AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT LITAUEN

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AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT LITAUEN
AUSSEN
WIRTSCHAFT
WIRTSCHAFTSBERICHT
LITAUEN

AUSSENWIRTSCHAFTSCENTER RIGA
JUNI 2021
AUSSEN WIRTSCHAFT WIRTSCHAFTSBERICHT LITAUEN
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                                             Eine Information des
                                         AußenwirtschaftsCenters Riga

                                              Wirtschaftsdelegierte
                                            Dr. Ingrid Valentini-Wanka
                                                 T +371 673 581 00
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WIRTSCHAFTSBERICHT Litauen (Gesamtjahr 2020)

•      Litauen – ein Musterschüler mit sehr geringem BIP-Rückgang im COVID-Jahr
•      Kurzes Wellental bei Privatkonsum, aber Verbrauchernachfrage bleibt Wachstumsmotor
•      Gute internationale Rankings zu Unternehmerfreundlichkeit und finanzieller Stabilität
•      Druck auf Wettbewerbsfähigkeit durch anhaltend hohe Lohnsteigerungen
•      Logistik- und FinTechbranche im Fokus
•      Waren- und Dienstleistungsverkehr Litauen-Österreich steigt weiter auf 1,1 Mrd. Euro

Wirtschaftskennzahlen
                                                                           2019           2020        Prognose    Prognose
                                                                                                      für 2021    für 2022

    Nominales Bruttoinlandsprodukt in Mrd. Euro1                           48,8           48,8        51,8        55,1
    Bruttoinlandsprodukt/Kopf zu Kaufkraftparität in US-Dollar2            40.408         41.397      43.681      46.508
    Bevölkerung in Mio3                                                    2,8            2,7         2,7         2,7
    Reales Wirtschaftswachstum in %4                                       4,3            -0,8        2,6         3,4
    Inflationsrate in %5                                                   2,2            1,1         1,3         1,9
    Arbeitslosenrate in %6                                                 6,3            8,5         9,1         8,4
    Warenexporte des Landes in Mrd. US-Dollar7                             29,049         26,814      31,491      33,941
    Warenimporte des Landes in Mrd. US-Dollar7                             31,683         27,718      32,625      35,258

    Wirtschaftsleistung des Landes, Weltwertung:8                  83. Rang (Stand 2019)

Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich
                                                                   2020                     Veränderung   2021 /Jän.-Feb.
                                                                   (vorläuf. Werte)         zum Vorjahr
                                                                                            in %
    Österreichische Warenexporte in Mio. Euro                      259,5                     -3,4         43,3 (+4,3%)
    Österreichische Warenimporte in Mio. Euro                      272,6                     33,4         48,6 (+21,5%)
    Österreichische Dienstleistungsexporte in Mio. Euro9            61                      -14,1         n.v.
    Österreichische Dienstleistungsimporte in Mio. Euro10          503                         1,0        n.v.

    Österreichische Direktinvestitionen11, Stand 2020                               150 Mio. EUR
    Beschäftigte bei österr. Direktinvestitionen12: Stand 2018:                     632
    Direktinvestitionen aus LT in Ö13, Stand 2020:                                  0,71 Mio. EUR
    Beschäftige in Österreich bei Direktinvestitionen aus LT, Stand 2020:           k.A.

    Wichtigster Warenexportmarkt für Österreich:                   48. Rang (Stand 2020)

1-7
     Quelle: Economist Intelligence Unit (März 2021)
8
     Quelle: Weltbank
9-12
     Quelle: Österreichische Nationalbank
13
     Quelle: Litauisches Statistikamt

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•     1. Wirtschaftslage

    BIP trotzt der Covid-    Litauens Wirtschaft ging im Pandemie-Krisenjahr 2020 lediglich um -0,8 % zu-
    Pandemie                 rück. Das ist EU-weit einer der besten Werte, der vor allem der angemessenen
                             Finanzpolitik, gezielten nationalen Unterstützungsmaßnahmen, der Resilienz der
                             Industriefertigung und der relativ geringen Abhängigkeit vom Incoming-Touris-
                             mus zu verdanken ist. Im 1. Quartal 2021 konnte die Litauische Nationalbank be-
                             reits ein Plus von 1% verkünden. Für 2021 wird je nach Quelle mit einem BIP-Zu-
                             wachs von 2,8% bis 4,6% gerechnet, der u.a. auch von der Erholung der EU-
                             Märkte bewegt werden soll.

