Bericht des Fachbereichs Jugend und Sport für 2011
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2 BERICHT des Fachbereichs Jugend und Sport (FaJS) für das Jahr 2011 INHALTSÜBERSICHT TEIL A: ALLGEMEINES UND INFORMATIONEN 02 1. Tagesbetreuung und Informationen 02 2. Aktionswochen: DAS JUGENDAMT. Unterstützung, die ankommt 03 3. Kommunale Jugendarbeit 08 4. Koordinierender Kinderschutz (Koki) 12 5. Zehn Jahre Erziehungshilfen 14 TEIL B: JUGENDHILFEBERICHTERSTATTUNG BAYERN (JUBB) 19 1. VORWORT 19 2. BEVÖLKERUNG UND DEMOGRAPHIE 19 2.1 Einwohner und Geschlechterverteilung 13 2.2 Bevölkerungsstand und –entwicklung der Gemeinden im Landkris Starnberg insgesamt 19 2.3 Altersaufbau der Bevölkerung 20 2.5 Bevölkerungsprognosen und Entwicklung der Bevölkerungszahl der Minderjährigen 21 3. FAMILIEN- UND SOZIALSTRUKTUREN 23 3.1 Inanspruchnahme von Kindertagesbetreuung 23 3.2 Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss 24 3.3 Gerichtliche Ehelösung 26 4. JUGENDHILFESTRUKTUREN 27 4.1 Fallerhebung 27 4.2 Kostendarstellung 36 DATENQUELLEN 38 TEIL C: SCHLUSSBEMERKUNGEN 39 1. Kinderschutzgesetz 39 2. Rückblick des bisherigen Fachbereichsleiters 39 3. Abschluss 44
3 TEIL A: ALLGEMEINES UND INFORMATIONEN 1. TAGESBETREUUNG und INFORMATIONEN Der Fachbereich Jugend und Sport ist im Rahmen der Gesamtverantwortung der Jugendhilfeplanung an der Bedarfsplanung für die Kindertagesbetreuungsplätze beteiligt. Der Bedarf für Krippenplätze steigt ständig und zum 01.08.2013 soll in allen Gemeinden ein bedarfsgerechtes Angebot auch für Kin- der unter drei Jahren zur Verfügung stehen. Hier besteht die besondere Problematik für die Planung der Hortplätze, dass zum Teil betreute Mittags- tische angeboten werden, die bis 14 Uhr oder 15.30 Uhr geöffnet haben. Auch die gebundenen Ganz- tagsklassen decken einen Teil des Bedarfs ab. Schwierig ist es jedoch für die Eltern die Rand- und Ferienzeiten abzudecken. Unter den Randzeiten wird verstanden, dass die Mittagsbetreuung um 15.30 Uhr endet, aber z. B. die alleinerziehende Mutter berufsbedingt nicht vor 17 Uhr zuhause ist bzw. die 13 Wochen Ferien nicht mit Urlaub abdecken kann. Damit wird deutlich, wie schwierig die bedarfsgerechte Planung für diese Tagesbetreuung unserer Kinder im Landkreis ist. Zur konkreten Bedarfsplanung für alle Gemeinden wurden im Sommer 2011 die Eltern schriftlich be- fragt, welchen Bedarf sie künftig für die Betreuung ihrer Kinder haben. Es wurden 4938 Erhebungsbö- gen verschickt, die Rücklaufquote betrug 42% und folgende Betreuungsplätze angegeben: 484 Plätze für unter 3-Jährige 651 Plätze für Schulkinder Für die unter 3jährigen ergibt sich Ende 2011 folgender Ausbaustand nach Gemeinden: Bereits am 1.Juli 2011 ist ein neues Vormundschaftsrecht in Kraft getreten, das eine stärkere Ver- pflichtung und zahlenmäßige Beschränkung für die bestellten Pfleger und Vormünder gebracht hat. Inwieweit sich daraus personelle Konsequenzen ergeben, wird in einem bereits in Auftrag gegebenen Gutachten des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes geklärt.
