Bayerische Ortschaften im Wandel - CC Buchner Verlag

 
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Bayerische Ortschaften im Wandel - CC Buchner Verlag
Bayerische Ortschaften
          im Wandel

                                                   Hof in den 50er-Jahren

                         Die Hofer Altstadt 2005

© C.C. Buchners Verlag, Bamberg 2010                                Aus: Politik aktuell 10 (BN 6861)
Bayerische Ortschaften im Wandel - CC Buchner Verlag
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              Tipps zum „Projektmanagement“

              Auf den folgenden Seiten wird am Beispiel der Stadt Hof                 Präsentation
              die Entwicklung einer bayerischen Stadt nach dem Ende                   Präsentieren Sie Ihre Ergebnisse schließlich in Form
              des Zweiten Weltkrieges dargestellt. Wenn Sie die Ver-                  einer Wandzeitung, als Ausstellung im Klassenzimmer
              änderungen in Ihrer Heimatregion nach 1945 erforschen                   oder bereiten Sie eine Stadtführung vor, in deren Verlauf
              wollen, empfiehlt sich, wie bei jeder Projektarbeit, eine               wesentliche Veränderungen in Ihrer Heimatstadt aufge-
              genaue Planung. Vergleichen Sie dazu die Tipps zum                      zeigt werden. Verfassen Sie einen Artikel für die Schü-
              Projektmanagement auf S. 56! Hier noch einige spezielle                 lerzeitung, in dem Sie beispielsweise Veränderungen in
              Hinweise:                                                               Ihrer unmittelbaren Nachbarschaft oder in der Schule
                                                                                      aufzeigen und erläutern.
              Arbeitsplanung                                                          Sie können auch ein Werbeplakat oder eine Website zu
              Mögliche Leitfragen können sein:                                        dem Thema „Meine Stadt 2050“ entwerfen, eine Zeitung
              • Wie haben sich in Ihrer Heimat seit 1945 die Ein-                     aus dem Jahr 2050 mit Nachrichten aus der Zukunft erfin-
                 wohnerzahlen verändert?                                              den oder eine futuristische Nachrichtensendung drehen.
              • Hat sich die konfessionelle Zusammensetzung in                        Ihren Möglichkeiten sind dabei keine Grenzen gesetzt!
                 diesem Zeitraum verändert? Wenn ja, wodurch?
              • Wie verlief die Entwicklung der Beschäftigungs-
                 zahlen?                                                              Ein Link zur Sache

                                                                                                                                                  >
                 de, den/die/das Sie in den Mittelpunkt Ihrer Unter-                  über Bayern.
                 suchung stellen wollen?

              Durchführung
              Bilden Sie Arbeitsgruppen zu verschiedenen Entwick-
              lungsschwerpunkten, z.B. Geschichte, Demografie,
              Wirtschaft, Städtebau …
              Ziehen Sie Erkundigungen bei der Gemeinde, der
              Stadtverwaltung oder dem Landratsamt ein, befragen
              Sie Kommunalpolitiker und alteingesessene Bewohner.
              Forschen Sie im Stadtarchiv, in Bibliotheken und in
              alten Zeitungsbeständen nach und suchen Sie auch nach
              aussagefähigen Fotografien (ggf. selbst fotografieren!),
              Textquellen und Statistiken!
              Halten Sie Ihre Ergebnisse schriftlich und übersichtlich
              gegliedert fest.

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© C.C. Buchners Verlag, Bamberg 2010                                                                                        Aus: Politik aktuell 10 (BN 6861)
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           1. Veränderungen einer bayerischen Ortschaft seit dem Zweiten
              Weltkrieg in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft am Beispiel
              Hof / Saale

         Hof in Bayern
           ganz oben

                                                                                                                 Aufgaben
            Bereiten Sie anhand einer von Ihrer Klasse erstellten Wandzeitung eine Führung für Besucher vor.
            1. Erläutern Sie anhand der Karte die Lage Hofs bis 1989 vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert.
               Ziehen Sie zur Vorbereitung u.U. einen Geschichtsatlas heran.
            2. Eine Informationsbroschüre der Stadt Hof aus dem Jahr 2007 wirbt mit dem Slogan „Im Herzen Europas und gut verbunden“.
               Erläutern Sie mit Blick auf die Karte diese Aussagen für den Wirtschaftsstandort Hof.

                                                                                                                                              129

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                            Die Zeit
                             nach 1945

                                                                                                                 Daa Flüch
                                                                                                                 Das
                                                                                                                 D   FFlüchtlingslager
                                                                                                                     Fllüch
                                                                                                                         chtli
                                                                                                                         ch
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                                                                                                                               ings
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                                                                                                                                    lag
                                                                                                                                     aagg err Mos
                                                                                                                                              M
                                                                                                                                              Mo
                                                                                                                                              Moschendorf
                                                                                                                                                os
                                                                                                                                                o che
                                                                                                                                                   chh ndo
                                                                                                                                                       nd rf
                                                                                                                                                       nd  r bei
                                                                                                                                                             bbee H
                                                                                                                                                                  Ho
                                                                                                                                                                  Hof
                                                                                                                                                                    of

