AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT TÜRKEI - WKO

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AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT TÜRKEI - WKO
AUSSEN
WIRTSCHAFT
WIRTSCHAFTSBERICHT
TÜRKEI

AUSSENWIRTSCHAFTSCENTER ISTANBUL und ANKARA
APRIL 2019
AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT TÜRKEI - WKO
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                                          Eine Information der
                               AußenwirtschaftsCenter Istanbul und Ankara

                                          Wirtschaftsdelegierter
                                          Mag. Georg Karabaczek
                                            T +90 212 211 14 76
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AUSSENWIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT Türkei (Gesamtjahr 2018)

•             BIP-Wachstum geht 2018 auf 2,6 % zurück (2017: 7,4 %)
•             Inflationswerte 2018 steigen auf 20,3 %
•             Österreichische Warenexporte mit +0,8 % leicht positiv
•             Türk Lira fiel auf 7,8 zum EUR, erholt sich derzeit wieder auf rund 6,30 TRY zum EUR
•             Österreichische Unternehmen viertgrößter Investor mit USD 465 Mio. (2018)

Wirtschaftskennzahlen
                                                                            2017         2018         2019         2020
                                                                                                   (Prognose)   (Prognose)
 Nominales Bruttoinlandsprodukt in Mrd. USD1                                851,0       784,0         795,0        858,0
 Bruttoinlandsprodukt/Kopf zu Kaufkraftparität in US-Dollar2               28.607        k.A.          k.A.         k.A.
 Bevölkerung in Mio.3                                                       80,7        81,9           k.A.         k.A.
 Reales Wirtschaftswachstum in %4                                            7,4         2,6           2,3          3,5
 Inflationsrate in %5                                                       11,9        20,3          14,6          8,2
 Arbeitslosenrate in %6                                                     10,9        13,5          12,1         11,9
 Wechselkurs der Landeswährung TRY zu Euro7                                  4,5         6,1           k.A.         k.A.
 Waren-und Dienstleistungsexporte des Landes in Mrd. US-Dollar              157,0       168,0         182,0        191,0
 Waren und Dienstleistungsimporte des Landes in Mrd. US-Dollar              234,0       223,0         244,0        252,0

 Wirtschaftsleistung des Landes, Weltwertung:8                           Rang 17

Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich
                                                                         2017           2018            Ver. in %
                                                                         (Gesamtjahr)   (Gesamtjahr)    (geg. Periode
                                                                                                        im Vorjahr)

 Österreichische Warenexporte in Mio. Euro                               1.310,7        1.321,4         +0,81
 Österreichische Warenimporte in Mio. Euro                               1.541,5        1.673,4         +8,56
 Österreichische Dienstleistungsexporte in Mio. Euro9                    590            509             -13,7
 Österreichische Dienstleistungsimporte in Mio. Euro10                   342            357             +4,4

 Österreichische Direktinvestitionen11, Bestand in Mio. Euro             1.688          1.556
 Beschäftigte bei österr. Direktinvestitionen12:                         12.598         -
 Direktinvestitionen aus der Türkei in Ö13, Bestand in Mio. Euro:        200            208
 Beschäftige in Österreich bei Direktinvestitionen aus der Tür-          81             79
 kei14:

 Wichtigster Warenexportmarkt für Österreich:                            Rang 21
    1-6 Quelle: Economist Intelligence Unit
    7 Quelle: lokale Nationalbank
    8 Quelle: Weltbank
    9-14 Quelle: Österreichische Nationalbank

                                                Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
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1. Wirtschaftslage

                          Die türkische Wirtschaft ist in der zweiten Jahreshälfte 2018 in eine Rezession
                          gerutscht, nachdem das Wirtschaftswachstum sowohl im dritten als auch im
Wachstum 2018 nur         vierten Quartal rückläufig war. Das BIP belief sich für das Gesamtjahr 2018 auf
bei 2,6 %                 USD 784,1 Mrd., das Wirtschaftswachstum ging auf 2,6 % zurück und hat sich da-
                          mit im Vergleich zum Vorjahr (2017: 7,4 %) mehr als halbiert. Dies stellt die
                          schwächste Wirtschaftsleistung der türkischen Volkswirtschaft seit 2009 dar. Das
BIP Wachstumsprog-        BIP pro Kopf zu aktuellen Preisen sank auf USD 9.632. Für das Jahr 2019 wird
nose 2019: ca. 2,3 %      von der türkischen Regierung ein Wirtschaftswachstum von 2,3 %, für das Jahr
                          2020 ein Wachstum von 3,5 % erwartet. Um die privaten Konsumausgaben wieder
                          anzukurbeln, welche in der Vergangenheit ein starker Wachstumstreiber waren,
                          werden die Steuerermäßigungen für Käufe von Immobilien, Kfz, Weißwaren und
                          Möbel bis Jahresende 2019 weitergeführt.