4 2. AKTIONSWOCHEN: Im Mai wurden mit Unterstützung des Bundessozialministeriums für mehrere Wochen Aktionen mit dem Ziel die Aufgaben der Jugendämter besser bekannt zu machen, durchgeführt. Wir haben uns im Landkreis z. B. mit Presse- und Rundfunkinformationen und einem Videospot in den Breitwandkinos beteiligt. Daten und Fakten zu den Jugendämtern in Deutschland Organisation der Jugendämter In Deutschland gibt es 591 Jugendämter (Stand: 15.01.2011). Nach dem Kinder-und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) muss jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt ein Jugendamt einrichten (§ 69 Abs. 3 SGB VIII). Überörtliche Aufgaben wie z. B. die Fortbildung der Fachkräfte oder die Entwicklung von Empfeh- lungen und Arbeitshilfen nimmt in jedem Bundesland das jeweilige Landesjugendamt wahr. Für die Ausgestaltung und Umsetzung der Aufgaben ist der Landkreis zuständig. Die Verantwortung trägt der Landrat. IM LANDKREIS STARNBERG WURDE DAS JUGENDAMT 1987 BEIM EINZUG IN DAS NEUE LANDRATSAMT UMBENANNT. ES FÜHRT DEN NAMEN: FACHBEREICH JUGEND UND SPORT (FaJS). Aufbau und Organisation der Jugendämter unterscheiden sich je nach Größe und sozialer Struktur der Stadt oder des Landkreises, nach kommunalpolitischen Schwerpunktsetzungen und verwaltungsinter- nen Richtlinien. Die Organisationsstruktur der Jugendämter ist zweigliedrig: Ein Jugendamt besteht neben der Verwaltung aus dem Jugendhilfeausschuss, einem Entscheidungsgremium, das sich so- wohl aus Vertreterinnen und Vertretern politischer Parteien, als auch aus Fachkräften der Jugendhilfe vor Ort zusammensetzt. Gesetzlicher Auftrag der Jugendämter: Die Aufgaben der Jugendhilfe sind im Kinder-und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) geregelt. Oberster Auf- trag der Jugendhilfe ist es, junge Menschen in ihrer Entwicklung zu eigenverantwortlichen und ge- meinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu fördern. Die Leistungen und Aufgaben der Jugendhilfe wer- den gemeinsam von freien Trägern und vom Jugendamt erbracht. Nach dem Kinder-und Jugendhilfe- gesetz trägt das Jugendamt in doppelter Weise die Gesamtverantwortung: Sicherstellung der Infrastruktur: Das Jugendamt ist dafür verantwortlich, dass in der jeweiligen Stadt bzw. dem Kreis genügend gut erreichbare Angebote der Kinder-und Jugendhilfe zur Verfügung stehen. Die Angebote können durch freie Träger oder durch das Jugendamt selbst erbracht werden. Gewährleistungsverantwortung: Kinder, Jugendliche und Familien haben Ansprüche und Rechte. Das ist vorrangig das Recht auf Ent- wicklungsförderung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Per- sönlichkeit. Weitere Rechte sind z. B. das Recht auf Schutz vor Gefährdungen, das Recht auf einen Kindergartenplatz und das Recht auf Beteiligung. IN BAYERN HABEN DAS JUGENDAMT UND DIE KREISANGEHÖRIGEN GEMEINDEN GEMEINSAM DIE VERANTWORTUNG FÜR DIE REALISIERUNG DES BEDARFSGERECHTEN AUSBAUS DER KINDERTAGESEINRICHTUNGEN WIE Z. B. KRIPPEN, KINDERGÄRTEN, HORTE.
