Auswirkungen von Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid auf die Gesundheit
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MEDIZIN Übersichtsarbeit Auswirkungen von Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid auf die Gesundheit Beate Ritz, Barbara Hoffmann, Annette Peters W eltweit enthält die Luft Schadstoffe aus ver- schiedensten Quellen, die ein Gemisch aus Zusammenfassung vielen teilweise toxischen Einzelbestandteilen Hintergrund: Luftschadstoffe, zu denen insbesondere Feinstaub, Ozon und Stick- bilden. In den letzten Jahrzehnten standen die Gesund- stoffdioxid gehören, gefährden die Gesundheit weltweit. Die Weltgesundheitsorgani- heitsauswirkungen von Abgasen aus inkompletten sation hat zum Schutz der Gesundheit im Jahr 2005 globale Empfehlungen für Verbrennungsprozessen im Fokus wissenschaftlicher Höchstwerte bezüglich Feinstaub (10 μg/m3 für Feinstaub kleiner als 2,5 μm Arbeiten. Zu den am Menschen und im toxikologischen [PM2,5]), Ozon und Stickstoffdioxid erstellt. Die empfohlenen Werte werden in Labor meist untersuchten Luftschadstoffen gehören Deutschland vielerorts regelmäßig überschritten. Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid. Weil diese Reiz- Methode: Dieser Artikel basiert auf einer selektiven Literaturrecherche in PubMed oder Schadstoffe technisch relativ einfach erfassbar und zum Teil auf einer Expertise, die im Namen der Internationalen Gesellschaft für sind, werden sie schon seit Jahrzehnten flächendeckend Umweltepidemiologie (ISEE) und der European Respiratory Society (ERS) angefer- in vielen Ländern gemessen. tigt wurde. Dieser Artikel basiert auf einer selektiven Literatur- recherche in PubMed und zum Teil auf einer Expertise, Ergebnisse: Luftschadstoffe haben Auswirkungen auf den gesamten Körper, von die im Namen der Internationalen Gesellschaft für Um- der menschlichen Entwicklung im Mutterleib bis zu vorzeitiger Sterblichkeit vor weltepidemiologie (ISEE) und der European Respirato- allem aufgrund von Lungen- und Herzerkrankungen. Beispielsweise zeigt eine ry Society (ERS) angefertigt wurde (e1). epidemiologische Studie pro zusätzlicher Langzeitbelastung von 5 μg/m3 PM2,5 eine assoziierte Steigerung der Sterblichkeit um ca. 7 % (95-%-Konfidenzintervall: Experimentelle Untersuchungen an Zellen, [2; 13]). Zusätzlich zu Lungen- und Herzerkrankungen gilt die krebsauslösende Tieren und Menschen Wirkung von Feinstaub inzwischen als gesichert. Zudem bestehen Assoziationen Toxikologische Laborexperimente und kontrollierte Ex- zwischen erhöhter Feinstaubbelastung und metabolischen Erkrankungen. So war positionen von Freiwilligen dienen dazu, die gesund- die Inzidenz für Diabetes mellitus Typ 2 in einer Metaanalyse von Kohortenstudien heitlichen Auswirkungen der Luftschadstoffe aufgrund mit erhöhten Feinstaubwerten verbunden, wobei eine relative Risikoerhöhung um ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften zu 25 % [10; 43] pro 10 µg/m3 PM2,5 bestand. Neuere Studien dokumentieren, dass untersuchen. Sie liefern wichtige Informationen zur bio- diese Schadstoffe auch unterhalb der gegenwärtig geltenden Grenzwerte schon logischen Wirkung im menschlichen Körper, erlauben zu Schäden führen. jedoch nicht, Aussagen über das Risiko von Neuerkran- Schlussfolgerung: Zum Schutz der Gesundheit ist es besonders wichtig, die in kungen oder über Verschlechterungen von bestehenden der Europäischen Union geltenden Grenzwerte für die Belastung mit Feinstaub Erkrankungen zu machen. Kontrollierte Expositionsstu- < 2,5 µg deutlich abzusenken, um – in Einklang mit den Empfehlungen der Welt- dien am Menschen sind vor allem dazu geeignet, kurz- gesundheitsorganisation – gesundheitliche Risiken weiter zu reduzieren. fristige Veränderungen zum Beispiel der Lungenfunkti- on oder Entzündungswerte zu untersuchen. Selbst diese Zitierweise Untersuchungen werden aus ethischen Gründen meist Ritz B, Hoffmann B, Peters A: nur an relativ gesunden and belastungsfähigen Men- The effects of fine dust, ozone, and nitrogen dioxide on health. schen durchgeführt (eKasten 1). Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 881–6. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0881 Risikofaktorenforschung am Menschen – die analytische Epidemiologie Risikofaktoren für die Inzidenz von Erkrankungen oder Mortalität können aus ethischen und praktischen Grün- den nicht in randomisierten klinischen Studien er- forscht werden; dies gilt für die Luftverschmutzung ge- nauso wie für andere Risikofaktoren, wie zum Beispiel University of California, Los Angeles, USA: Prof. Dr. med. Beate Ritz das Rauchen. Um dagegen die kurz- und langfristigen Auswirkungen in verschiedenen Altersgruppen und Pa- Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universität Düsseldorf: Prof. Dr. med. Barbara Hoffmann MPH tienten abzuschätzen, sind große epidemiologische Be- Helmholtz Zentrum München und Ludwig-Maximillians Universität München: obachtungsstudien die Methode der Wahl. Luftver- Prof. Dr. rer. biol. hum. Annette Peters schmutzungsstudien basieren dabei auf der gleichen Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 51–52 | 23. Dezember 2019 881
MEDIZIN TABELLE Wissenschaftlich als gesichert geltende Zusammenhänge auf Basis veröffentlichter Expertenbewertungen bis 2016* Luftschadstoff Gesundheitsauswirkungen Bewertung Quelle Feinstaub (PM2,5) Sterblichkeit kausal (e2) Herz-Kreislauf-Erkrankungen kausal (e2) Krebserkrankungen kausal (e5) Atemwegserkrankungen wahrscheinlich kausal (e2) Ozon Kurzzeitwirkung auf Atemwegserkrankungen kausal (e9) Kurzzeitwirkung auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen wahrscheinlich kausal (e9) Atemwegserkrankungen wahrscheinlich kausal (e9) Stickstoffdioxid Kurzzeitwirkung auf Atemwegserkrankungen kausal (e10) Atemwegserkrankungen wahrscheinlich kausal (e10) * Kausalitätskriterien für (e5) werden in (e11, e12) und für (e2, e9, e10) in (e13) beschrieben. bewährten epidemiologischen Methodik, mit der auch von Tagen oder Wochen untersucht werden. Die Luftver- andere allgemein akzeptierte Risikofaktoren aufge- schmutzungsveränderung vor den Untersuchungstermi- deckt wurden, wie beispielsweise Bluthochdruck, Hy- nen wird mit der Änderung verschiedener physiologi- percholesterinämie oder Aktiv- und Passivrauchen. Da scher Parameter (Lungenfunktion, Entzündungsmarker, in vielen Ländern inzwischen durch flächendeckende Blutdruck und weiteren) assoziiert, wobei aufgrund des und kontinuierliche Luftschadstoffmessungen die Be- Studiendesigns nur kurzfristig veränderliche Risikofak- lastung der Bevölkerung gut erfasst wird, können Wis- toren (zum Beispiel Passivrauchen am Abend vor der senschaftler heute in großen bevölkerungsumgreifen- Untersuchung) als mögliche Störgrößen berücksichtigt den Kurz- und Langzeitstudien ihre Auswirkungen un- werden müssen. ter realen Bedingungen erfassen. Untersuchung von Langzeiteffekten Untersuchung von Kurzzeiteffekten Um längerfristige Gesundheitsauswirkungen aufgrund Epidemiologische Arbeiten begannen mit Zeitreihen- chronischer Luftschadstoffbelastung zu erfassen, wer- studien zur allgemeinen oder spezifischen Mortalität den vor allem in Nordamerika, Europa und in den letz- oder Morbidität, die sich auf Totenscheinregister oder ten Jahren auch in Ländern wie China zum Teil sehr auf Krankenhauseinweisungsdaten stützen (16). Diese große Kohortenstudien durchgeführt (17–20), die wis- Studien sind methodisch sehr stark, weil sie auf bevöl- senschaftlich aufwendig, teuer und in ihrer Aussage- kerungsweiten Daten von hoher Qualität beruhen und kraft sehr hochwertig sind. In der Regel bauen sie auf wenig oder gar nicht von Selbstselektion, Messfehlern Kohorten auf, die ursprünglich zur Erforschung von oder bestimmten Störgrößen beeinflusst werden: Jeder Volkskrankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Er- Tote