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                                                 eerr Inn
                                                      In
                                                      Innenstadt
                                                       nnnens
                                                          ennstad
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                                                                ad     aach
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                                                                                     BBombenangriff
                                                                                       om
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                                                                                        mbb enan
                                                                                             nangri
                                                                                             na
                                                                                              a nggrii ffff am
                                                                                                             m     lisierung litten vor allem Flüchtlingsbetriebe; viele
               8. April 1945                                                                                       produzierten noch mit alten Maschinen und in
                                                                                                                   gemieteten Räumen. Wer das Kapital zur Moder-
                                                                                                                   nisierung aufbrachte, verband diesen Neuanfang
                                                                                                                   nicht selten mit einem Standortwechsel in Ge-
                 Wirtschaftliche Entwicklung in                                                                    genden mit billigeren Arbeitskräften oder güns-
                 Hof nach 1945                                                                                     tigerer Marktlage. … Behauptete Hof 1950 noch
                                                                                                                   unangefochten den Spitzenplatz innerhalb der
                 Trotz aller Standortnachteile und Verkehrsschwie-                                                 oberfränkischen Industriestädte und lag die Stadt
                 rigkeiten [nach der hermetischen Abriegelung der                                                  beim Gewerbesteueraufkommen je Einwohner
                 Zonengrenze] entwickelte sich die Hofer Industrie                                                 1951 an dritter Stelle in Bayern, so wurde sie bis
                 nach dem Kriege zunächst durchaus günstig. …                                                      1961 von Bamberg und Bayreuth überrundet. …
                 Allein die Gewerbeproduktion war 1951 gegen-                                                      Als einzige größere Stadt Oberfrankens verzeich-
                 über 1948 um 330 % gestiegen. Für den gleichen                                                    nete Hof zudem einen leichten Rückgang seiner
                 Zeitraum meldete der Arbeitsamtsbezirk Hof ein                                                    Industriebeschäftigten. …
                 Anwachsen der Beschäftigtenzahl von 62.000 auf                                                    Langfristig musste sich die Stadt darauf einstellen,
                 72.000 Personen. Vorteilhaft wirkte sich in be-                                                   eine Randlage innerhalb der EG einzunehmen.
                 stimmter Hinsicht auch der Zustrom an Flüchtlin-                                                  Zwar konnte der Einwohnerrückgang verlang-
                 gen und Heimatvertriebenen aus. So zählte man                                                     samt werden, doch nur deswegen, weil sich der
                 1950 in Hof mehr als 400 Flüchtlingsunternehmen.                                                  Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung seit
                 Obwohl es sich dabei überwiegend um Kleinbe-                                                      Mitte der sechziger Jahre kräftig erhöhte. Auch
                 triebe handelte, stellten sie doch eine wertvolle                                                 in Hof schien vor allem die im Schichtbetrieb ar-
                 Bereicherung der Wirtschaftsstruktur dar. … Mit                                                   beitende Industrie nicht mehr ohne ausländische
                 dem Abflauen des Koreabooms1 offenbarte sich                                                       Arbeitnehmer auszukommen.
                 die schwierige Wirtschaftslage der Hofer Spinne-                                                  Friedrich Ebert/Axel Herrmann: Kleine Geschichte der Stadt Hof,
                 reien und Webereien, die im Mai 1952 vorüber-                                                     Hof 1988, S. 186 ff., 218
                 gehend bis zu einem Fünftel ihrer Belegschaften                                                   1   Wirtschaftsaufschwung in Westdeutschland aufgrund des seit
                 entlassen mussten. Unter dem Zwang der Rationa                                                        1950 herrschenden Koreakrieges

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Bayerische Ortschaften im Wandel - CC Buchner Verlag
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                                                                                                Die
                                                                                                70er-
                                                                                                Jahre

           Die Freiheitshalle. Es gibt kaum einen Moderator, keine Größe im
           Show-Business, die hier noch nicht aufgetreten wäre.

            Hochschulstadt Hof
            Für die kreisfreie Stadt Hof war es eine kommu-
            nale Sternstunde, als im Juli 1975 die Bayerische
            Staatsregierung ihr den Zuschlag gab und dem mit
            Abstand größten Fachbereich der … Bayerischen
            Beamtenfachhochschule – Abteilung Allgemeine
            Innere Verwaltung – seinen Sitz „auf einer grünen
            Wiese in Bayern ganz oben“ zuwies. Das war ein
            politisches Bekenntnis zum Grenzland in beson-
            ders eindrucksvoller und wirksamer Weise!
            … Die Entscheidung der Bayerischen Staatsre-
            gierung, Hof zur Hochschulstadt zu machen,
            hat sich im Laufe der Zeit als richtig erwiesen.
            … Alle Beteiligten vertreten übereinstimmend                       Die Hofer Filmtage, eigentlich schon 1967 ins Leben gerufen, eta-
            die Auffassung, dass eine so großzügige bauli-                     blierten sich in den 70er-Jahren zum „Schaufenster des deutschen
            che Gestaltung, aber auch eine derart günstige                     Films“ und zur „riesigen Wundertüte für Kinofreaks“ (Süddeutsche
            Finanzierung wie in Hof anderswo kaum zu                           Zeitung).
            verwirklichen gewesen wären. Die Hochschule
            ist zudem auch als Bauwerk ein Schmuckstück
            der Stadt Hof geworden.
            Georg Schwarz: Hof/Saale. Episoden aus seiner Geschichte, Bay-
            reuth 1987, S. 47

                                                                                                                       Aufgabe
            Stellen Sie die wirtschaftlichen Folgen der politischen Situation nach 1945 für die Stadt Hof
            zusammen und vollziehen Sie die weitere kommunale Entwicklung bis in die 70er-Jahre nach.

                                                                                                                                                   131

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                                                                                                Die Wende
                                                                                                 und ihre
                                                                                                  Folgen

