Bericht - Bundesrechnungshof

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Bericht
an den
Finanzausschuss des Deutschen Bundestages

nach § 88 Abs. 2 BHO
Steuerfreiheit der steuerlichen Forschungszulage
fraglich

Dieser Bericht enthält das vom Bundesrechnungshof abschließend im Sinne
des § 96 Abs. 4 BHO festgestellte Prüfungsergebnis. Er ist auf der
Internetseite des Bundesrechnungshofes veröffentlicht
(www.bundesrechnungshof.de).

Gz.: VIII 3 - 2020 - 0905 (Bericht/1)                                     Bonn, den 4. März 2021

Dieser Bericht des Bundesrechnungshofes ist urheberrechtlich geschützt.
2

Inhaltsverzeichnis

0       Zusammenfassung                                                     3

1       Berichtsanlass                                                      4

2       Steuerfreiheit der Forschungszulage im
        Gesetzgebungsverfahren                                              5
        Entwurf der Bundesregierung                                         5

        Empfehlungen des Finanzausschusses und Gesetzesbeschluss            5

        Änderung mit dem Jahressteuergesetz 2020                            6

3       Steuerfreiheit nach geltender Rechtslage zweifelhaft                7
        Ansätze zur Begründung der Steuerfreiheit der Forschungszulage
        überzeugen nicht                                                    7

3.1.1   Keine Steuerfreiheit der Forschungszulage als Steuererstattung      7

3.1.2   Keine Steuerfreiheit der Forschungszulage als steuerliche
        Nebenleistung                                                       8

3.1.3   Keine Steuerbefreiung der Forschungszulage als Beihilfe zur Förderung
        der Wissenschaft                                                     9

        Risiken der Anspruchsberechtigten ohne wirksame Steuerbefreiung     9

4       Position des Bundesministeriums der Finanzen                       10

5       Abschließende Würdigung und Empfehlung                             11
3

0      Zusammenfassung
Mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung
vom 14. Dezember 2019 (Forschungszulagengesetz – FZulG) wurde eine steu-
erliche Forschungszulage für Unternehmen (im Folgenden: Forschungszulage)
eingeführt.

Ein wesentlicher Baustein dieser Förderung ist die Steuerfreiheit der For-
schungszulage. Diese Steuerfreiheit soll gewährleisten, dass die Forschungszu-
lage bei allen Anspruchsberechtigten gleichmäßig wirkt. Zudem soll sie die
Liquidität der in Forschung und Entwicklung tätigen Unternehmen steigern.

An der rechtssicheren Umsetzung der Steuerbefreiung der Forschungszulage
bestehen Zweifel. Der Bundesrechnungshof nimmt dies zum Anlass, dem
Finanzausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Absatz 2 BHO zu
berichten. Dabei berücksichtigt er die Stellungnahme des Bundesministeriums
der Finanzen (BMF).

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes fehlt es an einer rechtssicheren
Grundlage für die vollumfängliche Steuerfreiheit der Forschungszulage.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Änderungen des FZulG durch das
Jahressteuergesetz 2020 gemäß einer Formulierungshilfe des BMF. Hiernach
stellt das FZulG die als Steuererstattung ausgezahlte Forschungszulage („An-
rechnungsüberhang“) steuerfrei. Demgegenüber unterliegt die auf die Steuer-
zahllast als Zahlung angerechnete Forschungszulage der allgemeinen Steuer-
pflicht. Eine wirkungsgleiche Liquiditätssteigerung der forschenden und entwi-
ckelnden Unternehmen wird auf diese Weise nicht erreicht.

Das BMF sollte dem Gesetzgeber eine zur Rechtsklarheit beitragende und eine
vollumfängliche Steuerfreiheit garantierende Formulierungshilfe zur Verfügung
stellen. Anderenfalls gehen die verbleibenden Rechtsunsicherheiten zulasten
der Anspruchsberechtigten und Unternehmen, deren Liquidität zugunsten ihrer
Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zeitnah gesteigert werden soll.
4

