AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT ASERBAIDSCHAN - WKO
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2 Eine Information des Außenwirtschaftscenters Istanbul W wko.at/aussenwirtschaft/tr Wirtschaftsdelegierter Mag. Georg Karabaczek T +90 212 211 14 76 E istanbul@wko.at W wko.at/aussenwirtschaft/az HEAD OFFICE Mag. Cosima Steiner, MSc T +43 5 90 900/4442 E aussenwirtschaft.osteuropa@wko.at fb.com/aussenwirtschaft twitter.com/wko_ac_ist linkedIn.com/company/aussenwirtschaft-austria youtube.com/aussenwirtschaft flickr.com/aussenwirtschaftaustria www.austria-ist-ueberall.at Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die Rechte der Verbreitung, der Vervielfältigung, der Übersetzung, des Nachdrucks und die Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege durch Fotokopie, Mikro- film oder andere elektronische Verfahren sowie der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, der Wirtschaftskammer Österreich - AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA vorbehalten. Die Wie- dergabe mit Quellenangabe ist vorbehaltlich anders lautender Bestimmungen gestattet. Es wird darauf hingewiesen, dass alle Angaben trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr erfolgen und eine Haftung der Wirtschaftskammer Österreich - AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA ausgeschlossen ist. Darüber hinaus ist jede gewerbliche Nutzung dieses Werkes der Wirtschaftskammer Österreich - AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA vorbehalten. © AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA DER WKÖ Offenlegung nach § 25 Mediengesetz i.d.g.F.: Herausgeber, Medieninhaber (Verleger) und Hersteller: WIRTSCHAFTSKAMMER ÖSTERREICH / AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA Wiedner Hauptstraße 63, Postfach 150, 1045 Wien Redaktion: AUSSENWIRTSCHAFTSCENTER ISTANBUL | T +90 212 211 14 76 | F +90 212 212 01 33, E istanbul@wko.at | W wko.at/aussenwirtschaft/tr Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
3 AUSSENWIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT Aserbaidschan (1. Halbjahr 2021) • Coronakrise und sinkender Ölpreis wirken sich negativ auf das aserbaidschanische BIP aus • Wirtschaftswachstum 1. Halbjahr 2021: +2,1 % • Österreichische Exporte gehen im 1. Halbjahr um 11 % auf EUR 22,4 Mio. zurück • 15 österreichische Firmen sind mit Ihren Repräsentanzen in Aserbaidschan vertreten Wirtschaftskennzahlen 2019 2020 Prognose Prognose für 2021 für 2022 Nominales Bruttoinlandsprodukt in Mrd. USD1 48,04 42,6 47,5 51,9 Bruttoinlandsprodukt/Kopf in US-Dollar2 15 14,5 15 15,6 Bevölkerung in Mio.3 10,0 10,1 10,2 10,3 Reales Wirtschaftswachstum in % 4 2,2 -4,3 2,6 2,9 Inflationsrate in %5 2,7 2,8 3,6 2,9 Arbeitslosenrate in %6 5,3 6,4 6,1 5,9 Wechselkurs der Landeswährung (Manat) zu Euro; 1,91 2,09 2,04 2,0 100 AZN in Euro7 Warenexporte des Landes in Mrd. US-Dollar 19,8 13,1 17,8 18,9 Warenimporte des Landes in Mrd. US-Dollar 11,3 8,7 10,5 10,9 Wirtschaftsleistung des Landes, Weltwertung (2020):8 Rang 90 Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich 2019 2020 Veränderung 2021 zu 2019 in % I-VI Österreichische Warenexporte in Mio. Euro 76,5 46,8 -38,7 22,4 (-11%) Österreichische Warenimporte in Mio. Euro 438,5 110,1 -74,7 36,9 (-43,7%) Österreichische Dienstleistungsexporte in Mio. Euro9 28,00 25,0 -10,7 11 (-26,7%) Österreichische Dienstleistungsimporte in Mio. Euro10 36,00 15,0 -58,3 5 (37,5%) Österreichische Direktinvestitionen in Aserbaidschan in Mio. Euro11 6,0 Wichtigster Warenexportmarkt für Österreich: 84. Rang 1-6 Quelle: Economist Intelligence Unit (2019, 2020 Prognosen) 7 Quelle: lokale Zentralbank 8 Quelle Weltbank 9-14 Quelle Österreichische Nationalbank Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