5 Das Jugendamt garantiert, dass die Rechtsansprüche erfüllt und gesetzliche Vorgaben eingehalten werden, auch wenn ein konkretes Angebot wie z. B. sozialpädagogische Familienhilfe von einem freien Träger durchgeführt wird. Die Aufgabenbereiche im Überblick Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und erzieherischer Kinder-und Jugendschutz. Zum Beispiel: Förderung der Jugendverbände, Jugendzentren, Projekte für benachteiligte Jugendli- che, Elternbildung zur Medienerziehung oder zur Suchtvorbeugung. In Deutschland profitieren Kinder, Jugendliche und Familien von etwa 18.000 Einrichtungen der Kinder-und Jugendarbeit (In LK Starnberg sind es 8 Jugendhäuser der Gemeinden mit Personalkostenzuschuss), die die Jugendämter direkt betreiben oder über finanzielle Zuwendungen fördern. Dort arbeiten 49.000 (11) Fachkräfte. 2008 wurden insgesamt 89.150 Maßnahmen der Jugendarbeit – außerschulische Jugendbildung, Kin- der-und Jugenderholung, internationale Jugendarbeit und Fortbildungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – von öffentlichen Stellen finanziell gefördert. 1 Förderung der Erziehung in der Familie Zum Beispiel: Familienbildung, Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung, Familienerholung, Bera- tung bei Trennung oder Scheidung der Eltern. Im Jahr 2008 haben die Jugendämter 119,3 Millionen Euro in die „Allgemeine Förderung der Familie“ investiert. 2 Kindertagesbetreuung Zum Beispiel: Kindergarten, Tagesmütter und -väter, Kinderkrippe, Hort. 92,6 % (1.922.168) aller Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren besuchten 2010 eine Kindertageseinrichtung (Kita). Im LK Starnberg gibt es ca. 3.900 Kinder im Kindergartenalter. In 72 Einrichtungen stehen 3.869 Plätze zur Verfügung, die von 3.217 Kindern besucht werden. Hinzu kommen noch 147 Kinder unter 3 Jahren, die doppelt zählen. 23,1 % (472.000) aller Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren wurden 2010 in Kindertageseinrichtungen oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. Im LK Starnberg leben 3.450 Kinder unter 3 Jahren. In 22 Krippen stehen 426 Plätze zur Verfügung. 461 Kinder belegen diese Plätze. Dies ist möglich, weil nicht alle Kinder jeden Tag die Krippe besuchen. Die aktuelle Versorgungsquote liegt bei 27,3 % und wird nach den Planungen bis zum 1. August 2013 bei 40 % liegen. Der Ausbau der Kinderbetreuung, insbesondere für unter Dreijährige, ist eine gesetzliche Aufgabe und aktuell ein zentraler Arbeitsschwerpunkt der Jugendämter vor Ort. Er umfasst sowohl quantitativ die Erweiterung des Platzangebots, wie auch qualitativ z. B. die Umsetzung des Bildungsauftrags in der frühkindlichen Erziehung. 3 Hilfen zur Erziehung Zum Beispiel: Erziehungsberatung, sozialpädagogische Familienhilfe, Gruppenangebote zum sozialen Lernen, Erziehungsbeistandschaften, Erziehung in einer Pflegefamilie, Heimerziehung, intensive sozial- pädagogische Einzelbetreuung. 2009 hat für 509.404 (305) junge Menschen eine Hilfe zur Erziehung begonnen. Insgesamt wurden 954.398 (626) Kinder, Jugendliche und junge Volljährige von Leistungen der Hilfen zur Erziehung er- reicht. Rechnerisch nahmen damit etwa 6 % (2,64 %) eine entsprechende Leistung in Anspruch. Hilfen zur Erziehung sind zu einem großen Teil ambulante Leistungen. 442.836 (1.815) Kinder, Jugendli- che und Erziehungsberechtigte nutzten 2009 die Angebote der Erziehungsberatungsstellen. 226.421 weitere ambulante Hilfen erreichten zudem 346.288 (165) junge Menschen im Rahmen von anderen 1 Quelle: Statistisches Bundesamt (www.destatis.de), Pressemitteilung Nr. 485 vom 14.12.2009 2 Quelle: Arbeitsstelle Kinder-und Jugendhilfestatistik an der Technischen Universität Dortmund (http://www.akjstat.uni- dortmund.de) 3 Quelle: Statistisches Bundesamt (www.destatis.de), Pressemitteilung Nr. 409 vom 10.11.2010