1       Berichtsanlass
Mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung
vom 14. Dezember 2019 (Forschungszulagengesetz – FZulG) 1 wurde eine
steuerliche Forschungszulage (im Folgenden: Forschungszulage) für Unterneh-
men eingeführt. Die Forschungszulage soll zusätzliche Investitionen in For-
schung und Entwicklung auslösen und damit langfristig innovative Unterneh-
men in Deutschland stärken sowie Wachstum und Beschäftigung sichern. 2 Die
Unternehmen haben unabhängig von ihrer Größe, ihrer Rechtsform und ihrer
wirtschaftlichen Betätigung sowie Gewinnsituation einen Rechtsanspruch auf
die Forschungszulage. 3 Deren steuerfreie, progressionsunabhängige, zeitnahe
und vollständige Anrechnung auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer soll
die Liquidität der Unternehmen steigern und eine gleichmäßige Wirkung si-
cherstellen. 4

Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung 5 sowie der
Bundesrechnungshof 6 hatten das Gesetzgebungsverfahren begleitet. Sie haben
Bedenken geäußert, ob das Ziel des Gesetzesentwurfs effektiv und effizient
umgesetzt werden kann. Aus Sicht des Bundesrechnungshofes ist es vorzugs-
würdig, die bereits bestehenden Finanzhilfen gezielter auszurichten.

Der Bundesrechnungshof unterrichtet den Finanzausschuss des Deutschen
Bundestages (im Folgenden: Finanzausschuss) nunmehr, weil nach seiner Ein-
schätzung die Steuerfreiheit der Forschungszulage derzeit nicht rechtssicher
zu begründen ist. Hierbei wurde die Stellungnahme des Bundesministeriums
der Finanzen (BMF) berücksichtigt.

In einem gesonderten Bericht zeigt der Bunderechnungshof die fehlende Ziel-
genauigkeit der Forschungszulage auf. 7

1
     BGBl. I 2019, S. 2763 ff.
2
     Bundestagdrucksache 19/10940, S. 14.
3
     Siehe Bundestagsdrucksache 19/14875, S. 2, 21.
4
     Siehe Bundestagsdrucksache. 19/10940, S. 26 und Bundestagsdrucksache 19/14875,
     S. 28, 33.
5
     Stellungnahme vom 3. Mai 2019, Gz.: VIII 3 - S 2030 (BWV - FZulG), III 1/2 - S 05
     20 03 02.
6
     Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Ab-
     satz 2 BHO vom 12. Juni 2019, Gz.: VIII 3 - S 2030 (Bericht - FZulG).
7
     Gz.: VIII 3 - 2020 - 0905 (Bericht/2).
5

2      Steuerfreiheit der Forschungszulage im Gesetzgebungsver-
       fahren
       Entwurf der Bundesregierung

Die Bundesregierung übermittelte dem Deutschen Bundestag am 17. Juni 2019 8
den Entwurf eines FZulG. 9 Dieser sah vor, die von den Finanzämtern auszuzah-
lende Forschungszulage als steuerfreie Einnahme zu behandeln. Unabhängig
von einer möglichen Steuerprogression sollte die Zulage zu 100 % bei den
Anspruchsberechtigten ankommen. Insbesondere sollte sie auch die steuerlich
als Betriebsausgaben abzugsfähigen Aufwendungen für Forschung und Entwick-
lung nicht mindern.

§ 11 FZulG-Entwurf regelte dies ausdrücklich wie folgt:

„Die Forschungszulage gehört nicht zu den steuerpflichtigen Einnahmen im
Sinne des Einkommensteuergesetzes. Sie mindert nicht die als Betriebsaus-
gaben abzugsfähigen Aufwendungen und findet keine Berücksichtigung für
Zwecke der Bestimmung der Höhe des Einkommensteuersatzes.“

Die Formulierung ist Ausdruck der üblichen Abgrenzung 10 einer steuerfreien
Zulage von einem regelmäßig steuerpflichtigen Zuschuss.11

       Empfehlungen des Finanzausschusses und Gesetzesbeschluss

Um einen unionsrechtlichen Beihilfeverstoß 12 zu vermeiden, wurde der Regie-
rungsentwurf des FZulG in der Folgezeit grundlegend überarbeitet.