4 1. Wirtschaftslage Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Aserbaidschans ist abhängig von der Entwicklung des 2020 BIP Wachs- Ölpreises, weshalb die derzeitige Situation für die aserbaidschanische Wirtschaft heraus- tum negativ, für fordernd ist: 2016 schrumpfte das BIP um 3,1 %, 2017 ging das BIP um weitere -0,5 % zu- 2021 erneutes rück. 2018 gab es endlich wieder ein Wirtschaftswachstum von 1,4 %. Im Jahr 2019 stieg Wachstum erwar- das BIP um 2,2 %, wobei ein BIP von ca. USD 48 Mrd. erwirtschaftet wurde. Die Wirtschaft tet Aserbaidschans brach im Jahr 2020 wegen der Coronavirus-Pandemie und der niedrigen Energiepreise um 4,3 % ein. Im 1. Halbjahr 2021 stieg das BIP um 2,1 %, wobei ca. USD 23,4 Mrd. erwirtschaftet wurden. Für 2021 wird eine Erholung um 2,6 % vorausge- sagt. Die Wachstumsraten Aserbaidschans korrelieren so stark mit den Einnahmen aus dem Export von Erdöl und Erdgas, dass man den Anteil der Ölindustrie am BIP auf 50 % schätzt. Aufgrund der hohen Abhängigkeit von der Ölindustrie investiert der Staat mit Mitteln aus Große Abhängig- dem staatlichen Ölfonds SOFAZ ("State Oil Fund of Azerbaijan") in eine Diversifizierung keit der Wirtschaft der Wirtschaft in die Entwicklung des Nicht-Energiesektors und in den Ausbau der Infra- vom Ölpreis struktur. In den letzten Jahren setzt man einen verstärkten Fokus auf die Entwicklung der Landwirtschaft, Tourismus, Logistik, Umwelttechnik sowie IKT und E-Commerce. Außerdem soll der Incoming Tourismus signifikant erhöht werden, wobei durch Großpro- jekte wie die Europäischen Olympischen Spiele 2015, Formel 1 Grand Prix Azerbaijan 2016-2023 und die Islamischen Olympischen Spielen 2017 Aserbaidschan als attraktive Ziel: Diversifizie- Destination promotet wurde bzw. werden soll. Die Eisenbahnstrecke Baku-Tiflis-Kars ist rung der Wirt- im September 2017 in Betrieb genommen worden. Diese neue Eisenbahnlinie verbindet schaft Aserbaidschan mit Georgien und der Türkei und schafft eine durchgehende Bahnverbin- dung nach Europa. Weiters plant Aserbaidschan die Modernisierung seines Eisenbahn- netzes und der Öl- und Gasindustrie in den nächsten 5-10 Jahren. Der Ölfonds SOFAZ hatte Ende Dezember 2020 einen Wert von über USD 43,56 Mrd. Da- Leichtes Wachs- von profitiert vor allem der Bau-, Transport- und Telekommunikationssektor. Die Öl- und tum der Gasförde- Gasproduktion hatte einen Anteil von 41,5 % am BIP im Jahr 2018. Es wurden 38,8 Mio. rung und Rück- Tonnen Öl (0,3 %) und 30,4 Mrd. m³ Erdgas (6,4 %) gefördert. Die Ölförderung sank 2019 gang der Ölförde- um -3,2 % und betrug 37,5 Mio. Tonnen Öl. Die Gasförderung stieg 2019 um 16,3 % und rung betrug 35,5 Mrd. m³. Im Jahr 2020 wurden 34,5 Mio. Tonnen Öl (-7,8%) und 37,1 Mrd. m³ (+4,3%) Gas gefördert. Im 1. Halbjahr 2021 wurden 17,2 Mio. Tonnen Öl (-2ç1%) und 20,3 Mrd. m³ (+5,1%) Gas gefördert. Aserbaidschan produzierte 2020 ca. 720.000 Barrel pro Tag, etwas weniger als 2019. Mit Unterzeichnung eines neuen Vertrages im September 2017 über die Entwicklung des Öl- und Gasfeldes Azeri-Chirag-Gunashli (ACG) im aserbaidschanischen Sektor des Kaspi- Ausbau der