wird gezählt, niemand kann sich der Studie ver- krankungen begonnen wurden (American Cancer So- weigern und Luftverschmutzung wird mit sensiblen ciety Study, KORA-Studie, Heinz Nixdorf Recall-Stu- und standardisierten Instrumenten in Bevölkerungszen- die und andere). Diese Studien zeichnen sich durch ihre tren erfasst. Es werden die täglichen Veränderungen Datenvielfalt und Qualität aus, inklusive der sorgsamen von Luftschadstoffwerten mit den täglichen Todesraten Erfassung vieler persönlicher Risikofaktoren und Ge- oder Einweisungszahlen für Asthma, Bronchitis, Herz- sundheitsdaten für die als Störgrößen in Analysen ad- infarkte oder Schlaganfälle verglichen und Kurzzeitef- justiert werden kann (zur Innenraumluftbelastung als fekte durch höhere Belastung mit Staub, Stickoxiden potenzielle Störgröße siehe eKasten 2). Sie schließen oder Ozon berechnet. Bei den Analysen werden andere, auch Kinder und gesunde wie kranke Personen mit ein, kurzfristig variierende Risikofaktoren wie Temperatur und erlauben sensible Biomarker und langfristige Ex- oder Influenzaperioden berücksichtigt. Bei solchen positionen zu erfassen. Studien ist es nicht notwendig, langfristige Risikofak- Eine Herausforderung bei der Konzeption, Durch- toren (Rauch- oder Essgewohnheiten, Lebensstil, Ar- führung und Analyse epidemiologischer Langzeit- und beitsbelastungen oder Belastungen durch Innenraum- Kurzzeitstudien ist, dass Feinstaub, Ozon und Stick- quellen) zu berücksichtigen, da diese nicht mit kurzfris- stoffdioxid gemeinsame Quellen haben, deshalb oft tigen Luftschadstoffschwankungen zusammenhängen zeitlich und räumlich gemeinsam auftreten und auf den und daher keine Vermischung („confounding“) von Ef- menschlichen Körper wirken (23). Hinzu kommt, dass fekten stattfinden kann. Ähnlich verhält es sich in Pa- es noch weitere Schadstoffe in der Luft gibt, wie den nelstudien, bei denen Probanden mehrfach im Abstand Ruß, die ultrafeinen Partikel (< 100 nm), oder organi- 882 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 51–52 | 23. Dezember 2019
MEDIZIN sche Kohlenwasserstoffe, die mit dem Feinstaub und KASTEN dem Stickstoffdioxid gemeinsam auftreten können (24). Daher werden zusätzliche Messungen, Satelliten- In Bevölkerungstudien dokumentierte Auswirkungen von daten und aufwendige Modellrechnungen verwendet, Luftschadstoffen auf den menschlichen Körper* um die Belastung idealerweise zeitlich und räumlich aufgelöst zu schätzen. Je größer die Korrelation zwi- ● Atemwege schen den einzelnen Luftschadstoffen, desto schwieri- – Sterblichkeit wegen Atemwegserkrankungen ger (oder unmöglich) wird es, ihre einzelnen Effekte zu – Morbidität wegen Atemwegserkrankungen isolieren. Allerdings haben die Schadstoffe trotz über- – Lungenkrebs lappender Quellen durchaus unterschiedliche Vertei- – Atemwegssymptome lungsmuster in der Außenluft. So ist zum Beispiel Fein- – Entzündung der Atemwege staub relativ gleichmäßig verteilt; das heißt, dass die – verminderte Lungenfunktion Konzentrationsunterschiede zwischen dem am stärks- – vermindertes Lungenwachstum ten und am wenigsten belasteten Viertel der Bevölke- ● Bauchspeicheldrüse rung innerhalb einer Stadt im Bereich von 2–4 μg/m3 – Insulinresistenz liegen. Im Gegensatz dazu sind die Konzentrationsun- – Diabetes mellitus Typ 2 terschiede von NO2 viel größer und können mehr als 20 – Diabetes mellitus Typ 1 μg/m3 betragen (25). Daraus resultiert eine Korrelation – Knochenstoffwechsel der Expositionen von deutlich unter 1, was eine teilwei- ● Blut(kreislauf) se Isolierung der Effekte ermöglicht. Multizentrische – Bluthochdruck Kohortenstudien mit verschiedensten Schadstoffzu- – endotheliale Dysfunktion sammensetzungen (Gemischen) und -konzentrationen – erhöhte Blutgerinnung erlauben die Trennung von Schadstoffeffekten. – systemische Entzündung – Venenthrombose Natürliche Experimente und Interventionsstudien Letztlich