Eine wichtige Änderung geht auf die Empfehlung des Finanzausschusses vom
6. November 2019 13 zurück: Danach wird die vom Finanzamt festgesetzte
Forschungszulage nun bei der nächsten Veranlagung zur Einkommen- oder

8
     Bundesratsdrucksache 242/19.
9
     Siehe hierzu den Bericht des Bundesrechnungshofes nach § 88 Absatz 2 BHO vom
     8. Juli 2019, im Internet unter: https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentli-
     chungen/produkte/beratungsberichte/2019/2019-bericht-entwurf-eines-gesetzes-
     zur-steuerlichen-foerderung-von-forschung-und-entwicklung-forschungszulagenge-
     setz-fzulg.
10
     Vgl. Endert/Sepetauz, BBK 2012, S. 491; Hoffmann in Hoffmann/Lüdenbach, NWB
     Kommentar Bilanzierung, 11. Auflage, § 246, Randziffer 326; Kolbe, NWB PAAAE-
     51432, Textziffer 1, Stand: Mai 2020.
11
     Zum Begriff des Zuschusses und seiner Besteuerung siehe insbesondere R 6.5
     Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Einkommensteuer-Richtlinien 2012.
12
     Kritisch zur gefundenen Lösung Gosch in Kirchhof Einkommensteuergesetz, 19. Auf-
     lage 2020, § 36 EStG, Randziffer 14a.
13
     Siehe Bundestagsdrucksache 19/10940.
6

Körperschaftsteuer vollständig auf die festgesetzte Steuer angerechnet
(§ 10 FZulG, § 36 Absatz 2 Nummer 3 Einkommensteuergesetz (EStG)). Ergibt
sich nach dieser Anrechnung ein Überschuss zugunsten des Steuerpflichtigen,
so ist er nach Bekanntgabe des Steuerbescheids auszuzahlen (§ 36 Absatz 4
Satz 2 EStG). Aus dieser indirekten Leistung der Forschungszulage wurde die
Steuerfreiheit derselben mit der Begründung abgeleitet, dass Steuererstattun-
gen generell steuerfrei seien. 14

Der Finanzausschuss schlug deshalb vor, die im ursprünglichen Gesetzesent-
wurf als § 11 enthaltene Regelung zur Steuerfreiheit der Forschungszulage er-
satzlos zu streichen. 15 Diesem Vorschlag sind der Deutsche Bundestag und der
Deutsche Bundesrat gefolgt. 16 Eine ausdrückliche Regelung zur Steuerfreiheit
der Forschungszulage enthielt das am 20. Dezember 2019 verkündete FZulG
nicht mehr. 17

        Änderung mit dem Jahressteuergesetz 2020

Der Bundesrechnungshof berichtete dem BMF von seinen Zweifeln an einer
rechtssicheren Ausgestaltung der Steuerfreiheit. Um diese Bedenken zu adres-
sieren, schlug das BMF dem Finanzausschuss bei den Beratungen zum Jah-
ressteuergesetz 2020 (JStG 2020) 18 folgende Anpassungen des § 10 Ab-
satz 1 FZulG vor:

a) In Satz 2 werden die Wörter „bei der nächsten Veranlagung zur“ durch die
     Wörter „im Rahmen der nächsten erstmaligen Festsetzung von“ ersetzt.

b) Satz 3 wird wie folgt gefasst:
     „Ergibt sich nach der Anrechnung nach Satz 2 ein Überschuss zugunsten
     des Steuerpflichtigen, wird dieser dem Steuerpflichtigen als Einkommen-
     steuererstattung aus den Einnahmen an Einkommensteuer, oder als Kör-
     perschaftsteuererstattung bei Steuerpflichtigen im Sinne des Körperschaft-
     steuergesetzes aus den Einnahmen an Körperschaftsteuer ausgezahlt.“

Der Gesetzgeber übernahm diese Anpassungen unverändert.