6 Angeboten wie z. B. sozialpädagogische Familienhilfe und leisteten einen Beitrag zur Ergänzung und Unterstützung familiärer Erziehung. Die Notwendigkeit einer Vollzeitpflege oder Heimerziehung war 2009 bei 165.274 jungen Menschen gegeben: 69.972 (53) lebten bei Pflegefamilien und 95.302 (104) in Heimen oder betreuten Wohnformen. 4 Kinderschutz Zum Beispiel: Hilfen für Kinder, die in ihrer Entwicklung gefährdet sind, körperlich misshandelt oder sexuell missbraucht werden, Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen. 33.700 Kinder und Jugendliche wurden 2009 durch die Jugendämter in Obhut genommen (5; wegen der geringen Zahl wurde keine weitere Auswertung vorgenommen). Eine Inobhutnahme ist eine kurzfristige Maßnahme der Jugendämter zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, wenn sie sich in einer akuten, sie gefährdenden Situation befinden. Jugendämter neh- men Minderjährige auf deren eigenen Wunsch, auf Wunsch der Erziehungsberechtigen oder auf Initia- tive Anderer (etwa der Polizei oder von Erzieherinnen bzw. Erziehern) in Obhut und sorgen dafür – meistens für Stunden oder einige Tage – dass sie an einem geschützten Ort gut betreut in Sicherheit sind. 24 % (8.212) der Inobhutnahmen wurden auf eigenen Wunsch und 75 % (25.188) von Amts wegen auf- grund akuter Gefährdung veranlasst. 1 % (310) der Inobhutnahmen waren so genannte Herausnahmen, das heißt, die Kinder wurden gegen den erklärten Willen der Sorgeberechtigten zu ihrem Schutz in Obhut genommen. Für die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen gibt es vielfältige Gründe, z.B.: Bei 44 % (14.756) ist die Überforderung der Erziehungsberechtigten der Grund. Bei 22 % (7.231) waren Beziehungsprobleme ausschlaggebend. Knapp 2 % (612) erfolgten aufgrund von Anzeichen für sexuellen Missbrauch. Weil eine Gefährdung des Kindeswohls anders nicht abzuwenden war, haben die Gerichte in Deutsch- land im Jahr 2009 in etwa 12.200 (3) Fällen den vollständigen oder teilweisen Entzug der elterlichen Sorge angeordnet. In etwa 9.500 Fällen übertrugen die Gerichte das Sorgerecht ganz oder teilweise auf Verwandte, Anwälte oder die Jugendämter. In den übrigen Fällen wurde das Sorgerecht z.B. von Einzelpersonen übernommen. 5 Beistandschaft, Vormundschaft, Pflegschaft Zum Beispiel: Beratung und Unterstützung Alleinerziehender u. a. bei der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft oder der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (Beistandschaft); Ausübung des Sorgerechts durch das Jugendamt oder durch einen Einzelvormund, wenn Eltern die Interessen ihrer Kinder nicht (Vormundschaft, z. B. nach einem Sorgerechtsentzug oder bei minderjährigen Müttern) oder nur zum Teil (Pflegschaft) vertreten können oder dürfen 2009 unterstützten die Jugendämter 640.151 (718) Kinder und Jugendliche durch eine Beistandschaft. Eine Beistandschaft kann von Alleinerziehenden beantragt werden. Im Lk wurde ca. 1 Mio. Euro von den Vätern vereinnahmt und für die Kinder ausbezahlt. Für 31.082 (13) Kinder und Jugendliche hat das Jugendamt zu diesem Zeitpunkt nach einem Sorge- rechtsentzug die Vormundschaft ausgeübt. 6 Adoption Vermittlung von Kindern, die zur Adoption freigegeben wurden, Mitwirkung bei Auslandsadoptionen. 4 Quelle: Arbeitsstelle Kinder-und Jugendhilfestatistik an der Technischen Universität Dortmund (http://www.akjstat.uni- dortmund.de) 5 Quellen: Statistisches Bundesamt (www.destatis.de), Pressemitteilung Nr. 234 vom 25.06.2009, Statistisches Bundesamt (www.destatis.de), Pressemitteilung Nr. 250 vom 15.07.2010 Statistisches Bundesamt (www.destatis.de), Kinder-und Ju- gendhilfestatistiken, Vorläufige Schutzmaßnahmen 2009 6 Quelle: Statistisches Bundesamt (www.destatis.de), Kinder-und Jugendhilfestatistiken – Pfleg-, Vormund-, Beistandschaften, Pflegeerlaubnis 2009