    Langfristig konstantes   Deshalb kann erwartet werden, dass Litauens Wirtschaft bereits bis Ende 2021
    Realwachstum             wieder das Vorkrisen-Niveau erreichen und auf den langjährigen dynamischen
                             Wachstumskurs zurückkehren wird. Das reale BIP ist von 2009 bis 2019 um ins-
                             gesamt 42% gestiegen. Dies verdankt das Land seiner ausgewogenen Wirt-
                             schaftsstruktur mit einem bedeutenden Anteil des produzierenden Sektors und
                             einer sehr starken Transportbranche, die mit ihren hohen Exportraten weiterhin
                             das Rückgrat der litauischen Wirtschaft bleiben.

    Aufteilung des BIP       Litauens Wirtschaft ist vom Tertiärsektor, der etwa zwei Drittel des BIP erwirt-
                             schaftet, dominiert. Der Produktionsbereich macht knapp ein Fünftel des BIP
                             aus, die Bauwirtschaft 7,4 % und die Land- und Forstwirtschaft – ca. 3,7%.
                             Bei den Dienstleistungen haben international gesehen das Transport- und Logis-
                             tikwesen (13 % BIP-Anteil), Immobilien (6,4 %), IKT (3,8 % BIP-Anteil) und das Fi-
                             nanzwesen (2,3 % BIP-Anteil) die größte Bedeutung.

    Arbeitslosenrate covid- Litauens Arbeitslosenrate stieg 2020 laut litauischer Statistik auf 8,4%. Diese
    bedingt gestiegen       Verschlechterung um 2,1% war im Pandemiejahr nicht überraschend. Ein Hoch-
                            schnellen wie nach der Finanzkrise 2009 konnte mit arbeitsmarktstützenden
                            Maßnahmen verhindert werden. Ab 2022 wird wieder mit einer Verbesserung ge-
                            rechnet.
                            Die Arbeitsmarktpolitik wird sich auch mit länger bestehenden Probleme der
                            strukturellen Arbeitslosigkeit besonders in ländlichen Regionen sowie dem Fach-
                            kräftemangel auseinandersetzen müssen. Dabei spielt das Fehlen einer praxis-
                            orientierten Berufsausbildung eine wichtige Rolle.

    Rückgang der Bevölke- Viele Litauer sind entweder in die Großstädte umgezogen oder überhaupt ausge-
    rungszahl gestoppt    wandert (Vereinigtes Königreich, Irland, Norwegen). Die Bevölkerungszahl ist seit
                          der Unabhängigkeit 1991 bis 2019 um ein Viertel zurückgegangen, seither konnte
                          der Trend gestoppt werden. Dazu hat vor allem der Brexit beigetragen – das Ver-
                          einigte Königreich ist nicht mehr das begehrte Auswanderungsziel von litaui-
                          schen Arbeitskräften – und die steigende Lebensqualität im Land. Die Zahl der
                          Pensionierungen steigt indes weiterhin an.

    Hohes Lohnwachstum    Seit 2013 nehmen die Bruttolöhne stark zu, mit hohen Steigerungen vor allem in
    auch während Pandemie den letzten Jahren: Nach +8,3% im Jahr 2019 war das noch deutlichere Plus von
                          +9,6% im Covid-Jahr 2020 aber doch erstaunlich. Der durchschnittliche Brutto-
                          lohn, der 2018 mit EUR 932 noch unter der Tausend-Euro-Grenze lag, schnellte
                          im Jahr 2019 auf EUR 1.307 und 2020 auf EUR 1.421 hoch. Dafür ist teilweise al-
                          lerdings die weitgehende Umwälzung der Kosten für Sozialversicherungsabga-
                          ben vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer durch die Steuerreform 2019 verant-
                          wortlich, die durch eine entsprechende Anhebung der Löhne kompensiert wurde.

