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Niederländer*innen kann man aber beim Sport kennenlernen. Hierzu bietet sich das Sportzentrum
an, das etwas außerhalb der Stadt liegt. Dort gibt es ein Fitnessstudio, Fitnesskurse und auch
Sportarten wie Fußball, Hockey etc. werden angeboten.

Fazit

Insgesamt bin ich sehr froh für mein Erasmus-Semester
nach Leiden gegangen zu sein. Ich habe viele tolle
Freund*innen gefunden mit denen ich nach wie vor in
Kontakt stehe. Auch Leiden als Stadt hat mir sehr gut
gefallen und ich habe dort viel erleben können. Akademisch
war Leiden leider abgesehen von den zwei erwähnten
Kursen eher enttäuschend. Aber wahrscheinlich ist dies
eine Eigenart der Erasmuskurse im generellen.

Obwohl ich vorher schon überzeugter Europäer war,
möchte ich betonen, dass Erasmus diese Haltung natürlich
noch einmal bestätigt hat und die vielen Diskussionen um
Brexit, Katalonien und die Zukunft Europas sehr
bereichernd waren.
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