AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT TÜRKEI - WKO
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2 Eine Information der AußenwirtschaftsCenter Istanbul und Ankara Wirtschaftsdelegierter Mag. Georg Karabaczek T +90 212 211 14 76 E istanbul@wko.at W wko.at/aussenwirtschaft/tr HEAD OFFICE Mag. Konstantin Bekos T +43 5 90 900/4442 E aussenwirtschaft.suedosteuropa@wko.at fb.com/aussenwirtschaft twitter.com/wko_ac_ist linkedIn.com/company/aussenwirtschaft-austria youtube.com/aussenwirtschaft flickr.com/aussenwirtschaftaustria www.austria-ist-ueberall.at Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die Rechte der Verbreitung, der Vervielfältigung, der Übersetzung, des Nachdrucks und die Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege durch Fotokopie, Mikro- film oder andere elektronische Verfahren sowie der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, der Wirtschaftskammer Österreich - AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA vorbehalten. Die Wiedergabe mit Quellenangabe ist vorbehaltlich anders lautender Bestimmungen gestattet. Es wird darauf hingewiesen, dass alle Angaben trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr erfolgen und eine Haftung der Wirtschaftskammer Österreich - AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA ausgeschlossen ist. Darüber hinaus ist jede gewerbliche Nutzung dieses Werkes der Wirtschaftskammer Österreich - AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA vorbehalten. © AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA DER WKÖ Offenlegung nach § 25 Mediengesetz i.d.g.F.: Herausgeber, Medieninhaber (Verleger) und Hersteller: WIRTSCHAFTSKAMMER ÖSTERREICH / AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA Wiedner Hauptstraße 63, Postfach 150, 1045 Wien Redaktion: AUSSENWIRTSCHAFTSCENTER ISTANBUL, T +90 212 211 14 76 E istanbul@wko.at, W wko.at/aussenwirtschaft/tr Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
3 AUSSENWIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT Türkei (Gesamtjahr 2018) • BIP-Wachstum geht 2018 auf 2,6 % zurück (2017: 7,4 %) • Inflationswerte 2018 steigen auf 20,3 % • Österreichische Warenexporte mit +0,8 % leicht positiv • Türk Lira fiel auf 7,8 zum EUR, erholt sich derzeit wieder auf rund 6,30 TRY zum EUR • Österreichische Unternehmen viertgrößter Investor mit USD 465 Mio. (2018) Wirtschaftskennzahlen 2017 2018 2019 2020 (Prognose) (Prognose) Nominales Bruttoinlandsprodukt in Mrd. USD1 851,0 784,0 795,0 858,0 Bruttoinlandsprodukt/Kopf zu Kaufkraftparität in US-Dollar2 28.607 k.A. k.A. k.A. Bevölkerung in Mio.3 80,7 81,9 k.A. k.A. Reales Wirtschaftswachstum in %4 7,4 2,6 2,3 3,5 Inflationsrate in %5 11,9 20,3 14,6 8,2 Arbeitslosenrate in %6 10,9 13,5 12,1 11,9 Wechselkurs der Landeswährung TRY zu Euro7 4,5 6,1 k.A. k.A. Waren-und Dienstleistungsexporte des Landes in Mrd. US-Dollar 157,0 168,0 182,0 191,0 Waren und Dienstleistungsimporte des Landes in Mrd. US-Dollar 234,0 223,0 244,0 252,0 Wirtschaftsleistung des Landes, Weltwertung:8 Rang 17 Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich 2017 2018 Ver. in % (Gesamtjahr) (Gesamtjahr) (geg. Periode im Vorjahr) Österreichische Warenexporte in Mio. Euro 1.310,7 1.321,4 +0,81 Österreichische Warenimporte in Mio. Euro 1.541,5 1.673,4 +8,56 Österreichische Dienstleistungsexporte in Mio. Euro9 590 509 -13,7 Österreichische Dienstleistungsimporte in