    Fortschritte bei der Pro- Litauen konnte im EU-Vergleich eine Steigerung seiner Arbeitsproduktivität ver-
    duktivität…               zeichnen. Während sie zwischen 2010-2014 bei 71,6% des EU-Durchschnitts lag,
                              erreichte sie im Jahr 2020 rund 83,2%. Die aktuellen Lohnsteigerungen wirken

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                         allerdings bremsend, weshalb insbesondere auf die Modernisierung von Maschi-
                         nenparks und Produktionsmethoden weiterhin großes Augenmerk gelegt wird.
                         Dieser Aufholbedarf eröffnet österreichischen Betrieben weiterhin gute Liefer-
                         chancen.

…und im Technologie-     In Hinblick auf den zunehmenden Druck auf die Konkurrenzfähigkeit durch die
bereich…                 Lohnerhöhungen ist der Sprung in technologieintensivere Produktion und For-
                         schung entscheidend, um so zukunftsorientiert auf die Entwicklungen im Land –
                         Lohnsteigerungen und Arbeitskräftemangel – reagieren zu können. Litauen setzt
                         dabei auf Ausbildung: ¼ aller Studenten inskribieren STEM-Fächer und innova-
                         tive Kurse.

… stützen die Wettbe-    Die Fortschritte werden durch internationale Rankings bestätigt: Im Ease of
werbsfähigkeit           Doing Business Ranking 2020 verteidigt Litauen seine hervorragende 11. Position
                         unter 190 Staaten. Beim Global Competitiveness Index 2019 Ranking des World
                         Economic Forum landete Litauen unter 140 Staaten an 39. Stelle (2020 wurde die
                         Rangliste ausgesetzt). Im IMD World Competitiveness Ranking 2020 rangiert Li-
                         tauen von 63 Staaten bei der internationalen Konkurrenzfähigkeit am 31. Platz.

Geringfügige Inflation   Nach der Euro-Einführung 2015 kam es zunächst zu beträchtlichen Preissteige-
2020                     rungen, insbesondere bei den Dienstleistungen. Im Covid-Jahr 2020 sank die In-
                         flationsrate in Litauen laut nationaler Statistik auf +0,2%. Für 2021 rechnet man
                         aber wieder mit einer Steigerung auf +2,0%, die durch steigende Lohnkosten, hö-
                         here Energiepreise und stärkere Inlands- und Auslandsnachfrage bewegt wird.

Wichtige Rolle des       Die litauische Wirtschaft ist stark exportorientiert – die Ausfuhren betragen über
Außenhandels             80% des litauischen BIPs, was allerdings auch die Produktion aus den eingeführ-
                         ten Rohstoffen sowie den Re-Export einbezieht. Die Exporte von Waren sanken
                         2020 um 3,4%, die Importe um 9,3%. Bei den Dienstleistungsexporten dominieren
                         Transporte mit einem guten Drittel der Gesamtzahl. Litauische Frachtunterneh-
                         men erbringen fast 90% ihrer Dienstleistungen im Ausland, weshalb die Rück-
                         fahrverpflichtungen aus dem EU-Mobility Package sehr kritisch gesehen werden.

Hauptmarkt EU            Entwicklungen in der EU und in Russland haben großen unmittelbaren Einfluss
                         auf die litauische Wirtschaft. Dabei dominiert der Handel mit Partnerländern in
                         der EU. 73% der Importe stammten 2020 aus der EU. Exportseitig betrug 2020
                         der EU-Anteil 63,1%.