leisten quasi-experimentelle Studien zum ● Gehirn wissenschaftlichen Kausalitätsverständnis einen be- – Schlaganfall sonders wichtigen Beitrag. Solche ‚natürliche Experi- – psychische Erkrankungen mente‘ konnten dramatische Verbesserungen der Luft- – kindliche Gehirnentwicklung verschmutzungswerte aufgrund von Umweltauflagen – neurodegenerative Erkrankungen bei Olympischen Spielen in Atlanta (26) oder Peking ● Herz (27, e14, e15) oder der zeitweiligen oder dauerhaften – Sterblichkeit wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen Schließung von stark verschmutzenden Industrien – Morbidität wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Kraftwerken direkt mit der Verringerung von – Myokardinfarkt Atemwegserkrankungen (inklusive Asthma) in Ver- – Herzrhythmusstörungen bindung bringen. Die zeitweilige Schließung eines – Herzinsuffizienz Stahlwerks in Utah, das eine hohe lokale Partikelbe- – Störungen der Herzrhythmusvariabilität lastung verursachte, zeigte eine zeitgleiche 2- bis – ST-Senkung 3-fache Verringerung von Krankenhauseinweisungen ● Haut von Kindern aufgrund von Asthma und Bronchitits – Hautalterung (28). Ähnlich haben Studien, analysiert nach den neu- ● Embryo/Fortpflanzung esten Methoden, gezeigt, dass Schließungen von Koh- – Frühgeburt le- und Ölkraftwerken in Kalifornien mit einer Sen- – verringertes Geburtsgewicht kung der Frühgeburtlichkeit von 7,0 % auf 5,1 % im – verringertes fötales Wachstum Umkreis von fünf Kilometern assoziiert waren (29). – Präeklampsie Besonders aufschlussreich ist eine weitere kaliforni- – verringerte Spermienqualität sche Studie, die heranwachsende Kinder vom 10. bis zum 18. Lebensjahr verfolgen konnte. Sie zeigte, *modifiziert nach (31) dass Lungenfunktion und -wachstum nicht nur in höher belasteten Regionen beeinträchtigt waren, son- dern darüber hinaus ein Umzug der Kinder, der mit einer Verbesserung oder Verschlechterung der Luft- qualität einherging, auch die Lungenentwicklung Die Tabelle fasst die als wissenschaftlich gesichert entsprechend verbesserte oder verschlechterte (30, angesehenen Zusammenhänge basierend auf veröffent- e16). Zum Beispiel war die Einsekundenkapazität der lichten Expertenbewertungen bis 2016 zusammen (Ta- Lunge (Quotient aus beobachteter versus erwarteter belle). Einsekundenkapazität < 80 %) von 18-Jährigen in Re- Der Kasten zeigt auf, welche Auswirkungen in Be- gionen mit erhöhter Feinstaubverschmutzung vermin- völkerungsstudien auf den ganzen Körper beobachtet dert (7,9 % versus 1,6 % wiesen Einschränkungen wurden. Erkenntnisse reichen vom Lebensbeginn im auf, P = 0,002). Mutterleib über akute und chronische Erkrankungen Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 51–52 | 23. Dezember 2019 883
MEDIZIN bei Kindern und Erwachsenen bis hin zum vorzeitigen erstellen. Auch die US-amerikanische Umweltbehörde Tod und schließen Einwirkungen auf viele Organe und (U.S. EPA) und Weltgesundheitsorganisation (WHO) physiologische Prozesse mit ein. Zu tausenden von Stu- bedienen sich ähnlicher Kriterien (e13). Als kausal ge- dien (32), davon die frühesten zur Gesamtmortalität sichert gelten solche Zusammenhänge, für die es aus- (e17–e20) und zu Atemwegserkrankungen (e3, e21), reichend Populationsstudien gibt, in denen zufällige prominenten Studien zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen Zusammenhänge, Verzerrungen oder andere Störgrö- (e4, e6) gesellen sich neuere Studien zu metabolischen ßen weitgehend ausgeschlossen werden können oder Erkrankungen (Diabetes: um 25 % erhöhtes Risiko; die von toxikologischen Studienergebnissen, besonders 95-%-Konfidenzintervall: [10; 43] per 10 μg/m3 PM2,5, solchen mit umwelt-relevanten Konzentrationen, unter- [e22]), zu Schwangerschaftsproblemen (wie zum Bei- stützt wurden. Als wahrscheinlich kausal werden Zu- spiel Bluthochdruck [e23] oder um 13 % [3; 24] erhöh- sammenhänge bezeichnet, bei denen es klare Hinweise