Mio. Euro10 342 357 +4,4 Österreichische Direktinvestitionen11, Bestand in Mio. Euro 1.688 1.556 Beschäftigte bei österr. Direktinvestitionen12: 12.598 - Direktinvestitionen aus der Türkei in Ö13, Bestand in Mio. Euro: 200 208 Beschäftige in Österreich bei Direktinvestitionen aus der Tür- 81 79 kei14: Wichtigster Warenexportmarkt für Österreich: Rang 21 1-6 Quelle: Economist Intelligence Unit 7 Quelle: lokale Nationalbank 8 Quelle: Weltbank 9-14 Quelle: Österreichische Nationalbank Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
4 1. Wirtschaftslage Die türkische Wirtschaft ist in der zweiten Jahreshälfte 2018 in eine Rezession gerutscht, nachdem das Wirtschaftswachstum sowohl im dritten als auch im Wachstum 2018 nur vierten Quartal rückläufig war. Das BIP belief sich für das Gesamtjahr 2018 auf bei 2,6 % USD 784,1 Mrd., das Wirtschaftswachstum ging auf 2,6 % zurück und hat sich da- mit im Vergleich zum Vorjahr (2017: 7,4 %) mehr als halbiert. Dies stellt die schwächste Wirtschaftsleistung der türkischen Volkswirtschaft seit 2009 dar. Das BIP Wachstumsprog- BIP pro Kopf zu aktuellen Preisen sank auf USD 9.632. Für das Jahr 2019 wird nose 2019: ca. 2,3 % von der türkischen Regierung ein Wirtschaftswachstum von 2,3 %, für das Jahr 2020 ein Wachstum von 3,5 % erwartet. Um die privaten Konsumausgaben wieder anzukurbeln, welche in der Vergangenheit ein starker Wachstumstreiber waren, werden die Steuerermäßigungen für Käufe von Immobilien, Kfz, Weißwaren und Möbel bis Jahresende 2019 weitergeführt. Die lockere Geldpolitik in der heißen Phase des Wahlkampfes im 1. Halbjahr 2018 war ein Wachstumstreiber; im 2. Halbjahr wirkte die hohe Verschuldung der Unternehmen und der starke Wertverfall der Lira, welcher in Bezug auf den Rapide Abwertung der USD im letzten Jahr rund 20 % betrug und importierte Waren spürbar verteuerte, türkischen Lira wachstumshemmend. Der starke Wertverlust und die hohe Volatilität der Lira hängt vor allem mit einer sehr zögerlichen Zinserhöhung der Nationalbank und einem, nicht zuletzt damit zusammenhängenden, Vertrauensverlust internationa- ler Anleger zusammen. Besonders im August kam es zu einer starken Abwer- tung des US Dollars, nachdem die USA hohe Zölle auf Stahl aus der Türkei ein- führten. Auch gegenüber dem Euro verlor die türkische Lira beträchtlich an Wert. Erhielt man im Juli 2017 für 1 Euro noch TRY 4,0, so musste im August 2018 mehr als TRY 7,0 für 1 Euro bezahlt werden – bis Dezember 2018 festigte sich die Währung wieder etwas auf rund 6,10 EUR zur TRY. Weiters wurden durch die Zinserhöhungen der Zentralbank auf 24% Kredite teurer, wodurch es eben- falls zu einem Rückgang bei den Konsumausgaben kam. Die Jahresinflation 2018 lag mit 20,3 % im hohen zweistelligen Bereich, stellte aber im Vergleich zum September 2018 mit 24,5 % eine Verbesserung dar. Da Hohe Inflationsrate bei sich der Wertverlust der türkischen Lira auch im ersten Quartal 2019 weiter fort- 20,3 % setzte, wird der Inflationswert auch 2019 im zweistelligen Bereich bleiben. Be- sonders die steigenden Preise für Lebensmittel und Getränke sowie für Möbel und Haushaltsgeräte wirken Inflationstreibend. Die türkische Zentralbank rech- net für 2019 mit einem Jahresendwert von 14,6 %, erst für das Jahr 2020 wird ein einstelliger Wert von rund 8,2 – 9,3 % erwartet. Der starke Verfall der türkischen Lira führte zu einem großen Anstieg der Aus- landsverschuldung türkischer