Infra- schen Meeres wurde die Tätigkeit auf diesem Gebiet bis 2050 verlängert. Die Aser- struktur im Öl- baidschanische Regierung fokussiert ihre Anstregungen nunmehr auf die Errichtung des und Gasbereich südlichen Gaskorridors. In dieses Projekt werden USD 45 Mrd. investiert. Erste Gaslieferungen fließen seit Juli 2018 nach Georgien und in die Türkei. Kaspisches Gas soll ab 2020 auf direktem Wege den europäischen Markt erreichen. Die Konvention zum Rechtsstatus des Kaspischen Meeres durch fünf Anrainerstaaten wurde nach 22 Jahren und zahlreichen Gesprächen im August 2018 in Astana unterzeichnet. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für den Bau einer transkaspischen Gaspipeline von Turkmenistan nach Aserbaidschan. Die Inflation erhöhte sich auf 15,6 % im Jahr 2016 relativ stark und betrug im Jahr 2017 Schwankende In- offiziell noch immer 12,9 %. Die starke Abwertung der nationalen Währung Manat im flation Februar 2015 von über 33 % und im Dezember 2015 von 47 % waren der Grund für diese hohe Inflation. Die Inflation betrug 2019 offiziell nur mehr 2,7 % und 2020 offiziell 2,8%, Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
5 der reale Wert liegt aber wohl höher. Wegen der Coronakrise und damit verbundenen Preissteigerungen vor allem bei Lebensmitteln stieg im Juni 2021 die Inflation auf 4,3 %. Im Jahr 2019 betrug das Durchschnittseinkommen 623 Manat (ca. USD 366) und im Jahr Stabile Durch- 2020 nach Regierungsangaben etwa 707 Manat (ca. USD 415). Seit der Abwertung 2015 ist schnittslöhne der Wert des Durchschnittslohnes in USD jedoch gesunken. Nach Angaben des staatli- chen Komitees für Statistik wurden die höchsten Gehälter in der Bergbauindustrie sowie im Finanz-, Immobilien-, Leasing- und Bausektor gezahlt. Die aserbaidschanische Zentralbank wertete 2015 die nationale Währung zweimal massiv Schwache Zentral- ab. Den neuen Wechselkurs legte sie mit 1,685 Manat für einen Euro sowie 1,55 Manat für bank: Währungs- einen Dollar fest. Seit Jänner 2015 hat die Währung aber um mehr als 50 % an Wert ver- abwertungen loren, Ende Juni 2021 betrug der Kurs ca. 1 EUR = 2,02 AZN - Azerbaijani Manat. Im Jahr 2016 wurden Banklizenzen von 11 Banken, im Jahr 2017 von 2 Banken und im 1. Halbjahr 2020 von 4 Banken kleinerer Oligarchen eingezogen, wodurch die Anzahl der Zahl der Banken Banken von 43 auf 26 reduziert wurde. Viele Banken haben erheblichen Bilanz-, Rentabi- sinkt litäts- und Kapitalprobleme. Immer noch ist der Reformbedarf im Bankensektor hoch. FIMSA wurde im November 2019 aufgelöst und die aserbaidschanische Zentralbank hat ihre Aufgaben wieder übernommen. Standard & Poor’s änderte ihren Ausblick für Aserbaidschan Ende Jänner 2018 von „ne- Rating gativ“ auf „stabil“. Die Ratingagenturen Moody's und Fitch hatten auch in ihren jährlichen Aserbaidschans Kreditanalyse 2018 das Rating für Aserbaidschan mit "Ba2" mit stabilem Ausblick bekräf- bleibt stabil tigt. Die Agenturen begründete dies mit Inbetriebnahme des Gasfelds “Schahdeniz-2” als positiven Beitrag zum Wirtschaftswachstum sowie der Erhöhung der Deviseneinnahmen. Alle drei internationalen Ratingagenturen änderten ihren Ausblick für Aserbaidschan im Jahr 2021 nicht. Nach offiziellen Regierungsangaben betrug die Arbeitslosigkeit Ende 2019 rund 5 %. Der Arbeitsmarkt ist wegen der Corona-Krise weiterhin unter Druck. Nach Angaben des Sta- tistikamtes betrug die Arbeitslosigkeit Ende Juni 2021 6,6 %. Die tatsächliche