AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT ASERBAIDSCHAN - WKO

Die Seite wird erstellt Pascal Greiner
 
WEITER LESEN
AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT ASERBAIDSCHAN - WKO
AUSSEN
WIRTSCHAFT
WIRTSCHAFTSBERICHT
ASERBAIDSCHAN

AUSSENWIRTSCHAFTSCENTER ISTANBUL
OKTOBER 2021
AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT ASERBAIDSCHAN - WKO
2

                                            Eine Information des
                                       Außenwirtschaftscenters Istanbul
                                         W wko.at/aussenwirtschaft/tr

                                              Wirtschaftsdelegierter
                                              Mag. Georg Karabaczek
                                                T +90 212 211 14 76
                                                 E istanbul@wko.at
                                            W wko.at/aussenwirtschaft/az

                                                  HEAD OFFICE
                                            Mag. Cosima Steiner, MSc
                                               T +43 5 90 900/4442
                                       E aussenwirtschaft.osteuropa@wko.at

                                            fb.com/aussenwirtschaft
                                             twitter.com/wko_ac_ist
                               linkedIn.com/company/aussenwirtschaft-austria
                                         youtube.com/aussenwirtschaft
                                       flickr.com/aussenwirtschaftaustria
                                           www.austria-ist-ueberall.at

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die Rechte der Verbreitung, der Vervielfältigung, der
Übersetzung, des Nachdrucks und die Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege durch Fotokopie, Mikro-
  film oder andere elektronische Verfahren sowie der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur
 auszugsweiser Verwertung, der Wirtschaftskammer Österreich - AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA vorbehalten. Die Wie-
                dergabe mit Quellenangabe ist vorbehaltlich anders lautender Bestimmungen gestattet.

 Es wird darauf hingewiesen, dass alle Angaben trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr erfolgen und eine Haftung
               der Wirtschaftskammer Österreich - AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA ausgeschlossen ist.

Darüber hinaus ist jede gewerbliche Nutzung dieses Werkes der Wirtschaftskammer Österreich - AUSSENWIRTSCHAFT
                                               AUSTRIA vorbehalten.

                                     © AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA DER WKÖ
                                     Offenlegung nach § 25 Mediengesetz i.d.g.F.:

                             Herausgeber, Medieninhaber (Verleger) und Hersteller:
                       WIRTSCHAFTSKAMMER ÖSTERREICH / AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
                               Wiedner Hauptstraße 63, Postfach 150, 1045 Wien
           Redaktion: AUSSENWIRTSCHAFTSCENTER ISTANBUL | T +90 212 211 14 76 | F +90 212 212 01 33,
                               E istanbul@wko.at | W wko.at/aussenwirtschaft/tr

                                   Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
3

AUSSENWIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT Aserbaidschan
(1. Halbjahr 2021)

•      Coronakrise und sinkender Ölpreis wirken sich negativ auf das aserbaidschanische BIP aus
•      Wirtschaftswachstum 1. Halbjahr 2021: +2,1 %
•      Österreichische Exporte gehen im 1. Halbjahr um 11 % auf EUR 22,4 Mio. zurück
•      15 österreichische Firmen sind mit Ihren Repräsentanzen in Aserbaidschan vertreten

Wirtschaftskennzahlen
                                                                             2019           2020        Prognose       Prognose
                                                                                                        für 2021       für 2022

    Nominales Bruttoinlandsprodukt in Mrd. USD1                              48,04          42,6        47,5           51,9
    Bruttoinlandsprodukt/Kopf in US-Dollar2                                  15             14,5        15             15,6
    Bevölkerung in Mio.3                                                     10,0           10,1        10,2           10,3
    Reales Wirtschaftswachstum in % 4                                        2,2            -4,3         2,6           2,9
    Inflationsrate in %5                                                     2,7            2,8          3,6           2,9
    Arbeitslosenrate in %6                                                   5,3            6,4          6,1           5,9
    Wechselkurs der Landeswährung (Manat) zu Euro;                           1,91           2,09         2,04          2,0
    100 AZN in Euro7
    Warenexporte des Landes in Mrd. US-Dollar                                19,8           13,1        17,8           18,9
    Warenimporte des Landes in Mrd. US-Dollar                                11,3           8,7         10,5           10,9

    Wirtschaftsleistung des Landes, Weltwertung (2020):8             Rang 90

Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich
                                                                     2019           2020      Veränderung         2021
                                                                                              zu 2019 in %         I-VI
    Österreichische Warenexporte in Mio. Euro                        76,5           46,8          -38,7       22,4 (-11%)
    Österreichische Warenimporte in Mio. Euro                        438,5          110,1         -74,7      36,9 (-43,7%)
    Österreichische Dienstleistungsexporte in Mio. Euro9             28,00          25,0          -10,7       11 (-26,7%)
    Österreichische Dienstleistungsimporte in Mio. Euro10            36,00          15,0          -58,3        5 (37,5%)