14
      Siehe Bundestagsdrucksache 19/14875, S. 28.
15
      Siehe Bundestagsdrucksache 19/14875, S. 7.
16
      Siehe Bundestag-Plenarprotokoll 19/124, S. 15410A und Bundesratsdrucksache 553/
      19(B).
17
      Zu den Änderungen des FZulG durch das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) vom
      21. Dezember 2020, BGBl. I 2020, S. 3096, siehe Tzn. 7.1 und 8.1.
18
      Gesetz vom 21. Dezember 2020, BGBl. I 2020, S. 3096.
7

3       Steuerfreiheit nach geltender Rechtslage zweifelhaft
        Ansätze zur Begründung der Steuerfreiheit der Forschungszulage über-
        zeugen nicht

Das BMF hat sich zur Frage der Steuerfreiheit der Forschungszulage zunächst
weder in einem einschlägigen Beitrag in seinem Monatsbericht April 2020 19
noch mit dem von ihm im gleichen Monat online gestellten Frage-und-Antwort-
Dokument 20 (FAQ-Dokument) geäußert. Ein BMF-Schreiben zur steuerlichen
Behandlung der Forschungszulage liegt nicht vor. Die aktuelle Fassung des
FAQ-Dokuments behauptet die Steuerfreiheit der Forschungszulage ohne wei-
tergehende Begründung. 21

In Verwaltung und Literatur werden verschiedene Ansätze für die Steuerfrei-
heit der Forschungszulage diskutiert. Nach Auffassung des Bundesrechnungs-
hofes ist die Steuerfreiheit damit nicht rechtssicher zu begründen.

3.1.1   Keine Steuerfreiheit der Forschungszulage als Steuererstattung

In der steuerlichen Fachliteratur folgen einige Autorinnen und Autoren der
Rechtsansicht, dass es sich bei der ausgezahlten Forschungszulage um eine
steuerfreie Steuererstattung handelt. 22 Dabei beziehen sie sich regelmäßig
darauf, dass Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer als Betriebsausgabe oder
als sonstiger steuermindernder Aufwand nach § 12 Nummer 3 EStG bzw. § 10
Nummer 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) nicht abziehbar seien. Aus dem
Umkehrschluss folgern sie, dass der Ertrag durch Erstattung dieser Steuern
– auch unter Anrechnung der Forschungszulage – zu einer steuerlich unbe-
achtlichen (Betriebs-)Einnahme führe.

Diese Argumentation überzeugt den Bundesrechnungshof nicht.

19
     BMF-Monatsbericht April 2020, S. 30.
20
     Stand 29. April 2020.
21
     FAQ-Dokument mit Stand vom 28. Dezember 2020, im Internet unter:
     https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2020-04-29-forschungs-
     zulage.html.
22
     Vgl. Haase/Bolik/Nonnenmacher, BB 2020, S. 791; Ortwald, BBK 2020, S. 179;
     Mohaupt, NWB 2019, S. 3402.
8

Allgemeine Voraussetzung für die Annahme einer steuerfreien Steuererstat-
tung ist, dass der (anteilige) Erstattungsbetrag zuvor durch Vorauszahlung
oder Steuerabzug auf die diesbezüglich festgesetzte Steuer geleistet worden
ist. Hieran fehlt es bei der Forschungszulage.

Die Forschungszulage erfüllt den Steuerbegriff des § 3 Absatz 1 Abgabenord-
nung (AO) nicht. 23 Insbesondere fehlt ihr der Bezug zu einer bestimmten
Steuer. Die Forschungszulage kann unabhängig von einem bestimmten Veran-
lagungszeitraum auf die nächste erstmalige Einkommen- oder Körperschaft-
steuerfestsetzung angerechnet werden.24

Statt einer Steueranrechnung im Rechtssinn kann die Forschungszulage des-
halb nur eine „schlichte“ Steuererleichterung bewirken. 25 Der Ertrag einer ent-
sprechenden Erleichterung in Form des Aufwandzuschusses ist handels- wie
steuerbilanziell in voller Höhe als Betriebseinnahme zu erfassen. 26

3.1.2   Keine Steuerfreiheit der Forschungszulage als steuerliche Nebenleis-
        tung

Nach § 12 Nummer 3 EStG bzw. § 10 Nummer 2 KStG sind auch steuerliche
Nebenleistungen weder als Betriebsausgabe noch als sonstiger steuermindern-
der Aufwand abziehbar. Spiegelbildlich erhöht deshalb die Erstattung dieser
steuerlichen Nebenleistungen den steuerlichen Gewinn nicht.