Arbeitslo- sigkeit war und ist jedoch erheblich höher, einige NGOs schätzen diese sogar in den Re- Arbeitslosigkeit gionen von Aserbaidschan auf etwa 15 %. Aufgrund des niedrigen Arbeitslosengeldes steigt melden sich viele der freigestellten Personen gar nicht erst arbeitslos, so dass die offizi- elle Arbeitslosenquote weiterhin niedrig ist. Der Energiesektor, der großen Anteil am Wirtschaftswachstum des Landes hat, bietet nur einem geringen Teil der inländischen Ar- beitskräfte eine Beschäftigungsmöglichkeit. Mehr als eine Million Aserbaidschaner ver- dienen ihr Geld bisher in Russland, verlassen das Land jedoch sukzessive aufgrund der dortigen Wirtschaftskrise. Auch in der Planung des Staatshaushaltes schlagen sich die neuen Realitäten eines nied- rigen Ölpreises nieder. Konnte die aserbaidschanische Regierung 2014 noch von einem Staatshaushalt durchschnittlichen Ölpreis von USD 114 profitieren, wird für 2021 nur mehr mit USD 40 hängt am Öl pro Barrel geplant – es könnte auch weniger werden. Der Umfang der Transfers aus dem Ölfonds SOFAZ an den aserbaidschanischen Staatshaushalt betrugen 2019 ca. USD 6,68 Mrd. und 2020 ca. USD 7,17 Mrd. Das Haushaltsdefizit für 2020 betrug ca. USD 1,0 Mrd. (2,4 % des BIP). Die Devisenreserven lagen Anfang 2015 noch bei rund USD 13,7 Mrd. Ende Juni 2021 be- Devisenreserven trugen sie USD 6,45 Mrd. Das Land verfügt allerdings inklusive dem Ölfond SOFAZ (rund und Auslandsver- USD 44,1 Mrd.) über strategische Reserven von etwa USD 50,55 Mrd. (Stand Ende Juni schuldung 2021). Die Auslandsverschuldung des Landes ist mit 18,2 % des BIP (Stand Juni 2021) aber immer noch niedrig. Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
6 Die relative Stabilität der Banken beruht auf der sehr niedrigen Bankendurchdringung Rückgang der Kre- und der schwachen Integration in die internationalen Finanzmärkte. In Aserbaidschan ditnachfrage gibt es derzeit 26 Geschäftsbanken. Der Leitzinssatz lag Ende Dezember 2020 bei 6,25 %. Der fallende Ölpreis und die Abwertung des Manats verursachen seit Februar 2015 den Rückgang der Kreditnachfrage. Die Banken haben die Kreditvergabe stark eingeschränkt. Die Krise im Bankensektor und die Gefahr einer erneuten sprunghaften Abwertung des Manats bereiten der Wirtschaft in Aserbaidschan Probleme. Die aserbaidschanische Wirtschaft ist stark von Einnahmen aus den Exporten von Öl und Erdöl & Ölpro- Gas abhängig. Im Jahr 2019 betrugen die Exporte Aserbaidschans USD 19,8 Mrd. und im dukte als Export- Jahr 2020 USD 13,1 Mrd. Der Anteil von Erdöl- und Erdgasprodukten an den Gesamtex- schlager porten liegt noch immer bei über 90 %. Dahinter kommen - weit abgeschlagen - Lebens- mittel und Kunststoffprodukte. Im Mai 2016 wurde in Aserbaidschan die elektronische Zollanmeldung eingeführt. Im Jahr 2019 betrugen die Importe Aserbaidschans USD 11,3 Mrd. und im Jahr 2020 USD 8,7 Mrd. Auf der Importseite waren Maschinen und Anlagen vorherrschend, es sind allerdings Handelsbilanz- Rückgänge zu erwarten. Dahinter folgten Fahrzeuge, Lebensmittel, Metalle und Roh- überschuss stoffe. Besonders Importe von Ausrüstungen für die Energiebranche werden weiter- wachsen, da das Zubehör für die Öl-/und Gasindustrie zum Großteil nur im Ausland her- gestellt wird. Die Warenimporte waren auch im Jahr 2020 erneut deutlich niedriger als die Exporte. Aserbaidschan ist traditionell ein wichtiger Erzeuger von landwirtschaftli- chen Produkten (Baumwolle, Getreide, Obst, Gemüse, Wein, Tee). Wichtigste