    Österreichische Direktinvestitionen in Aserbaidschan in Mio. Euro11              6,0

    Wichtigster Warenexportmarkt für Österreich:                     84. Rang

1-6 Quelle: Economist Intelligence Unit (2019, 2020 Prognosen)
7 Quelle: lokale Zentralbank
8 Quelle Weltbank

9-14 Quelle Österreichische Nationalbank

                                          Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
4

1. Wirtschaftslage

                       Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Aserbaidschans ist abhängig von der Entwicklung des
 2020 BIP Wachs-       Ölpreises, weshalb die derzeitige Situation für die aserbaidschanische Wirtschaft heraus-
 tum negativ, für      fordernd ist: 2016 schrumpfte das BIP um 3,1 %, 2017 ging das BIP um weitere -0,5 % zu-
 2021 erneutes         rück. 2018 gab es endlich wieder ein Wirtschaftswachstum von 1,4 %. Im Jahr 2019 stieg
 Wachstum erwar-       das BIP um 2,2 %, wobei ein BIP von ca. USD 48 Mrd. erwirtschaftet wurde. Die Wirtschaft
 tet                   Aserbaidschans brach im Jahr 2020 wegen der Coronavirus-Pandemie und der niedrigen
                       Energiepreise um 4,3 % ein. Im 1. Halbjahr 2021 stieg das BIP um 2,1 %, wobei ca. USD
                       23,4 Mrd. erwirtschaftet wurden. Für 2021 wird eine Erholung um 2,6 % vorausge-
                       sagt. Die Wachstumsraten Aserbaidschans korrelieren so stark mit den Einnahmen aus
                       dem Export von Erdöl und Erdgas, dass man den Anteil der Ölindustrie am BIP auf 50 %
                       schätzt.

                       Aufgrund der hohen Abhängigkeit von der Ölindustrie investiert der Staat mit Mitteln aus
 Große Abhängig-       dem staatlichen Ölfonds SOFAZ ("State Oil Fund of Azerbaijan") in eine Diversifizierung
 keit der Wirtschaft   der Wirtschaft in die Entwicklung des Nicht-Energiesektors und in den Ausbau der Infra-
 vom Ölpreis           struktur. In den letzten Jahren setzt man einen verstärkten Fokus auf die Entwicklung
                       der Landwirtschaft, Tourismus, Logistik, Umwelttechnik sowie IKT und E-Commerce.
                       Außerdem soll der Incoming Tourismus signifikant erhöht werden, wobei durch Großpro-
                       jekte wie die Europäischen Olympischen Spiele 2015, Formel 1 Grand Prix Azerbaijan
                       2016-2023 und die Islamischen Olympischen Spielen 2017 Aserbaidschan als attraktive
 Ziel: Diversifizie-   Destination promotet wurde bzw. werden soll. Die Eisenbahnstrecke Baku-Tiflis-Kars ist
 rung der Wirt-        im September 2017 in Betrieb genommen worden. Diese neue Eisenbahnlinie verbindet
 schaft                Aserbaidschan mit Georgien und der Türkei und schafft eine durchgehende Bahnverbin-
                       dung nach Europa. Weiters plant Aserbaidschan die Modernisierung seines Eisenbahn-
                       netzes und der Öl- und Gasindustrie in den nächsten 5-10 Jahren.

                       Der Ölfonds SOFAZ hatte Ende Dezember 2020 einen Wert von über USD 43,56 Mrd. Da-
 Leichtes Wachs-       von profitiert vor allem der Bau-, Transport- und Telekommunikationssektor. Die Öl- und
 tum der Gasförde-     Gasproduktion hatte einen Anteil von 41,5 % am BIP im Jahr 2018. Es wurden 38,8 Mio.
 rung und Rück-        Tonnen Öl (0,3 %) und 30,4 Mrd. m³ Erdgas (6,4 %) gefördert. Die Ölförderung sank 2019
 gang der Ölförde-     um -3,2 % und betrug 37,5 Mio. Tonnen Öl. Die Gasförderung stieg 2019 um 16,3 % und
 rung                  betrug 35,5 Mrd. m³. Im Jahr 2020 wurden 34,5 Mio. Tonnen Öl (-7,8%) und 37,1 Mrd. m³
                       (+4,3%) Gas gefördert. Im 1. Halbjahr 2021 wurden 17,2 Mio. Tonnen Öl (-2ç1%) und 20,3
                       Mrd. m³ (+5,1%) Gas gefördert.