te Frühgeburtlichkeit per 10 µg/m3 PM2,5 [e24]) und zu auf Kausalität gibt, aber die Datenlage als nicht ausrei- Auswirkungen auf die Lungen- und Gehirnentwicklung chend für die Erfüllung aller Kausalitätskriterien gilt. bei Kindern (systematische Reviews [e25, e26]) und Kausalzusammenhänge können nur aus einer gesamt- sogar auf die Hautalterung [e27]. In den letzten Jahren wissenschaftlichen Beurteilung abgeleitet werden, in wurde auch das alternde Gehirn als mögliches Ziel von die reine Beobachtungsstudien zusammen mit experi- Schädigungen durch Luftschadstoffe untersucht, das mentellen Studien und mechanistischen Erwägungen heißt, es wurden unter Belasteten erhöhte Schlagan- einfließen. fallsrisiken (e28) sowie vermehrt Neurodegeneration (e29) und kognitive Beeinträchtigungen (systemati- Festlegung von allgemeinen Richtwerten sches Review [e30]) und Demenz (systematisches Re- Die WHO spricht Empfehlungen für einzuhaltende view [e31]) dokumentiert. Luftschadstoffkonzentrationen aus: die sogenannten Die Größenordnung dieser Effekte sind verglichen Luftqualitätsrichtlinien. Diese WHO-Empfehlungen mit anderen Risikofaktoren wie zum Beispiel dem Rau- basieren auf der zur jeweiligen Zeit vorhandenen Evi- chen relativ klein, aber wegen der ubiquitären Expositi- denz, inklusive bevölkerungsbezogener, toxikologi- on relevant für die Krankheitslast in der Bevölkerung. scher und tierexperimenteller Studien, und sie versu- So zeigen epidemiologische Studien pro zusätzlicher chen Werte festzulegen, unterhalb von denen keine ein- Langzeitbelastung von 5 μg/m3 PM2, 5 eine Steigerung deutigen Effekte auf die Gesundheit mehr nachweisbar der Sterblichkeit von etwa 7 % [2; 13] (33). Weiterhin sind. Die aktuell noch gültigen Empfehlungen der wird eine Steigerung der Wahrscheinlichkeit für das WHO stammen aus dem Jahr 2005 und berücksichtigen Auftreten von Herzinfarkten um rund 12 % [1; 25] pro daher nicht die in den letzten 15 Jahren erheblich ange- 10 μg/m3 PM10 Langzeitbelastung berichtet (8). Über- wachsene Evidenz aus großen prospektiven Studien. tragen auf die Krankheitslast der Bevölkerung liegt Für Stickstoffdioxid wurde im Jahr 2005 ein Richtwert Feinstaub damit in Deutschland auf Rang 9 der wich- von 40 µg/m3 auf der Basis von Langzeit-Tierexperi- tigsten Risikofaktoren (e32). menten und den damaligen bevölkerungsbezogenen Studien festgelegt. Neuere wissenschaftliche Erkennt- Evidenz und Kausalität nisse zeigen jedoch Effekte unterhalb des im Jahre Generell erlaubt keine einzelne auch noch so große Stu- 2005 festgelegten Richtwerts, sodass im Auftrag der die ein Kausalitätsurteil zu fällen. Vielmehr werden von Europäischen Union im Jahr 2013 eine Neubewertung internationalen Expertengremien bei der Kausalitätsbe- der Evidenzlage vorgenommen wurde. Speziell für urteilung einer Expositions-Wirkungs-Beziehung nach Stickstoffdioxid wurden dabei Gesundheitseffekte einem definierten, transparenten und dokumentierten oberhalb eines Schwellenwerts von 20 µg/m3 als gesi- Verfahren alle publizierten Studien herangezogen. Stu- chert angesehen (24, e33). Maßgeblich war hierfür eine dien mit unterschiedlichem Design und Stärken und Meta-Analyse von mehr als 15 Langzeitstudien zu Schwächen werden gemeinsam nach einem zuvor er- Stickstoffdioxid (34), die einen Anstieg des Mortali- stellten Kriterienkatalog bewertet, widersprüchliche tätsrisikos um 5 % [3; 8] pro 10 µg/m3 NO2 ergab (34). Ergebnisse werden gegeneinander abgewogen, und die Auch für Feinstaub zeigten sich inzwischen in Studien Ergebnisse werden, wo die Datenlage dies erlaubt, in mit Millionen Probanden klare Effekte unterhalb des Metaanalysen zusammengefasst. Darüber hinaus wer- derzeit gültigen Richtwerts der WHO von 10 µg/m3 für den toxikologische und tierexperimentelle Studien he- PM2,5. So kommt zum Beispiel eine US-amerikanische rangezogen um zu beurteilen, ob es für die untersuchte Studie zu dem