Die EU-Länder sind ein wichtiger Handelspartner. Ausfuhren in die EU machten im 1. Halb- Handelspartner jahr 2021 ca. 50,8 % der Gesamtausfuhr aus, rund 19,8 % aller Einfuhren kamen im 1. Halbjahr 2021 aus der EU. Die wichtigsten Handelspartner Aserbaidschans waren im 1. Halbjahr 2021 exportseitig Italien (35,8 %), gefolgt von der Türkei (15,7 %), Russland (4,7 %), Georgien (4,4 %), Indien (4 %) und Österreich (0,45%). Importseitig war Russland wich- tigster Lieferant (17,1 %), gefolgt von der Türkei (15,1 %), China (12,9 %), Deutschland (6,3 %), USA (4,2 %), und Österreich (0,53 %). Kapitalabflüsse 2016 wurde eine Steuer von 20 % für ausgehende Kapitalflüsse eingeführt. Betroffen und Beschränkun- sind sowohl Auslandsinvestitionen als auch private Überweisungen mit einem Wert über gen USD 50.000 an z.B. Familienmitglieder im Ausland. Diese Maßnahmen sind als Antwort auf eine Studie der Global Financial Integrity Gruppe über Kapitalflucht als gesetzeswid- rige Kapitalabflüsse zu sehen, bei der Aserbaidschan Rang 17 von 149 analysierten Län- dern belegte (Analysezeitraum 2004-2013). Wirtschaftliche Die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in Aserbaidschan ist von Region zu Region Entwicklung in höchst unterschiedlich. Baku ist das Wirtschaftszentrum Aserbaidschans. Die Mehrzahl größeren Städten der Industriebetriebe des Landes aus der Erdölförderung und –verarbeitung, Metallurgie, Petrochemie und Chemie haben ihren Sitz in Baku oder in den Vororten der Hauptstadt. In der zweitgrößten Stadt, Ganja, befinden sich eine Aluminiumhütte sowie Betriebe der Textilindustrie, des Maschinenbaus und der Metallurgie. In der Stadt Sumgait befinden sich Unternehmen aus den Branchen Chemie, Maschinenbau, Infrastruktur und Umwelt- technik. Die Investitionen in den Branchen Lebensmittelindustrie, Infrastruktur und Tou- rismus in der Region Qabala sind in den letzten 10 Jahren sichtbar geworden. Ab Februar 2015 ging die Bautätigkeit krisenbedingt in den Städten zurück. Besonders in Baku sank Wiederaufbau der sie wegen Finanzierungsproblemen deutlich. Die Regierung gründete seit 2015 Industrie- Karabach Region parks in den Regionen Aserbaidschans (Sumgait, Pirallahi, Mingachevir, Ganja, Neftchala, Balaxani usw.). Die aserbaidschanische Seite sieht ein Investitionsvolumen von über ei- ner Mrd. EUR alleine für 2021 nur für Infrastrukturprojekte der Karabach Region (be- freite Gebiete nach dem bewaffneten Konflikt im Sep.-Nov. 2020) vor. Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
7 Die Industrieproduktion fiel nach Regierungsangaben im Jahr 2020 im Vergleich zum Schwache Vorjahr um 3,5 %, während die Produktion im Nichtölsektor um +12,2 % stieg. Die Pro- Entwicklung duktion am Landwirtschaftssektor stieg im Jahr 2020 um +1,9 %. Der Einzelhandelsum- einzelner satz und der Dienstleistungssektor fielen im Jahr 2020 um 6,9 % im Vergleich zum Vor- Sektoren jahr. Das höchste Wachstum hat im Jahr 2020 der Bereich Transport mit +4,6 % verzeich- net. Die Coronavirus-Pandemie hat 2020 den Tourismussektor in Aserbaidschan stark getroffen. Schwankender Die ausländischen Direktinvestitionen (ADI) in Aserbaidschan spielen eine wichtige Rolle, FDI-Zufluss wobei die wichtigsten Investorenländer die Türkei, USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland sind. Ausländische Direktinvestitionen machten 2018 USD 4,1 Mrd. und Jän-Sep. 2020 USD 3,4 Mrd. aus. Neben dem