                       Aserbaidschan produzierte 2020 ca. 720.000 Barrel pro Tag, etwas weniger als 2019. Mit
                       Unterzeichnung eines neuen Vertrages im September 2017 über die Entwicklung des Öl-
                       und Gasfeldes Azeri-Chirag-Gunashli (ACG) im aserbaidschanischen Sektor des Kaspi-
 Ausbau der Infra-     schen Meeres wurde die Tätigkeit auf diesem Gebiet bis 2050 verlängert. Die Aser-
 struktur im Öl-       baidschanische Regierung fokussiert ihre Anstregungen nunmehr auf die Errichtung des
 und Gasbereich        südlichen Gaskorridors. In dieses Projekt werden USD 45 Mrd. investiert. Erste
                       Gaslieferungen fließen seit Juli 2018 nach Georgien und in die Türkei. Kaspisches Gas soll
                       ab 2020 auf direktem Wege den europäischen Markt erreichen. Die Konvention zum
                       Rechtsstatus des Kaspischen Meeres durch fünf Anrainerstaaten wurde nach 22 Jahren
                       und zahlreichen Gesprächen im August 2018 in Astana unterzeichnet. Dies ist eine
                       wichtige Voraussetzung für den Bau einer transkaspischen Gaspipeline von
                       Turkmenistan nach Aserbaidschan.

                       Die Inflation erhöhte sich auf 15,6 % im Jahr 2016 relativ stark und betrug im Jahr 2017
 Schwankende In-       offiziell noch immer 12,9 %. Die starke Abwertung der nationalen Währung Manat im
 flation               Februar 2015 von über 33 % und im Dezember 2015 von 47 % waren der Grund für diese
                       hohe Inflation. Die Inflation betrug 2019 offiziell nur mehr 2,7 % und 2020 offiziell 2,8%,

                                 Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
5

                    der reale Wert liegt aber wohl höher. Wegen der Coronakrise und damit verbundenen
                    Preissteigerungen vor allem bei Lebensmitteln stieg im Juni 2021 die Inflation auf 4,3 %.

                    Im Jahr 2019 betrug das Durchschnittseinkommen 623 Manat (ca. USD 366) und im Jahr
Stabile Durch-      2020 nach Regierungsangaben etwa 707 Manat (ca. USD 415). Seit der Abwertung 2015 ist
schnittslöhne       der Wert des Durchschnittslohnes in USD jedoch gesunken. Nach Angaben des staatli-
                    chen Komitees für Statistik wurden die höchsten Gehälter in der Bergbauindustrie sowie
                    im Finanz-, Immobilien-, Leasing- und Bausektor gezahlt.

                    Die aserbaidschanische Zentralbank wertete 2015 die nationale Währung zweimal massiv
Schwache Zentral-   ab. Den neuen Wechselkurs legte sie mit 1,685 Manat für einen Euro sowie 1,55 Manat für
bank: Währungs-     einen Dollar fest. Seit Jänner 2015 hat die Währung aber um mehr als 50 % an Wert ver-
abwertungen         loren, Ende Juni 2021 betrug der Kurs ca. 1 EUR = 2,02 AZN - Azerbaijani Manat.

                    Im Jahr 2016 wurden Banklizenzen von 11 Banken, im Jahr 2017 von 2 Banken und im 1.
                    Halbjahr 2020 von 4 Banken kleinerer Oligarchen eingezogen, wodurch die Anzahl der
Zahl der Banken     Banken von 43 auf 26 reduziert wurde. Viele Banken haben erheblichen Bilanz-, Rentabi-
sinkt               litäts- und Kapitalprobleme. Immer noch ist der Reformbedarf im Bankensektor hoch.
                    FIMSA wurde im November 2019 aufgelöst und die aserbaidschanische Zentralbank hat
                    ihre Aufgaben wieder übernommen.

                    Standard & Poor’s änderte ihren Ausblick für Aserbaidschan Ende Jänner 2018 von „ne-
Rating              gativ“ auf „stabil“. Die Ratingagenturen Moody's und Fitch hatten auch in ihren jährlichen
Aserbaidschans      Kreditanalyse 2018 das Rating für Aserbaidschan mit "Ba2" mit stabilem Ausblick bekräf-
bleibt stabil       tigt. Die Agenturen begründete dies mit Inbetriebnahme des Gasfelds “Schahdeniz-2” als
                    positiven Beitrag zum Wirtschaftswachstum sowie der Erhöhung der Deviseneinnahmen.
                    Alle drei internationalen Ratingagenturen änderten ihren Ausblick für Aserbaidschan im
                    Jahr 2021 nicht.