7 2009 vermittelten die Jugendämter 3.888 Adoptivkinder. In etwa der Hälfte der Fälle handelte es sich dabei um Stiefkind-und Verwandtenadoptionen. 7 Hilfe für Jugendliche im Strafverfahren Zum Beispiel: Mitwirkung bei Gerichtsverfahren gegen straffällige Jugendliche, Vermittlung von Täter- Opfer-Ausgleich, soziale Trainingskurse. Im Jahr 2008 begleitete und unterstützte jeder Jugendge- richtshelfer durchschnittlich 300 (270) Jugendliche in ihren Strafverfahren. 8 Elterngeld, Unterhaltsvorschuss In vielen Bundesländern sind Jugendämter zuständig für die Auszahlung des Elterngeldes und unter- stützen Alleinerziehende finanziell durch Vorschusszahlungen und bei der Durchsetzung ihrer Rechte, z. B. wenn Väter ihren Unterhaltspflichten nicht nachkommen. Fachkräfte in der Kinder-und Jugendhilfe In den Arbeits-und Handlungsfeldern der Kinder-und Jugendhilfe wurden Anfang 2007 knapp 80.0000 Einrichtungen und etwa 619.000 tätige Personen gezählt. 69 % der Beschäftigten arbeiteten in Kindertageseinrichtungen, 12 % in Diensten und Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung, 7 % im Bereich der Kinder-und Jugendarbeit und 6 % in den Jugendamtsver- waltungen. Zu über 80 % verfügen die Beschäftigten in der Kinder-und Jugendhilfe über einen sozial- pädagogisch einschlägigen Berufsabschluss. 9 Ausgaben für die Kinder-und Jugendhilfe 26,9 Milliarden Euro war Bund, Ländern und Gemeinden in 2009 die professionelle Unterstützung, Bera- tung und Begleitung von Kindern, Jugendlichen und Familien wert: Dieses Volumen wurde insgesamt in die Leistungen der Kinder-und Jugendhilfe investiert – eine Steigerung um 9,4 % (2,3 Milliarden Eu- ro) gegenüber 2008. Hauptgründe für diesen Kostenanstieg sind der qualitative und quantitative Aus- bau der Kindertagesbetreuung und der gestiegene Bedarf an Hilfen zur Erziehung. Denn immer mehr Familien benötigen Unterstützung, wenn es um Erziehung geht. Der Landkreistag teilte zur Haushalts- entwicklung der Jugendhilfe folgendes mit: „Bund, Länder und Kommunen haben im Jahr 2009 26,9 Mrd. € für Leistungen der Kinder- und Jugend- hilfe ausgegeben. Diese Bruttoausgaben sind gegenüber dem Vorjahr um 9,4% angestiegen. Die Ein- nahmen betrugen 2,6 Mrd. €, so dass die öffentliche Hand Netto 24,3 Mrd. € für die Jugendhilfe im Jahr 2009 aufgewendet hat (plus 9,2% gegenüber 2008). Der Nettoaufwand bei der Kindertagesbetreuung lag mit 14,6 Mrd. € auch um knapp 12% höher als im Vorjahr 2008. Der nach der Kindertagesbetreuung finanziell bedeutsamste Teil der Ausgaben sind die Hilfen zur Erziehung. Hier betrugen die Bruttoaus- gaben 7,1 Mrd. €.“ Für den Landkreis Starnberg sieht die Entwicklung wesentlich besser aus, wie aus folgender Tabelle zu ersehen ist. 2008 2009 2010 2011 Ausgaben 7.488.104 7.797.106 7.827.632 8.145.382 Einnahmen 1.428.429 1.641.264 1.716.479 1.795.030 Nettoausgaben 6.048.942 6.155.842 6.111.153 6.350.352 7 Quelle: Statistisches Bundesamt (www.destatis.de), Pressemitteilung Nr. 273 vom 04.08.2010 8 Quelle: Hoops, Sabrina/Holthusen, Bernd: Das Jugendgerichtshilfeb@rometer. Aktuelle Daten zu Organisation, Kooperation und aktuellen Entwicklungen der Jugendhilfen im Strafverfahren. 9 Quellen: Arbeitsstelle Kinder-und Jugendhilfestatistik an der Technischen Universität Dortmund (http://www.akjstat.uni- dortmund.de): KomDat Jugendhilfe, 2008, Heft 1&2 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutsch- land 2010, (www.bildungsbericht.de)