                          Die lockere Geldpolitik in der heißen Phase des Wahlkampfes im 1. Halbjahr
                          2018 war ein Wachstumstreiber; im 2. Halbjahr wirkte die hohe Verschuldung
                          der Unternehmen und der starke Wertverfall der Lira, welcher in Bezug auf den
Rapide Abwertung der      USD im letzten Jahr rund 20 % betrug und importierte Waren spürbar verteuerte,
türkischen Lira           wachstumshemmend. Der starke Wertverlust und die hohe Volatilität der Lira
                          hängt vor allem mit einer sehr zögerlichen Zinserhöhung der Nationalbank und
                          einem, nicht zuletzt damit zusammenhängenden, Vertrauensverlust internationa-
                          ler Anleger zusammen. Besonders im August kam es zu einer starken Abwer-
                          tung des US Dollars, nachdem die USA hohe Zölle auf Stahl aus der Türkei ein-
                          führten. Auch gegenüber dem Euro verlor die türkische Lira beträchtlich an
                          Wert. Erhielt man im Juli 2017 für 1 Euro noch TRY 4,0, so musste im August
                          2018 mehr als TRY 7,0 für 1 Euro bezahlt werden – bis Dezember 2018 festigte
                          sich die Währung wieder etwas auf rund 6,10 EUR zur TRY. Weiters wurden durch
                          die Zinserhöhungen der Zentralbank auf 24% Kredite teurer, wodurch es eben-
                          falls zu einem Rückgang bei den Konsumausgaben kam.

                          Die Jahresinflation 2018 lag mit 20,3 % im hohen zweistelligen Bereich, stellte
                          aber im Vergleich zum September 2018 mit 24,5 % eine Verbesserung dar. Da
Hohe Inflationsrate bei   sich der Wertverlust der türkischen Lira auch im ersten Quartal 2019 weiter fort-
20,3 %                    setzte, wird der Inflationswert auch 2019 im zweistelligen Bereich bleiben. Be-
                          sonders die steigenden Preise für Lebensmittel und Getränke sowie für Möbel
                          und Haushaltsgeräte wirken Inflationstreibend. Die türkische Zentralbank rech-
                          net für 2019 mit einem Jahresendwert von 14,6 %, erst für das Jahr 2020 wird
                          ein einstelliger Wert von rund 8,2 – 9,3 % erwartet.

                          Der starke Verfall der türkischen Lira führte zu einem großen Anstieg der Aus-
                          landsverschuldung türkischer Konzerne, die in den letzten Jahren ihren Kredit-
FX Verschuldung tür-      bedarf in Devisen gedeckt haben und einen Schuldenberg von USD 388 Mrd. in
kischer Unternehmen       ausländischen Währungen tilgen müssen. Ein Drittel davon müssen die Unter-
problematisch             nehmen binnen eines Geschäftsjahres zurückzahlen. Um diese Verwundbarkeit
                          der türkischen Wirtschaft zu reduzieren, hat die türkische Regierung ein Verbot
                          für KMUs erlassen, Fremdwährungskredite aufzunehmen. Auch ausländische
                          Banken wie die italienische Unicredit, die spanische BBVA oder die französische
                          BNP Paribas sind durch ihr Engagement in der Türkei vom Verfall der türkischen
                          Lira betroffen.

                          Das Leistungsbilanzdefizit verringerte sich auf USD 27,6 Mrd. (-8,8 %) und war
                          somit das geringste Defizit seit 2009. In den Monaten August bis November hatte
Leistungsbilanzdefizit    die Leistungsbilanz sogar einen Überschuss produziert. Noch im Jahr 2017 stand
stark rückläufig          das Leistungsbilanzdefizit bei USD 47,5 Mrd., im Jahr 2011 hatte es den Rekord-
                          wert von USD 74,4 Mrd. erreicht gehabt.

