Bachelor-Arbeiten 2021 in experimenteller Elementarteilchenphysik - am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr

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Bachelor-Arbeiten 2021 in experimenteller Elementarteilchenphysik - am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr
10. Dezember 2020

     Bachelor-Arbeiten 2021
        in experimenteller
     Elementarteilchenphysik
am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr
Bachelor-Arbeiten 2021 in experimenteller Elementarteilchenphysik - am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr
A Ausbildungsprogramm
Wir bieten im Sommersemester 2021 in der experimentellen Elementarteilchenphysik ein in-
tegriertes Programm, das Ihnen einen vielseitigen Einblick in unsere Forschungsarbeiten gibt.
Im Zentrum des Programms stehen Bachelorarbeiten mit engem Bezug zu Forschungsthemen
des ATLAS-Experiments am Large Hadron Collider am Forschungszentrum CERN in Genf und
des Belle II-Experiments am Beschleunigerzentrum KEK in Japan. Wir möchten Ihnen hierbei
Einblicke vermitteln in die physikalischen Ziele und Analysemethoden der Experimente, in De-
tektorkonzepte und die Entwicklung neuer Detektorkomponenten und in Grid-Computing als
innovative Technologie der Datenverarbeitung in der Teilchenphysik.
Elemente unseres Programms sind

   • Wahlpflichtlehrveranstaltung des Moduls V für Bachelor-Studenten (3+1 SWS, 6 ECTS
     Punkte): ‘Advanced Course in Particle Physics for Bachelor Students’
     Teil I: Datenanalyse in der Teilchenphysik
     Dieser Kurs ist eine grundlegende Einführung zur Darstellung und statistischen Auswer-
     tung experimenteller Daten, zur Modellierung elementarer Teilchenreaktionen, zur Simula-
     tion von Detektoren und des Teilchennachweises und zur Rekonstruktion der Primärreaktion
     aus einem komplexen Ereignismuster.
     Die Teilnahme am Teil I dieses Kurses (12.4.-16.4.2021 ganztägig) ist verpflichtend für
     alle Bachelor-Studenten in der Experimentellen Elementarteilchenphysik
     Teil II: Vertiefungsvorlesung Teilchenphysik
     Teil II vertieft die Konzepte der Elementarteilchenphysik und des experimentellen Nach-
     weises spezieller Ereignistopologien. Vorlesung und Übungen finden begleitend zur 10-
     wöchigen Bachelor-Arbeit statt. Die Teilnahme am Teil II dieses Kurses wird allen Bachelor-
     Studenten in der Experimentellen Elementarteilchenphysik empfohlen.
     Die Teilnahme an einer Klausur zu Teil I und Teil II des Kurses ist Voraussetzung für den
     Erwerb von 3+3 ECTS Punkten.

   • Physikalisches Seminar: Moderne Aspekte der Teilchenphysik
     Dieses Seminar findet wöchentlich begleitend zur Bachelor-Arbeit statt. Die Teilnahme am
     Seminar wird allen Bachelor-Studenten in der experimentellen Elementarteilchenphysik
     empfohlen, Voraussetzung für den Erwerb von 3 ECTS Punkten ist die aktive Teilnahme
     und ein Referat.

   • Eine betreute Bachelor-Arbeit (12 ECTS Punkte, 19.4.-2.7.2021; die Zeitspanne ent-
     spricht einer Bearbeitungszeit von 10 Wochen unter Berücksichtigung von Feiertagen und
     einem vorlesungsfreien Tag), mit aktuellem Bezug zu unseren Forschungsarbeiten zu einem
     der nachfolgend aufgeführten Themen.