Da die Forschungszulage jedoch nicht im abschließenden Katalog 27 der steuer-
lichen Nebenleistungen nach § 3 Absatz 4 AO aufgeführt ist und auch nicht auf
die Steuern vom Einkommen entfällt 28, kann auch auf diesem Weg eine Steu-
erfreiheit der Forschungszulage nicht begründet werden. 29

23
     Hiernach ist eine Steuer insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass sie einem
     öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen dient. Diesem
     Zweck steht die zulasten von Bund und Ländern angerechnete oder gezahlte For-
     schungszulage diametral entgegen. Die Forschungszulage ist eine Subvention. Hinge-
     gen weisen Vorauszahlungen sämtliche Wesensmerkmale einer Steuer auf, Bundesfi-
     nanzhof (BFH) vom 15. April 1997 - VII R 74/96, BStBl. II 1997, S. 60.
24
     Bundestagsdrucksache 19/14875, S. 35, § 10 Absatz 1 Satz 2 FZulG.
25
     Vgl. Gosch in Kirchhof Einkommensteuergesetz, 19. Auflage 2020, § 36 EStG, Rand-
     ziffer 14a; Dreßler/Schwechel, Ubg 2020, S. 6; Schumann, EStB 2020, S. 153. Zu
     den weiteren Folgen, wenn man die Forschungszulage als persönlichen Steueran-
     rechnungsbetrag behandelt, siehe Nordhoff/Kümmel, BBK 2020, S. 340.
26
     Siehe Dreßler/Schwechel, Ubg 2020, S. 6.
27
     So Anwendungserlass zur AO zu § 3.
28
     Siehe Richtlinie 10.1 Absatz 2 Satz 1 Körperschaftsteuer-Richtlinien 2015.
29
     Siehe Althoff, DB 2020, S. 1256, 1258.
9

3.1.3    Keine Steuerbefreiung der Forschungszulage als Beihilfe zur Förderung
         der Wissenschaft

Alternativ wird eine Steuerfreiheit unter Hinweis auf § 3 Nummer 11 EStG her-
geleitet. 30

In diesem Fall müsste die Forschungszulage unter den Begriff der aus öffent-
lichen Mitteln bewilligten Beihilfe zur unmittelbaren Förderung der Wissen-
schaft zu subsumieren sein. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtspre-
chung liegt eine unmittelbare Förderung der Wissenschaft vor, wenn geistige
Schöpfungen als solche gefördert werden. 31 Die Forschungszulage hingegen
wird den in Forschung und Entwicklung tätigen Unternehmen ohne Bindung an
einen bestimmten Verwendungszweck gewährt. Zwar knüpft die Bemessung
der Forschungszulage an bestimmte begünstigte Aufwendungen gemäß
§ 3 FZulG an. Das Gesetz schreibt den Begünstigten aber nicht vor, die durch
Anrechnung oder Auszahlung gewonnene Liquidität für diese Aufwendungen zu
verwenden. 32

Eine unmittelbare Förderung der Wissenschaft durch die Forschungszulage
liegt demnach im Ergebnis nicht vor. Eine Steuerfreiheit der Forschungszulage
tritt durch die Regelung des § 3 Nummer 11 EStG nicht ein.

         Risiken der Anspruchsberechtigten ohne wirksame Steuerbefreiung

Ohne eine wirksame Steuerbefreiung müssen Anspruchsberechtigte die For-
schungszulage als steuerpflichtige Einnahme erfassen. Diese erhöht die jewei-
lige Bemessungsgrundlage der Einkommen- oder Körperschaftsteuer sowie der
Gewerbesteuer. Es gibt unterschiedliche Steuersätze, Rechtsformen und Ge-
winnsituationen bei den Anspruchsberechtigten. Dies führt dazu, dass die For-
schungszulage in unterschiedlicher Höhe bei den Anspruchsberechtigten an-
kommt. Das vom Gesetzgeber bei der Forschungszulage verfolgte Ziel einer
Wirkungsgleichheit bei allen Anspruchsberechtigten wird nicht erreicht.

