Beratung als Profession!? Beratung in Professionalisierung - Prof. Dr. Marion Mayer TU Chemnitz 29.01.2020
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Alice Salomon Hochschule Berlin University of Applied Sciences Beratung als Profession!? Beratung in Professionalisierung Prof. Dr. Marion Mayer TU Chemnitz 29.01.2020 Alice Salomon Hochschule Berlin University of Applied Sciences
Inhalt Vorbemerkung 1. Was meint Profession und Professionalisierung? 2. Beratung als Profession - Professionalisierung von Beratung 3. Exkurs: Moderne Macht und Beratung 4. Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für Professionalisierung von Beratung 5. Perspektiven auf Beratung an Hochschule
Vorbemerkung wie ein Raum entstehen kann, in dem Praxis sich verändernd entfaltet „ ... die Theorie die Praxis nicht anleiten soll und die Praxis auch kein Versuch der Anwendung einer Theorie ist. Vielmehr kann Theorie als Möglichkeit verstanden werden, eine bestehende Hexis zu durchbrechen, um wieder Raum für Praxis [...] zu schaffen.“ (Frank 2014: 91).
1. Was meint Profession? • Berufe, die akademisches Wissen (generalisierte Wissensbestände) und eine eigenständige berufliche Identifikation benötigen • merkmalsbezogenes Professionskonzept der Professionssoziologie (siehe z.B. Stichweh 1996, Pfadenhauer 2005). • Dynamisches Professionsmodell nach A. Abbott (1988) mit Blick auf die tatsächlich geleistete Arbeit.
Klassisches Professionsmodell 1. Intellektuelle und reflexive Form von Arbeit 2. Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf Einzelfälle 3. Hochspezialisierte, wissenschaftliche Ausbildung 4. Orientierung an gesellschaftlichen Werten 5. Selbstorganisation und Autonomie der Berufsausübung 6. Klar definierter gesellschaftlicher Aufgabenbereich (vgl. u.a. Köngeter 2017: 89)
Profession als dritte Form der Organisation beruflichen Handelns (Freidson 2001) Bürokratie Organisation Profession von Arbeit Freier Markt
Professionsmodell nach Abbott (1988) Zuständigkeit Kontrolle von Zuständigkeiten und durch abgrenzen Zuständigkeiten Profession
Professionalität : Blick auf die Arbeit (u.a. Dewe 1996) Wissen Können Tun Wollen
Beratung als Format gesteuerter Kommunikation Freiwilligkeit und Datenschutz als ethische Basis Auftrag Professionelle Beziehung Haltung, Skills und Ressourcen Tools und Anliegen Träger Gesellschaftliche Netzwerke Beratung Kontexte Recht Sozialraum Gleichwertiger Kontakt
Funktionen psychosozialer Beratung (nach Nestmann 2008) Informationsbalance (Engel 2002) und Prävention Entscheidungs- management Entwicklungs- förderung und Bewältigungshilfe Lebenslaufbegleitung
Beratung als Profession – Professionalität von Beratung: Grundpositionen Freiwilligkeit Solidarität und Humanistische Reflexivität Haltung Inklusion Vertraulichkeit Teilhabe Datenschutz
Merkmale und Anforderungen von Beratung (Großmaß 2015: 134ff.) Freiwilligkeit Vernetzung mit feldrelevanten Kreative situations- und Ressourcengebern themenangemessene Intervention Differenziertes Eingehen auf Offenheit des Zugangs Zielgruppe und der Themen Einsatz von Einbeziehung von Wissen aus dem Emotionen Feld
Doppelverortung von Beratungskompetenz Feldspezifische Gestaltung von Kompetenzen Kommunikations- und • Aktuelle feldspezifische Beziehungsprozessen Informationen aufbereiten und • Psychologisches Verstehen bereithalten (Großmaß 2000) • feldtypische Organisationen • Gesprächsführung und kennen und beurteilen können; Herstellung Beratungsbeziehungen • sozialwissenschaftliche Analysen zum Feld / zur • Lebensweltbezug (Thiersch 2004) Zielgruppe zur Kenntnis nehmen • Feldtypische Sprache verstehen • Feldangemessene Settings herstellen können (Großmaß Quelle: Großmaß 2015: 136 2015: 136)