Sollten im Sommersemester 2021 weiterhin keine Präsenzveranstaltungen erlaubt sein, dann
würden Blockkurs, Vorlesung und Seminar als remote-Veranstaltungen per zoom stattfinden.
Bachelorarbeiten zu Themen der Datenanalyse können ebenfalls remote durchgeführt und be-
treut werden. Für Bachelorarbeit im Bereich der Detektorentwicklung besteht nach heutiger
Corona-Regelung die Möglichkeit, diese Arbeit unter Beachtung aller Schutz- und Hygienemaß-
nahmen vor Ort durchzuführen.
Ansprechpersonen: Wenn Sie Fragen zum Programm haben, oder wenn Sie sich bei der Auswahl
der angebotenen Themenbereiche beraten lassen wollen, wenden Sie sich bitte an
Prof. Dr. Otmar Biebel (Otmar.Biebel@physik.uni-muenchen.de)
Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de)
Wenn Sie Interesse an oder Fragen zu einem spezifischen Thema haben, können Sie sich auch
direkt an die angegebenen Kontaktpersonen wenden.

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Bachelor-Arbeiten 2021 in experimenteller Elementarteilchenphysik - am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr
B Themenkatalog für Bachelor-Arbeiten am LS Schaile

1     Suche nach Physik jenseits des Standardmodells bei LHC

Abbildung 1: Die Standardmodell-Teilchen (links) und ihre von Supersymmetrie vorhergesagten
Partnerteilchen (rechts).

    Mit der Entdeckung eines Higgs-Bosons am Large Hadron Collider (LHC) am CERN im Juli
2012 wurde der letzte fehlende Baustein des Standardmodells experimentell nachgewiesen. Doch
trotz seines Erfolgs kann das Standardmodell nicht alle Beobachtungen erklären. Ein prominen-
tes Beispiel ist die Dunkle Materie, die im Standardmodell nicht enthalten ist. Es sind daher
Theorien nötig, die über das Standardmodell hinausgehen. Ein Beispiel für eine solche Erweite-
rung ist Supersymmetrie (SUSY), in der jedem Fermion ein neues bosonisches Partnerteilchen
zugeordnet wird und jedem Boson ein neues Fermion, wie in Abbildung 1 gezeigt. Hierdurch
kann nicht nur die Existenz der Dunklen Materie auf natürliche Weise erklärt werden, sondern
es lassen sich auch einige andere Konsistenzprobleme des Standardmodells beheben.
    Nach dem erfolgreichen Neustart im Jahr 2015 wurde über die letzten vier Jahre im zweiten
Lauf des LHC ein großer Datensatz gesammelt, der eine noch nie da gewesene Gelegenheit für
eine Vielzahl von Teilchensuchen bietet. Neben der schieren Menge der neuen Daten ist auch
die Schwerpunktsenergie der Teilchenkollisionen die höchste weltweit bisher erreichte, wodurch
sich die Produktionsraten für neue Teilchen mit hohen Massen relativ zum Untergrund um ein
Vielfaches erhöhen, was wiederum zu einer deutlich höheren Sensitivität der Analysen führt.
    In unserer Arbeitsgruppe bieten wir eine Reihe von Themen an, die unterschiedliche Aspekte
auf dem Gebiet der Suche nach Physik jenseits des Standardmodells abdecken. Weitere Themen
sind nach aktueller Themenlage in individueller Absprache möglich.

1.1   Suche nach supersymmetrichen Dunkle-Materie-Teilchen
Nach einem sehr umfassenden Suchprogramm nach supersymmetrischen Teilchen während der
zweiten Datennahmeperiode am LHC, bietet sich nun die einzigartige Möglichkeit, all diese
Suchen zusammenfassend zu betrachten. Dies erlaubt nun Aussagen aus der Gesamtheit der
durchgeführten Suchen auf den theoretisch zulässigen Parameterraum zu tätigen. Besonders
interessant sind hierbei die Ergebnisse in Hinblick auf Charginos und Neutralinos (supersymme-
trische Partner der W-, Z- und Higgs-Bosonen). Das leichteste Neutralino ist beispielsweise ein
guter Kandidat für Dunkle Materie.