Ergebnis, dass die Gesamtmortalität bei Expositions-Wirkungs-Beziehung biologisch plausible über 65-Jährigen unterhalb von 12 µg/m3 PM2,5 (der Mechanismen der Krankheitsentstehung gibt. Generell derzeit gültige US-amerikanische Grenzwert) pro 10 kann die Wissenslage entsprechend der Richtlinien von µg/m3 PM2,5 mit einem Anstieg um 13,6 % [13,1; 14,1] Bradford-Hill beurteilt werden (e11). Dies bildet auch einhergeht (e34). Neueste Zahlen aus Europa, die im die Basis des Vorgehens von anerkannten Organisatio- August 2019 auf dem Fachkongress der ISEE in nen wie der International Agency for Research on Can- Utrecht präsentiert wurden, zeigen sogar noch stärkere cer (IARC) (e12) und dem Institute of Medicine Na- Effekte. Bei einer mittleren Belastung von etwa 15 µg/m3 tional Academy of Science (IOM/NAS), um aufgrund PM2,5 steigt die Mortalität (natürliche Todesursachen) wissenschaftlicher Arbeiten Kausalzusammenhänge zu demnach pro 5 µg/m3 PM2,5 um 13 %, [11; 16] (e35). 884 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 51–52 | 23. Dezember 2019
MEDIZIN Eine umfassende Überarbeitung der Empfehlungen von 2005 wird derzeit aufgrund dieser neuen wissenschaftli- Kernaussagen chen Erkenntnisse von der WHO durchgeführt. Die Pu- blikation der überarbeiteten Luftqualitätsrichtlinien wird ● Der Begriff „Luftschadstoffe in der Außenluft“ umfasst unter anderem Feinstaub, für 2020 erwartet. Ozon und Stickstoffdioxid. ● In Bevölkerungsstudien wurden Auswirkungen auf verschiedene Organsysteme be- Empfehlungen und Grenzwerte obachtet, darunter das Herz-Kreislauf-System, die Lunge, das Gehirn und die Haut. Die Festlegung von gesetzlichen Grenzwerten ist ● Zudem wurden hohe Raten von Frühgeburtlichkeit und Diabetes mellitus Typ 2 in ein politischer Prozess unter Berücksichtigung von Assoziation mit erhöhten Feinstaubkonzentrationen in Metaanalysen berichtet. wissenschaftlichen Empfehlungen, unter anderem den Luftqualitätsrichtlinien der WHO. In der Europäischen ● Die gegenwärtigen gesetzlichen Grenzwerte entsprechen dem Vorsorgeprinzip in Union werden die Grenzwerte, die sich auf die WHO Europa nicht, da auch unterhalb der derzeit gültigen Grenzwerte Gesundheitseffek- stützen, durch das EU-Parlament verabschiedet, und te bestehen. gemeinsam mit den Ausführungsbestimmungen in ● Zum Schutz der Gesundheit sollten die Grenzwerte (besonders für Feinstaub nationales Recht umgesetzt. So wurde im Jahr 2008 die kleiner als 2,5 μm) in der Europäischen Union deutlich abgesenkt werden. Empfehlung der WHO für einen Langzeitgrenzwert von Stickstoffdioxid von 40 µg/m3 übernommen, wäh- rend die Empfehlung für Feinstaub um das 2,5-fache überschritten wurde. Dies ist am ehesten durch politi- sche Einflussnahme und wirtschaftliche Erwägungen, gen des Nutzens (e38, e39). Der US-amerikanischen die in solche Entscheidungen der EU einfließen, zu er- Kosten-Nutzen-Abwägung steht in Europa das Vor- klären. Die US-amerikanische Gesetzgebung leitet sich sorgeprinzip („precautionary principle“) für Grenz- aus gesetzlich vorgeschriebenen wissenschaftlichen wertsetzungen gegenüber. Danach muss der Gesetz- Bewertungen ab, die in regelmäßigen Abständen aktua- geber die Bevölkerung auch dann schützen, wenn die lisiert werden (e9). Dieses regionenspezifische Vorge- Möglichkeit eines Schadens durch eine Substanz nur hen resultiert in und erklärt die großen Unterschiede in möglich, aber (noch) nicht eindeutig wissenschaftlich der Gesetzgebung weltweit (35). Die neuesten wissen- gesichert ist. Die gegenwärtigen gesetzlichen Grenz- schaftlichen Erkenntnisse belegen für Europa dringen- werte entsprechen diesem Grundkonsens in Europa den Handlungsbedarf insbesondere bezüglich einer He- nicht, da auch unterhalb der derzeit gültigen Grenz- rabsetzung der Feinstaubgrenzwerte. In der Schweiz werte eindeutig Gesundheitseffekte bestehen. Eine wurden die WHO-Empfehlungen von 2005 in der weitere Absenkung der