8 60,2 % (16,2 Milliarden Euro) der Gesamtausgaben flossen in die Kindertagesbetreuung. So wurde der Ausbau der Infrastruktur voran gebracht, die Eltern die Balance zwischen Beruf und Familie, sowie Kindern eine positive Entwicklung ermöglicht. 26,4 % (7,1 Milliarden Euro) wurden für Hilfen zur Erzie- hung aufgewendet, die Kindern, Jugendlichen und Familien helfen, Probleme, Konflikte und Krisen zu meistern. 5,8% (1,6 Milliarden Euro) gaben Bund, Länder und Gemeinden für Maßnahmen und Einrich- tungen der Jugendarbeit aus, zum Beispiel für außerschulische Jugendbildung, Kinder-und Jugender- holung oder Jugendzentren. 0,5 % (142 Millionen Euro) wurden für den Schutz von Kindern aufgewendet. Dazu zählt insbesondere die Inobhutnahme bei Gefährdung des Kindeswohls. 10 Geschichte des Jugendamtes in Deutschland: von der Gründung bis heute Das Jugendamt als örtlicher Träger der Jugendhilfe ist eine etwa 100 Jahre alte Institution. Die Existenz des Jugendamtes geht auf das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) von 1922 zurück, das erstmals Kommunen verpflichtete, eigenständige Jugendämter einzurichten. Nach 1933 übernahm das NS-Regime die Kontrolle über die Jugendwohlfahrt und übertrug Bürger- meistern und Landräten die Geschäftsführung der Jugendämter. Von 1947 bis 1953 waren die Jugendämter dem Innenministerium zugeordnet. 1953 wurde die öffentliche Jugendhilfe wieder in die Selbstverwaltung der Kommunen überführt. Das RJWG wurde erneut in Kraft gesetzt und die Einrichtung von Jugendämtern, die seither aus der Ju- gendamtsverwaltung und dem Jugendhilfeausschuss bestehen, wieder vorgeschrieben. Jugendamtsleitungen in STA Bis 1966 Frau Edith Liphart Bis 1971 Herr Josef Wolfstetter Bis 1983 Herr Herrmann Wiesel Seither Herr Bernhard Frühauf Am 11. August 1961 wurde das RJWG in „Jugendwohlfahrtsgesetz“ (JWG) umbenannt. Die Gesetzes- novelle führte erstmals individuelle Rechtsansprüche auf Leistungen der Jugendhilfe ein und stärkte die Position der freien Träger. Ende 1990 verabschiedete der Bundestag das Kinder-und Jugendhilfegesetz (KJHG), SGB VIII, das einen Wandlungsprozess anstieß: Das Jugendamt entwickelte sich zur dienstleistungsorientierten Fachbehörde. Neben der Schaffung einer kinderfreundlichen Umwelt und der Förderung junger Men- schen rücken vor allem die Beratung und Unterstützung von Eltern bei der Erziehung in den Mittel- punkt. Der Hilfe zur Selbsthilfe, der Beteiligung der Betroffenen an allen Entscheidungen und der Auto- nomie der Familie kommt ein hoher Stellenwert zu. Nur wenn Eltern Unterstützung ablehnen, ihre Er- ziehungsverantwortung aber nicht ausreichend wahrnehmen oder sie missbrauchen, ist das Jugend- amt verpflichtet, unmittelbar den Schutz und das Wohl von Kindern zu gewährleisten. Dazu kann es auch im Zusammenwirken mit dem Familiengericht die Rechte von Eltern begrenzen. Gesetzliche Neuregelungen konkretisierten in den vergangenen Jahren vor allem die Aufgaben des Jugendamtes zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bei Gefährdungen und bauten die Kinderta- gesbetreuung weiter aus. 11 Daten und Fakten zur Situation von Familien, Kindern und Jugendlichen in Deutschland Kinder, Jugendliche und Familien in Deutschland: 2009 lebten insgesamt 81,8 Millionen Menschen in Deutschland. Davon waren 20,3 Millionen (32.195) Kinder und Jugendliche bis 25 Jahre, 11 Millionen (19.671) unter 15 Jahre und 9,3 Millionen (12.524) 15 bis 25 Jahre alt. Die Gesamtzahl aller Familien in Deutschland betrug 2009 11,9 Millionen: 71 % (8,5 Millionen) der Familien waren Ehepaare mit Kindern. 10 Quelle: Statistisches Bundesamt (www.destatis.de), Pressemitteilung Nr. 477 vom 20.12.2010 11 Quellen: Schilling, Johannes (1997): Soziale Arbeit. Entwicklungslinien der Sozialpädagogik/ Sozialarbeit. Neuwied u.a. Merchel, Joachim (2003): Trägerstrukturen der sozialen Arbeit. Eine Einführung. Weinheim, München.