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Bachelor-Arbeiten 2021 in experimenteller Elementarteilchenphysik - am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr
In dieser Bachelorarbeit betrachten wir speziell das sogenannte phenomenologische MSSM,
und untersuchen, welcher Teil des Parameterraums durch die Suchen ausgeschlossen werden
kann oder auch nicht. Mit Hilfe von maschinenlernen-basierten Methoden sollen dann die Eigen-
schaften der nicht ausgeschlossenen Modelle in Hinblick auf Dunkle Materie untersucht werden.
Kontakt: PD Dr. Jeanette Lorenz (Jeanette.Lorenz@physik.uni-muenchen.de)

1.2   Suche nach dunkler Materie in Assoziation mit skalaren Teilchen
Neben supersymmetrischen Erweiterungen des Standardmodells sagen auch andere Erweite-
rungen des Standardmodells Kandidaten für die dunkle Materie voraus. Gemeinsam ist diesen
Kandidaten, dass sie als ausschließlich schwach und gravitativ wechselwirkend sowie als massiv
angenommen werden (WIMP Teilchen). Am LHC wird intensiv nach WIMPs gesucht, wobei
neben den Suchen nach supersymmetrischen Teilchen auch deutlich modell-unabhängigere Su-
chen durchgeführt werden. Im einfachsten Fall wird nach der Paarproduktion zweier WIMPs
gesucht, die jedoch - da nicht mit dem Detektor wechselwirkend - nicht direkt detektiert werden
können. Daher bedienen sich die Suchen eines Tricks, indem sie nach der Paarproduktion von
WIMPs zusammen mit einem Standardmodellteilchen suchen (‘mono-X’-Suchen). Dieses Stan-
dardmodellteilchen kann z.B. ein Quark oder Gluon sein, welches in der Produktion der WIMPs
abgestrahlt wurde, oder aber auch ein Boson, welches zusammen mit den WIMPs produziert
wurde.
    In unserer Arbeitsgruppe betrachten wir speziell die Produktion von WIMPs zusammen mit
Higgs-Bosonen oder anderen schweren Skalaren. Je nach Masse des Skalars sind unterschiedliche
Zerfälle möglich, wie zum Beispiel in zwei Z-Bosonen. Suchen nach Skalare mit Zerfällen in zwei
Z-Bosonen in Assoziation mit fehlenden Transversalimpuls durch die nicht detektierten Dunkle-
Materie-Teilchen sind bislang noch kaum durchgeführt worden. Diese Bachelorarbeit soll hierfür
eine Suchstrategie ausarbeiten.
Kontakt: PD Dr. Jeanette Lorenz (Jeanette.Lorenz@physik.uni-muenchen,de),
             Dr. Philipp Mogg (Philipp.Mogg@physik.uni-muenchen.de)

1.3   Suche nach Neuer Physik mit unkonventionellen Signaturen
Die Mehrzahl der Suchen nach Neuer Physik am LHC beruht auf der Rekonstruktion von weni-
gen, uns bekannten Teilchen, welche aus dem prompten Zerfall von neuen, oft schweren, Teilchen
entstehen. Eine Vielzahl von theoretischen Erweiterungen des Standardmodells sagt jedoch auch
unkonventionelle Signaturen voraus, welche oft eine besondere experimentelle Herausforderung
darstellen, jedoch nicht selten frei von oder arm an Standardmodell-Untergünden sind. Beispiele
für unkonventionelle Signaturen sind zum Beispiel hypothetische schwere, geladene langlebige
Teilchen oder sogenannte Soft Unclustered Energy Patterns (SUEPs).
     Erstere sind, ähnlich motiviert wie langlebige Teilchen im Standardmodell, in der Lage bis
in den Detektor vorzudringen (statt bereits in Strahlrohr zu zerfallen) und hinterlassen dabei
sehr markante Spuren, die sich durch geringere Geschwindigkeit und oft erhöhten Energieverlust
durch Ionisation auszeichnen und von Standardmodell-Signaturen abheben. SUEPs hingegen
zeichnen sich durch eine enorme Anzahl von Teilchenspuren, die aus dem Zerfall eines schwe-
ren Teilchens über eine neue, unbekannte, starke Wechselwirkung herrühren, aus. Beide Suchen
erfordern die Entwicklung bzw. Optimierung dedizierter Rekonstruktions- und Selektionsmetho-
den, sowie und ein sehr gutes Verständnis der relevanten Detektorkomponenten. Im Rahmen von
Bachelorarbeiten wollen wir zum Einen die Suche nach langlebigen Teilchen durch Studien zur
Einbindung neuer und zur Verbesserung bereits genutzter Detektorkomponenten vorantreiben
und zum Anderen eine bisher einmalige Suche nach SUEPs durch Studien zu neuen Observablen
entwickeln. Obendrein bieten wir einen allgemeinen Einblick in die theoretisch und experimentell
spannende Welt der Suchen nach langlebigen Teilchen und unkonventionellen Signaturen.
Kontakt: Dr. Sascha Mehlhase (sascha.mehlhase@lmu.de)