                                                                                     der Handel. „Wir wurden zur Haupteinkaufsstadt
                                                                                     für das gesamte südliche Ostdeutschland.“ Mit
              Der Anstrum der Trabis nach der Grenzöffnung                           einem Augenzwinkern fügt er hinzu: „Besonders
                                                                                     die Autohändler machten damals das Geschäft
                                                                                     ihres Lebens und verkauften all ihre Gebraucht-
                                                                                     wagen. Selbst die Rostmühlen wurden noch an
                 Hof und die Wiedervereinigung                                       den Mann aus der DDR gebracht.“ Euphorie
                                                                                     1989. Hof, in den Jahrzehnten zuvor nicht gerade
                 Diesen Anruf wird Dieter Döhla wohl nie ver-
                                                                                     der Nabel der Welt, sah sich über Nacht zentral
                 gessen. Um vier Uhr nachts wurde der Oberbür-
                                                                                     gelegen im vereinten Deutschland. In der „Neuen
                 germeister der fränkischen Stadt Hof aus dem
                                                                                     Mitte Europas“ rechneten die Stadtvorderen mit
                 Schlaf gerissen. Es war der 11.11.1989 – etwa 33
                                                                                     verdoppelten Einwohnerzahlen und einem bald
                 Stunden nachdem SED-Pressesprecher Günter
                                                                                     einsetzenden und dann nicht enden wollenden
                 Schabowski den Mauerfall verkündet hatte.
                                                                                     Wirtschaftsboom.
                 Während andernorts schon am Vortag auf den
                                                                                     Doch dem Stimmungshoch folgte der Absturz
                 Straßen getanzt wurde und DDR-Bürger mit
                                                                                     in die Tristesse normale. … Statt einer Stärkung
                 ihrem Begrüßungsgeld die Obstgeschäfte stürm-
                                                                                     der Wirtschaft kam es zu einer Verschärfung des
                 ten, war es in Hof, nur fünf Kilometer von der
                                                                                     Wettbewerbs. Während die Europäische Union,
                 deutsch-deutschen Grenze entfernt, bislang ruhig
                                                                                     der Bund und die Länder wenige Kilometer jen-
                 geblieben. Aber nun waren sie da: „Ein Bürger
                                                                                     seits der ehemaligen Grenze Höchstfördersätze
                 rief mich an und sagte: ,Kommen Sie schnell,
                                                                                     zahlten, wurden die Subventionen im Westen
                 der ganze Rathausplatz steht voller Menschen’“,
                                                                                     zusammengekürzt. Seit 1951 hatten die Regionen
                 erinnert sich der Chef der Kleinstadt. Als er im
                                                                                     westlich des Eisernen Vorhangs die so genannte
                 Morgengrauen vor dem Rathaus ankam, warteten
                                                                                     Zonenrandförderung erhalten. Sie sollte die
                 dort tausende von Ostdeutschen auf ihn und ihr
                                                                                     Gebiete für ihre ungünstige Lage am äußersten
                 Begrüßungsgeld. Auf den Westen. Chaostage in
                                                                                     Rand von Westeuropa entschädigen. Mit der Wie-
                 der 50.000-Einwohner-Stadt folgten. Innerhalb
                                                                                     dervereinigung wurde die Förderung obsolet und
                 der Woche kamen täglich 50.000 DDR-Bürger, am
                                                                                     lief 1994 ganz aus. Viele Firmen nutzten nach der
                 Wochenende drängten Massen von nicht unter
                                                                                     Wende das Fördergefälle und investierten jenseits
                 100.000 in das Städtchen. Die sonst verschlafen
                                                                                     des ehemaligen Todesstreifens.
                 wirkende Kleinstadt platzte aus allen Nähten, „aber
                                                                                     Tina Kaiser, Zonenrand ist abgebrannt, in: Die Welt, 2. 11. 2003
                 die Stimmung war fantastisch“, schwärmt Döhla                       (http://www.welt.de/print-wams/article102119/Zonenrand_ist_ab-
                 noch heute. Grund zur Freude hatte damals auch                      gebrannt.html)

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Bayerische Ortschaften im Wandel - CC Buchner Verlag
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                       Info                                                              innerdeutschen Grenze, Unterstützung in Form von
                                                                                         regionaler Wirtschaftsförderung, staatlichen Vergün-
                                                                                         stigungen, Maßnahmen zur Verkehrserschließung,
                                                                                         zum Wohnungsbau und zur Schaffung sozialer Einrich-
                                                                                         tungen u.a. Berlin- und Zonenrandförderung wurden
              Zonenrandförderung
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                                        ung                                              auch nach der deutschen Einigung in Teilen noch bis
              Alss Au usg
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                                                                 deutschen     Teilung   1994 weitergeführt.
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                                                                     aass sog. Zonen-    Friedemann Bedürftig, Lexikon Deutschland nach 1945,
              randgebiet, ein 40 km breiter Streifen westlich der                        Hamburg 1996, S. 449 f.

            „Zonenrand ist abgebrannt“                                                    Textil- und der Porzellanbranche. Das hat weit
                                                                                          über 10.000 Arbeitsplätze in den Landkreisen
            Die Region um Hof gilt als Sorgenkind von Bayern.                             Wunsiedel und Hof gekostet.“
            Während die durchschnittliche Arbeitslosenquote                               In den letzten Jahren wurde die Region von
            in Stoibers Vorzeigefreistaat Bayern 2002 bei sechs                           Negativschlagzeilen beherrscht: 2001 entging
            Prozent lag, waren im Arbeitsamtsbezirk Hof im                                die Hofer Schmidt-Bank nur knapp der Pleite,
            letzten Jahr [2002] 12,1 Prozent der Erwerbsper-                              im Februar 2002 stellte der bis dahin größte
            sonen ohne Arbeit, in der Stadt Hof sogar 15,1                                Hofer Bauunternehmer Augsten & Scheuerlein
            Prozent. Ein Teil der Probleme ist hausgemacht.                               Insolvenzantrag, im Mai 2002 folgte der Regio-
            Hof war geprägt von der klassischen Textilin-                                 nalfernsehsender Oberfranken TV. Nicht nur die
            dustrie, der benachbarte Landkreis Wunsiedel                                  Unternehmen, auch die Gemeinden stehen vor
            hatte sich auf Porzellan spezialisiert. Wegen der                             dem Konkurs. Im Landkreis Hof müssen nach
            Zonenrandförderung mussten sich die Branchen                                  Angaben des Selbitzer Bürgermeisters Klaus Adelt
            nicht anpassen. „Im Schutz des Eisernen Vorhangs                              zwölf der 27 Gemeinden einen Kredit aufnehmen,
            ließ sich’s gut leben. Keiner hat an Innovationen                             um die laufenden Gehaltsrechnungen zu bezah-
            gedacht. Ein nötiger Strukturwandel wurde                                     len, in Wunsiedel sogar 15 von 17. Besonders
            schlicht verpennt“, gibt Bürgermeister Döhla zu.                              hart traf die Region im Jahr 2001 die Absage von
            Die Nähe zum Osten erwies sich nach der Wende                                 BMW. Im Rennen um einen neuen Werksstandort
            keineswegs als Vorteil. Handwerker bekamen                                    verlor Hof gegen Leipzig. Döhla: „Das hat Frust
            neue Wettbewerber aus Thüringen und Sachsen,                                  und Depression ausgelöst.“
            die niedrigere Tariflöhne zahlen durften, Pendler
                                                                                          Tina Kaiser, Zonenrand ist abgebrannt, in: Die Welt, 2. 11. 2003
            aus dem Osten erhöhten den Druck auf dem Ar-                                  (http://www.welt.de/print-wams/article102119/Zonenrand_ist_ab-
            beitsmarkt, Billigimporte machten die klassischen                             gebrannt.html)
            Industriezweige unrentabel. Döhla: „Mitte der
            90er-Jahre kam es zum großen Einbruch in der

                                                                                                                                Aufgabe
            Die Öffnung der innerdeutschen Grenze zeigte für Hof überraschende Folgen.
                - Stellen Sie dar, was in den Tagen des Mauerfalls in und um Hof herum geschah.
                - Welche Entwicklung schien sich Ende 1989 anzubahnen und was wurde tatsächlich daraus?