                             Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
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                           Aufgrund der Wechselkursentwicklung in der zweiten Jahreshälfte 2018 war es
                           zu einem starken Rückgang bei den Importen gekommen, womit sich das Han-
                           delsbilanzdefizit stark verringerte. Im Gesamtjahr 2018 wurden Waren für USD
Handelsbilanzdefizit       168 Mrd. (+7,0 %) exportiert, die Importe verringerten sich im Vergleich zum
sinkt                      Vorjahr um -4,6 % auf USD 223,0 Mrd. Der Anteil der Exporte in die EU nimmt
                           weiterhin zu und wuchs 2018 um 13,7 % auf USD 84,0 Mrd. Zu den Hauptexport-
                           partnern der Türkei gehören Deutschland, das Vereinigte Königreich und Italien.
                           Bei den Importen liegen Russland, Deutschland, China und die USA auf den ers-
                           ten Plätzen. Zu den führenden Exportsektoren gehören die Automobil- und Ma-
                           schinenindustrie sowie die Sicherheits- und Luftfahrttechnik.

                           Die türkische Zentralbank war mit ihrer offensichtlich mehr der türkischen
                           Staatsführung als den makroökonomischen Grundsätzen folgenden Zinspolitik
Leitzinsen zu spät er-     vor allem internationaler aber auch nationaler Kritik ausgesetzt. Dies lies auch
höht – Unabhängigkeit      Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank aufkommen. Erst nach einem
der Zentralbank wird       dramatischen Kursverfall im Juni und erneut im August 2018 erhöhte die Natio-
bezweifelt                 nalbank in einer Krisensitzung die Zinsen zuerst auf 17,75 % und später auf
                           24 %; zu spät wie Kritiker meinen. Dennoch bewies die türkische Nationalbank
                           damit ihre Unabhängigkeit gegenüber der Staatsführung, welche weiterhin auf
                           niedrigere Zinsen als Investitionsanreiz setzt. Seitdem blieb der Leitzinssatz un-
                           verändert bei 24 %.

                           Die drei größten Credit Rating Agenturen Moody´s, S&P und Fitch hatten die Tür-
                           kei nach dem vereitelten Putschversuch im Juli 2016 auf „Non Investment
Credit Rating bleibt auf   Grade“ herabgestuft. Im Juli 2018 führte Fitch eine weitere Herabstufung von
„Non Investment            BB+ auf BB durch. Und auch die Rating Agenturen S&P und Moody´s nahmen im
Grade“                     August 2018 weitere Herabstufungen der Türkei vor. Als Gründe werden die poli-
                           tischen Einmischungen auf die Unabhängigkeit der Zentralbank und die sehr
                           hohe Inflationsrate genannt. Damit wird es für türkische Banken und Unterneh-
                           men noch schwieriger, Kredite im Ausland aufzunehmen.

                           Der Tourismussektor gehört zu den großen Gewinnern des Jahres 2018. Die Zahl
                           der Touristen erreicht mit 46,1 Mio. (+22,9 %) einen neuen Rekord, und auch die
                           Einnahmen aus dem Tourismus erhöhten sich um 12,3 % auf EUR 25,8 Mrd. Rund
Anstieg um +22,9 % bei     82 % wurden durch Ausgaben von internationalen Touristen erzielt, 18 % wurden
Touristenankünften         von im Ausland ansässigen Türkeninnen und Türken ausgegeben. Bei den inter-
                           nationalen Touristen lagen Besucherinnen und Besucher aus Russland, Deutsch-
                           land, Bulgarien, Vereinigtem Königreich und Georgien auf den ersten Plätzen. Mit
                           der im April 2019 erfolgten Inbetriebnahme des neuen Flughafens in Istanbul ist
                           das Land auf einen Ansturm im Flugverkehr gerüstet.