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Bachelor-Arbeiten 2021 in experimenteller Elementarteilchenphysik - am Lehrstuhl Schaile und in der Arbeitsgruppe Kuhr
2     Higgs-Boson-Selbstwechselwirkung

                         Abbildung 2: Kandidat für ein H → bb̄ Ereignis.

Das Higgs-Boson ist ein Teilchen, das auch in der Kosmologie bedeutsam ist. Dies liegt daran,
dass sich der sombrero-förmige Verlauf des Higgs-Potenzial aufgrund von Quanteneffekten v.a.
durch das top-Quark mit zunehmender Energie aufweitet, möglicherweise bis zu einem Grad, bei
dem kein stabiles Minimum im Potenzial mehr vorliegt. Dann gäbe es keinen stabilen Zustand des
elektroschwachen Vakuums, was auf einen signifikanten Phasenübergang während der Frühphase
des Universiums hindeuten würde, bei dem erst das heute beoabachtete stabile elektroschwache
Vakuum entstanden ist.
    Dieses Verhalten des Higgs-Potenzials kann experimentell durch eine Messung der Higgs-
Selbstwechselwirkung überprüft werden. Eine solche Messung ist allerdings schwierig und benötigt
die enorme Datenmenge des zukünftigen Hochluminositäts-LHC-Beschleunigers. Das Bachelor-
arbeitsthema ist dabei ein Meilenstein zur erstmaligen Beobachtung der Higgs-Selbstwechsel-
wirkung. Darauf wird später die genaue Messung der Energieabhängigkeit des Higgs-Potenzials
aufbauen.

2.1   Machine-Learning-Algorithmen zur Suche nach HH-Endzuständen
Die Messung von Higgs-Paarproduktion ist ein wichtiger Prozess zur Untersuchung der Selbst-
wechselwirkung des Higgs-Bosons H. Gesucht sind Endzustände aus dem H → HH-Prozess.
In Konkurrenz zu diesen Endzustände gibt es verschiedene Prozesse, bei denen die beiden
Higgs-Bosonen von unterschiedlichen Teilchen abgestrahlt wurden. Mittels Machine-Learning-
Algorithmen sollen die Unterschiede zwischen diesen Prozessen herausgearbeitet werden, um für
eine Messung der Higgs-Selbstwechselwirkung zu ermöglichen.
Kontakt: Prof. Dr. Otmar Biebel (Otmar.Biebel@physik.uni-muenchen.de)

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3     Die Physik des Top-Quarks

                      Abbildung 3: Kandidat für ein tt Ereignis mit 6 Jets.