                                                                                                                                                             133

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Bayerische Ortschaften im Wandel - CC Buchner Verlag
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                 Eine
                 Zukunft
                 für Hof?

                 Eine Zukunft für Hof?
                 Wenn der Hofer Oberbürgermeister Harald Ficht-                      Automobilzulieferpark „Pole Position“
                 ner (CSU) über die Zukunftschancen seiner Stadt
                 redet, dann kommt er rasch auf den Automobil-
                 zulieferpark im Stadtteil Haidt zu sprechen. Dort,                   te Einkauf in der Hofer Innenstadt von Kunden
                 wo 1989 ganz in der Nähe der Eiserne Vorhang                         von außerhalb getätigt wird.
                 sich öffnete, wurde in den vergangenen vier                          … Mit diesem Argument versuchte die Stadt vor
                 Jahren gewaltig viel Erde bewegt und befestigt,                      zwei Jahren den Mitarbeitern des neu angesie-
                 um Werkhallen und Laborgebäude errichten                             delten Landesamts für Umwelt den Umzug von
                 zu können. Hier entstehen Druckgussteile für                         München nach Oberfranken schmackhaft zu
                 deutsche Markenautomobile, Vliesmatten, die zur                      machen. Verbunden mit dem Hinweis auf das
                 Herstellung schusssicherer Westen für Polizisten                     eigene Drei-Sparten-Theater und die Leistungen
                 und als Dämmschichten zum Schutz von Politi-                         der Hofer Symphoniker. Fast drei Millionen
                 kerlimousinen vor Bombenanschlägen dienen. In                        Euro gibt die hoch verschuldete Stadt jährlich
                 den Klimakammern des Automobiltechnikums,                            zusätzlich zum Erhalt der Spielstätten für das The-
                 das sich in der Nachbarschaft angesiedelt hat,                       aterensemble aus. Die stetige Abwanderung von
                 können mittelständische Unternehmen in Mietla-                       Bürgern konnten aber auch diese Angebote nicht
                 bors ihre Innovationen testen. Deshalb hat einer                     stoppen. Seit einem Höchststand von fast 53.000
                 der größten Elektroteilehändler dort ein Versand-                    Einwohnern in den Jahren nach der Wende ging
                 lager errichtet. …                                                   die Zahl auf zuletzt fast 48.000 zurück. Gestoppt
                 Seit Oberbürgermeister Fichtner vor einem Jahr                       wurde jedoch die Abwärtsbewegung auf dem
                 zum Chef im Rathaus gewählt wurde, sorgte die                        Arbeitsmarkt. „Ich merke das an den Stellenan-
                 Stadt vor allem mit ihrem Festhalten an einem                        zeigen“, sagt Fichtner. Selbst die gelegentlich als
                 Ausbau des Regionalflughafens Hof-Plauen für                          Altindustrie geschmähte Hofer Textilgruppe zähle
                 Schlagzeilen. Das zuständige Luftamt in Nürnberg                     mit mehr als 800 Arbeitsplätzen im Stadtgebiet
                 sah keine wirtschaftliche Notwendigkeit für das                      zu den sicheren Bereichen. Der Eindruck wird
                 54 Millionen Euro verschlingende Projekt und ver-                    von der Hofer Außenstelle der Bundesagentur für
                 sagte … die Baugenehmigung. … Rathauschef                            Arbeit bestätigt. Die Arbeitslosenquote ging seit
                 Fichtner schwärmt deshalb lieber von der „le-                        Februar 2006 von 12,4 Prozent auf 9,8 Prozent
                 bendigen Hofer Innenstadt“, die an Samstagen                         zurück.
                 Anziehungspunkt für viele Menschen sei, aus                          Für Visionen liefern diese Entwicklungen dem
                 einem Umfeld, das bis nach Zwickau in Sachsen                        Rathauschef … noch keine tragfähige Basis. Die
                 und Eger in Tschechien reiche. „Die schönste Ein-                    Finanzlage ist nach wie vor trostlos. … Hof gehört
                 kaufsstadt zwischen Nürnberg und Leipzig“, sagt                      zu den drei kreisfreien Städten in Bayern, deren
                 Fichtner. Tatsächlich rangiert die Stadt mit einer                   Steuerkraft 2006 abnahm.
                 Zentralitätskennziffer von über 200 bundesweit                       Peter Schmitt, Mutmacher gesucht, in: Süddeutsche Zeitung, 27.
                 im Spitzenfeld. Die Ziffer besagt, dass jeder zwei-                  März 2007

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Bayerische Ortschaften im Wandel - CC Buchner Verlag
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                                                                              Hof als Teil der Metropolregion
                                                                              Nürnberg
                                                                              Die Stadt Hof (ohne den Landkreis) gehört zur
                                                                              Metropolregion Nürnberg, die 2005 von der Mi-
                                                                              nisterkonferenz für Raumordnung (MKRO) ins
                                                                              Leben gerufen wurde. Seit 1995 werden von der
                                                                              MKRO starke Wirtschaftsregionen in Deutschland
                                                                              zu Metropolregionen ernannt, um „als Motoren
                                                                              der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen
                                                                              und kulturellen Entwicklung die Leistungs- und
                                                                              Konkurrenzfähigkeit Deutschlands und Europas
                                                                              (zu) erhalten“ .
                                                                              Tatsache ist, dass im europäischen und globa-
                                                                              len Standortwettbewerb zunehmend nicht die
                                                                              Staaten, sondern die Regionen miteinander
                                                                              konkurrieren. Immer häufiger stehen Städte und
                                                                              Landkreise vor Aufgaben, die sich besser im Ver-
           2003 wurde der Bürgerpark Theresienstein in Hof zum schönsten      bund lösen lassen. Bei der Interessenvertretung
           Park in Deutschland gekürt.                                        gegenüber Land, Bund und EU bringt daher
                                                                              eine Kooperation viele Vorteile. Die fränkischen
                                                                              Rathaus-Chefs und Wirtschaftsverbände erhof-
                                                                              fen sich von der Einstufung als Metropolregion
                                                                              jedenfalls bessere Chancen bei potenziellen
                                                                              Investoren. „Im internationalen Standortmarke-
                                                                              ting wird man stärker wahrgenommen“, betont
                                                                              der Nürnberger IHK-Experte für Standortpolitik,
                                                                              Hans-Joachim Lindstadt.
                                                                              Die Metropolregion Nürnberg zählt dabei zu
                                                                              den wirtschaftsstärksten Räumen in Deutsch-
                                                                              land und erzielt eine höhere Wirtschaftsleistung
                                                                              als Tschechien oder Ungarn. Bei einer Bevöl-
                                                                              kerung von rund 3,5 Millionen Menschen wird
                                                                              zwischen Würzburg, Hof und Weißenburg ein
                                                                              Bruttoinlandsprodukt von über 100 Mrd. Euro
                                                                              erwirtschaftet.
                                                                              Autorentext