Handelspartner Russ-     Da bis vor einigen Jahren 20% der litauischen Exporte nach Russland gingen, tra-
land – Bedeutung der     fen die Rezession im großen Nachbarland und die Russlandsanktionen den litaui-
Energielieferungen       schen Außenhandel deutlich. Der Anteil liegt inzwischen bei rund 13%.
                         Der Außenhandel mit Russland wurde früher zu einem großen Anteil durch die
                         Energieimporte seitens Litauens geprägt. Zahlreiche Projekte für die Verwen-
                         dung von erneuerbaren Energiequellen, Stromverbindungen zu den europäischen
                         Nachbarländern und die Installation des Flüssiggasterminals in Klaipeda führten
                         zu einer bedeutenden Reduktion der Abhängigkeit von russischen Mineralstoff-
                         lieferungen.

Wichtigste Handels-      Russland bleibt jedoch – auch mit Transitware - trotz angespannter politischer
partner                  Beziehungen vorerst der wichtigste Handelspartner Litauens. Exportseitig folg-
                         ten 2020 Lettland, Deutschland, Polen und Estland. Importseitig waren die Top 5
                         Polen, Deutschland, Russland, Lettland und die Niederlande.

Privatkonsum fällt nur   Die kräftigen Lohnsteigerungen und gute Arbeitsmarktlage trugen in den Vorjah-
kurzfristig als Wachs-   ren zu deutlichen Steigerungen des privaten Konsums bei: Laut Economist Intel-
tumsstütze aus           ligence Unit (EIU) lagen sie 2016-2019 bei ca. 3,5% des BIP.

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                             Im unsicheren Pandemiejahr 2020 ging der Konsum um -1,5% zurück.
                             Dies führte zu einem Anstieg an Ersparnissen bei Privatpersonen, die bald wieder
                             zu einer Steigerung der Binnenmarktnachfrage beitragen werden. Die Lohnzu-
                             wächse, die höher als die Inflation liegen, wird die Kaufkraft der Bevölkerung
                             weiter steigern.

                             Laut Euromonitor Recovery Index ist Litauen eines von fünf Ländern weltweit,
                             welches seine Verbrauchernachfrage aufgrund der Covid bereits im ersten Quar-
                             tal 2021 dank wirksamer Pandemie-Reaktionen und anhaltender fiskalischer An-
                             reize vollständig erholt und wieder auf das Niveau von 2019 zurückgebracht hat.

    Staatsverschuldung und 2020 stieg die Staatsschuldenquote covid-bedingt laut litauischen Zahlen auf
    Budget im grünen Be- 47,3% des BIP. Trotz des kräftigen Anstieges bleibt Litauen damit als eines der
    reich                  wenigen Länder der Eurozone klar innerhalb der Maastricht-Kriterien. Das
                           Budgetdefizit lag 2020 wegen Ausgaben für die Pandemiebekämpfung, für Lan-
                           desverteidigung und für Sozialleistungen bei 8,8%. Für 2021 wird mit einem ähn-
                           lichen Defizitwert gerechnet, internationale Beobachter beurteilen jedoch dank
                           des anspringenden Wirtschaftswachstums und Plänen zur verbesserten Steuer-
                           einhebung die Aussichten für weitere Haushaltsdisziplin positiv.

    Ratingagenturen hono- Auch im Pandemiejahr 2020 haben die führenden Ratingagenturen ihre Bonitäts-
    rieren Covid-Krisenma- einstufungen für Litauen gehalten oder weiter verbessert: „Standard & Poor’s“
    nagement               bestätigte die im Feber 2020 erhöhte Landeseinstufung von A+/stabil, „Fitch“ be-
                           hält das Rating bei A/stabil. „Moody’s“verbesserte sogar die Bewertung Litauens
                           im Feber 2021 auf A2/stabil. Als Gründe dafür nannte es die hohen Wachstums-
                           aussichten, die von EU-geförderten Investitionen und Strukturreformen gestützt
                           werden, sowie die kontrollierte Staatsverschuldung.