                           Aufgrund des Rückgangs beim Wirtschaftswachstum kam es in der zweiten Jah-
                           reshälfte 2018 auch zu einem Anstieg bei der Arbeitslosenrate, welche Ende De-
                           zember bei 13,5 % lag. Mit 4,3 Mio. als arbeitslos gemeldeten Personen ist dies
                           die höchste Arbeitslosenrate seit 2010. Die Arbeitslosenrate verblieb somit 2018
                           fast durchgehend im zweistelligen Bereich und betrug im Durchschnitt 11,0 %.
Arbeitslosenrate wei-      Auch die Jugendarbeitslosenrate (Alter 15 – 24 Jahre) lag bei 20,3 %. Mehr als
terhin zweistellig         die Hälfte der türkischen Bevölkerung ist im Dienstleistungssektor (54 %) tätig,
                           19,6 % sind in der Industrie und 19,2 % in der Landwirtschaft tätig. Die Erwerbs-
                           quote der Frauen liegt bei nur 34 %.

                           Bei den ausländischen Direktinvestitionen (ADI) konnte 2018 der Rückgang, wel-
                           cher 2017 erfolgt war, wieder teilweise wettgemacht werden. Im Jahr 2018 wur-
                           den insgesamt USD 13,2 Mrd. an ausländischen Direktinvestitionen erzielt, womit
                           der Wert von USD 13,9 Mrd. aus dem Jahr 2016 fast wieder erreicht werden

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                         konnte. Im Jahr 2017 waren die ADI auf USD 11,5 Mrd. zurückgegangen. Zwei
Ausländische Direktin-   Drittel der ADI kommen aus der EU. Bei den Herkunftsländern für ADI lag Öster-
vestitionen wieder im    reich mit USD 465 Mio. an vierter Stelle. Die ersten drei Ränge gingen an die
Steigen                  Niederlande (USD 833 Mio.), Aserbaidschan (USD 516 Mio.) und Italien (USD 509
                         Mio.). Die größten Investitionen wurden in den Sektoren Dienstleistungen (Han-
                         del, Finanz- und Versicherungswesen), Produktion und Energie durchgeführt.
                         Zwischen den Jahren 2002 und 2018 liegt Österreich laut türkischer Statistik mit
                         insgesamt 10,5 Mrd. USD und einem Anteil von 6,8 % an 3. Stelle. Bei den Immo-
                         bilienkäufen war 2018 ein leichter Rückgang um -2,4 % im Vergleich zum Vorjahr
                         zu beobachten. Die meisten Immobilienkäufe wurden in Istanbul (18 %), Ankara
                         (9,5 %) und Izmir (5,5 %) getätigt. Bei den Immobilienkäufen von Ausländern
                         wurde 2018 eine Steigerung um 78,4 % erzielt, wobei die Hauskäufe vorwiegend
                         von Personen aus dem Irak, Iran, Saudi-Arabien, Russland und Kuwait durchge-
                         führt wurden.

 2. Besondere Entwicklungen

                         Mit der gleichzeitigen Durchführung der – vorgezogenen - Wahlen für das Amt des
                         Präsidenten und für das Parlament am 24. Juni vollzog sich in der Türkei der
                         Wechsel von einer parlamentarischen zu einer vom Staatspräsidenten geleiteten
Neues Präsidialsystem    Regierung. Präsident Erdogan wurde in seinem Amt bestätigt und am 9. Juli für eine
                         neue Amtszeit vereidigt. Mit dem Wechsel zum Präsidialsystem erfolgt auch eine
                         grundlegende Änderung bei den staatlichen Institutionen, welche in ihrer Zahl ge-
                         strafft wurden. Die bislang 26 Ministerien wurden zu 16 Ministerien zusammenge-
                         fasst, weiters wurden 13 Institutionen geschaffen, welche direkt dem Präsidenten
                         unterstehen. Die bisherigen getrennt fungierenden Ministerien für Wirtschaft sowie
                         Zoll und Handel wurden unter einem einzigen Ministerium für Handel zusammen-
                         gefasst. Als neue Handelsministerin wurde Frau Ruhsar Pekcan ernannt, welche
                         vorher bei der türkischen Wirtschaftskammer TOBB tätig war.