30
      Siehe Dreßler/Schwechel, Ubg 2020, S. 6 unter Verweis auf Kessler/Spychalski,
      DStR 2019, S. 2043, 2047.
31
      BFH vom 27. April 2006 - IV R 41/04, BStBl. II 2006, S. 755 mit weiteren Nennun-
      gen.
32
      Siehe hierzu den Bericht zur Zielgenauigkeit der Forschungszulage, Gz.: VIII 3 -
      2020 - 0905 (Bericht/2).
10

4      Position des Bundesministeriums der Finanzen
Das BMF teilt die Auffassung des Bundesrechnungshofes nicht, dass die
Steuerfreiheit der Forschungszulage derzeit nicht rechtssicher zu begründen
ist. Der Gesetzeswortlaut, die Historie, Sinn und Zweck der Regelung sprächen
eindeutig für eine Steueranrechnung oder -erstattung.

Seit dem Regierungsentwurf sei es Hauptziel gewesen, dass die Forschungszu-
lage progressionsunabhängig in voller Höhe beim Anspruchsberechtigten mög-
lichst zeitnah zur Liquiditätssteigerung beitrage. An dieser grundsätzlichen
Zielrichtung habe sich auch im Rahmen der parlamentarischen Beratungen im
Deutschen Bundestag und Deutschen Bundesrat mit der Umstellung der ur-
sprünglich vorgesehenen Förderkonzeption „steuerfrei auszuzahlende Zulage“
hin zur „Steuerermäßigung durch Steueranrechnung“ nichts geändert.

Wegen der beihilferechtlichen Vorgaben der Europäischen Kommission sei im
Lauf des Gesetzgebungsverfahrens die Förderkonzeption zwingend auf eine
„Steuerermäßigung durch Steueranrechnung“ umzustellen gewesen. So ge-
höre es zu diesen Vorgaben, dass die steuerliche Förderung von Forschung
und Entwicklung einen expliziten Bezug zur ertragsteuerlichen Bemessungs-
grundlage oder zur Steuerfestsetzung aufweisen muss.

Durch die Ausgestaltung der Forschungszulage als „Steuerermäßigung durch
Steueranrechnung“ auf die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer handele es
sich bei der Auszahlung um eine ertragsteuerlich unbeachtliche Einnahme.
Dies ergebe sich aus dem Umkehrschluss aus § 12 Nummer 3 EStG und
§ 10 Nummer 2 KStG. Einer zusätzlichen Steuerfreistellung bedürfe es nicht.

Dem stehe auch nicht der Begriff der „Forschungszulage“ entgegen. Durch
seinen Wiedererkennungswert werbe dieser letztendlich für die eingeführte
steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung.

Dem Einkommensteuerrecht sei es nicht fremd, dass Aufwendungen nicht von
der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen, sondern progressionsun-
abhängig mit der Einkommensteuerschuld verrechnet werden (vgl. Abschnitt V
– Steuerermäßigung – des EStG, ab §§ 34c ff. EStG). In diesem Zusammen-
hang sei es systematisch verfehlt, in der Verrechnung oder Ermäßigung der
Einkommensteuerschuld eine steuerlich relevante Einnahme zu sehen.
11

Die Verortung im Bereich der Steuererhebung (§ 36 EStG) spreche nicht ge-
gen den Charakter einer Steuerermäßigung. Dies sei lediglich eine technische
Ausgestaltung und diene dem Ziel, die Forschungszulage zeitnah in voller
Höhe auszahlen zu können. Mit dieser Ausgestaltung habe der Gesetzgeber
den ihm verfassungsrechtlich zustehenden Gestaltungs- und Typisierungsspiel-
raum genutzt.

Um die Bedenken des Bundesrechnungshofes zu adressieren, habe das BMF
dem Finanzausschuss bei den Beratungen zum JStG 2020 eine Anpassung des
§ 10 Absatz 1 FZulG vorgeschlagen (Tz. 2.3).

5       Abschließende Würdigung und Empfehlung
Der Bundesrechnungshof sieht die Steuerfreiheit der Forschungszulage als
nicht vollumfänglich rechtssicher begründet an. Die vom BMF angestrebte
„Steuerermäßigung durch Steueranrechnung“ ist problematisch. Sie verkennt
dem Grunde nach, dass das Steuerfestsetzungs- vom Steuererhebungsverfah-
ren verfahrensrechtlich getrennt ist. 33

Steuerermäßigungen gehören verfahrensrechtlich in das Festsetzungsverfah-
ren. Sie können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH)
nicht über die tarifliche Einkommensteuer hinausgehen. 34 Negative Rechen-
größen kennt das Einkommensteuerrecht bei der Ermittlung der Steuer nicht.