•     2. Besondere Entwicklungen

    Politische Kontinuität   Aus den Parlamentswahlen im Oktober 2020 war der konservative Vaterlands-
    und Stabilität           bund (TS-LKD, mitte-rechts, EVP) als stärkste Partei hervorgegangen und von
                             Präsident Gitanas Nausėda (parteilos) mit der Regierungsbildung beauftragt
                             worden. Die von der Vaterlandsunion als parteilose Spitzenkandidatin aufge-
                             stellte und nunmehrige Ministerpräsidentin Ingrida Šimonytė (ehemalige Finanz-
                             ministerin, Präsidentschaftskandidatin und Parlamentsabgeordnete) ging in der
                             Folge mit den beiden ebenfalls erstarkten liberalen Parteien Liberale Bewegung
                             und Partei der Freiheit eine Koalition ein.
                             Litauen wird nunmehr von einer reformorientierten pro-europäischen Mitte-
                             rechts-Dreierkoalition regiert.

    Standortvorteile für     Die geostrategische Lage macht Litauen nicht nur zu einem Drehkreuz zwischen
    Investoren               Ost und West, sondern auch zu einem Produktionsort mit guter strategischer
                             Lage und arbeitswilliger Arbeitskraft mit einem großen Potenzial für die Zukunft.
                             Die Wettbewerbsfähigkeit wurde – auch durch politische Massnahmen - konse-
                             quent gesteigert. Es ist daher nur folgerichtig, dass Litauen viele renommierte
                             Referenzprojekte an Land gezogen hat, darunter Unternehmen wie Hella, Conti-
                             nental, Homanit, Festo, Western Union, Lidl, Bär Cargolift sowie eine Reihe von
                             FinTech-Unternehmen wie Revolut und Großkonzerne wie Google und Moody‘s.

    Erfolgreicher Konsoli-   Der strenge Konsolidierungskurs Litauens mit rigorosen Sparmaßnahmen nach
    dierungskurs, …          der Weltfinanzkrise und Strukturmaßnahmen wie z.B. eine umfassende Arbeits-
                             marktreform trugen Früchte: Das EU-Mitgliedsland Litauen wurde 2015 in die
                             Eurozone und 2018 in die OECD aufgenommen. Die litauische Wirtschaft war 2020
                             bei Ausbruch der Pandemie ungleich besser für die Krisenbewältigung gerüstet.

                                   Ein Service der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA
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… aber einige Heraus-   Trotz eindeutiger Erfolge z.B. bei der Eindämmung der Bevölkerungsabwande-
forderungen bleiben     rung, der Neuausrichtung der Energie- und Infrastrukturpolitik und der Verbes-
                        serung der Landesverteidigung bleiben für die Regierung etliche offene Aufga-
                        ben. Dazu zählen die Verringerung der hohen Einkommens- und Bildungsunter-
                        schiede, Revision des Steuersystems, Entwicklung der Kapitalmärkte und die Ein-
                        dämmung der Schattenwirtschaft. Laut litauischer Statistik liegt letztere zuletzt
                        bei ca. 13,1% des BIP.

EU-Finanzierung         Auf dem ehrgeizigen Konversionskurs Litauens bleiben vorerst die Mittel aus den
2014-2020               verschiedenen EU-Förderquellen ein wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Ent-
                        wicklung und Konjunkturbelebung. Aus dem Finanzrahmen 2014-2020 wurden
                        Ende 2019 bereits 92% der Mittel verplant. Nach einer Umschichtung wird mit ei-
                        ner 100 %-igen Ausnützung gerechnet.

EU-Finanzrahmen         Die Sicherung der Finanzierung nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU
2021-2027 …             und die Mittelzuteilung im neuen mehrjährigen EU-Finanzrahmen (MFR) 2021-
                        2027 in Höhe von insg. EUR 9,1 Mrd. ist daher für Litauen von großer Bedeutung.

…und die Mittel aus     Dazu werden weitere EUR 2,225 Mrd. Zuschüsse und EUR 3 Mrd. Darlehen aus
NextGenerationEU        der Recovery and Resilience Facility (RRF) kommen, um die litauische Wirtschaft
                        für die postpandemische Ära 2021–2026 umzustrukturieren und zu stärken. Ins-
                        gesamt sollen Litauen daher EUR 16 Mrd. inklusive den nationalen Anteil an fi-
                        nanzieller Mitteln zur Verfügung stehen.