                    Nach offiziellen Regierungsangaben betrug die Arbeitslosigkeit Ende 2019 rund 5 %. Der
                    Arbeitsmarkt ist wegen der Corona-Krise weiterhin unter Druck. Nach Angaben des Sta-
                    tistikamtes betrug die Arbeitslosigkeit Ende Juni 2021 6,6 %. Die tatsächliche Arbeitslo-
                    sigkeit war und ist jedoch erheblich höher, einige NGOs schätzen diese sogar in den Re-
Arbeitslosigkeit    gionen von Aserbaidschan auf etwa 15 %. Aufgrund des niedrigen Arbeitslosengeldes
steigt              melden sich viele der freigestellten Personen gar nicht erst arbeitslos, so dass die offizi-
                    elle Arbeitslosenquote weiterhin niedrig ist. Der Energiesektor, der großen Anteil am
                    Wirtschaftswachstum des Landes hat, bietet nur einem geringen Teil der inländischen Ar-
                    beitskräfte eine Beschäftigungsmöglichkeit. Mehr als eine Million Aserbaidschaner ver-
                    dienen ihr Geld bisher in Russland, verlassen das Land jedoch sukzessive aufgrund der
                    dortigen Wirtschaftskrise.

                    Auch in der Planung des Staatshaushaltes schlagen sich die neuen Realitäten eines nied-
                    rigen Ölpreises nieder. Konnte die aserbaidschanische Regierung 2014 noch von einem
Staatshaushalt      durchschnittlichen Ölpreis von USD 114 profitieren, wird für 2021 nur mehr mit USD 40
hängt am Öl         pro Barrel geplant – es könnte auch weniger werden. Der Umfang der Transfers aus dem
                    Ölfonds SOFAZ an den aserbaidschanischen Staatshaushalt betrugen 2019 ca. USD 6,68
                    Mrd. und 2020 ca. USD 7,17 Mrd. Das Haushaltsdefizit für 2020 betrug ca. USD 1,0 Mrd.
                    (2,4 % des BIP).

                    Die Devisenreserven lagen Anfang 2015 noch bei rund USD 13,7 Mrd. Ende Juni 2021 be-
Devisenreserven     trugen sie USD 6,45 Mrd. Das Land verfügt allerdings inklusive dem Ölfond SOFAZ (rund
und Auslandsver-    USD 44,1 Mrd.) über strategische Reserven von etwa USD 50,55 Mrd. (Stand Ende Juni
schuldung           2021). Die Auslandsverschuldung des Landes ist mit 18,2 % des BIP (Stand Juni 2021)
                    aber immer noch niedrig.

                              Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
6

                    Die relative Stabilität der Banken beruht auf der sehr niedrigen Bankendurchdringung
Rückgang der Kre-   und der schwachen Integration in die internationalen Finanzmärkte. In Aserbaidschan
ditnachfrage        gibt es derzeit 26 Geschäftsbanken. Der Leitzinssatz lag Ende Dezember 2020 bei 6,25 %.
                    Der fallende Ölpreis und die Abwertung des Manats verursachen seit Februar 2015 den
                    Rückgang der Kreditnachfrage. Die Banken haben die Kreditvergabe stark eingeschränkt.
                    Die Krise im Bankensektor und die Gefahr einer erneuten sprunghaften Abwertung des
                    Manats bereiten der Wirtschaft in Aserbaidschan Probleme.

                    Die aserbaidschanische Wirtschaft ist stark von Einnahmen aus den Exporten von Öl und
Erdöl & Ölpro-      Gas abhängig. Im Jahr 2019 betrugen die Exporte Aserbaidschans USD 19,8 Mrd. und im
dukte als Export-   Jahr 2020 USD 13,1 Mrd. Der Anteil von Erdöl- und Erdgasprodukten an den Gesamtex-
schlager            porten liegt noch immer bei über 90 %. Dahinter kommen - weit abgeschlagen - Lebens-
                    mittel und Kunststoffprodukte. Im Mai 2016 wurde in Aserbaidschan die elektronische
                    Zollanmeldung eingeführt. Im Jahr 2019 betrugen die Importe Aserbaidschans USD 11,3
                    Mrd. und im Jahr 2020 USD 8,7 Mrd.