Steueranrechnungen sind Bestandteil des Steuererhebungsverfahrens. Die
Anrechnungsverfügung bzw. der Abrechnungsbescheid sind sonstige Verwal-
tungsakte und keine Steuerbescheide. 35 So erläutert es auch die Gesetzesbe-
gründung zu § 10 Absatz 3 FZulG. Diese Regelung ermöglicht eine Korrektur
der ursprünglichen Anrechnung unabhängig von einer Einkommen- oder

33
     Zur abgabenrechtlichen Trennung des Steuerfestsetzungsverfahrens mit der Möglich-
     keit der Steuerermäßigung von dem Steuererhebungsverfahren samt Verwirklichung
     durch Einziehung, Anrechnung oder Erstattung siehe Loose, in: Tipke/Kruse,
     AO/FGO, 155. Lfg. 02.2019, § 218 AO, Randziffern 1 und 2.
34
     Vgl. BFH-Urteile vom 29. Januar 2009 - VI R 44/08, BStBl. II 2009, S. 411 und vom
     28. April 2020 - VI R 54/17, BStBl. II 2020, 544.
35
     Die Anrechnungsverfügung ist ein sonstiger selbständiger Verwaltungsakt mit Bin-
     dungswirkung, der nur äußerlich mit dem Steuerbescheid verbunden ist. Sie gehört
     nicht zum Steuerfestsetzungs-, sondern zum Steuererhebungsverfahren. Sie trifft
     nach außen eine Entscheidung darüber, was auf die festgesetzte Steuerschuld anzu-
     rechnen ist und was nicht, siehe Verfügung der Oberfinanzdirektion Niedersachsen
     vom 26. Februar 2015 - S 0450 - 49 - St 144, abgedruckt in: Baum, AO/FGO Hand-
     ausgabe, § 218 Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis
     (Fassung 2018), Randziffer 4.
12

Körperschaftsteuerveranlagung. 36 Damit ist die Anrechnung der Forschungszu-
lage lediglich ein besonderer Auszahlungsweg. Ein sich eventuell daraus erge-
bender Anrechnungsüberhang ist keine Steuererstattung.

Die vom BMF bei den Beratungen des JStG 2020 vorgeschlagene und vom Ge-
setzgeber übernommene Anpassung des § 10 Absatz 1 FZulG ist nicht geeig-
net, die Steuerfreiheit der Forschungszulage vollumfänglich zu begründen.

§ 10 Absatz 1 Satz 3 FZulG neuer Fassung fingiert lediglich eine etwaige
Auszahlung der Forschungszulage nach Anrechnung als Einkommensteuer-
oder Körperschaftsteuererstattung. In der Rechtsfolge sind diese Anrech-
nungsüberhänge als Steuererstattungsbeträge im Umkehrschluss zu § 12
Nummer 3 EStG bzw. § 10 Nummer 2 KStG steuerfrei zu behandeln. Dennoch
fehlt es – wie bisher – an einer konstitutiven Steuerbefreiung des Anrech-
nungsbetrages. Dieser ist als öffentliche Beihilfe den steuerpflichtigen Einnah-
men zuzurechnen. 37

Im Ergebnis hängt die Steuerfreiheit der Forschungszulage nunmehr vom Um-
fang der weiteren geleisteten Steuervorauszahlungen ab:

•    Entsprechen diese mindestens der festgesetzten Steuer, kann die For-
     schungszulage steuerfrei vereinnahmt werden.

•    Unterschreiten die Vorauszahlungen die festgesetzte Steuer, ist die ange-
     rechnete Forschungszulage insoweit steuerpflichtig und ihre teilweise Aus-
     zahlung als steuerfrei zu behandeln.

Ein solches Vorgehen verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Folge-
richtigkeitsprinzip, ohne dass hierfür eine Rechtfertigung ersichtlich ist.