                                                                                                                   Aufgaben
            1. Erarbeiten Sie die aktuellen Standortvorteile und –nachteile Hofs und fassen Sie
               die Maßnahmen zusammen, durch die die Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren soll.
            2. Stellen Sie zusammen, welche Vorteile sich eine Region, hier speziell die fränkische, vom Titel „Metropolregion“ erwartet.
               Überlegen Sie, was gerade der Stadt Hof zugute kommen könnte.
            3. Bei Ihrer Besuchergruppe handelt es sich um Mitarbeiter einer Firma, die eine Niederlassung in Hof aufbauen möchte.
                    - Schildern Sie der Gruppe die Vorzüge des Lebens in Ihrer Stadt!
                    - Gehen Sie dabei auch auf die kulturellen Einrichtungen und Freizeitmöglichkeiten in Hof ein.

                                                                                                                                                135

© C.C. Buchners Verlag, Bamberg 2010                                                                                         Aus: Politik aktuell 10 (BN 6861)
Bayerische Ortschaften im Wandel - CC Buchner Verlag
P R O J E K T: B AY E R I S C H E O R T S C H A F T E N I M W A N D E L

              Methode

              Zum Umgang mit Zahlen, Statistiken und Diagrammen

              Bevölkerungsentwicklung und -prognose der Stadt Hof

              a)    Die Bevölkerung Hofs 1945 bis heute

                                                                                        Seit 1945
                     65.000

                     60.000

                     55.000

                     50.000
                                                                                                                                                         2006
                     45.000

                     40.000
                                   1940    1945     1950     1955      1960      1965      1970      1975    1980    1985       1990   1995    2000     2005

              Quelle: Jahrbuch der Stadt Hof

              b)    Zum Vergleich: die Bevölkerungsentwicklung in München

                                                           Einwohnerentwicklung in München (Wohnberechtigte)
                   1.600.000

                   1.400.000

                   1.400.000

                   1.200.000

                   1.000.000

                    800.000

                    600.000

                    400.000

                    200.000

                               0
                                   1950    1955      1960      1965       1970          1975      1980      1985    1990        1995   2000      2005

                                                                    insgesamt                  Deutsche             Ausländer

              Statistisches Amt, bis 1990 MIDAS, ab 1993 ZIMAS, Wohnberechtigte; Entwurf: LHM PLAN I/22, Daten/Bestand/Gesamt-MIDZIM-Teitreihe

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© C.C. Buchners Verlag, Bamberg 2010                                                                                                          Aus: Politik aktuell 10 (BN 6861)
P R O J E K T: B AY E R I S C H E O R T S C H A F T E N I M W A N D E L

           c)    Einwohnerprognose für die Stadt Hof bis 2020 nach Szenarien

                                                            Einwohnerentwicklung 2005 – 2020
                51.000

                50.000

                49.000

                48.000

                47.000
                                              R-                                                   SE
                                         H NE                                                   NO
                                              D                                                G
                46.000                WO AN                                                 RO
                                   EINBEST                                                P
                45.000

                44.000
                                                                                                                           positives Szenario: - 9 %
                43.000                                                                                                      negatives Szenario:
                                                                                                                            - 11,6 %
                42.000
                               2000           2005          2010                2015           2020

           Stadt Hof; www.hof.de/hof_deu/80_stadtentwicklung/files/Fachgutachten-Demographie-und-Wohnungswirtschaft.pdf

           d)    Zum Vergleich: Bevölkerungsprognose für die Stadt München bis 2020 nach Szenarien

                1.600.000
                                                                                                                           Szenario Zuwanderung: anhal-
                                                                                                                           tender Zuzug von Deutschen
                1.550.000                                                                                                  und Ausländern

                1.500.000                                                                                                  Baby-Boom: eine mittelfristige
                                                                                                                           oder sogar längerfristige Erhö-
                                                                                                                           hung der Geburtenzahlen
                1.450.000
                                                                                                                           Planungsprognose: aus heu-
                1.400.000                                                                                                  tiger Sicht wahrscheinlichste
                                                                                                                           Entwicklung
                1.350.000
                                                          ab 2006, Register-                                               Szenario Stagnation: Abbruch
                                               -                                          E
                                            ER            bereinigung; Neben-
                                                                                       OS                                  des gegenwärtigen Wachstums
                1.300.000               O HN D            wohnsitzsteuer             N
                                      W AN                                        OG
                                   EINBEST                                      PR                                         Biometrische Modellrechnung:
                1.250.000                                                                                                  Fortschreibung aktueller Gebur-
                                                                                                                           ten- und Sterbefall-Verhältnisse
                1.200.000                                                                                                  ohne Wanderungsbewegungen
                            1990       1995        2000     2005         2010          2015           2020

           LH München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung I/22, Bevölkerungsprognose 2007 der Landeshauptstadt München, München 2007, S. 27

                                                                                                                                                              137

© C.C. Buchners Verlag, Bamberg 2010                                                                                                     Aus: Politik aktuell 10 (BN 6861)
P R O J E K T: B AY E R I S C H E O R T S C H A F T E N I M W A N D E L

                                              1.   Erläutern Sie unter Bezugnahme auf Ihre bisherigen Arbeitsergebnisse die Bevöl-
              Aufgaben                             kerungsentwicklung der Stadt Hof seit 1945 (9a) und vergleichen Sie sie mit denen
                                                   des Wirtschaftsraums München, der wirtschaftlich erfolgreichsten deutschen Stadt
                                                   (9b).
                                              2.   Vergleichen Sie die Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung Hofs (9c) und
                                                   Münchens (9d) bis 2020 und versuchen Sie, diese zu erklären.
                                              3.   Überlegen Sie sich, wie man die Einwohnerprognose für Hof statistisch korrekt,
                                                   aber dennoch beschönigend darstellen könnte.