                    Auf der Importseite waren Maschinen und Anlagen vorherrschend, es sind allerdings
Handelsbilanz-      Rückgänge zu erwarten. Dahinter folgten Fahrzeuge, Lebensmittel, Metalle und Roh-
überschuss          stoffe. Besonders Importe von Ausrüstungen für die Energiebranche werden weiter-
                    wachsen, da das Zubehör für die Öl-/und Gasindustrie zum Großteil nur im Ausland her-
                    gestellt wird. Die Warenimporte waren auch im Jahr 2020 erneut deutlich niedriger als
                    die Exporte. Aserbaidschan ist traditionell ein wichtiger Erzeuger von landwirtschaftli-
                    chen Produkten (Baumwolle, Getreide, Obst, Gemüse, Wein, Tee).

Wichtigste          Die EU-Länder sind ein wichtiger Handelspartner. Ausfuhren in die EU machten im 1. Halb-
Handelspartner      jahr 2021 ca. 50,8 % der Gesamtausfuhr aus, rund 19,8 % aller Einfuhren kamen im 1.
                    Halbjahr 2021 aus der EU. Die wichtigsten Handelspartner Aserbaidschans waren im 1.
                    Halbjahr 2021 exportseitig Italien (35,8 %), gefolgt von der Türkei (15,7 %), Russland (4,7
                    %), Georgien (4,4 %), Indien (4 %) und Österreich (0,45%). Importseitig war Russland wich-
                    tigster Lieferant (17,1 %), gefolgt von der Türkei (15,1 %), China (12,9 %), Deutschland (6,3
                    %), USA (4,2 %), und Österreich (0,53 %).

Kapitalabflüsse     2016 wurde eine Steuer von 20 % für ausgehende Kapitalflüsse eingeführt. Betroffen
und Beschränkun-    sind sowohl Auslandsinvestitionen als auch private Überweisungen mit einem Wert über
gen                 USD 50.000 an z.B. Familienmitglieder im Ausland. Diese Maßnahmen sind als Antwort
                    auf eine Studie der Global Financial Integrity Gruppe über Kapitalflucht als gesetzeswid-
                    rige Kapitalabflüsse zu sehen, bei der Aserbaidschan Rang 17 von 149 analysierten Län-
                    dern belegte (Analysezeitraum 2004-2013).

Wirtschaftliche     Die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in Aserbaidschan ist von Region zu Region
Entwicklung in      höchst unterschiedlich. Baku ist das Wirtschaftszentrum Aserbaidschans. Die Mehrzahl
größeren Städten    der Industriebetriebe des Landes aus der Erdölförderung und –verarbeitung, Metallurgie,
                    Petrochemie und Chemie haben ihren Sitz in Baku oder in den Vororten der Hauptstadt.
                    In der zweitgrößten Stadt, Ganja, befinden sich eine Aluminiumhütte sowie Betriebe der
                    Textilindustrie, des Maschinenbaus und der Metallurgie. In der Stadt Sumgait befinden
                    sich Unternehmen aus den Branchen Chemie, Maschinenbau, Infrastruktur und Umwelt-
                    technik. Die Investitionen in den Branchen Lebensmittelindustrie, Infrastruktur und Tou-
                    rismus in der Region Qabala sind in den letzten 10 Jahren sichtbar geworden. Ab Februar
                    2015 ging die Bautätigkeit krisenbedingt in den Städten zurück. Besonders in Baku sank
Wiederaufbau der    sie wegen Finanzierungsproblemen deutlich. Die Regierung gründete seit 2015 Industrie-
Karabach Region     parks in den Regionen Aserbaidschans (Sumgait, Pirallahi, Mingachevir, Ganja, Neftchala,
                    Balaxani usw.). Die aserbaidschanische Seite sieht ein Investitionsvolumen von über ei-
                    ner Mrd. EUR alleine für 2021 nur für Infrastrukturprojekte der Karabach Region (be-
                    freite Gebiete nach dem bewaffneten Konflikt im Sep.-Nov. 2020) vor.

                              Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
7

                      Die Industrieproduktion fiel nach Regierungsangaben im Jahr 2020 im Vergleich zum
Schwache              Vorjahr um 3,5 %, während die Produktion im Nichtölsektor um +12,2 % stieg. Die Pro-
Entwicklung           duktion am Landwirtschaftssektor stieg im Jahr 2020 um +1,9 %. Der Einzelhandelsum-
einzelner             satz und der Dienstleistungssektor fielen im Jahr 2020 um 6,9 % im Vergleich zum Vor-
Sektoren              jahr. Das höchste Wachstum hat im Jahr 2020 der Bereich Transport mit +4,6 % verzeich-
                      net. Die Coronavirus-Pandemie hat 2020 den Tourismussektor in Aserbaidschan stark
                      getroffen.