Konzerne, die in den letzten Jahren ihren Kredit- FX Verschuldung tür- bedarf in Devisen gedeckt haben und einen Schuldenberg von USD 388 Mrd. in kischer Unternehmen ausländischen Währungen tilgen müssen. Ein Drittel davon müssen die Unter- problematisch nehmen binnen eines Geschäftsjahres zurückzahlen. Um diese Verwundbarkeit der türkischen Wirtschaft zu reduzieren, hat die türkische Regierung ein Verbot für KMUs erlassen, Fremdwährungskredite aufzunehmen. Auch ausländische Banken wie die italienische Unicredit, die spanische BBVA oder die französische BNP Paribas sind durch ihr Engagement in der Türkei vom Verfall der türkischen Lira betroffen. Das Leistungsbilanzdefizit verringerte sich auf USD 27,6 Mrd. (-8,8 %) und war somit das geringste Defizit seit 2009. In den Monaten August bis November hatte Leistungsbilanzdefizit die Leistungsbilanz sogar einen Überschuss produziert. Noch im Jahr 2017 stand stark rückläufig das Leistungsbilanzdefizit bei USD 47,5 Mrd., im Jahr 2011 hatte es den Rekord- wert von USD 74,4 Mrd. erreicht gehabt. Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
5 Aufgrund der Wechselkursentwicklung in der zweiten Jahreshälfte 2018 war es zu einem starken Rückgang bei den Importen gekommen, womit sich das Han- delsbilanzdefizit stark verringerte. Im Gesamtjahr 2018 wurden Waren für USD Handelsbilanzdefizit 168 Mrd. (+7,0 %) exportiert, die Importe verringerten sich im Vergleich zum sinkt Vorjahr um -4,6 % auf USD 223,0 Mrd. Der Anteil der Exporte in die EU nimmt weiterhin zu und wuchs 2018 um 13,7 % auf USD 84,0 Mrd. Zu den Hauptexport- partnern der Türkei gehören Deutschland, das Vereinigte Königreich und Italien. Bei den Importen liegen Russland, Deutschland, China und die USA auf den ers- ten Plätzen. Zu den führenden Exportsektoren gehören die Automobil- und Ma- schinenindustrie sowie die Sicherheits- und Luftfahrttechnik. Die türkische Zentralbank war mit ihrer offensichtlich mehr der türkischen Staatsführung als den makroökonomischen Grundsätzen folgenden Zinspolitik Leitzinsen zu spät er- vor allem internationaler aber auch nationaler Kritik ausgesetzt. Dies lies auch höht – Unabhängigkeit Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank aufkommen. Erst nach einem der Zentralbank wird dramatischen Kursverfall im Juni und erneut im August 2018 erhöhte die Natio- bezweifelt nalbank in einer Krisensitzung die Zinsen zuerst auf 17,75 % und später auf 24 %; zu spät wie Kritiker meinen. Dennoch bewies die türkische Nationalbank damit ihre Unabhängigkeit gegenüber der Staatsführung, welche weiterhin auf niedrigere Zinsen als Investitionsanreiz setzt. Seitdem blieb der Leitzinssatz un- verändert bei 24 %. Die drei größten Credit Rating Agenturen Moody´s, S&P und Fitch hatten die Tür- kei nach dem vereitelten Putschversuch im Juli 2016 auf „Non Investment Credit Rating bleibt auf Grade“ herabgestuft. Im Juli 2018 führte Fitch eine weitere Herabstufung von „Non Investment BB+ auf BB durch. Und auch die Rating Agenturen S&P und Moody´s nahmen im Grade“ August 2018 weitere Herabstufungen der Türkei vor. Als Gründe werden die poli- tischen Einmischungen auf die Unabhängigkeit der Zentralbank und die sehr hohe Inflationsrate genannt. Damit wird es für türkische Banken und Unterneh- men noch schwieriger, Kredite im Ausland aufzunehmen. Der Tourismussektor gehört zu den großen Gewinnern des Jahres 2018. Die Zahl der Touristen