              Hinweise zur Analyse

              Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um gesellschaft-                 Manche Diagramme enthalten auch Prognosen, d.h. die
              liche Strukturen und Entwicklungen zu erforschen und                   Darstellung zeigt mögliche künftige Entwicklungen auf,
              zu analysieren, ist die Erhebung und Interpretation von                die so eintreten können oder auch nicht.
              Daten. Anhand der Ergebnisse können etwa soziale                       Beim Entwurf von Zukunftsszenarien z.B. werden Daten
              Zusammenhänge oder Ursachen und Auswirkungen von                       und Informationen mithilfe von Einschätzungen und
              Veränderungen erschlossen werden. Statistische Daten                   Meinungen zu Bildern und Modellen der Zukunft ausge-
              sind vor allem durch die Darstellung in Diagrammen für                 staltet. In der Regel werden vor allem drei Grundtypen
              den Leser rasch erfassbar.                                             von Szenarien entwickelt:
              Um solche Abbildungen richtig zu lesen und verstehen                   • ein positives Extremszenario, das die bestmögliche
              zu können, sollte man einige Regeln kennen und beher-                       Zukunftsentwicklung darstellt,
              zigen:                                                                 • ein Trendszenario, das auf der Basis gegenwärtiger
              1. Klären Sie zunächst, worum es in der Abbildung                           Daten und Trends die weitere Entwicklung berech-
                   geht! Achten Sie also vor allem auf die Überschrift                    net
                   sowie den Umfang!                                                 • und ein negatives Extremszenario, das den
              2. Lesen Sie beigefügte Legenden, Fußnoten und                              schlechtest möglichen Verlauf annimmt.
                   andere Ergänzungen zur Abbildung und achten Sie
                   auf angegebene Maßeinheiten!                                      Szenarien sind für Wissenschaft, Politik und Wirtschaft
              3. Versuchen Sie dann, den Inhalt in eigene Worte                      ein Mittel, um Strategien für die Zukunft erarbeiten zu
                   zu fassen. Gehen Sie dabei vom Allgemeinen zum                    können.
                   Besonderen!
              4. Weil mithilfe von Zahlenmaterial Tatsachen stets
                   auch verfälscht oder manipulativ dargestellt werden
                   können, um bestimmte Interessen zu verfolgen,
                   sollten Sie auch auf folgende Kriterien achten:
                   • die Quelle der Daten (seriös, wissenschaftlich,
                      unbekannt, zweifelhaft, interessengeleitet?)
                   • die Aktualität
                   • den Zeitraum der Erhebung (Könnte es außerge-
                      wöhnliche Einflüsse gegeben haben? Beziehen
                      sich Beginn oder Ende des Zeitraums auf solch
                      eher untypische Daten?)
                   • den Maßstab der Darstellung (Durch unter-
                      schiedliche Maßstäbe oder durch Auslassungen
                      auf Längs- und Querachse kann eine Kurve
                      in die Länge gezogen und abgeflacht oder
                      gestaucht und so steiler und dynamischer
                      oder     dramatischer     dargestellt    werden.)

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© C.C. Buchners Verlag, Bamberg 2010                                                                                     Aus: Politik aktuell 10 (BN 6861)
P R O J E K T: B AY E R I S C H E O R T S C H A F T E N I M W A N D E L

              2 Soziokultureller Wandel in Städten und im ländlichen Raum

           Bevölkerungsprognose für Bayern bis 2024: Altersstruktur                                                                                 M1

                      2004                Bayern
                      2024                  95
                                           oder
                                           mehr
                               männlich     90      weiblich
                                            85
                                            80
                                            75
                                            70
                                            65
                                            60
                                            55
                                            50
                                            45
                                            40
                                            35
                                            30
                                            25
                                            20
                                            15
                                            10
                                             5
                                             0
                120 100 80 60 40 20 0            0 20 40 60 80 100 120   Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung
                     Personen in Tsd.                 Personen in Tsd.   www.bay-bezirke.de/pages/aktuell/rs2006/rs%20172%20anlage%20
                                                                         bauer%20Pr%E4sentation_Erlangen.pdf

           Bevölkerungsprognose für Bayern bis 2024 nach Regionen                                                                                   M2

                                                                                                             Quelle: Bayerisches Landesamt
                                                                                                             für Statistik und Datenverar-
                                                                                                             beitung
                                                                                                             www.bay-bezirke.de/pages/
                                                                                                             aktuell/rs2006/rs%20172%20
                                                                                                             anlage%20bauer%20
                                                                                                             Pr%E4sentation_Erlangen.pdf

                                                                                                                                            139

© C.C. Buchners Verlag, Bamberg 2010                                                                                     Aus: Politik aktuell 10 (BN 6861)
P R O J E K T: B AY E R I S C H E O R T S C H A F T E N I M W A N D E L