Schwankender          Die ausländischen Direktinvestitionen (ADI) in Aserbaidschan spielen eine wichtige Rolle,
FDI-Zufluss           wobei die wichtigsten Investorenländer die Türkei, USA, Russland, Großbritannien,
                      Frankreich und Deutschland sind. Ausländische Direktinvestitionen machten 2018 USD
                      4,1 Mrd. und Jän-Sep. 2020 USD 3,4 Mrd. aus. Neben dem Erdöl-/Erdgassektor fließen
                      ADI vor allem in die Baubranche, den Dienstleistungsbereich, das Transportwesen, die
                      Telekommunikation und den produzierenden Bereich.

Boom vorbei,          Die Entwicklung des BIP ist für die Regierung Aserbaidschans ein Problem: Die hohen
stabiles aber nied-   Wachstumsraten von 20 % - 25 % in den Jahren vor der Krise werden zwar in den nächs-
riges Wachstum        ten Jahren nicht mehr erreicht werden, allerdings darf Aserbaidschan künftig wohl je
erwartet              nach Prognose wieder mit einem stabilen Wachstum von rund +2 % pro Jahr rechnen –
                      der Unsicherheitsfaktor bei dieser Prognose bleibt der Ölpreis und die Coronakrise. Das
                      langfristige Regierungsprogramm „Aserbaidschan 2030“ wurde ausgearbeitet.

Informelle Struk-     Das betriebliche Umfeld bleibt infolge von Korruption und gesetzlichen bzw. "informel-
turen hemmen          len" Monopolen in vielen Sektoren relativ schwierig. In Verbindung mit weniger vorteil-
weitere Entwick-      haften globalen Rahmenbedingungen hemmt dies die Bestrebungen der Regierung, In-
lung                  vestitionen in Sektoren außerhalb der Ölwirtschaft (Landwirtschaft, Industrie) auszuwei-
                      ten.

2. Besondere Entwicklungen

                      Die aserbaidschanische Regierung hatte wegen der Ausbreitung des Coronavirus die
                      Sonderquarantäne am 23. März 2020 eingeführt. Im Mai 2020 wurden die Beschränkun-
                      gen gelockert, aber für bestimmte Städte wurde das spezielle Quarantäneregime im
                      Zeitraum von 21. Juni bis 1. August 2020 wieder verschärft. Seit 14. März 2020 bis 1. Juni
Coronakrise           2021 war die Staatsgrenze für den Personenverkehr geschlossen. Der Flugverkehr mit
                      dem Ausland wurde eingestellt. Derzeit fliegen AZAL und Turkish Airlines Flüge aus
                      Baku nach Istanbul und Ankara. Bei der Einreise muss bereits beim Check-in ein Nach-
                      weis über das Vorliegen einer vollständigen Impfung oder ein Genesungsnachweis und
                      ein negativer PCR-Test (mit QR-Code) vorgelegt werden, der nicht älter als 72 Stunden
                      sein darf, eine Selbstisolation nach Einreise ist in Aserbaidschan nicht erforderlich. Das
                      Einreiseverbot für österreichische Staatsangehörige nach Aserbaidschan wurde am 05.
                      August 2021 aufgehoben. Für die Unterstützung der Wirtschaft und der Sozialsphäre in
                      der Coronakrise hatte die aserbaidschanische Regierung ein Milliarden-Hilfspaket (ca.
                      600 Mio. USD) beschlossen. Das AußenwirtschaftsCenter Istanbul und das Außenwirt-
                      schaftsBüro Baku bieten österreichischen Unternehmen laufend aktuelle Infos zum
                      Coronavirus/COVID-19 in Aserbaidschan.

                      Seit Mai 1994 herrschte Waffenstillstand im Karabach-Konflikt zwischen Aserbaidschan
Karabach-Konflikt     und Armenien. Die Verhandlungen im Zuge dieses Konflikts wurden im Rahmen der O-
                      SZE-Minsker Gruppe bis dato fortgesetzt. Es kam immer wieder zu bewaffneten Zwi-
                      schenfällen in dieser Region. Im April 2017 ist der Konflikt erneut aufgeflammt mit dem
                      Resultat von ca. 100 Toten auf beiden Seiten. Mit dem zweiten Karabach-Krieg vom 27.
                      September bis 8. November 2020 ist die Karabach Region wieder zu einem Teil Aserbaid-
                      schans geworden.

                                Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
8

                      Im letzten Jahrzehnt konnte auf Basis des hohen Erdölpreises die Armeestruktur ausge-
 Hohe Militäraus-     baut werden. Jedoch binden gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten die hohen
 gaben                Militärausgaben viele staatlichen Ressourcen.