Luftschadstoffgrenzwerte ist Grenzwertfestlegung für Feinstaub übernommen bezie- daher nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, sondern hungsweise für Stickstoffdioxid mit einem Grenzwert auch aus der ethischen Verpflichtung zum Schutz der von 30 µg/m3 sogar unterboten (e36, e37). Bisher ha- Bevölkerung notwendig. Darüber hinaus kommt es ben allerdings nur sieben Staaten die WHO-Empfeh- bei den meisten Maßnahmen zur Reduktion der Luft- lungen für Feinstaub (Jahresmittelwert von 10 µg/m3 verschmutzung auch zu erheblichem Zusatznutzen im PM2,5) gesetzlich verankert (35). Bereich des Klimaschutzes, sodass es sich um einen echten Dreifachgewinn handelt. Erfolge können gemessen werden Danksagung Eine Studie in den USA berichtete, dass eine Abnah- Wir danken Bert Brunekreef, Nino Künzli, Meltem Kutlar Joss, Holger Schulz, me von 10 µg/m3 PM10 mit einer Zunahme der Le- Kurt Straif, Nicole Probst-Hensch und H. Erich Wichmann für ihren Beitrag. benserwartung um 6 Monate einhergehen würde (36). Interessenkonflikt Schätzungen für Dänemark zeigen, dass sich durch- Die Autorinnen erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht. schnittlich 1,3–1,6 Jahre an krankheitsfreier Lebens- Manuskriptdaten zeit und 0,3–0,5 Jahre an Lebenszeit durch eine eingereicht: 13. 6. 2019, revidierte Fassung angenommen: 15. 11. 2019 20 %-ige Reduzierung von NO2 gewinnen ließen (37). Und laut Berichten aus der Schweiz (38) führt Literatur eine Verbesserung der Luftreinheit zu einer Reduzie- 1. Umwelt Bundesamt: Feinstaub. www.umweltbundesamt.de/themen/ luft/luftschadstoffe/feinstaub (last accessed on 15 June 2019). rung von medizinischen Behandlungskosten und Ar- 2. Sutton MA, Howard CM, Erisman JW, et al.: The European nitrogen beitsausfällen. Letztendlich muss eine Gesellschaft assessment. Sources, effects and policy perspectives. 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World Health Organization: Review of evidence on health aspects of air pollution Gewichtung und Kontrastmittelapplikation. Dabei handelte es sich um – REVIHAAP Project: Technical Report. Copenhagen: WHO Regional Office for eine T1wTSE nach Kontrastmittelapplikation. Kontrastmittel: 12 mL Europe 2013. 25. Cesaroni G, Forastiere F, Stafoggia M, et al.: Long term exposure to ambient air Dotarem 0,5 mmol/mL. MWR pollution and incidence of acute coronary events: prospective cohort study and meta-analysis in 11 European cohorts from the ESCAPE Project. BMJ 2014; 348: f7412. 26. Friedman MS, Powell KE, Hutwagner L, Graham LM, Teague WG: Impact of changes in transportation and commuting behaviors during the 1996 Summer Olympic Games in Atlanta on air quality and childhood asthma. JAMA 2001; 285: 897–905. 27. Lin WW, Huang W, Zhu T, et al.: Acute respiratory inflammation in children and black carbon in ambient air before and during the 2008 Beijing olympics. 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Dezember 2019 I
MEDIZIN eKASTEN 1 eKASTEN 2 Quellen und Gesundheitsauswirkungen Luftbelastung Innenraum von Luftschadstoffen Auch im Innenraum kann es zu erheblichen Konzentra- ● Feinstaub ist ein Gemisch aus Partikeln < 10 μm (0,01 tionen von verschiedenen Schadstoffen kommen. Dabei Millimeter) aus unterschiedlichen Quellen (1). Verbren- hängt die Luftqualität im Innenraum vor allem von der nungsprozesse aus Kraftfahrzeugen, Kraftwerken, Hei- Qualität der Außenluft sowie von zusätzlichen Schad- zungen und Industrieanlagen erzeugen Partikel und stoffquellen im Innenraum ab. So können zum Beispiel gasförmige Vorläufersubstanzen (Schwefeldioxid und Rauchen, Kaminöfen, Kochen mit oder ohne Gasherd Stickoxide), die selbst gesundheitsschädigend sind und und Kerzenbrand je nach Lüftungsverhalten zu erhebli- zusammen mit landwirtschaftlichen Ammoniakemissio- chen Anstiegen der Feinstaub (PM) oder NO2-Konzen- nen zur sekundären Feinstaubbildung beitragen (2). Die tration führen. Die