Das Top-Quark hat viele Besonderheiten im Vergleich zu den anderen Quarks. So ergibt sich die
hohe Masse des Top-Quarks aus der im Vergleich aller Teilchen stärksten Kopplung an das Higgs-
Feld. Damit erhält das Top-Quark auch große Bedeutung für die Quantenkorrekturen am Higgs-
Potenzial. Schon eine kleine Abweichung der Top-Quarkmasse um knapp 1% genügt, dass das
Higgs-Potenzial bei höchsten Energien entweder keinen stabilen Vakuumzustand aufweist oder
weiterhin einen solchen Zustand besitzt. Darum ist eine präzise Messung der Top-Quarkmasse
von besonderer Bedeutung. Darüber hinaus spielt das Top-Quark eine wichtige Rolle in vielen
Suchen nach Phänonemen jenseits des Standardmodells, die u.a. für eine Erklärung der Dunklen
Materie durch Elementarteilchen benötigt werden.
   Mit seiner hohen Luminosität und Schwerpunktsenergie ist der LHC eine Top-Quark-Fabrik
und ermöglicht solche Präzisionsmessungen. Im Rahmen einer Bachelorarbeit sollen die Bestim-
mung der Top-Quarkmasse genauer untersucht werden.

3.1   Machine-Learning für die Präzisionsmessung der Top-Quarkmasse
Top-Quarks bilden aufgrund der hohen Masse keine Hadronen. Deswegen muss die Masse des
Top-Quarks aus den Zerfallsprodukten rekonstruiert werden. Beim Zerfall sind leider Prozes-
se wie Hadronisierung involviert, die nur phänomenologisch beschrieben werden können und
deswegen zu bedeutsamen systematischen Messunsicherheiten führen.
    Daher soll in dieser Arbeit eine alternative Methode untersucht werden, mit der direkt die
Top-Quarkmasse bestimmt werden kann. Dazu verbindet man das theoretisch berechnete, so ge-
nannte Matrixelement der Top-Quarkproduktion mit den im Detektor gemessenen Endzustands-
produkten (Jets von vielen Hadronteilchen). Anstelle des üblichweise benutzten Faltungsinte-
grals, dessen Berechnung sehr CPU-aufwändig ist, soll in dieser Arbeit ein ‘Machine-Learning’
basiertes Verfahren entwickelt und untersucht werden, bei der z.B. ein Neuronales Netz den
Transfer von Matrixelement zu Endzustandsprodukten lernt und damit die Berechnung des Fal-
tungsintegrals vereinfacht.
Kontakt: Prof. Dr. Otmar Biebel (Otmar.Biebel@physik.uni-muenchen.de)

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4     Detektor-R&D zum Teilchennachweis

Abbildung 4: Test eines Prototyps für großflächige Micromegas-Detektoren, die im Myonspektrometer
des ATLAS Experiments zum Einsatz kommen werden.

4.1   Micropatterndetektoren
Micropatterndetektoren sind moderne gasgefüllte Detektoren mit mikrostrukturierter Anoden-
auslese und vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in der fundamentalen oder interdisziplinären
Forschung. Sie ermöglichen eine sehr gute Ortsauflösung von 50µm und besser, und können
Teilchen auch bei sehr hohen Raten noch mit hoher Effizienz und Genauigkeit detektieren.
    Am Lehrstuhl Schaile wurde gerade der Bau von 2 m2 großen Micromegas-Detektoren
(MICROMEsh GAseous Structures) abgeschlossen. Diese werden am ATLAS Experiment am
CERN ab 2022 eingesetzt. Nach dieser Serienproduktion werden baugleiche Referenzdetekto-
ren regelmäßig in unserem Höhenstrahlungsmessstand in Garching untersucht, um die Lei-
stungsfähigkeit der Detektoren weiter zu optimieren. Die Durchführung und Auswertung der
Messungen ist eines von mehreren Themen für eine Bachelorarbeit. Eine der spannenden Frage-
stellungen betrifft die Zusammensetzung des Detektorgases, das sich auf die Hochspannungssta-
bilität, die Strahlungsfestigkeit und auch die erreichbare Ortsauflösung für Myon-Spuren aus-
wirkt. und auch die erreichbare Ortsauflösung für Myon-Spuren auswirkt. Hierbei ist von großem
Interesse, ob die Ortsauflösung für geneigte Teilchenspuren unter Berücksichtigung der Zeitin-
formation des Teilchensignals verbessert werden kann. Damit verbunden ist auch eine detaillierte
Untersuchung, welche Auswirkungen Gasentladungen auf die Bauteile im Micromegas-Detektor
haben und ob dadurch die Alterung von Micromegas-Detektoren beschleunigt wird, wobei die
Response des Detektors z.B. auf stark ionisierende Neutronenstrahlen untersucht werden soll.
    Außerdem möchten wir die Einsatzgebiete von mikrostrukturierten Gasdetektoren ausweiten.
Eine Detektion von UV-Photonen aus dem Čerenkov-Effekt würde die Messung des Abstrahl-
winkels der Čerenkov-Photonen und damit eine Impulsbestimmung für hochenergetische gela-
dene Teilchen ermöglichen. In Kombination mit der exzellenten Ortsauflösung des Micromegas-
Detektors wird die gleichzeitige Orts- und Impulsmessung in einem kompakten System mit

