Bericht aus dem Ambulatorium - Unterstützung für Folter- und Kriegsopfer 2022
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Schicksal Im Ambulatorium erhält Farzad Hosseini* durch die regelmässige Psychotherapie Stabilität. Unklarer Aufenthaltsstatus behindert die Genesung Farzad Hosseini* ist heute 46 Jahre alt. Er kann auf eigenen Beinen stehen und schaut in eine sichere Zukunft – dank der Unterstützung des Ambulatoriums für Folter- und Kriegsopfer, aber vor allem durch seine eigene Kraft.
Während Corona fanden Beratungen zum Teil online via Laptop oder Handy statt. In seiner Heimat (Iran) war Hosseini er- Beruhigungsmittel beeinflussen die folgreicher Unternehmer. Doch er Anhörung zu den Asylgründen wurde von der Regierung verfolgt. Farzad Hosseini ist auf Beruhigungsmit- Mehrfach wurde er eingesperrt und ge- tel angewiesen. Doch diese beeinflussen foltert. Dann wurde er in einen anderen seine Anhörung beim Staatssekretariat Landesteil verbannt. Dort lebte er sechs für Migration. Sein Asylantrag wird Jahre lang getrennt von seiner Familie. wegen Unglaubwürdigkeit abgelehnt. Hosseini legt Rekurs ein. Dieser zieht sich Flucht über Griechenland über mehrere Jahre in die Länge. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern flieht er 2015 via Tür- Arbeitgeber nutzt die unsichere Situ- kei, Griechenland und Serbien in die ation aus Schweiz. Auf der Flucht hat die Familie Durch einen Zufall findet Hosseini Arbeit. mehrfach lebensbedrohliche Gewalt- Er nimmt diese trotz seines schlechten erfahrungen gemacht. Gesundheitszustandes an. «Ich möchte meiner Familie zumindest etwas Stabili- Im Asylzentrum angekommen folgen tät bieten und ich möchte sie selbststän- die nächsten schlimmen Erlebnisse: Hos- dig ernähren», sagt Hosseini. seini erlebt den Suizid eines Mitbewoh- ners. Danach geht es ihm psychisch Er arbeitet über Jahre für einen sehr ge- immer schlechter. Neben ausgeprägten ringen Lohn und leistet unzählige Über- Schlafproblemen hat er immer wieder stunden. Ferien hat er kaum. Aufgrund Angst- und Panikattacken sowie Ohn- seines unklaren Aufenthaltsstatus (Aus- machtsanfälle. Zudem ist es ihm nicht weis N) wollte und konnte er sich nicht möglich, über die schlimmen und de- wehren. mütigenden Folterungen zu erzählen. Er fürchtet sich vor einem totalen Kont- Ambulatorium gibt Stabilität rollverlust. Im Ambulatorium für Folter- und Kriegs- opfer kann sich Farzad Hosseini das erste
Mal öffnen. Seine Symptome werden 2022 dort als Auswirkung der Traumafolge- Das Ambulatorium für Folter- und Störung eingeordnet. Diese haben sich Kriegsopfer mit seiner langjährigen auch auf sein Aussageverhalten während Erfahrung bietet Therapien für trau- des Interviews ausgewirkt. matisierte Geflüchtete an. Erwartet wird eine erhöhte Nachfrage für Die regelmässige Psychotherapie und die Menschen aus der Ukraine. Begleitung durch einen Sozialberater geben Hosseini Stabilität. Er lernt Um- Im Vorfeld wurde bereits ein Be- gangsstrategien und kann immer besser ratungsangebot für Fachpersonen mit Stress-Situationen umgehen. vorbereitet, die Menschen aus der Ukraine betreuen. Zustand verbessert sich deutlich nach positivem Asylentscheid Im Januar 2022 – nach 7 Jahren Unge- wissheit und Leben in der Schwebe – er- hält Farzad Hosseini einen positiven Asylentscheid. Er wird als politischer Flüchtling anerkannt. Die sichere Zu- kunftsperspektive wirkt sich deutlich auf Hosseinis Zustand aus – er schöpft wie- der Hoffnung. Endlich kann er sein neues Leben beginnen, ohne Angst vor einem *Zum Schutz der Privatsphäre wurden der Name abrupten Wechsel. geändert und Symbolfotos verwendet.
Facts & Figures 2700 Seit 25 Jahren finden traumatisierte Geflüchtete im Ambulatorium für Fol- Interkulturelle Dolmet- ter- und Kriegsopfer des Schweizeri- schende haben im Jahr schen Roten Kreuzes (SRK) Unterstüt- 2021 über 2700 Stunden zung. Das Ambulatorium SRK stellt übersetzt. ihnen ein multidisziplinär ausgerich- tetes Therapie- und Beratungsange- 320 bot zur Verfügung (Psychiatrie, Psy- chologie, Medizin, Sozialarbeit und Das entspricht gut 320 Körpertherapie). Arbeitstagen. Die effektiven Kosten des interdisziplinä- Das Ambulatorium SRK ist auf ren Behandlungsangebots werden durch Spenden und Zuwendungen die Krankenkassen nicht vollständig ge- dringend angewiesen. deckt. Die meisten Behandlungen und Danke Beratungen nehmen mehr Zeit in An- spruch, als in den Abrechnungsbestim- mungen vorgesehen ist. Dazu kommen die Kosten für das Dolmetschen und für unterstützende Hilfsangebote (z.B. Be- ratung der Angehörigen).