Februar 10, 2020 „Postpsychologisches“ Verständnis von Beratung (John McLeod 2001) Beratung als Orientierungs- Notwendigkeit die Teilhabe an angebot eigene Entwicklung unterschiedlichen und Identität zu sozio-kulturellen „balancieren“ Welten Berater_in als „Brücke“ (McLeod 2001) oder „Grenzgänger“ (Turner 1964/Nestmann 2008) 14
Beratung(smacht) als gesellschaftliche vs individuelle Funktion Sanfte Intervention Angeordnete Hilfe bei der Beratung Bewältigung von Autonomie und Stärke Verpflichtung Herausforderungen Beratung Klärungshilfe anzunehmen Förderung eigener (Norm) Kompetenzen / fachliche und Stärken soziale Kontrolle Alice Salomon Hochschule Berlin University of Applied Sciences
3. Exkurs: Moderne Macht (Foucault) „Die Macht „es gibt Macht nur als Macht existiert von ‚dem‘ einen auf die gibt es nur in ‚anderen‘ ausgeübte.“ nicht“ actu Moderne Macht Kontrolle Es geht um funktioniert über durch das Wie der Ausübung internalisierte Normali- und Normen sierung Herstellung Alice Salomon Hochschule Berlin University of Applied Sciences
Moderne Macht • Moderne Macht wirkt über ein Normalität-Abnormalität- Kontinuum, dem sich die einzelnen Personen entsprechend den internalisierten Werten entsprechend den (institutionellen oder soziokulturellen) Einstufungssystemen selbst zuzuordnen und damit zu unterwerfen gelernt haben (White 2002: 44 nach Schulze 2018:35). • Rommelspacher (1995) nennt dieses Phänomen Dominanzkultur. Dabei kann sich Dominanz gegenüber Herrschaft auf weitgehende Zustimmung stützen. (vgl. S. 26) Alice Salomon Hochschule Berlin University of Applied Sciences
Moderne Macht und Beratung Rommelspacher spricht von einer „Verallgemeinerung der Macht in die Gesellschaft hinein, die jede/n zum Subjekt und Objekt der Macht werden lässt.“ (1995: 36) Machtverhältnisse werden unübersichtlich - eindeutige Hierarchien lösen sich auf. Beratung muss Mikropraktiken der Macht, die subtil sind und im Alltagsselbstverständnis unsichtbare erkennen und sichtbar machen können! Hierfür benötigt sie entsprechende Theorie- und Analyseperspektiven (Schulze 2018). Alice Salomon Hochschule Berlin University of Applied Sciences
Konsequenzen für machtsensible Beratung • Sensibilisierung für Machtprozesse erfordert folglich immer auch Diskurskritik! (Wie wird mit bestimmten Begrifflichkeiten umgegangen? Welche werden wichtig, welche geraten in Vergessenheit?) • ... und ein sich Bewusstwerden über Differenz und Unterwerfung. • Machtausübung in der Beratung geschieht im Wesentlichen durch Sprache, durch die Art und Weise der Kategorisierungen und symbolischen Zuweisungen, die so erzeugt werden! Reflexion der Sprechhandlungen in der Beratung Alice Salomon Hochschule Berlin University of Applied Sciences
Diskriminierungs- und machtkritische Beratung Kommunikation und Beziehungsgestaltung Reflexion und macht- und Machtanalyse diskriminierungssensibel Beratungs- dimensionen Informationsklärung Empowerment und Struktur- zur Stärkung von Autonomie Netzwerkarbeit und Teilhabe
Zentrale Grundbedürfnisse der Subjekte in der postmodernen Gesellschaft (Keupp 2008, S.67) 1. Befriedigung elementarer vitaler Grundbedürfnisse 2. Ein authentisches Leben führen – unverwechselbar sein 3. Für sich einen inneren Lebenssinn finden 4. Einen Rahmen sozialer Anerkennung für sich finden 5. An der Gestaltung der eigenen Lebenswelt beteiligt sein 6. Subjekt des eigenen Handelns sein.
4. Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für die Professionalisierung von Beratung (Zweite Frankfurter Erklärung zu Beratung, 2012) Beratung ist Beratung lässt Gesellschaftlicher Profilerhalt von keine Ware und sich nicht mehr Wandel braucht Beratung sie lässt sich Beratung, die nicht nach durch „alte“ diesem Wandel Beratungs- Effizienzkriterien Rechnung trägt schulen fassen evaluieren
4. Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für die Professionalisierung von Beratung II (Zweite Frankfurter Erklärung zu Beratung, 2012, und weitere Impulse) Beratungs- Beratung lässt Beratung ist qualität wird nicht nach dem Beratung Navigationshilfe auch durch Psychothera- braucht durch un- Beratungs- peutengesetz Wahlfreiheit und übersichtliche forschung professionali- Angebote und Freiwilligkeit garantiert sieren Information
4. Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für die Professionalisierung von Beratung III (Zweite Frankfurter Erklärung zu Beratung, 2012, weitere Impulse) Auseinander- Beratung verfügt im setzung mit Beratungsarbeit ist Internet über neue Diversity in allen Settings mehr als Beraten Arbeitsfeldern
5. Perspektiven auf Beratung an Hochschulen Navigationshilfe in, durch und aus der Institution Passungsarbeit Bewältigung von Komplexität (Keupp 2002) (Wendt 2019) Beziehung Reflexivität und Beratung – Beratung an Organisation in Vernetzung der Angebote Hochschulen Kommunikation halten
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Prof. Dr. Marion Mayer Alice Salomon Hochschule Berlin Alice - Salomon – Platz 5 D – 12627 Berlin Tel: +49 (0)30 992-45445 marion.mayer@ash-berlin.eu Alice Salomon Hochschule Berlin University of Applied Sciences
Literatur Abbott, Andrew (1988). The system of professions. An essay on the divison of expert labor. Chicago, IL: University of Chicago Press. Czollek, L. C., Perko, G., Kaszner, C. & Czollek, M. (2019). Praxishandbuch social justice und diversity. Theorien, Training, Methoden, Übungen (Reihe: Pädagogisches Training; 2., vollst. überarb. Aufl.). Weinheim: Basel. Dewe, Bernd (1996). Das Professionswissen von Weiterbildnern. Klientenbezug – Fachbezug. In. Arno Combe & Werner Helsper (Hrsg.). Pädagogische Professionalität. Untersuchungen zum Typus pädagogischen Handelns. (S. 714-757). Frankfurt / M. : Suhrkamp. Forum Beratung der DGVT (2012). Zweite Frankfurter Erklärung zu Beratung. https://www.dgvt.de/aktuelles/details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=2839&cHash=6345b52355f01f1a77d3762075c9d7fb Frank, Marco (2014): Bartleby-Theorie – Theorie als Praxis in der Sozialen Arbeit. In: Köttig, Michaela/Borrmann, Stefan/Effinger, Herbert/Gahleitner, Silke Birgitta/Kraus, Björn/Stövesand, Sabine: Soziale Wirklichkeiten in der Sozialen Arbeit. Wahrnehmen – analysieren – intervenieren, (S. 85-93). Opladen/Berlin/Toronto: Verlag Barbara Budrich, Freidson, E. (2001). Professionalism. The third logic. On the practice of knowledge. Chicago, IL: Chicago University Press. Großmaß, Ruth (2015). Beratung als Haltung. In: Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis. 47 (1), S. 133-141. Gukenbiehl; H.L. (1998). Macht. In: B. Schäfers (Hrsg.). Grundbegriffe der Soziologie (S.208-209). Opladen. Keupp, Heiner (2002). Identitätsarbeit als Lebenskunst – Eine Perspektive für die psychosoziale Beratung. In: Frank Nestmann & Frank Engel (Hrsg.). Die Zukunft der Beratung (S. 51-78). dgvt-Verlag: Tübingen. Köngeter, Stefan (2017). Professionalität. In: Fabian Kessl, Elke Kruse, Sabine Stövesand & Werner Thole (Hrsg.). Soziale Arbeit – Kernthemen und Problemfelder. UTB verlag Barbara Budrich: Opladen & Toronto. S.87-105. Mayer, Marion (2011). Beratungsarbeit im ‚Zwischen‘. Professionalisierungswege der Weiterbildungsberatung für Frauen. Verlag Barbara Budrich: Opladen & Farmington Hills.
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