                      Während sich andere GUS-Staaten oftmals sehr einseitig an Russland orientieren, ver-
 Ausrichtung auf      sucht die aserbaidschanische Außenpolitik eine Balance zwischen Russland, EU, USA
 Türkei und Iran      und diversen Staaten der islamischen Welt zu finden. In den letzten Jahren ist eine ver-
                      stärkte Ausrichtung auf die Türkei und den Iran zu bemerken, es wird aber darauf Wert
                      gelegt, die heikle Balance nicht zu stören.

                      Der Output der Nichtöl-Industrien ist gering. Die Abhängigkeit Aserbaidschans von den
 Abhängigkeit vom     internationalen Rohstoffpreisen hat weiterhin großen Einfluss auf die wirtschaftliche
 Ölpreis              Entwicklung des Landes. Die Wirtschaftsentwicklung in Aserbaidschan wird im Jahr
                      2020/21 auch stark von der Entwicklung des Ölpreises, des Dollarkurses, des Vertrau-
                      ens der internationalen Finanzmärkte in die Stabilität des Manats und der Coronavirus-
                      Pandemie abhängen.

                      Anfang 2011 hat die Regierung eine Anti-Korruptionskampagne begonnen. Neben neuen
                      Regelungen im Polizeisystem, Eigentumsregisterbereich, Bildungssystem, Armeedienst,
                      Zollsystem usw. wurden auch einige Staatsbeamte festgenommen. Eine der wichtigsten
 Antikorruptions-     Maßnahmen, die in der letzten Periode umgesetzt wurden, ist die Annahme einer Verord-
 maßnahmen der        nung des Präsidenten vom 5. September 2012 über die Ratifizierung des Nationalen Akti-
 Regierung            onsplans zur Förderung der offenen Regierung und des Nationalen Aktionsplans zur Be-
                      kämpfung der Korruption. Das „Azerbaijani Service and Assessment Network“ (ASAN)
                      zur Eindämmung von Korruption und Steigerung der Effizienz in der öffentlichen Verwal-
                      tung bietet insgesamt 30 private und 150 öffentliche Dienstleistungen an und hat das vor-
                      rangige Ziel, Vertreter einer Vielzahl von staatlichen Behörden unter ein Dach bringen.
                      Das erste ASAN-Center wurde im Januar 2013 in Baku eröffnet, das letzte Center – das
                      einundzwanzigste – hat im August 2021 seine Türen in Baku geöffnet. Verschiedene Re-
                      form-Roadmaps sowie eine Steuerreform und Erleichterungen der Gründung privater
                      Unternehmen sollen das Wirtschaftsklima weiter verbessern.

3. Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich

                      2020 betrug das Handelsvolumen insgesamt EUR 156,9 Mio., davon entfielen auf die ös-
 Schwankende          terreichischen Exporte EUR 46,8 Mio. und auf die Importe aus Aserbaidschan EUR 110,1
 Tendenz bei öster-   Mio. Corona-bedingt sind 2020 die Einfuhren aus Aserbaidschan um 74,7 % (Erdölliefe-
 reichischen Expor-   rung) und die österreichischen Ausfuhren nach Aserbaidschan um 38,7 % gesunken.
 ten                  Von Jänner bis Juni 2021 sind die Exporte um 11% auf EUR 22,4 Mio. gesunken, die Im-
                      porte fielen sogar um 43,7 % auf EUR 36,9 Mio. 2020 war Aserbaidschan nach Russland,
                      der Ukraine, Kasachstan, Belarus, Usbekistan und Moldau der siebtwichtigste GUS-
                      Markt für österreichische Exporte.

                      Die österreichischen Ausfuhren nach Aserbaidschan haben sich im Jahr 2020 in ihrer
 Hauptexportgüter     Struktur verändert. Hauptexportprodukte waren mit einer Zunahme um ein Drittel und
 Medizinische und     einem Anteil von knapp 25 % Medizinische und Pharmazeutische Erzeugnisse. An zwei-
 Pharmazeutische      ter Stelle findet sich die Lieferung von Zuchtrindern mit einem Anteil von 13 % und einem
 Erzeugnisse          Plus von einem Viertel. An dritter Stelle liegen nichtalkoholische Getränke mit einem
                      Anteil von 9 % und einer Zunahme von 5,5 %. Wegen einer Abnahme der Lieferungen von
                      Eisen und Stahl um 75 % auf einen Anteil von knapp 9 % und dem Rückgang der Exporte
                      von Arbeitsmaschinen um 90 % auf einen Anteil von 3,2% haben diese traditionell an der
                      Spitze liegenden Produktgruppen dramatisch abgenommen.