                         Auch die zweite Jahreshälfte bzw. das erste Quartal 2019 waren von einem Wahl-
                         kampf geprägt. Am 31. März 2019 wurden die Gemeinderatswahlen in der gesam-
                         ten Türkei durchgeführt. Es kam in den Großstädten zu einem Kopf-an-Kopf Rennen
                         zwischen der Regierungspartei AKP und der größten Oppositionspartei CHP. Der
Gemeindewahlen in        Posten des Großbürgermeisters in Ankara ging an den oppositionellen Kandidaten
der Türkei               der CHP; in Istanbul wurde der Wahlsieg des oppositionellen Kandidaten der CHP
                         von der Regierungspartei beeinsprucht. Damit hat die regierende AKP zwar die
                         meisten Stimmen erhalten, allerdings die auch die wichtigsten Großstädte verloren.
                         Das Besondere an dieser Wahl war aber, dass es die letzte bis Herbst 2023 sein
                         sollte. In den nächsten – wahlfreien – Jahren wäre daher genug Zeit die notwendi-
                         gen Reformen durchzuführen.

                         Der in Folge des am 15. Juli 2016 durchgeführten Putschversuchs ausgerufene
                         Ausnahmezustand wurde nach zweijähriger Dauer im Juli 2018 nicht mehr verlän-
Ausnahmezustand offi-    gert. Obwohl der Ausnahmezustand damit offiziell beendet erscheint, kam es zu in-
ziell beendet, aber…     ternationaler Kritik, da einige Bestimmungen des Ausnahmezustands gültig blei-
                         ben. So soll z.B. das Antiterrorgesetz verschärft werden, damit der Kampf gegen
                         terroristische Gruppierungen wie der PKK weitergeführt werden kann.

                         Die Auswirkungen des Krieges im Nachbarland Syrien haben dazu geführt, dass
                         sich mit Februar 2019 rund 4 Mio. Flüchtlinge, davon 3,6 Mio. aus Syrien, in der Tür-
4 Mio. Flüchtlinge in    kei aufhalten. Nur 140.000 Flüchtlinge leben in Camps, der Großteil der Syrerinnen
der Türkei               und Syrer hält sich in den türkischen Städten auf. Die Türkei ist einerseits bemüht,
                         die Flüchtlinge zu integrieren, indem ihnen die Möglichkeit zu einer Erwerbstätig-
                         keit gegeben wird. Andererseits möchte man jene Flüchtlinge unterstützen, die in
                         ihr Heimatland zurückkehren wollen. Um die in Syrien von der Terrororganisation

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                          PKK ausgehenden Bedrohungen beseitigen zu können, führt die türkische Armee
                          militärische Operationen in Nord-Syrien durch.

                          Die politischen Beziehungen mit der EU sind seit dem Putschversuch strapaziert.
                          Die zwischen der Türkei und der EU geschlossene Übereinkunft zur Eindämmung
                          des Flüchtlingsstroms aus der Türkei nach Europa ist in ihrer Umsetzung zwar er-
Vorläufig keine Moder-    folgreich, auf politischer Ebene kam es aber zu größeren Spannungen mit einigen
nisierung der Zollunion   EU Mitgliedsländern wie Deutschland, den Niederlanden und auch Österreich. Da
und Kürzung der Vor-      die Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU bis auf weiteres ste-
Beitrittshilfen (IPA)     hen, bemüht sich die Türkei zumindest in wirtschaftlichen Angelegenheiten um ei-
                          nen Fortschritt. Die seit über 20 Jahren bestehende Zollunion soll auf den Agrar-
                          und Dienstleistungssektor ausgebaut werden, womit das BIP der Türkei in den
                          nächsten 10 Jahren um weitere 1,8 % steigen könnte. Ende Juni gab die EU aber be-
                          kannt, dass die Modernisierung der Zollunion bis auf weiteres nicht begonnen wird,
                          da sich die Türkei von der EU weiter entfernt habe. Ebenfalls Ende Juni wurde das
                          vertiefte Freihandelsabkommen zwischen der Türkei und den EFTA Staaten unter-
                          zeichnet, welches 1991 abgeschlossen und somit älter als die Zollunion mit der EU
                          (1995) ist. Im September wurde von der EU eine weitere, für die Türkei negative
                          Nachricht bekanntgegeben, nämlich eine Kürzung der Vor-Beitrittshilfen (IPA) für
                          2018 bis 2020 um 40 %. Von den rund EUR 2 Mrd. werden daher nur ca. EUR 1,2
                          Mrd. der Türkei zur Verfügung gestellt.