erreicht mit 46,1 Mio. (+22,9 %) einen neuen Rekord, und auch die Einnahmen aus dem Tourismus erhöhten sich um 12,3 % auf EUR 25,8 Mrd. Rund Anstieg um +22,9 % bei 82 % wurden durch Ausgaben von internationalen Touristen erzielt, 18 % wurden Touristenankünften von im Ausland ansässigen Türkeninnen und Türken ausgegeben. Bei den inter- nationalen Touristen lagen Besucherinnen und Besucher aus Russland, Deutsch- land, Bulgarien, Vereinigtem Königreich und Georgien auf den ersten Plätzen. Mit der im April 2019 erfolgten Inbetriebnahme des neuen Flughafens in Istanbul ist das Land auf einen Ansturm im Flugverkehr gerüstet. Aufgrund des Rückgangs beim Wirtschaftswachstum kam es in der zweiten Jah- reshälfte 2018 auch zu einem Anstieg bei der Arbeitslosenrate, welche Ende De- zember bei 13,5 % lag. Mit 4,3 Mio. als arbeitslos gemeldeten Personen ist dies die höchste Arbeitslosenrate seit 2010. Die Arbeitslosenrate verblieb somit 2018 fast durchgehend im zweistelligen Bereich und betrug im Durchschnitt 11,0 %. Arbeitslosenrate wei- Auch die Jugendarbeitslosenrate (Alter 15 – 24 Jahre) lag bei 20,3 %. Mehr als terhin zweistellig die Hälfte der türkischen Bevölkerung ist im Dienstleistungssektor (54 %) tätig, 19,6 % sind in der Industrie und 19,2 % in der Landwirtschaft tätig. Die Erwerbs- quote der Frauen liegt bei nur 34 %. Bei den ausländischen Direktinvestitionen (ADI) konnte 2018 der Rückgang, wel- cher 2017 erfolgt war, wieder teilweise wettgemacht werden. Im Jahr 2018 wur- den insgesamt USD 13,2 Mrd. an ausländischen Direktinvestitionen erzielt, womit der Wert von USD 13,9 Mrd. aus dem Jahr 2016 fast wieder erreicht werden Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
6 konnte. Im Jahr 2017 waren die ADI auf USD 11,5 Mrd. zurückgegangen. Zwei Ausländische Direktin- Drittel der ADI kommen aus der EU. Bei den Herkunftsländern für ADI lag Öster- vestitionen wieder im reich mit USD 465 Mio. an vierter Stelle. Die ersten drei Ränge gingen an die Steigen Niederlande (USD 833 Mio.), Aserbaidschan (USD 516 Mio.) und Italien (USD 509 Mio.). Die größten Investitionen wurden in den Sektoren Dienstleistungen (Han- del, Finanz- und Versicherungswesen), Produktion und Energie durchgeführt. Zwischen den Jahren 2002 und 2018 liegt Österreich laut türkischer Statistik mit insgesamt 10,5 Mrd. USD und einem Anteil von 6,8 % an 3. Stelle. Bei den Immo- bilienkäufen war 2018 ein leichter Rückgang um -2,4 % im Vergleich zum Vorjahr zu beobachten. Die meisten Immobilienkäufe wurden in Istanbul (18 %), Ankara (9,5 %) und Izmir (5,5 %) getätigt. Bei den Immobilienkäufen von Ausländern wurde 2018 eine Steigerung um 78,4 % erzielt, wobei die Hauskäufe vorwiegend von Personen aus dem Irak, Iran, Saudi-Arabien, Russland und Kuwait durchge- führt wurden. 2. Besondere Entwicklungen Mit der gleichzeitigen Durchführung der – vorgezogenen - Wahlen für das Amt des Präsidenten und für das Parlament am 24. Juni vollzog sich in der Türkei der Wechsel von einer parlamentarischen zu einer vom Staatspräsidenten geleiteten Neues Präsidialsystem Regierung. Präsident Erdogan wurde in seinem Amt bestätigt und am 9. Juli für eine neue Amtszeit vereidigt. Mit dem Wechsel zum Präsidialsystem erfolgt auch eine grundlegende Änderung bei den staatlichen Institutionen, welche in ihrer Zahl ge- strafft wurden. Die bislang 26 Ministerien wurden zu 16 Ministerien zusammenge- fasst, weiters wurden 13 