Programmschwer-         Im Einklang mit den Zielen der EU („grüne“ und „digitale“ Projekte sowie Struk-
punkte                  turreformen), dem Regierungsprogramm und dem Nationalen Fortschrittsplan
                        2021-2030 sollen diese bedeutenden Mittel in 7 Bereiche fließen: grüne Transfor-
                        mation; Digitalisierung; Bildung; Gesundheit; soziale Sicherheit; Innovationen und
                        Wissenschaft; Transformation des öffentlichen Sektors.

                        Der Nationale RRF-Plan sieht vor, rund EUR 0,5 Mrd. für die direkte Wirtschafts-
                        entwicklung und die Anpassung an die Herausforderungen des Klimawandels be-
                        reitzustellen. Davon sollen vor allem die Implementierung von Solar- und Wind-
                        energielösungen, Wirtschafts- und Forschungsmissionen im Bereich Smart Solu-
                        tions und digitale Innovationslösungen finanziert werden.

Chancen bei Maschinen Die Industriemodernisierung bleibt einer der Wachstumstreiber der litauischen
und Anlagen           Wirtschaft im Wettbewerb auf Exportmärkten und als Mittel gegen die steigenden
                      Lohnkosten. Das sollte sich positiv auf die Importe von Maschinen und Anlagen
                      auswirken, da litauische Produzenten auf diesem Gebiet noch keine große Rolle
                      spielen. Auch als Transitland für Lieferungen in die Eurasische Wirtschaftsunion
                      wird Litauen wichtig bleiben.

Logistik                Ebenso im Fokus der Investitionstätigkeit steht die Logistikbranche. Hier spielen
                        das Eisenbahnprojekt „Rail Baltica“ - eine Nord-Süd-Verbindung von Polen über
                        Kaunas und Riga bis Tallinn mit europäischer Normalspurbreite - und die damit
                        verbundenen litauischen Terminals in Kaunas und Vilnius die zentrale Rolle. Das
                        EUR 5,8 Mrd.-Großprojekt soll von der gemeinsamen AG (RB Rail AS) der drei
                        baltischen Länder bis 2026 fertiggestellt werden. Die EU-Mitfinanzierung wird bis
                        zu 85% betragen.

                        Angesichts der großen Bedeutung des Transport- und Logistiksektors für die li-
                        tauische Wirtschaft wird auch der Stärkung der Anbindung im Ost-West-Verkehr
                        (Stichwort: Neue Seidenstraße, z.B. Klaipeda als Hafen für die Route) weiterhin
                        hohes Gewicht zugemessen.

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    FinTech                   Der Ehrgeiz Litauens, die Fintech-Hauptstadt Europas zu werden, wurde nach
                              dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU erreicht. Die litauische Fin-
                              tech-Branche belegt den 4. Platz im Global Fintech Ranking und den 1. Platz EU-
                              weit als größtes Fintech-Hub (gemessen an den Unternehmenszulassungen).
                              Das Land positioniert sich heute in Europa als Hub für Finanztechnologien und
                              Top-Standort für Fintechs aus aller Welt, z.B. Contis Group, BBS, Forbis, Google
                              Payment, Revolut, TransferGo, Curve, Yapily und viele andere.
                              Der Markt wird dabei nicht nur von Fonds und Privatinvestoren bewegt, sondern
                              auch von der Nationalbank, die mit Fintech-freundlichen Normen und einer „Re-
                              gulatory Sandbox“ Innovationen im Finanzbereich fördert.