    M3          Konsequenzen für die Kommunen aus dem demografischen Wandel
                Die Bundesrepublik Deutschland insgesamt ist,                        durch ein Betreuungsangebot, das quantitativ aus-
                wie alle anderen alten Industrienationen auch, eine                  reichend, qualitativ hochwertig und flexibel genug
                Transformationsgesellschaft, eine Gesellschaft im                    ist, um den veränderten Lebens- und Arbeitsverhält-
                Übergang, in der die alten Institutionen nicht mehr                  nissen der heutigen Zeit zu entsprechen. Darüber
            5   tragen und neue noch nicht gefunden sind. … Es                       hinaus können lokale Politiker ein Klima schaffen,                  35
                ist die fehlende Passung (Mismatch) zwischen Men-                    in dem Unternehmen eine Philosophie und Praxis
                schen und Institutionen, genauer: zwischen den                       entwickeln, die aktiv Rücksicht nehmen auf die
                alten Institutionen und den neuen Realitäten .…                      Tatsache, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
                Nicht nur die Verhältnisse haben sich verändert,                     Kinder oder (zu pflegende) Eltern haben.
           10   auch die Menschen sind andere geworden. Sie                          Warum entwickeln sich manche Städte, andere                         40
                leben künftig ein anderes Leben. Den Unterschied                     nicht und warum fallen wieder andere zurück?
                erkennt man rasch, wenn man sich die „normalen“                      Eine verbreitete Antwort auf diese Frage kann man
                Lebensverläufe früherer Generationen anschaut.                       in folgender These zusammenfassen: Unternehmen
                Vor allem die zwischen 1930 und 1950 Geborenen                       schaffen Arbeitsplätze. Die Leute gehen dorthin,
           15   haben ihr Leben nach dem Modell der Lebenstrep-                      wo es Arbeitsplätze gibt. Also muss sich eine                       45
                pe gelebt: Jugend – Erwachsene – Alter. Es waren                     Stadt, eine Region vor allem um die Ansiedlung
                drei Phasen, die sich aufeinander bezogen und                        von Unternehmen kümmern. … Wenn es für die
                klare Normalitäts-Erwartungen ausgestrahlt hatten.                   Entwicklung einer Stadt darauf ankommt, kreatives
                In der Jugend hatte man sich auf den Ernst des                       Potenzial zu halten und neues anzuziehen, es zu
           20   Lebens vorbereitet. Als Erwachsener hatte man ei-                    pflegen und zu mobilisieren, dann sind jene Städte                   50
                nen Beruf und/oder man war verheiratet. Im Alter                     im Vorteil, die offen und tolerant, vielfältig und
                ruhte man sich von den Mühen des Lebens aus. …                       aufregend sind. Es ist das kulturelle Klima einer
                Wer heute jung ist, hat ein anderes Leben vor sich:                  Stadt, das kreative Leute anzieht oder abstößt. ...
                ein Leben mit riskanten Freiheiten und normalen                      Ein offenes Stadtklima, überhaupt kulturell moder-
           25   Risiken; ein Leben, in dem er oder sie immer                         ne Verhältnisse sind gute Bedingungen für mehr                      55
                wieder neu anfangen können und auch müssen.                          Kinder und für mehr Arbeitsplätze, für eine soziale
                Übergänge werden zu den kritischen Punkten im                        und für eine wirtschaftliche Entwicklung.
                Leben. …
                Die Folgen für die Städte sind bekannt: Es ist eine                  Warnfried Dettling, „Stadtpolitik im Umbruch. Globale Trends und
           30   kommunale Aufgabe, die Familien zu unterstützen                      gesellschaftlicher Wandel“, in: vorgänge 165, Heft 1/2004, S. 3-8

                                              1.   Erläutern Sie die prognostizierte Entwicklung der Altersstruktur in Bayern und
                Aufgaben                           überlegen Sie sich deren konkrete Folgen. (M 1)
                                              2.   Untersuchen Sie die vorausgesagten Wanderungsbewegungen in Bayern und ver-
                                                   suchen Sie, Tendenzen und Ursachen zu erkennen! Analysieren Sie dabei auch die
                                                   Entwicklung Ihrer Heimatregion. (M 2)
                                              3.   Welche Probleme kommen durch die in M 1 – M 3 dargestellten Entwicklungen auf
                                                   die Kommunen zu?
                                              4.   Wie soll die Politik darauf reagieren, um zukunftsfähige Kommunen zu schaffen?
                                                   Stellen Sie einen Maßnahmenkatalog zusammen.

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© C.C. Buchners Verlag, Bamberg 2010                                                                                            Aus: Politik aktuell 10 (BN 6861)
P R O J E K T: B AY E R I S C H E O R T S C H A F T E N I M W A N D E L

             Werden die ländlichen Regionen aufgegeben?                                                                                           M4

             Die Experten setzen in Zukunft offenbar mehr auf       Ein Weiteres: Schon heute gibt es Gemeinden ohne                        35
             die Metropolregionen als auf das flache Land. Inves-    eine eigene Verwaltung, weil die nicht wirtschaftlich
             tiert wird nur noch dort, wo es sich wirtschaftlich    genug arbeiten kann. Die Überlegung einer privat-
             rechnet.                                               wirtschaftlich organisierten Verwaltung der Gemein-
         5   Leben die Deutschen in 150 Jahren alle in Städten      den bedrohe die kommunale Selbstverwaltung als
             und in riesigen Metropolen? Schafft die Globali-       einen tragenden Pfeiler des bisherigen Systems.                         40
             sierung Megastädte und verkommt darüber unsere         Die raumplanerische Bevorzugung städtischer Regi-
             ländlich geprägte fränkische Kulturlandschaft? Ei-     onen werde auch an den im Landesentwicklungs-
             gentlich ist der Gedanke, dass sich in einigen Gene-   plan festgeschriebenen Größen der Verkaufsflächen
        10   rationen unsere Lebensräume zusehends auf große        für Supermärkte deutlich. Oft genug würden die für
             Zentren reduzieren sollen, schlicht unvorstellbar.     ein wirtschaftliches Betreiben notwendigen Grö-                         45
             Dennoch gibt es Experten, die gewisse Anzeichen        ßenordnungen nicht genehmigt, zum Nachteil der
             dafür erkennen wollen, dass die Entwicklung genau      zu versorgenden Bevölkerung auf dem Land. „Wir
             in diese Richtung geht.                                müssen uns ernsthaft die Frage stellen, was uns in
        15   So klagt der Präsident des Bayerischen Landkreis-      Zukunft vernünftige gesellschaftliche Strukturen auf
             tags, Theo Zellner (CSU), darüber, dass eine ein-      dem flachen Land noch wert sind“, meint Butten-                          50
             seitige europäische und deutsche Raumordnungs-         heims Bürgermeister. Nichts verdeutliche den Trend
             politik zu stark die Metropolregionen bevorzuge.       Richtung Metropolisierung mehr als die Abschaffung
             Strukturschwache ländliche Gebiete drohten so für      der Pendlerpauschale. Die Überlegungen der Raum-
        20   Raumplanung und Wirtschaftsförderung zu einer          planer gingen offenbar davon aus, eine Siedlungs-
             Restgröße zu verkommen. Die Folge: Das Gefälle         politik zu betreiben, die es erlaubt, den Menschen                      55
             zwischen starken und schwachen Regionen wird           in Zukunft die benötigte Infrastruktur möglichst
             immer größer. Diese Sorge im Großen korrespon-         preiswert zur Verfügung zu stellen. Während man
             diert mit den Erfahrungen auf kommunaler Ebene.        in Städten mit drei Kilometern Abwasserkanal
        25   So weiß zum Beispiel Johann Kalb (CSU), Bürger-        30.000 Menschen versorgen könne, benötige man
             meister der Marktgemeinde Buttenheim im Land-          auf dem Land ein Vielfaches an Kilometerzahl für                        60
             kreis Bamberg, einige Mosaiksteine zu benennen,        die gleiche Bevölkerungszahl. … Von der Präambel
             die die Befürchtungen des Chefs des Bayerischen        im Landesentwicklungsprogramm – sie sieht unter
             Landkreistags nur unterstreichen. Das fängt bei        anderem die Schaffung gleichartiger Arbeits- und
        30   den Schulen an. Dem Sterben der Teilhauptschulen       Lebensbedingungen im Land vor – hält Kalb nicht
             werden die Grundschulen und Kindergärten folgen,       sonderlich viel. Die Präambel stehe schließlich unter                   65
             befürchtet Kalb. Mit unabsehbaren Folgen für die       einem Finanzierungsvorbehalt. Das Ganze dürfe
             Gemeinden auf dem flachen Land. Schulen hätten          man deshalb nicht so ernst nehmen. Der Bürger-
             einen Mehrwert für die Kommunen, sie seien das         meister hat aktuell ganz andere Sorgen. Die Schule
        35   Herz, das „sine qua non“1. Ihr Fehlen beschneide       in seiner Gemeinde steht vor dem Aus.
             das infrastrukturelle Angebot der Gemeinden ent-
             scheidend. Junge Familien würden wegziehen, das
             bislang blühende Vereinsleben auf dem Land wäre        Klaus Angerstein, Fränkischer Tag, 14. April 2007
             in seinem Bestand gefährdet.                           1   notwendige, absolute, unerlässliche Bedingung