Schicksal Ali Karimi* lernt im Ambula- torium mit den Symptomen der posttraumatischen Belas- tungsstörung umzugehen. Alleine mit der Angst In Afghanistan arbeitete Ali Karimi* aufgrund von Albträumen unter Schlaf- zusammen mit seinem jüngeren Bru- störungen, verspürt eine starke innere der auf dem Ackerland seiner Familie. Unruhe und Anspannung. Sein Vater führte einen Verkaufsstand in Kabul. Doch das Leben der Familie Die Ungewissheit betreffend Zukunft veränderte sich auf einen Schlag, als sowie die Wartezeit auf den Entscheid der Vater bei einem Selbstmordatten- seines Asylgesuchs verstärken die bereits tat ums Leben kam. bestehenden Symptome der posttrau- matischen Belastungsstörung. Nach diesem einschneidenden Ereignis wird der Anfang 20-jährige Karimi mehr- Schuldgefühle verstärken die Symp- mals von den Taliban aufgesucht und tome beworben. Immer wieder lehnt er ab. Zusätzlich plagt ihn ein schlechtes Gewis- Doch dann wird sein Bruder von den Ta- sen, weil er seine Familie zurückgelassen liban mitgenommen und misshandelt. hat. Sie stehen jetzt unter starkem Druck Karimi fürchtet um sein Leben und ent- der Taliban und er kann nichts dagegen schliesst sich für die Flucht nach Europa. tun. Der junge Mann fühlt sich schuldig. Nach zwei Versuchen schafft er es mit Er ist in Sicherheit, aber seine Familie nicht. dem Gummiboot nach Griechenland. Von da dauert es nochmal Wochen bis Verstehen als erster Schritt er die Schweiz erreicht. Die Therapie in unserem Ambulatorium hilft Karimi, seine Beschwerden zu ver- Die Vergangenheit holt ihn ein stehen und er lernt, mit der Symptomatik Obwohl er sich hier in Sicherheit befin- umzugehen. Dennoch: Seine Zukunft det, leidet er unter massiven Ängsten. Er bleibt bis zum Asylentscheid ungewiss hat immer wieder die Leiche seines Va- und voller Ängste. ters vor Augen, fühlt sich verfolgt, leidet *Zum Schutz der Privatsphäre wurden der Name geändert und Symbolfotos verwendet.
Sans-Papiers im Ambulatorium Im Ambulatorium erhielten gut 100 Sans-Papiers den Zugang zur Corona-Impfung. Gesundheitsversorgung für Sans-Papiers: über 40 Prozent mehr behandelte Personen Das Ambulatorium für Folter und ren Impfzentren zugewiesen werden. Kriegsopfer SRK unterstützt Sans- Diese Menschen hätten ohne unser An- Papiers aus dem Kanton Bern: SRK- gebot kaum Zugang zu einer Impfung Mitarbeitende behandeln Menschen gefunden. ohne Aufenthaltsbewilligung und be- raten sie zum Thema Gesundheit. 377 Personen wurden im Jahr 2021 bei der Gesundheitsversorgung für Sans- Bei uns erhalten Menschen ohne Aufent- Papiers behandelt. Im Jahr 2020 waren haltsbewilligung Informationen zum es noch 212 Personen – das entspricht Thema Gesundheit. Zum Beispiel, was einer Zunahme von über 40 Prozent. eine Krankenkasse ist und wie diese be- antragt werden kann. Neben medizini- Das Angebot der Gesundheitsversorung schen Behandlungen bietet die Anlauf- für Sans-Papiers wird durch freiwillige stelle auch präventive Angebote an, Ärztinnen und Ärzte gedeckt. Bei der insbesondere im Bereich Gynäkologie Administration und den Medikamenten und Zahnmedizin. sind wir auf Spenden angewiesen. Das bereits während Jahren aufgebaute Vertrauen und die bestehenden Kon- takte haben dazu geführt, dass unter anderem 100 Sans-Papiers in unseren Räumlichkeiten geimpft werden konn- ten. Weitere 50 Personen konnten ande-
Kurzporträt Patenschaft für Folter- und Kriegsopfer hnung Mit dieser Patenschaft helfen Sie Män- , Kinder zeic nern, Frauen und Kindern, die in ihrem Heimatland oder auf der Flucht Schreck- Ambulato © SRK, AfK liches erlebt haben. rium Die Beiträge gehen vollumfänglich an das Ambulatorium SRK für Folter- und Kriegsopfer in Wabern. Hier erhalten traumatisierte Geflüchtete multidiszipli- när ausgerichtete Therapien und Bera- tung. Dank Ihren Patenbeiträgen lernen beispielsweise traumatisierte Kinder, mit ihren Ängsten umzugehen. Sie schenken traumatisierten Men- schen Zuversicht. Gerne beantworten wir Ihre Fragen zur Patenschaft. Wir freuen uns auf Ihren Anruf oder Ihr Schreiben an: Schweizerisches Rotes Kreuz Gönnerservice, Rainmattstrasse 10, Postfach, CH-3001 Bern Telefon 058 400 44 64, spenden@redcross.ch www.redcross.ch
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