Erdöl-/Erdgassektor fließen ADI vor allem in die Baubranche, den Dienstleistungsbereich, das Transportwesen, die Telekommunikation und den produzierenden Bereich. Boom vorbei, Die Entwicklung des BIP ist für die Regierung Aserbaidschans ein Problem: Die hohen stabiles aber nied- Wachstumsraten von 20 % - 25 % in den Jahren vor der Krise werden zwar in den nächs- riges Wachstum ten Jahren nicht mehr erreicht werden, allerdings darf Aserbaidschan künftig wohl je erwartet nach Prognose wieder mit einem stabilen Wachstum von rund +2 % pro Jahr rechnen – der Unsicherheitsfaktor bei dieser Prognose bleibt der Ölpreis und die Coronakrise. Das langfristige Regierungsprogramm „Aserbaidschan 2030“ wurde ausgearbeitet. Informelle Struk- Das betriebliche Umfeld bleibt infolge von Korruption und gesetzlichen bzw. "informel- turen hemmen len" Monopolen in vielen Sektoren relativ schwierig. In Verbindung mit weniger vorteil- weitere Entwick- haften globalen Rahmenbedingungen hemmt dies die Bestrebungen der Regierung, In- lung vestitionen in Sektoren außerhalb der Ölwirtschaft (Landwirtschaft, Industrie) auszuwei- ten. 2. Besondere Entwicklungen Die aserbaidschanische Regierung hatte wegen der Ausbreitung des Coronavirus die Sonderquarantäne am 23. März 2020 eingeführt. Im Mai 2020 wurden die Beschränkun- gen gelockert, aber für bestimmte Städte wurde das spezielle Quarantäneregime im Zeitraum von 21. Juni bis 1. August 2020 wieder verschärft. Seit 14. März 2020 bis 1. Juni Coronakrise 2021 war die Staatsgrenze für den Personenverkehr geschlossen. Der Flugverkehr mit dem Ausland wurde eingestellt. Derzeit fliegen AZAL und Turkish Airlines Flüge aus Baku nach Istanbul und Ankara. Bei der Einreise muss bereits beim Check-in ein Nach- weis über das Vorliegen einer vollständigen Impfung oder ein Genesungsnachweis und ein negativer PCR-Test (mit QR-Code) vorgelegt werden, der nicht älter als 72 Stunden sein darf, eine Selbstisolation nach Einreise ist in Aserbaidschan nicht erforderlich. Das Einreiseverbot für österreichische Staatsangehörige nach Aserbaidschan wurde am 05. August 2021 aufgehoben. Für die Unterstützung der Wirtschaft und der Sozialsphäre in der Coronakrise hatte die aserbaidschanische Regierung ein Milliarden-Hilfspaket (ca. 600 Mio. USD) beschlossen. Das AußenwirtschaftsCenter Istanbul und das Außenwirt- schaftsBüro Baku bieten österreichischen Unternehmen laufend aktuelle Infos zum Coronavirus/COVID-19 in Aserbaidschan. Seit Mai 1994 herrschte Waffenstillstand im Karabach-Konflikt zwischen Aserbaidschan Karabach-Konflikt und Armenien. Die Verhandlungen im Zuge dieses Konflikts wurden im Rahmen der O- SZE-Minsker Gruppe bis dato fortgesetzt. Es kam immer wieder zu bewaffneten Zwi- schenfällen in dieser Region. Im April 2017 ist der Konflikt erneut aufgeflammt mit dem Resultat von ca. 100 Toten auf beiden Seiten. Mit dem zweiten Karabach-Krieg vom 27. September bis 8. November 2020 ist die Karabach Region wieder zu einem Teil Aserbaid- schans geworden. Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