                                                                                                                                          141

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    M5          Die Positionen der politischen Parteien zur Entwicklung
                des ländlichen Raums
                CSU will Stärkung der Kommunen                                       schule müsse weiterentwickelt und eventuell als
                Die Wirtschaftspolitik steht im Mittelpunkt des                      weiterführende Schule ausgestaltet werden. Da-
                CSU-Papiers zum ländlichen Raum. Genügend Ar-                        nach müsse mit den Kommunen die Trägerschaft                          15
                beitsplätze seien die Voraussetzung für den Erhalt                   geklärt werden, denn für weiterführende Schulen
            5   gewachsener Strukturen. Eine Regionalförderung                       seien die Landkreise zuständig. Die CSU will die
                für schwächere Gebiete sei ebenso unabdingbar                        Kommunen im ländlichen Raum stärken, Ziel ist
                wie die Schaffung leistungsfähiger Verkehrswege.                     eine Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen
                Zu einer modernen Infrastruktur gehöre auch                          hinweg. Der Staat solle nur Hilfe zur Selbsthilfe                     20
                die flächendeckende Versorgung mit Breitband-                         leisten und sich als Impulsgeber verstehen. Dafür
           10   zugängen. Trotz rückläufiger Schülerzahlen will                       sei ressortübergreifendes1 Handeln nötig.
                die CSU am dreigliedrigen Schulsystem festhalten                     1 über die Fachbereiche der einzelnen Ministerien (z.B. Wirtschaft,
                und möglichst viele Schulen erhalten. Die Haupt-                     Finanzen) hinausgehend

                SPD sieht Zukunft für die Landwirtschaft                             könnten ein zweites Standbein für Landwirte
                Die Landwirtschaft sieht die SPD als zentrales                       werden. Unerlässlich sei außerdem der Anschluss
                Kennzeichen des ländlichen Raums und deshalb                         der ländlichen Räume an die Datenautobahn.                            15
                solle sie gestärkt und gefördert werden. Jeder                       Um die Bildung in bevölkerungsarmen Gebieten
            5   achte Arbeitsplatz hänge in Bayern indirekt mit                      zu sichern, setzt die SPD auf eine wohnortnahe
                der Landwirtschaft zusammen. Der Erhalt einer                        Regionalschule. Außerdem müsse die Ganztagsbe-
                flächendeckenden Landbewirtschaftung sei not-                         treuung ausgebaut werden. Um die Infrastruktur
                wendig. Dies soll auch zur Erschließung neuer                        zu verbessern, soll der ÖPNV [Öffentlicher Perso-                     20
                Einnahmequellen genutzt werden, beispielsweise                       nennahverkehr] gestärkt werden. Im Straßenbau
           10   mithilfe des Tourismus. Auch die Einführung                          müssten Bund und Land verstärkt ihren Pflichten
                erneuerbarer Energien sei eine Option auf die                        nachkommen.
                Zukunft. Sonnenenergie, Windkraft und Biomasse

                c) Grüne für Öffnung des Schulsystems                                auf neue Straßen fordere die regionale Wirtschaft,
                Die Grünen wollen gleichwertige Chancen für                          während der Anschluss an das Autobahnnetz
                Menschen auf dem Land wie in der Stadt schaffen,                     Abwanderungstendenzen verstärke. Stattdessen                          15
                dafür müsse der Staat Impulsgeber sein. Selbstbe-                    müssten die Internet-Zugänge verbessert werden.
            5   stimmung und Eigenverantwortung der Kommu-                           In der Landwirtschaft setzen die Grünen verstärkt
                nen dürften nicht angetastet werden. Das setze                       auf extensive Bewirtschaftung und Öko-Landbau,
                aber voraus, dass man die Regionen mit Geld und                      dadurch blieben auch Naturschönheiten und die
                Kompetenzen ausstatten müsse. Die Kommunen                           Kulturlandschaft erhalten, was dem Tourismus                          20
                sollen für Bildung selbst verantwortlich sein,                       zugute komme. Bei alldem sei außerdem der
           10   bei Bedarf müsse das gegliederte Schulsystem                         Klimawandel zu beachten.
                geöffnet werden. Weitere Investitionen in den                        Katja Auer, Die Entdeckung des ländlichen Raums, in: Süddeutsche
                Straßenbau lehnen die Grünen ab. Der Verzicht                        Zeitung, 12. April 2007, S. 47

                                              1.   Stellen Sie die Bedeutung des ländlichen Raums für Bayern dar. (M 4)
                Aufgaben                      2.   Vor welchen Problemen stehen die Kommunen in strukturschwachen Regionen?
                                                   Unterscheiden Sie zwischen Ursachen und Folgen. (M 4)
                                              3.   Fassen Sie die unterschiedlichen Vorschläge der politischen Parteien, diese Regio-
                                                   nen zu fördern, zusammen und diskutieren Sie diese. (M 5)

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