Institutionen geschaffen, welche direkt dem Präsidenten unterstehen. Die bisherigen getrennt fungierenden Ministerien für Wirtschaft sowie Zoll und Handel wurden unter einem einzigen Ministerium für Handel zusammen- gefasst. Als neue Handelsministerin wurde Frau Ruhsar Pekcan ernannt, welche vorher bei der türkischen Wirtschaftskammer TOBB tätig war. Auch die zweite Jahreshälfte bzw. das erste Quartal 2019 waren von einem Wahl- kampf geprägt. Am 31. März 2019 wurden die Gemeinderatswahlen in der gesam- ten Türkei durchgeführt. Es kam in den Großstädten zu einem Kopf-an-Kopf Rennen zwischen der Regierungspartei AKP und der größten Oppositionspartei CHP. Der Gemeindewahlen in Posten des Großbürgermeisters in Ankara ging an den oppositionellen Kandidaten der Türkei der CHP; in Istanbul wurde der Wahlsieg des oppositionellen Kandidaten der CHP von der Regierungspartei beeinsprucht. Damit hat die regierende AKP zwar die meisten Stimmen erhalten, allerdings die auch die wichtigsten Großstädte verloren. Das Besondere an dieser Wahl war aber, dass es die letzte bis Herbst 2023 sein sollte. In den nächsten – wahlfreien – Jahren wäre daher genug Zeit die notwendi- gen Reformen durchzuführen. Der in Folge des am 15. Juli 2016 durchgeführten Putschversuchs ausgerufene Ausnahmezustand wurde nach zweijähriger Dauer im Juli 2018 nicht mehr verlän- Ausnahmezustand offi- gert. Obwohl der Ausnahmezustand damit offiziell beendet erscheint, kam es zu in- ziell beendet, aber… ternationaler Kritik, da einige Bestimmungen des Ausnahmezustands gültig blei- ben. So soll z.B. das Antiterrorgesetz verschärft werden, damit der Kampf gegen terroristische Gruppierungen wie der PKK weitergeführt werden kann. Die Auswirkungen des Krieges im Nachbarland Syrien haben dazu geführt, dass sich mit Februar 2019 rund 4 Mio. Flüchtlinge, davon 3,6 Mio. aus Syrien, in der Tür- 4 Mio. Flüchtlinge in kei aufhalten. Nur 140.000 Flüchtlinge leben in Camps, der Großteil der Syrerinnen der Türkei und Syrer hält sich in den türkischen Städten auf. Die Türkei ist einerseits bemüht, die Flüchtlinge zu integrieren, indem ihnen die Möglichkeit zu einer Erwerbstätig- keit gegeben wird. Andererseits möchte man jene Flüchtlinge unterstützen, die in ihr Heimatland zurückkehren wollen. Um die in Syrien von der Terrororganisation Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
7 PKK ausgehenden Bedrohungen beseitigen zu können, führt die türkische Armee militärische Operationen in Nord-Syrien durch. Die politischen Beziehungen mit der EU sind seit dem Putschversuch strapaziert. Die zwischen der Türkei und der EU geschlossene Übereinkunft zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms aus der Türkei nach Europa ist in ihrer Umsetzung zwar er- Vorläufig keine Moder- folgreich, auf politischer Ebene kam es aber zu größeren Spannungen mit einigen nisierung der Zollunion EU Mitgliedsländern wie Deutschland, den Niederlanden und auch Österreich. Da und Kürzung der Vor- die Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU bis auf weiteres ste- Beitrittshilfen (IPA) hen, bemüht sich die Türkei zumindest in wirtschaftlichen Angelegenheiten um ei- nen Fortschritt. Die seit über 20 Jahren bestehende Zollunion soll auf den Agrar- und Dienstleistungssektor ausgebaut werden, womit das BIP der Türkei in den nächsten 10 Jahren um weitere 1,8 % steigen könnte. Ende Juni gab die EU aber be- kannt, dass die Modernisierung