    Diversifizierung bei      Litauen hatte in der Region die höchste Abhängigkeit von russischen Energieres-
    Energieversorgung         sourcen. Diese betrug vor ca. 15 Jahren noch rund 85%. In den letzten Jahren
                              wurden eine Reihe von Maßnahmen zur Verringerung dieser Abhängigkeit getrof-
                              fen: Umstellung zahlreicher Kraftwerke auf Biomasse, Errichtung neuer Bio-
                              massekraftwerke, Einrichtung eines schwimmenden Flüssiggasterminals und die
                              Fertigstellung der Stromverbindungen nach Schweden und Polen.
                              Die Synchronisierung der Stromnetze der baltischen Länder mit dem westeuro-
                              päischen Netz ist wichtig, um die Abkoppelung vom BRELL-Ring mit Russland
                              und Weißrussland zu ermöglichen.

    Stellenwert erneuerba- Beim Anteil der erneuerbaren Energiequellen am gesamten Energiekonsum hat
    rer Energiequellen     Litauen sein von der EU vorgegebenes 2020-Ziel von 23% bereits weit übertrof-
                           fen. Als nationales Ziel möchte Litauen bis 2030 einen Anteil von erneuerbaren
                           Energiequelle von rund 45% erreichen.

•     3. Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich

    Waren- und Dienst-    Der gegenseitige Austausch von Waren und Dienstleistungen überschritt bereits
    leistungshandel boomt 2019 zum ersten Mal in der Geschichte die 1 Mrd.-Schwelle. Mit einem Rekordvo-
                          lumen von insgesamt EUR 1,1 Mrd. im Jahr 2020 ist Litauen weiterhin mit Ab-
                          stand der wichtigste der drei baltischen Handelspartner.

    offenes Potential bei     Auch die österreichischen Direktinvestitionen nahmen in den letzten Jahren zu.
    FDIs                      Laut litauischer Statistik lagen sie Ende 2020 bei EUR 225,2 Mio.; die OeNB geht
                              dagegen von einen Bestand 2020 von EUR 150 Mio. aus. Angesichts der günstigen
                              Lage, attraktiven Produktionskosten und gut ausgebildeten und arbeitswilligen -
                              wenn auch knappen - Fachkräften besteht weiter ungenütztes Potential für öster-
                              reichische Unternehmen.

    Unterschiedliche Sta-     Laut Statistik Austria gingen die österreichischen Warenexporte nach Litauen im
    tistikwerte für österr.   Pandemiejahr 2020 leicht um -3,4% auf EUR 259,5 Mio. zurück. Erwähnenswert
    Lieferungen               ist die starke Diskrepanz zum Wert von EUR 344 Mio. in der litauischen Statistik.

    Wichtigste                Die bedeutendsten österreichischen Exportprodukte waren pharmazeutische Er-
    Exportprodukte            zeugnisse (EUR 44,5 Mio.; -4,9%), Kessel, Maschinen u. mechanische Geräte (EUR
                              33,8 Mio.; -24,1%), Fahrzeuge u. Traktoren (EUR 29,1 Mio.; +1,4%), Kunststoffe u.
                              Waren daraus (EUR 25,0 Mio., -3,6%), elektrische Maschinen und Apparate (EUR
                              16,9 Mio.; -15,0%), Papier, Pappe und Waren daraus (EUR 10,7 Mio.; +4,4%) sowie
                              Waren aus Eisen und Stahl (EUR 10,6 Mio., -12,1%). Besonders hohe Zuwächse
                              erzielten Möbel, Bettwaren und Beleuchtungskörper (EUR 7,5 Mio., +193,3%).

    Starke Zunahme bei        Die bemerkenswerte Zunahme der Importe aus Litauen ist vor allem durch den
    Importen                  enormen Anstieg von Tabakwaren-Bezügen auf EUR 85 Mio. erklärbar. Litauische
                              Produzenten spielen eine aktive Rolle bei internationalen Lieferketten von multi-

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                          nationalen Großunternehmen. 2020 stiegen die Bezüge aus Litauen weiter dyna-
                          misch um +33,4% auf EUR 272,6 Mio. Damit war die Warenhandelsbilanz laut ös-
                          terreichischer Statistik zum ersten Mal aktiv zugunsten Litauens.