gesundheitsschädlichen Wirkungen gesundheitsschädliche Wirkung beruht auf chemischen von zum Beispiel Passivrauchen sind bereits gut und physikalischen Eigenschaften, die oxidativen untersucht und haben zu entsprechenden Nichtraucher- Stress (auf Mitochondrien, DNA, Proteine) und systemi- schutzgesetzen in öffentlich zugänglichen Bereichen sche entzündliche Reaktionen erzeugen (3). Die schä- geführt. Die Weltgesundheitsorganisation sowie digende Feinstaubeinwirkung auf Lunge und Atemwege nationale Behörden haben für die Innenraumluftqualität ist unumstritten (e2, e3) und Zusammenhänge werden verschiedene Empfehlungen abgegeben (21, 22). Eine auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen [e2, 4, e4] und gesetzliche Regulierung wird aufgrund des Schutzes einige Krebserkrankungen als gesichert angesehen (e5, der Privatsphäre jedoch nur in öffentlich zugänglichen e6). Feinstaub natürlichen Ursprungs (Bodenerosion, Innenräumen vorgenommen. Die Analyse der Effekte der Pollen, Mikroorganismen) erzeugt allergische und in- Außenluftbelastung wird hierdurch in aller Regel nicht fektiöse Krankheitsbilder, Mikroorganismen können verzerrt, da die Innenraumquellen nicht systematisch mit aber auch zum natürlichen/gesunden menschlichen Mi- der Außenluftbelastung zusammenhängen. Vorstellbar krobiom beitragen (5). ist jedoch, dass zum Beispiel Kinder von sozial schwachen Eltern häufiger Passivrauchbelastung und ● Ultrafeine Partikel (< 100 Nanometer) spielen eine Son- zusätzlich auch häufiger hohen Außenluftbelastungen derrolle, weil sie in den Blutkreislauf oder das autonome ausgesetzt sind (weil sozial schwache Familien häufiger Nervensystem eintreten und so selbst ins Gehirn gelan- in stärker verschmutzten Stadtteilen leben). In diesem gen können. Hier besteht dringender Forschungsbedarf Fall könnte bei einer „naiven“ Analyse eine systema- und flächendeckende Routinemessungen fehlen. tische Vermischung des Effekts der Außenluft mit dem ● Ozon und Stickstoffdioxid sind Reizgase, die ebenfalls Effekt der Passivrauchbelastung im Innenraum eintreten. oxidativen Stress (6) und Entzündungsreaktionen in der In qualitativ hochwertigen Studien wird diese mögliche Lunge auslösen (7). Ozon entsteht in Bodennähe bei Vermischung von Effekten jedoch durch Berücksichti- Sonneneinstrahlung durch photochemische Prozesse gung des Sozialstatus im Design oder in der Analyse aus Stickstoffoxiden und flüchtigen organischen Verbin- der Studie verhindert. Analog wird auch mit anderen dungen (8) aus inkompletten Verbrennungsprozessen. potenziell über den Sozialstatus mit der Außenluftkon- In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr – besonders zentration verbundenen Innenraumquellen umgegangen. Dieselmotoren – die bedeutendste Quelle (9). Ozonbe- Allerdings ist dies nur dann zwingend notwendig, wenn lastung führt kurzfristig zu atemwegsbedingten Notfall- tatsächlich die Innenraumbelastung mit der Außenluft- konsultationen und Krankenhauseinweisungen (e5), konzentration zusammenhängt. langfristig trägt sie zu atemwegsbedingter Sterblichkeit und Verschlechterung von Asthma bei (10). ● Stickstoffdioxid verschlechtert ebenfalls Asthmasympto- matiken (11) und erzeugt Atemwegserkrankungen (e8). Neuere Studien und Übersichtsarbeiten zeigen einen Sterblichkeitsanstieg von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (12, 13, e7, e8) und von Diabetes (14). Offen bleibt, ob das NO2 oder das Schadstoffgemisch (für das NO2 ein Indikator ist) Auslöser ist. Die epidemiologische Evidenz (14) macht toxikologische Untersuchungen zur biologi- schen Wirkungsweise von NO2 auf das kardiovaskuläre System dringend notwendig. In einer Studie mit Diesel- gas exponierten Ratten, blieb die Herzfunktion trotz Partikelentfernung durch Filter beeinträchtigt (15). II Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 51–52 | 23. Dezember 2019
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