der Zollunion bis auf weiteres nicht begonnen wird, da sich die Türkei von der EU weiter entfernt habe. Ebenfalls Ende Juni wurde das vertiefte Freihandelsabkommen zwischen der Türkei und den EFTA Staaten unter- zeichnet, welches 1991 abgeschlossen und somit älter als die Zollunion mit der EU (1995) ist. Im September wurde von der EU eine weitere, für die Türkei negative Nachricht bekanntgegeben, nämlich eine Kürzung der Vor-Beitrittshilfen (IPA) für 2018 bis 2020 um 40 %. Von den rund EUR 2 Mrd. werden daher nur ca. EUR 1,2 Mrd. der Türkei zur Verfügung gestellt. Befeuerte wurde die Unsicherheit der Märkte auch durch den schwelenden Konflikt mit den USA. Die Inhaftierung bzw. der Hausarrest des Pastors Brunson und ver- hängte Sanktionen durch die USA hatten im Sommer für eine schwere Verunsiche- rung gesorgt, die auch durch erste erfolglose Verhandlungen nicht beigelegt wer- Handelskrieg mit den den konnten. Um die Freilassung des Pastors zu erreichen, verhängte Trump im USA vorerst abgewen- August Sanktionen und Strafzölle gegen die Türkei. Die türkische Lira brach da- det raufhin stark ein. Die Währungskrise dauert auch Wochen später noch an und wirkte sich zusammen mit der massiven Inflation auf die gesamte Wirtschaft aus. Im Oktober erfolgte dann die Freilassung des Pastors, womit der bereits begonnene Handelskrieg vorerst wieder zum Stillstand kam und sich auch die türkische Wäh- rung wieder stabilisierte. Zu Jahresbeginn 2019 kam es aber erneut zu Spannungen mit den USA, da sich die Türkei nicht vom Kauf von russischen Abwehrraketen ab- ringen lassen will. Am 20. September wurde von Finanzminister Albayrak, dem Schwiegersohn von Präsident Erdogan, das neue Wirtschaftsprogramm für die kommenden Jahre vor- gestellt. Mit diesem Programm soll das Vertrauen der internationalen Investoren zurückgewonnen und der Lira-Verfall gestoppt werden. Es wurden Sofortmaßnah- Neues Wirtschaftspro- men gesetzt, um die Auswirkungen der Wechselkursschwankungen auf die türki- gramm soll Vertrauen sche Lira eindämmen zu können. Es wurden die Verkäufe und Käufe von Immobi- aufbauen und Lira lien und beweglichem Eigentum auf Devisenbasis zwischen Inländern untersagt, stärken bereits bestehende Verträge müssen entsprechend abgeändert werden. Ausnah- men gibt es lediglich für Ausländer. Weiters wurde ein für 6 Monate gültiger Erlass veröffentlicht, welcher türkische Exporteure verpflichtet, mindestens 80 % ihre Exporterlöse in türkische Lira umzuwechseln. Als inflationshemmende Maßnahme wurden Handelsketten angehalten Rabatte auf gewisse Produkte zu gewähren. Um die türkische Wirtschaft auf lange Sicht nachhaltig wachsen zu lassen, werden weitere strukturelle Reformen notwendig sein. Dazu gehören etwa Reformen im Großer Reformbedarf Erziehungswesen (Ausbau der dualen Ausbildung), Steuerwesen (Hebung der für nachhaltiges Wirt- Steuereffizienz), Arbeitsmarkt (hohe Abfertigungszahlungen) und am Kapitalmarkt schaftswachstum (Vertiefung des Kapitalmarkts). Eine Verbesserung der Beziehungen mit dem wich- tigsten Handelspartner, der EU, sollte ebenfalls durchgeführt werden, damit auch die Modernisierung der Zollunion in Angriff genommen werden kann. Auf bilateraler Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