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vielfachem Anwendungspotenzial, u.a. in der medizinischen Bildgebung erreicht.
    Speziell geformte Katodenstrukturen aus z.B. mehreren Lamellen mit geeigneter Beschich-
tung können den Nachweis neutraler Teilchen - Photonen oder Neutronen - um fast eine Größen-
ordnung effizienter machen. In unserer Arbeitsgruppe hat gerade eine Designstudie hierzu be-
gonnen. Von besonderem Interesse ist hierbei, ob die exzellente Ortsauflösung der Micropattern-
detektoren auch hier beibehalten werden kann und ob der Nachweis der neutralen Teilchen auch
in 3D bei hoher Effizienz gelingt.
    Durch den Einsatz von Elektreten, das sind Materialien mit statischen elektrischen Feldern,
also das elektrostatische Analogon zum Permanentmagneten, sollen Gasdetektoren aufgebaut
werden, die unabhängig von externer Hochspannungsversorgung betrieben werden können. Das
macht solche Detektoren interessant für Anwendungen, die Platz- und Gewichtsbeschränkungen
unterliegen wie zum Beispiel in Nano-Satelliten-Experimenten.
    Zugleich simulieren und untersuchen wir das Verhalten von Elektronikschaltungen zur Ausle-
se der Detektorsignale, die für eine zweite Stufe des Upgrades des ATLAS-Detektors eingesetzt
werden soll. Hierfür werden sowohl elektronische Testschaltungen entwickelt, die im Rahmen
eines Bachelorarbeitsthemas zur systematischen Untersuchung und Charakterisierung der neu-
en Elektronikschaltungen verwendet werden können. Bei einem weiteren Thema geht es um
die Installation und den Test der neuen Elektronikschaltungen auf Detektoren im Höhenstrah-
lungsmessstand, womit Messung von kosmischen Myon-Spuren unter realen Betriebsbedingun-
gen möglich sind.
    Die Arbeiten bieten Einblick in modernste Detektortechnologie und somit auch in die dafür
zugrundeliegende Physik sowie in modernste Ausleseelektronik. Sie können auch gerne in einem
Team aus mehreren Studenten arbeiten. Am besten, Sie schauen auf ein persönliches Gespräch
bei uns vorbei, dann finden wir bestimmt ein für Sie passendes Thema.
Kontakt: Prof. Dr. Otmar Biebel(Otmar.Biebel@physik.uni-muenchen.de),
            Dr. Ralf Hertenberger (R.Hertenberger@physik.uni-muenchen.de),
            Dr. Chrysostomos Valderanis (Ch.Valderanis@physik.uni-muenchen.de)

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C Themenkatalog für Bachelor-Arbeiten in der AG Kuhr

5     Flavor-Physik beim Belle II-Experiment

                         Abbildung 5: Ein Ereignis im Belle II-Detektor.