8 Im letzten Jahrzehnt konnte auf Basis des hohen Erdölpreises die Armeestruktur ausge- Hohe Militäraus- baut werden. Jedoch binden gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten die hohen gaben Militärausgaben viele staatlichen Ressourcen. Während sich andere GUS-Staaten oftmals sehr einseitig an Russland orientieren, ver- Ausrichtung auf sucht die aserbaidschanische Außenpolitik eine Balance zwischen Russland, EU, USA Türkei und Iran und diversen Staaten der islamischen Welt zu finden. In den letzten Jahren ist eine ver- stärkte Ausrichtung auf die Türkei und den Iran zu bemerken, es wird aber darauf Wert gelegt, die heikle Balance nicht zu stören. Der Output der Nichtöl-Industrien ist gering. Die Abhängigkeit Aserbaidschans von den Abhängigkeit vom internationalen Rohstoffpreisen hat weiterhin großen Einfluss auf die wirtschaftliche Ölpreis Entwicklung des Landes. Die Wirtschaftsentwicklung in Aserbaidschan wird im Jahr 2020/21 auch stark von der Entwicklung des Ölpreises, des Dollarkurses, des Vertrau- ens der internationalen Finanzmärkte in die Stabilität des Manats und der Coronavirus- Pandemie abhängen. Anfang 2011 hat die Regierung eine Anti-Korruptionskampagne begonnen. Neben neuen Regelungen im Polizeisystem, Eigentumsregisterbereich, Bildungssystem, Armeedienst, Zollsystem usw. wurden auch einige Staatsbeamte festgenommen. Eine der wichtigsten Antikorruptions- Maßnahmen, die in der letzten Periode umgesetzt wurden, ist die Annahme einer Verord- maßnahmen der nung des Präsidenten vom 5. September 2012 über die Ratifizierung des Nationalen Akti- Regierung onsplans zur Förderung der offenen Regierung und des Nationalen Aktionsplans zur Be- kämpfung der Korruption. Das „Azerbaijani Service and Assessment Network“ (ASAN) zur Eindämmung von Korruption und Steigerung der Effizienz in der öffentlichen Verwal- tung bietet insgesamt 30 private und 150 öffentliche Dienstleistungen an und hat das vor- rangige Ziel, Vertreter einer Vielzahl von staatlichen Behörden unter ein Dach bringen. Das erste ASAN-Center wurde im Januar 2013 in Baku eröffnet, das letzte Center – das einundzwanzigste – hat im August 2021 seine Türen in Baku geöffnet. Verschiedene Re- form-Roadmaps sowie eine Steuerreform und Erleichterungen der Gründung privater Unternehmen sollen das Wirtschaftsklima weiter verbessern. 3. Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich 2020 betrug das Handelsvolumen insgesamt EUR 156,9 Mio., davon entfielen auf die ös- Schwankende terreichischen Exporte EUR 46,8 Mio. und auf die Importe aus Aserbaidschan EUR 110,1 Tendenz bei öster- Mio. Corona-bedingt sind 2020 die Einfuhren aus Aserbaidschan um 74,7 % (Erdölliefe- reichischen Expor- rung) und die österreichischen Ausfuhren nach Aserbaidschan um 38,7 % gesunken. ten Von Jänner bis Juni 2021 sind die Exporte um 11% auf EUR 22,4 Mio. gesunken, die Im- porte fielen sogar um 43,7 % auf EUR 36,9 Mio. 2020 war Aserbaidschan nach Russland, der Ukraine, Kasachstan, Belarus, Usbekistan und Moldau der siebtwichtigste GUS- Markt für österreichische Exporte. Die österreichischen Ausfuhren nach Aserbaidschan haben sich im Jahr 2020 in ihrer Hauptexportgüter Struktur verändert. Hauptexportprodukte waren mit einer Zunahme um ein Drittel und Medizinische und einem Anteil von knapp 25 % Medizinische und Pharmazeutische Erzeugnisse. An zwei- Pharmazeutische ter Stelle findet sich die Lieferung von Zuchtrindern mit einem Anteil von 13 % und einem Erzeugnisse Plus von einem Viertel. An dritter Stelle liegen nichtalkoholische Getränke mit einem Anteil von 9 % und einer Zunahme von 5,5 %. Wegen einer Abnahme der Lieferungen von Eisen und Stahl um 75 % auf einen Anteil von knapp 9 % und dem Rückgang der Exporte von Arbeitsmaschinen um 90 % auf einen Anteil von 3,2% haben diese traditionell an der Spitze liegenden Produktgruppen dramatisch abgenommen. Aserbaidschan bleibt für Österreich ein klassischer Rohstofflieferant: Österreich impor- Importstruktur tiert zu 99,9 % mineralische Brennstoffe aus Aserbaidschan. Auch diese Lieferungen unverändert nahmen allerdings 2020 um 75 % ab und betrugen EUR 110 Mio. Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