                      Aserbaidschan bleibt für Österreich ein klassischer Rohstofflieferant: Österreich impor-
 Importstruktur       tiert zu 99,9 % mineralische Brennstoffe aus Aserbaidschan. Auch diese Lieferungen
 unverändert          nahmen allerdings 2020 um 75 % ab und betrugen EUR 110 Mio.

                                Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
9

DL-Austausch          Der Dienstleistungsaustausch nahm 2020 stark ab. Während die Exporte um 11 % auf
nimmt auch ab         EUR 24 Mio. sanken, fielen die Importe sogar um 58 % auf EUR 15 Mio.

                      Im ersten Halbjahr 2021 reduzierten sich die Dienstleistungsexporte nach Aserbaid-
                      schan im Vergleich zur selben Periode 2020 erneut um 26,7 % auf EUR 11 Mio., die
                      Dienstleistungsimporte aus Aserbaidschan verkleinerten sich um 37,5 % auf EUR 5 Mio.

                      Österreichische Investitionen sind noch schwach etabliert. Die Firma Josef Manner &
                      Comp. AG hat kürzlich ein 320 Hektar Grundstück für den Haselnussanbau in Aserbaid-
Noch immer ge-        schan gekauft. Derzeit sind rund 15 österreichische Firmen in Aserbaidschan über
ringe Investitionen   Tochtergesellschaften, Joint Ventures oder Repräsentanzen vertreten. Überwiegend
österr. Unterneh-     handelt es sich dabei um größere Unternehmen wie Siemens, Liebherr, ILF, Manner
men                   oder TÜV Austria, die seit Jahren in Aserbaidschan aktiv sind. Investitionen österreichi-
                      scher Unternehmen bleiben die Ausnahme.

                      Die strategischen Reserven des Ölfonds SOFAZ ermöglichen der Regierung weitrei-
                      chende Investitionen sowie eine deutliche Erhöhung staatlicher Sozialleistungen und
                      Gehälter. Die Bereiche Telekommunikation, Infrastruktur (Tourismus-Bereich), Erneuer-
Chancen für           bare Energie, sowie die Privatisierung der Großindustrie eröffnen attraktive Möglichkei-
österreichische       ten für den Markteintritt österreichischer Firmen. Außerdem ist Aserbaidschan auf Wis-
Unternehmen           senstransfers in den Industriezweigen Maschinenbau, Chemie, Baustoff-, Textil-, Kfz-
                      und Lebensmittelindustrie besonders angewiesen. Chancen für die österreichische Wirt-
                      schaft ergeben sich auch bei der Modernisierung der Landwirtschaft, etwa im Bereich
                      der Lebensmittelverarbeitung, der Futtermittelherstellung oder beim Aufbau von Zucht-
                      betrieben. Ausländische Investitionen werden von Aserbaidschan gewünscht und geför-
                      dert, insbesondere wenn es sich um weltweit erfolgreiche Unternehmen handelt (z.B. BP,
Projekte österrei-    Siemens, LG). Die neuen Projekte einiger österreichischen Firmen (Lieferung von Zucht-
chischer Unter-       rindern usw.) wurden 2020 erfolgreich fortgesetzt. Die Sonderwirtschaftszonen und In-
nehmen                dustrieparks der Regionen bieten weitere Investitionsanreize. Die Republik Österreich
                      unterstützt österreichische Investoren in Aserbaidschan mit einem Investitionsschutz-
                      und Doppelbesteuerungsabkommen.

                      Aserbaidschan ist ein kleiner Markt aber mit interessantem Potenzial: dazu veranstaltet
Geplante Veran-       das AußenwirtschaftsCenter Istanbul ein Webinar „Wintersport-Infrastruktur in Georgien,
staltungen der        Aserbaidschan & Zentralasien (s. Youtube)“, ein Webinar „Der Landwirtschaftssektor in
AUSSENWIRT-           Aserbaidschan und Georgien (s. Youtube)“ sowie eine Wirtschaftsmission mit einem
SCHAFT AUSTRIA        Schwerpunkt „Tourismusinfrastruktur & Landwirtschaft“, welche von 22. bis 25. Novem-
                      ber 2021 geplant ist. Weitere Details zu den Veranstaltungen finden Sie auf
                      www.wko.at/aussenwirtschaft/az

                                Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA

AUSSENWIRTSCHAFTSCENTER ISTANBUL
T +90 212 211 14 76
E istanbul@wko.at
W wko.at/aussenwirtschaft/tr
Sie können auch lesen