Das Standardmodell der Teilchenphysik beschreibt bisherige experimentelle Resultate erstaun-
lich gut. Trotzdem muss es eine allgemeinere Theorie geben, um zum Beispiel die Asymmetrie
zwischen Materie und Antimaterie im Universum zu erklären. Deshalb wurde in Tsukuba, Ja-
pan eine sogenannte Super-B-Fabrik in Betrieb genommen, an der Paare von B- und Anti-B-
Mesonen in einer bisher unerreichten Rate erzeugt und analysiert werden. Im Vergleich zum
Vorgängerexperiment, das zur Zeit den weltweit größte Datensatz solcher Ereignisse besitzt, soll
mit dem Belle II-Experiment eine 50 mal größere Datenmenge aufgezeichnet werden. Damit
wird es möglich sein, viele Messungen mit bisher unerreichter Präzision durchzuführen und so-
mit nach neuer Physik in bisher unerforschten Bereichen zu suchen. Im Jahr 2020 wurde mit
einem neuen Weltrekord an instantaner Luminosität bereits ein wichtiger Meilenstein zu einer
neuen Ära der Flavor-Physik an B-Fabriken erreicht.

5.1   Bestimmung der Tau-Polarisation in B → D ∗ τ ν-Zerfällen bei Belle II
Eines der aktuell ungeklärten Phänomene in semileptonischen B-Zerfällen ist das Verhältnis
der Verzweigungsverhältnisse von B → D∗ τ ν und B → D∗ `ν (mit ` = e, µ). Die derzeitigen
Messungen des Verhältnisses R(D∗ ) = B(B → D∗ τ ν)/B(B → D∗ `ν) zeigen zusammen eine
Diskrepanz von etwa 3σ zu der Standardmodellvorhersage, was ein möglicher Hinweis auf neue
Physik sein könnte, der viel Beachtung gefunden hat. Um diese Diskrepanz besser zu verstehen,
ist die Messung der Polarisation des τ -Leptons im Zerfall B → D∗ τ ν von Interesse. Ziel dieser
Arbeit ist es, die Polarisation des τ -Leptons auf simulierten Belle II-Daten zu bestimmen, und
eine Aussage zu treffen, mit welcher Präzision diese bei Belle II gemessen werden kann.
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de),
           Dr. Thomas Lück (Thomas.Lueck@belle2.org)

5.2   Suche nach dem seltenen Zerfall B 0 → η/η 0 /π 0 `+ `−
Die Zerfälle B 0 → η/η 0 /π 0 `+ `− sind b → d`+ `− -Übergänge, die sensitiv auf neue Physik und
insbosondere deshalb interessant sind, weil es bei Messungen von b → d`+ `− -Übergängen Dis-
krepanzen zur Standardmodell-Erwartung gibt. Nach dem Zerfall soll mit den Daten gesucht

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werden, die mit dem Belle-Experiment aufgezeichnet wurden. Eine Beobachtung des Zerfalls
wäre ein klares Signal von neuer Physik.
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de)

5.3   Messung der Spurrekonstruktionseffizienz mit ISR-Ereignissen
Sogenannte Initial-State-Radiation-Ereignisse (ISR) sind Ereignisse, bei denen ein Photon (γISR )
vom kollidierenden Elektron oder Positron abgestrahlt wird. In dieser Arbeit soll der ISR-Kanal
e+ e− → π + π − π + π − γISR rekonstruiert werden. Dieser Kanal ist nicht nur physikalisch von In-
teresse (z.B. als Input für g − 2-Messungen), sondern kann aufgrund seiner speziellen Topologie
auch für systematische Studien genutzt werden. Prinzipiell können alle Teilchen im Endzustand
von Belle II detektiert werden, was erlaubt, das komplette Ereignis zu rekonstruieren. Im Fal-
le von Ineffizienzen von Detektor oder Rekonstruktionsalgorithmen ist es möglich, dass eines
der geladenen Pionen nicht rekonstruiert wird. Da man aber den Ausgangszustand sehr genau
kennt, kann man aus diesem und den restlichen rekonstruierten Teilchen das fehlende Pion ex-
trapolieren. Dies soll dazu genutzt werden, die Rekonstruktionseffizienz vom Belle II-Detektor
zu bestimmen und Regionen zu identifizieren, in denen Teilchen besonders häufig nicht rekon-
struiert werden.
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de),
            Dr. Thomas Lück (Thomas.Lueck@belle2.org)