Beispiel:

Die G-GmbH tätigte im Jahr 2020 förderfähige Aufwendungen von 1,6 Mio.
Euro. Sie hat einen Anspruch auf Forschungszulage von 400 000 Euro. 38 Die
Forschungszulage soll bei der Veranlagung der Körperschaftsteuer des Jah-
res 2021 angerechnet werden. Für diesen Veranlagungszeitraum hat das

36
      Siehe Bundestagsdrucksache 19/14875, S. 33.
37
      Siehe BFH-Urteil vom 17. September 1987 - III R 225/83, BStBl. II 1988, S. 324.
      Steuerbilanziell der vollständige Anspruch auf Forschungszulage als Forderung zu er-
      fassen, vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 2020 - XI R 8/18, BStBl. II 2020, S. 772.
38
      25 % von 1,6 Mio. Euro, § 4 Absatz 1 FZulG.
13

Finanzamt Steuervorauszahlungen in Höhe von 1 Mio. Euro festgesetzt. Die
Vorauszahlungen entsprechen der schließlich festgesetzten Steuer.

Alternative a)

Die G-GmbH zahlt die Steuervorauszahlungen in ungeminderter Höhe. Das Fi-
nanzamt rechnet die Steuervorauszahlungen 39 und die Forschungszulage 40 auf
die festgesetzte Steuer an:

Festgesetzte Körperschaftsteuer 2021            1 000 000 Euro

./. Steuervorauszahlungen                       1 000 000 Euro

= Zwischenergebnis Zahllast                               0 Euro

./. Forschungszulage                              400 000 Euro

= steuerfreie Erstattung 41                              400 000 Euro

Alternative b)

Zur Schonung ihrer Liquidität beantragt die G-GmbH die Minderung der Steu-
ervorauszahlungen von 1 Mio. Euro um den Anspruch auf Forschungszulage
i. H. v. 400 000 Euro. Antragsgemäß setzt das Finanzamt die Steuervoraus-
zahlungen auf 600 000 Euro herab. Nach der Veranlagung der Körperschaft-
steuer 2021 rechnet es die Steuervorauszahlungen 42 und die Forschungszu-
lage 43 auf die festgesetzte Steuer an:

Festgesetzte Körperschaftsteuer 2021            1 000 000 Euro

./. Steuervorauszahlungen                         600 000 Euro

= Zwischenergebnis                                400 000 Euro

./. Forschungszulage                              400 000 Euro

= Zahllast                                               0 Euro

Da die Forschungszulage nicht erstattet, sondern angerechnet wird, kann die
G-GmbH diese nicht steuerfrei vereinnahmen. Die Herabsetzung der Steuervo-
rauszahlung 2021 kostet die GmbH somit Steuern i. H. v. 60 000 Euro. 44

39
     § 31 Absatz 1 S. 1 KStG i. V. m. § 36 Absatz 2 Nummer 1 EStG.
40
     § 31 Absatz 1 S. 1 KStG i. V. m. § 36 Absatz 2 Nummer 3 EStG.
41
     § 10 Absatz 1 Satz 3 FZulG.
42
     § 31 Absatz 1 S. 1 KStG i. V. m. § 36 Absatz 2 Nummer 1 EStG.
43
     § 31 Absatz 1 S. 1 KStG i. V. m. § 36 Absatz 2 Nummer 3 EStG.
44
     15 % Körperschaftsteuer (§ 23 Absatz 1 KStG) auf 400 000 Euro.
14

Empfehlung: Eindeutige gesetzliche Regelung schaffen

Der Bundesrechnungshof empfiehlt deshalb, die Steuerfreiheit der Forschungs-
zulage alsbald rechtssicher normativ zu verankern. Hierfür erscheint beispiels-
weise eine Aufnahme der im Gesetzgebungsverfahren gestrichenen Regelun-
gen nach § 11 FZulG-Entwurf in das FZulG geeignet. Die Aufnahme der For-
schungszulage in den Katalog der Steuerbefreiungen nach § 3 EStG wäre nicht
gleichermaßen geeignet. So hätte dies die anteilige Kürzung von Betriebsaus-
gaben nach § 3c Absatz 1 EStG zur Folge. 45

Entsprechend sollte das BMF dem Gesetzgeber eine zur Rechtssicherheit bei-
tragende Formulierungshilfe zur Verfügung stellen.

Korn                                                       Dr. Dingendorf

45
       Vgl. Dreßler/Schwechel, Ubg 2020, S. 6 unter Verweis auf Kessler/Spychalski,
       DStR 2019, S. 2043, 2047.
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