                          Befeuerte wurde die Unsicherheit der Märkte auch durch den schwelenden Konflikt
                          mit den USA. Die Inhaftierung bzw. der Hausarrest des Pastors Brunson und ver-
                          hängte Sanktionen durch die USA hatten im Sommer für eine schwere Verunsiche-
                          rung gesorgt, die auch durch erste erfolglose Verhandlungen nicht beigelegt wer-
Handelskrieg mit den      den konnten. Um die Freilassung des Pastors zu erreichen, verhängte Trump im
USA vorerst abgewen-      August Sanktionen und Strafzölle gegen die Türkei. Die türkische Lira brach da-
det                       raufhin stark ein. Die Währungskrise dauert auch Wochen später noch an und
                          wirkte sich zusammen mit der massiven Inflation auf die gesamte Wirtschaft aus.
                          Im Oktober erfolgte dann die Freilassung des Pastors, womit der bereits begonnene
                          Handelskrieg vorerst wieder zum Stillstand kam und sich auch die türkische Wäh-
                          rung wieder stabilisierte. Zu Jahresbeginn 2019 kam es aber erneut zu Spannungen
                          mit den USA, da sich die Türkei nicht vom Kauf von russischen Abwehrraketen ab-
                          ringen lassen will.

                          Am 20. September wurde von Finanzminister Albayrak, dem Schwiegersohn von
                          Präsident Erdogan, das neue Wirtschaftsprogramm für die kommenden Jahre vor-
                          gestellt. Mit diesem Programm soll das Vertrauen der internationalen Investoren
                          zurückgewonnen und der Lira-Verfall gestoppt werden. Es wurden Sofortmaßnah-
Neues Wirtschaftspro-     men gesetzt, um die Auswirkungen der Wechselkursschwankungen auf die türki-
gramm soll Vertrauen      sche Lira eindämmen zu können. Es wurden die Verkäufe und Käufe von Immobi-
aufbauen und Lira         lien und beweglichem Eigentum auf Devisenbasis zwischen Inländern untersagt,
stärken                   bereits bestehende Verträge müssen entsprechend abgeändert werden. Ausnah-
                          men gibt es lediglich für Ausländer. Weiters wurde ein für 6 Monate gültiger Erlass
                          veröffentlicht, welcher türkische Exporteure verpflichtet, mindestens 80 % ihre
                          Exporterlöse in türkische Lira umzuwechseln. Als inflationshemmende Maßnahme
                          wurden Handelsketten angehalten Rabatte auf gewisse Produkte zu gewähren.

                          Um die türkische Wirtschaft auf lange Sicht nachhaltig wachsen zu lassen, werden
                          weitere strukturelle Reformen notwendig sein. Dazu gehören etwa Reformen im
Großer Reformbedarf       Erziehungswesen (Ausbau der dualen Ausbildung), Steuerwesen (Hebung der
für nachhaltiges Wirt-    Steuereffizienz), Arbeitsmarkt (hohe Abfertigungszahlungen) und am Kapitalmarkt
schaftswachstum           (Vertiefung des Kapitalmarkts). Eine Verbesserung der Beziehungen mit dem wich-
                          tigsten Handelspartner, der EU, sollte ebenfalls durchgeführt werden, damit auch
                          die Modernisierung der Zollunion in Angriff genommen werden kann. Auf bilateraler

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                             Ebene gab es dazu bereits Anläufe der Türkei, die strapazierten Beziehungen mit
                             Deutschland und den Niederlanden zu verbessern. Auch mit Österreich wurden die
                             diplomatischen Besuche wieder begonnen.

     3. Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich

                             Die österreichischen Exporte in die Türkei blieben im Jahr 2018 trotz der Ver-
    2018: Österr. Waren-     schlechterung der Wirtschaftslage und der starken Abwertung der türkischen Lira
    exporte stabil, Im-      mit einer leichten Steigerung um +0,81 % stabil. Die türkischen Lieferungen legten
    porte steigen            um +8,56 % zu. Unser bilateraler Warenaustausch erreichte 2018 EUR 2,99 Mrd. Ös-
                             terreichischen Exporten von EUR 1.321 Mio. standen Warenimporte aus der Türkei
                             von EUR 1.673 Mio. gegenüber.