5.4   Messung der Ladungs-Rekonstuktionsasymmetrie
Für die Messungen von CP-Asymmetrien ist es sehr wichtig, genau zu wissen, ob der Detektor
positive und negative Teilchen unterschiedlich gut rekonstruiert (Ladungs-Rekonstruktionsasym-
metrie). Ziel dieser Arbeit ist es, diese Asymmetrie zu bestimmen. Dazu werden Ereignisse
der Form e+ e− → XD∗+ genutzt, wobei hier nur das D∗ -Meson rekonstruiert wird, welches
dann weiter über folgende Zerfälle nachgewiesen wird: D∗+ → D0 π + mit D0 → π + π − . Von
besonderem Interesse ist der letzte Zerfall in der Zerfallskette, D0 → π + π − , da er zwei Pionen mit
entgegengesetzter Ladung erzeugt, welche identische Verteilungen haben. Sollte sich also bei der
Rekonstruktion zeigen, dass die Verteilungen vom positiven und negativen Pion unterschiedlich
sind, ist dies ein Hinweis auf eine Ladungs-Rekonstruktionsasymmetrie.
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de),
            Dr. Thomas Lück (Thomas.Lueck@belle2.org)

5.5   Optimierung der Spurrekonstruktion
Der Spurfindungs-Algorithmus von Belle II besteht aus mehreren Komponenten, die jeweils spe-
zielle Aufgaben erfüllen. Das hier vorgestellte Thema befasst sich speziell mit der Spurfindung
im Silizium-Detektor. Zur Zeit verwendet der Algorithmus nur die äußeren Lagen (bei denen
geladene Teilchen in Silizium-Streifen nachgewiesen werden). Dies hat zur Folge, dass sehr lang-
samen Teilchen nicht rekonstruiert werden. Um dies zu verbessern, soll untersucht werden, wie
gut die Spurfindung funktioniert, wenn man zusätzlich die inneren beiden Lagen mit Silizium-
Pixeln in der Spurfindung berücksichtigt. Ein anderer möglicher Ansatz, der in einer separaten
Bachelorarbeit verfolgt werden kann, ist, den Algorithmus mehrmals anzuwenden mit Parame-
tern, die für einzelne Impulsbereiche optimiert wurden. Ob eine solche Spezialisierung zu einer
Verbesserung der Spurrekonstruktion führt, soll untersucht werden.
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de),
             Dr. Thomas Lück (Thomas.Lueck@belle2.org)

5.6   Optimierung von Simulationen mit Machine Learning
Die Suche nach Physik jenseits des Standardmodells erfordert immer präzisere Messungen, also
insbesondere mehr und mehr Daten. Eine Herausforderung ist die Produktion einer entsprechend

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großen Menge an simulierten Daten. Um solche Datensätze effizient zu erzeugen, sollen innovative
Methoden in einzelnen Schritten der Simulation studiert werden. Anwendungen beim Belle II
und ATLAS-Experiment sind möglich.
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de),
          Dr. Nikolai Hartmann (Nikolai.Hartmann@physik.uni-muenchen.de)

5.7   Visualisierung von Belle II-Ereignissen
Um die aufgezeichneten Daten und die darauf laufenden Algorithmen zu untersuchen, können
Visualisierungen von Ereignissen sehr hilfreich sein. Solche Visualisierungen bieten oft auch für
die interessierte Öffentlichkeit einen anschaulichen Zugang zur Forschung. Mit der Phoenix-
Software wurde ein experiment-unabhängiges Paket zur Browser-basierten Visualisierung von
Ereignissen in Teilchenphysik-Experimenten entwickelt. Es soll studiert werden, in wie weit ein
Belle II-Event-Display mit Phoenix realisiert werden kann. Kenntnisse in TypeScript/JavaScript
sind erforderlich.
Kontakt: Prof. Dr. Thomas Kuhr (Thomas.Kuhr@lmu.de),
           Dr. Martin Ritter (Martin.Ritter@lmu.de)

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