Bedeutende Import-        An der Spitze der wichtigsten Importprodukte Österreichs aus Litauen standen
produkte                  2020 Tabakwaren mit EUR 85,0 Mio. (+116,1%). Ansonsten dominierten Möbel
                          und Bettwaren (EUR 29,6 Mio.; +18,7%), Kunststoffe und Waren daraus (EUR 25,1
                          Mio.; +7,29%), elektrische Maschinen und Geräte (EUR 18,8 Mio., +130,5%), Zug-
                          maschinen und Fahrräder (EUR 14,7 Mio., +66,9%), Holz und Holzwaren (EUR 11,5
                          Mio.; +9,6%) sowie Wirk- und Strickbekleidung (EUR 11,2 Mio.; +2,43%).

Partner für Zuliefe-      Litauen konnte über die Jahre seine internationale Wettbewerbsposition deutlich
rung von Kleinserien      verbessern und sich unter anderem als interessanter Partner für Industriezulie-
                          ferungen etablieren. Darin liegt auch für österreichische Unternehmen – insbe-
                          sondere für Kleinserienfertigung von Metall-, Holz- und Kunststoffteilen – eine
                          gute Chance. Insgesamt gelingt es Litauen zunehmend, bei seinen Exporten in
                          den EU-Raum den Anteil von Produkten mit höherer Wertschöpfung zu erhöhen.

Starke litauische         Im Dienstleistungsverkehr weist Litauen traditionell einen starken Überschuss
Position im Dienst-       auf, der 2020 noch weiter ausgebaut wurde. Die österreichischen Dienstleistungs-
leistungsbereich          importe aus Litauen erreichten EUR 503 Mio. (+1%), während die österreichischen
                          Dienstleistungsexporte auf EUR 61 Mio. (-14,1%) zurückgingen. An erster Stelle
                          lagen in beiden Richtungen Transportdienstleistungen, die mit litauischen Leis-
                          tungen in Höhe von EUR 460 Mio. den Gesamtaustausch dominierten.

Interessanter Markt    Die Heranführung der Wirtschaft an internationale Produktionsstandards und die
mit guten Perspektiven Notwendigkeit, die Produktivität der Wirtschaft zu erhöhen, werden weiterhin In-
                       vestitionen in moderne Produktionstechnologien erforderlich machen. Die vielen
                       EU-geförderten Projekte im Rahmen des Recovery Plans bieten weiterhin gute
                       Geschäftsmöglichkeiten in den Bereichen Industrie und Infrastruktur mit den
                       Schwerpunkten Produktionsmodernisierung, Umweltschutz, Verkehrsinfrastruk-
                       tur und Energieversorgung. Ferner hat Litauen den Sektor Transport und Logistik
                       als strategischen Wirtschaftsbereich der Zukunft definiert. Daneben haben auch
                       Konsumgüter angesichts des wachsenden Privatkonsums gute Aussichten auf
                       dem litauischen Markt.

Geschäftsmentalität       Litauen ist der größte der drei baltischen Staaten und vereint die traditionell
                          skandinavischen Werte wie Genauigkeit, Professionalität und Qualität mit den
                          Schlagworten der neuen Märkte im europäischen Osten wie Geschwindigkeit und
                          Entwicklung bisher nicht erschlossener Potentiale.

Standort für Investitio- Litauen ist ein guter Standort für Investitionen, der bei Nearshoring-Überlegun-
nen                      gen zur Neuausrichtung von Wertschöpfungsketten in Betracht gezogen werden
                         sollte. Freie Grundstücke gewerblicher Bestimmung mit erforderlicher Infra-
                         struktur stehen in zahlreichen Wirtschaftsfreizonen (gute logistische Vorausset-
                         zungen, Knoten von internationalen Straßen- und Bahnverkehrskorridoren) zur
                         Verfügung. Der Zugang zur Ostsee über den eisfreien Hafen Klaipeda ist ein wei-
                         terer Vorteil. Gleichzeitig können schon heute durch regelmäßige Verbindungen
                         über die russische Breitspurbahn die Märkte Zentralasiens erreicht werden.

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