    Handelsbilanzdefizit     Damit erhöht sich 2018 unser Handelsbilanzdefizit mit der Türkei auf EUR 352,1
    erhöht sich              Mio., nachdem es 2017 und 2016 jeweils rund EUR 230 Mio. betragen hatte.

                             Die österreichischen Warenexporte betrugen im Jahr 2018 EUR 1,32 Mrd. (2017:
                             EUR 1,31 Mrd.). 2018 waren die wichtigsten Warengruppen mit Exportsteigerungen
                             die folgenden: Zugmaschinen und Kraftfahrzeuge (EUR 119,4 Mio., +21,2 %), Schie-
                             nenfahrzeuge (EUR 23,5 Mio., +112,0 %), Waren aus Eisen oder Stahl (EUR 53,66
                             Mio. +18,8%), Spielzeug und Unterhaltungsartikel (EUR 4,37 Mio., +85,7 %), Beklei-
    Wichtigste Exportpro-    dung und –zubehör, gewirkt oder gestrickt (EUR 2,80 Mio., +110,5 %). Bei den öster-
    dukte aus Österreich     reichischen Zuchtrinderexporten in die Türkei, welche sich in den vergangenen Jah-
                             ren sehr positiv entwickelt hatten, kam es aufgrund der Abwertung der türkischen
                             Lira und der damit angestiegenen Inflation zu einem Einbruch. Waren im Jahr 2017
                             noch Zuchtrinder um EUR 47,0 Mio. in die Türkei exportiert worden, gingen die Ex-
                             porte im Jahr 2018 um -51,2 % auf EUR 22,9 Mio. zurück. Bei folgenden Warengrup-
                             pen kam es ebenfalls zu Rückgängen: Kernreaktoren, Kessel, Maschinen (EUR
                             229,1 Mio., -7,8 %), pharmazeutische Erzeugnisse (EUR 22,3 Mio., -16,0 %) und Kup-
                             fer und Waren daraus (EUR 3,3 Mio., -57,1 %).

    Österr. Importe stei-    Die Importe aus der Türkei verzeichneten 2018 einen Anstieg um 8,6 % auf EUR 1,67
    gen 2018 um 8,6%         Mrd. (2017: EUR 1,54 Mrd.).

                             Im Jahr 2018 nahmen die türkischen Lieferungen von Zugmaschinen um +22,6 % auf
                             EUR 341,8 Mio. sowie von Kernreaktoren, Kessel, Maschinen um 12,6 % auf EUR
                             162,9 Mio. zu. Andere wichtige Warengruppen sind: Elektrische Maschinen und Ap-
    Wichtigste Importwa-     parate mit EUR 86,6 Mio. (+10,8 %), Waren aus Eisen und Stahl mit EUR 43,5 Mio.
    ren                      (+8,1 %), Aluminium mit EUR 77,5 Mio. (+13,3 %), Kupfer mit EUR 26,7 Mio. (+13,7 %),
                             Kunststoffe mit EUR 41,2 Mio. (+19,8 %) sowie Salz und Erden mit EUR 62,7 Mio.
                             (+14,7 %). Bei einem der Hauptimportartikeln, der Bekleidung (gewirkt oder ge-
                             strickt), kam es zu einem leichten Rückgang um -0,5 % auf EUR 191,9 Mio.

                             Die österreichischen Dienstleistungsexporte nahmen 2018 um -13,7 % ab und ver-
                             ringerten sich von EUR 590 Mio. (2017) auf EUR 509 Mio. Damit setzt sich der rück-
    Dienstleistungsaus-      läufige Trend fort, welcher sich bereits 2017 mit einem Rückgang von -3,8 % im Ver-
    tausch von enormer       gleich zu 2016 (EUR 612 Mio.) abgezeichnet hatte. Die Dienstleistungsimporte hinge-
    Bedeutung                gen steigen weiter an: 2018 betrugen die Importe EUR 357 Mio. und waren somit um
                             4,4 % im Vergleich zu 2017 angestiegen. Im Jahr 2016 standen die Importe noch bei
                             EUR 337 Mio.