8 Ebene gab es dazu bereits Anläufe der Türkei, die strapazierten Beziehungen mit Deutschland und den Niederlanden zu verbessern. Auch mit Österreich wurden die diplomatischen Besuche wieder begonnen. 3. Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich Die österreichischen Exporte in die Türkei blieben im Jahr 2018 trotz der Ver- 2018: Österr. Waren- schlechterung der Wirtschaftslage und der starken Abwertung der türkischen Lira exporte stabil, Im- mit einer leichten Steigerung um +0,81 % stabil. Die türkischen Lieferungen legten porte steigen um +8,56 % zu. Unser bilateraler Warenaustausch erreichte 2018 EUR 2,99 Mrd. Ös- terreichischen Exporten von EUR 1.321 Mio. standen Warenimporte aus der Türkei von EUR 1.673 Mio. gegenüber. Handelsbilanzdefizit Damit erhöht sich 2018 unser Handelsbilanzdefizit mit der Türkei auf EUR 352,1 erhöht sich Mio., nachdem es 2017 und 2016 jeweils rund EUR 230 Mio. betragen hatte. Die österreichischen Warenexporte betrugen im Jahr 2018 EUR 1,32 Mrd. (2017: EUR 1,31 Mrd.). 2018 waren die wichtigsten Warengruppen mit Exportsteigerungen die folgenden: Zugmaschinen und Kraftfahrzeuge (EUR 119,4 Mio., +21,2 %), Schie- nenfahrzeuge (EUR 23,5 Mio., +112,0 %), Waren aus Eisen oder Stahl (EUR 53,66 Mio. +18,8%), Spielzeug und Unterhaltungsartikel (EUR 4,37 Mio., +85,7 %), Beklei- Wichtigste Exportpro- dung und –zubehör, gewirkt oder gestrickt (EUR 2,80 Mio., +110,5 %). Bei den öster- dukte aus Österreich reichischen Zuchtrinderexporten in die Türkei, welche sich in den vergangenen Jah- ren sehr positiv entwickelt hatten, kam es aufgrund der Abwertung der türkischen Lira und der damit angestiegenen Inflation zu einem Einbruch. Waren im Jahr 2017 noch Zuchtrinder um EUR 47,0 Mio. in die Türkei exportiert worden, gingen die Ex- porte im Jahr 2018 um -51,2 % auf EUR 22,9 Mio. zurück. Bei folgenden Warengrup- pen kam es ebenfalls zu Rückgängen: Kernreaktoren, Kessel, Maschinen (EUR 229,1 Mio., -7,8 %), pharmazeutische Erzeugnisse (EUR 22,3 Mio., -16,0 %) und Kup- fer und Waren daraus (EUR 3,3 Mio., -57,1 %). Österr. Importe stei- Die Importe aus der Türkei verzeichneten 2018 einen Anstieg um 8,6 % auf EUR 1,67 gen 2018 um 8,6% Mrd. (2017: EUR 1,54 Mrd.). Im Jahr 2018 nahmen die türkischen Lieferungen von Zugmaschinen um +22,6 % auf EUR 341,8 Mio. sowie von Kernreaktoren, Kessel, Maschinen um 12,6 % auf EUR 162,9 Mio. zu. Andere wichtige Warengruppen sind: Elektrische Maschinen und Ap- Wichtigste Importwa- parate mit EUR 86,6 Mio. (+10,8 %), Waren aus Eisen und Stahl mit EUR 43,5 Mio. ren (+8,1 %), Aluminium mit EUR 77,5 Mio. (+13,3 %), Kupfer mit EUR 26,7 Mio. (+13,7 %), Kunststoffe mit EUR 41,2 Mio. (+19,8 %) sowie Salz und Erden mit EUR 62,7 Mio. (+14,7 %). Bei einem der Hauptimportartikeln, der Bekleidung (gewirkt oder ge- strickt), kam es zu einem leichten Rückgang um -0,5 % auf EUR 191,9 Mio. Die österreichischen Dienstleistungsexporte nahmen 2018 um -13,7 % ab und ver- ringerten sich von EUR 590 Mio. (2017) auf EUR 509 Mio. Damit setzt sich der rück- Dienstleistungsaus- läufige Trend fort, welcher sich bereits 2017 mit einem Rückgang von -3,8 % im Ver- tausch von enormer gleich zu 2016 (EUR 612 Mio.) abgezeichnet hatte. Die Dienstleistungsimporte hinge- Bedeutung gen steigen weiter an: 2018 betrugen die Importe EUR 357 Mio. und waren somit um 4,4 % im Vergleich zu 2017 angestiegen. Im Jahr 2016 standen die Importe noch bei EUR 337 Mio. Touristenankünfte aus Bei den Dienstleistungsexporten aus Österreich handelt es sich vorwiegend um Österreich erholen Dienstleistungen im Finanzwesen und im technischen Bereich. Die Dienstleistungs- sich nach zwei schwie- importe bestehen größtenteils aus den österreichischen Touristenankünften in der rigen Jahren wieder Türkei. Nach einem Rückgang um 48 % im Jahr 2016 gingen die Ankünfte auch 2017 Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