9 DL-Austausch Der Dienstleistungsaustausch nahm 2020 stark ab. Während die Exporte um 11 % auf nimmt auch ab EUR 24 Mio. sanken, fielen die Importe sogar um 58 % auf EUR 15 Mio. Im ersten Halbjahr 2021 reduzierten sich die Dienstleistungsexporte nach Aserbaid- schan im Vergleich zur selben Periode 2020 erneut um 26,7 % auf EUR 11 Mio., die Dienstleistungsimporte aus Aserbaidschan verkleinerten sich um 37,5 % auf EUR 5 Mio. Österreichische Investitionen sind noch schwach etabliert. Die Firma Josef Manner & Comp. AG hat kürzlich ein 320 Hektar Grundstück für den Haselnussanbau in Aserbaid- Noch immer ge- schan gekauft. Derzeit sind rund 15 österreichische Firmen in Aserbaidschan über ringe Investitionen Tochtergesellschaften, Joint Ventures oder Repräsentanzen vertreten. Überwiegend österr. Unterneh- handelt es sich dabei um größere Unternehmen wie Siemens, Liebherr, ILF, Manner men oder TÜV Austria, die seit Jahren in Aserbaidschan aktiv sind. Investitionen österreichi- scher Unternehmen bleiben die Ausnahme. Die strategischen Reserven des Ölfonds SOFAZ ermöglichen der Regierung weitrei- chende Investitionen sowie eine deutliche Erhöhung staatlicher Sozialleistungen und Gehälter. Die Bereiche Telekommunikation, Infrastruktur (Tourismus-Bereich), Erneuer- Chancen für bare Energie, sowie die Privatisierung der Großindustrie eröffnen attraktive Möglichkei- österreichische ten für den Markteintritt österreichischer Firmen. Außerdem ist Aserbaidschan auf Wis- Unternehmen senstransfers in den Industriezweigen Maschinenbau, Chemie, Baustoff-, Textil-, Kfz- und Lebensmittelindustrie besonders angewiesen. Chancen für die österreichische Wirt- schaft ergeben sich auch bei der Modernisierung der Landwirtschaft, etwa im Bereich der Lebensmittelverarbeitung, der Futtermittelherstellung oder beim Aufbau von Zucht- betrieben. Ausländische Investitionen werden von Aserbaidschan gewünscht und geför- dert, insbesondere wenn es sich um weltweit erfolgreiche Unternehmen handelt (z.B. BP, Projekte österrei- Siemens, LG). Die neuen Projekte einiger österreichischen Firmen (Lieferung von Zucht- chischer Unter- rindern usw.) wurden 2020 erfolgreich fortgesetzt. Die Sonderwirtschaftszonen und In- nehmen dustrieparks der Regionen bieten weitere Investitionsanreize. Die Republik Österreich unterstützt österreichische Investoren in Aserbaidschan mit einem Investitionsschutz- und Doppelbesteuerungsabkommen. Aserbaidschan ist ein kleiner Markt aber mit interessantem Potenzial: dazu veranstaltet Geplante Veran- das AußenwirtschaftsCenter Istanbul ein Webinar „Wintersport-Infrastruktur in Georgien, staltungen der Aserbaidschan & Zentralasien (s. Youtube)“, ein Webinar „Der Landwirtschaftssektor in AUSSENWIRT- Aserbaidschan und Georgien (s. Youtube)“ sowie eine Wirtschaftsmission mit einem SCHAFT AUSTRIA Schwerpunkt „Tourismusinfrastruktur & Landwirtschaft“, welche von 22. bis 25. Novem- ber 2021 geplant ist. Weitere Details zu den Veranstaltungen finden Sie auf www.wko.at/aussenwirtschaft/az Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
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