    Touristenankünfte aus    Bei den Dienstleistungsexporten aus Österreich handelt es sich vorwiegend um
    Österreich erholen       Dienstleistungen im Finanzwesen und im technischen Bereich. Die Dienstleistungs-
    sich nach zwei schwie-   importe bestehen größtenteils aus den österreichischen Touristenankünften in der
    rigen Jahren wieder      Türkei. Nach einem Rückgang um 48 % im Jahr 2016 gingen die Ankünfte auch 2017

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                        von 311.000 (2016) auf 288.000 zurück. 2018 erfolgte wieder ein Anstieg um 23% auf
                        354.000. Ein Zeichen der Erholung, allerdings noch weit entfernt vom Rekordjahr
                        2011 als 529.000 Österreicher ihren Urlaub in der Türkei verbrachten.

Weniger türkische       Die Anzahl der türkischen Touristen in Österreich, welcher 2017 den Rekordwert
Touristen in Öster-     von 125.000 erreichte, ging 2018, wegen des starken Wertverlustes der TL, um
reich                   knapp 8 % auf 94.500 zurück.

                        Von besonderer Bedeutung für die österreichischen Unternehmen ist die Türkei
                        auch als Zielland für Investitionen: Bei den ausländischen Direktinvestitionen
                        (Flüsse) liegt Österreich im Zeitraum 2002 bis 2018 gemäß Angaben der türkischen
                        Nationalbank mit einem Anteil von 6,8 % an 3. Stelle. Im Jahr 2018 befindet sich
Direktinvestitionen:    Österreich mit USD 465 Mio. an 4. Stelle. Laut österreichischer Nationalbank-Sta-
2018 Österreich an 4.   tistik haben österreichische Unternehmen per Ende 2018 rund EUR 1,56 Mrd. (Be-
Stelle                  stand) in der Türkei investiert. Der starke Rückgang gegenüber 2015 (4,5 Mrd.) ist
                        vor allem auf eine Umschichtung der Investition der Bank Austria an der Bank Yapi
                        Kredi auf die Mutter Unicredit in Italien zurück zu führen. Die OMV hat ihren seit
                        langem geplanten Verkauf des Tankstellennetzes Petrol Ofisi Anfang 2017 realisiert.
                        Größere De-investitionen österreichischer Unternehmen wegen der aktuellen Krise
                        sind uns nicht bekannt, vereinzelt kam es allerdings zu Liquidationen, vor allem von
                        Vertriebsniederlassungen, da der erwartete Geschäftserfolg nicht mehr gegeben
                        war. Andererseits haben einige österreichische Firmen in den letzten Monaten neue
                        Investitionsvorhaben bekannt gegeben.

                        Trotz der großen Turbulenzen in der Türkei und der angespannten politischen Situa-
Mittel- und langfris-   tion zwischen Österreich bzw. der EU und der Türkei sind die mittel- bis langfristi-
tige Chancen gut        gen Chancen für Unternehmen als gut einzuschätzen. Das Land hat im Vergleich zu
                        Europa gute Wachstumsraten, eine junge recht gut ausgebildete Bevölkerung und
                        vor allem auch unternehmerisch denkende Menschen.

                        Ganz besondere Chancen bieten sich in den Bereichen Bau und Infrastruktur – Tou-
                        rismus, Tunnelbau, Eisenbahnwesen - mit Spezialprodukten, Verpackungsindustrie,
Chancenreiche Bran-     Automotive, Energie insb. Erneuerbare Energie, Umwelt, Abfallwirtschaft, aber
chen                    auch Smart Cities, IT und die Chemische Industrie. Die Türkei bietet zudem einen
                        guten Sourcing-Markt für Bekleidung und Incoming Tourismus. Interessant ist das
                        sehr stark ausgebaute Förderprogramm für F & E, das gute Kooperationsmöglich-
                        keiten bietet, allerdings von österr. Unternehmen noch kaum beachtet wurde.

                        Die beiden AußenwirtschaftsCenter Istanbul und Ankara planen laufend Veranstal-
Veranstaltungsvor-      tungen in Österreich und in der Türkei. Informationen zu allen Veranstaltungen der
schau                   AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA finden Sie auf unserer Webpage unter wko.at/aus-
                        senwirtschaft/tr (Veranstaltungen).

                           Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA

AUSSENWIRTSCHAFTSCENTER ISTANBUL
T +90 212 211 14 76
E istanbul@wko.at
W wko.at/aussenwirtschaft/tr
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