9 von 311.000 (2016) auf 288.000 zurück. 2018 erfolgte wieder ein Anstieg um 23% auf 354.000. Ein Zeichen der Erholung, allerdings noch weit entfernt vom Rekordjahr 2011 als 529.000 Österreicher ihren Urlaub in der Türkei verbrachten. Weniger türkische Die Anzahl der türkischen Touristen in Österreich, welcher 2017 den Rekordwert Touristen in Öster- von 125.000 erreichte, ging 2018, wegen des starken Wertverlustes der TL, um reich knapp 8 % auf 94.500 zurück. Von besonderer Bedeutung für die österreichischen Unternehmen ist die Türkei auch als Zielland für Investitionen: Bei den ausländischen Direktinvestitionen (Flüsse) liegt Österreich im Zeitraum 2002 bis 2018 gemäß Angaben der türkischen Nationalbank mit einem Anteil von 6,8 % an 3. Stelle. Im Jahr 2018 befindet sich Direktinvestitionen: Österreich mit USD 465 Mio. an 4. Stelle. Laut österreichischer Nationalbank-Sta- 2018 Österreich an 4. tistik haben österreichische Unternehmen per Ende 2018 rund EUR 1,56 Mrd. (Be- Stelle stand) in der Türkei investiert. Der starke Rückgang gegenüber 2015 (4,5 Mrd.) ist vor allem auf eine Umschichtung der Investition der Bank Austria an der Bank Yapi Kredi auf die Mutter Unicredit in Italien zurück zu führen. Die OMV hat ihren seit langem geplanten Verkauf des Tankstellennetzes Petrol Ofisi Anfang 2017 realisiert. Größere De-investitionen österreichischer Unternehmen wegen der aktuellen Krise sind uns nicht bekannt, vereinzelt kam es allerdings zu Liquidationen, vor allem von Vertriebsniederlassungen, da der erwartete Geschäftserfolg nicht mehr gegeben war. Andererseits haben einige österreichische Firmen in den letzten Monaten neue Investitionsvorhaben bekannt gegeben. Trotz der großen Turbulenzen in der Türkei und der angespannten politischen Situa- Mittel- und langfris- tion zwischen Österreich bzw. der EU und der Türkei sind die mittel- bis langfristi- tige Chancen gut gen Chancen für Unternehmen als gut einzuschätzen. Das Land hat im Vergleich zu Europa gute Wachstumsraten, eine junge recht gut ausgebildete Bevölkerung und vor allem auch unternehmerisch denkende Menschen. Ganz besondere Chancen bieten sich in den Bereichen Bau und Infrastruktur – Tou- rismus, Tunnelbau, Eisenbahnwesen - mit Spezialprodukten, Verpackungsindustrie, Chancenreiche Bran- Automotive, Energie insb. Erneuerbare Energie, Umwelt, Abfallwirtschaft, aber chen auch Smart Cities, IT und die Chemische Industrie. Die Türkei bietet zudem einen guten Sourcing-Markt für Bekleidung und Incoming Tourismus. Interessant ist das sehr stark ausgebaute Förderprogramm für F & E, das gute Kooperationsmöglich- keiten bietet, allerdings von österr. Unternehmen noch kaum beachtet wurde. Die beiden AußenwirtschaftsCenter Istanbul und Ankara planen laufend Veranstal- Veranstaltungsvor- tungen in Österreich und in der Türkei. Informationen zu allen Veranstaltungen der schau AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA finden Sie auf unserer Webpage unter wko.at/aus- senwirtschaft/tr (Veranstaltungen). Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
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