9 22 % (2,6 Millionen) alleinerziehende Mütter und Väter mit Kindern. 07 % (808.000) Lebensgemeinschaften mit Kindern. Unabhängig von den Formen des Zusammenlebens stellt Erziehung für viele Familien eine echte Her- ausforderung dar. Das zeigt der steigende Beratungsbedarf: 2009 hat für mehr als 500.000 Kinder, Ju- gendliche und junge Erwachsene in Deutschland eine erzieherische Hilfe begonnen. Gründe für die Unterstützung sind unter anderem: Belastung der jungen Menschen durch familiäre Konflikte, einge- schränkte Erziehungskompetenz der Eltern, unzureichende Förderung, Betreuung und Versorgung in der Familie sowie schulische oder berufliche Probleme der jungen Menschen. 3. Kommunale Jugendarbeit gemäß § 11 KJHG Kinder- und Jugendfreizeiten Mediencamp Unter dem Motto „Film ab!“ wurde in den Osterferien in der Jugendherberge Possenhofen ein Medi- encamp angeboten, das von 18 Kindern im Alter von 9 bis 11 Jahren besucht wurde. Im Rahmen der Imagekampagne „Das Jugendamt. Unterstützung, die ankommt.“ wurde ein Werbespot entwickelt und gedreht, der immer noch in den Breitwand Kinos im Landkreis Starnberg gezeigt wird. In einer Ab- schlussveranstaltung wurden außerdem den Familien und Freunden der Mediencamp-Teilnehmer weitere Kurzfilme, die basierend auf den Filmideen der Kinder entwickelt, gedreht und nachbearbeitet wurden, präsentiert. Die Kinder konnten neben anderen vielfältigen Aktivitäten (Gruppenspiele, sportli- che Angebote...) als Schauspieler in verschiedene Rollen schlüpfen sowie Regie und Kamera führen und beim Filmschnitt und Nachvertonen mitwirken. Familienfreizeiten Für alleinerziehende Elternteile mit Kind/ern wurde in den Pfingstferien eine Fahrt nach Kroatien durchgeführt. Die Schwerpunkte dieser sozialpädagogischen Freizeit tragen gerade den psychosozia- len Problemen der Alleinerziehenden Rechnung, indem sie die Isolation in der sich viele Frauen und Männer nach Verlust des Partners befinden aufbrechen, den Kindern Spiel und Spaß vermitteln und allen zusammen für kurze Zeit ein Fliehen aus ihren Alltagsproblemen ermöglicht. Gerade die Grup- penerlebnisse können hierbei einen wichtigen Beitrag leisten, um Frauen, Männern und Kindern wie- der ein positives Lebensgefühl zu vermitteln. Dabei stehen das Miteinander und der Freizeitcharakter im Vordergrund. Der Erfolg dieser Familienfreizeit zeigt sich u. a. in den lachenden und entspannten Gesichtern der Teilnehmer am Ende der Woche und den neu geknüpften Freundschaften. Die Nach- frage nach dieser Maßnahme ist immer wieder sehr groß. Leider mussten wir mehreren Müttern und Väter absagen. Aus der Freizeit entwickelte sich ein ständiger Stammtisch für Alleinerziehende in Starnberg. Offene Jugendarbeit Die Unterstützung der offenen Jugendarbeit ist ein Schwerpunkt der Tätigkeit der kommunalen Ju- gendarbeit im Fachbereich Jugend und Sport. Diese ist neben den gesetzlichen Grundlagen im KJHG auch im Kommunalen Jugendplan (KJPl) des Landkreises festgeschrieben. Der KJPl wurde im Be-
10 richtsjahr fortgeschrieben und wird 2012 den Ausschüssen und dem Kreistag zur Beschlussfassung vorgelegt. Kreisjugendpfleger Eduard Zenger hält sehr engen Kontakt zu den Jugendhäusern der Gemeinden im Landkreis und berät die Träger und Verantwortlichen bei der Entwicklung von Konzepten und der prak- tischen Realisierung. Seit Dezember wurde die Fachaufsicht für die hauptamtlichen Pädagogen in Starnberg, Herrsching, Seefeld, Pöcking und Tutzing übernommen. Zurzeit gibt es 10 Einrichtungen der offenen Jugendarbeit mit unterschiedlichen Konzepten und Rahmenbedingungen. Arbeitskreis Offene Jugendarbeit Im Landkreis existiert seit 20 Jahren ein Arbeitskreis Offene Jugendarbeit unter der Federführung des Kreisjugendpflegers für die hauptamtlichen pädagogischen MitarbeiterInnen und für ehrenamtliche MitarbeiterInnen. Der Arbeitskreis trifft sich regelmäßig. Hier finden eine kollegiale Beratung, ein fach- licher Austausch und eine organisatorische Absprache der Aktivitäten statt. a) Hauptamtliches Personal: Für alle hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter und Mitarbeiterin- nen in den Jugendhäusern werden monatlich kollegiale Beratungen unter der Federführung des Teams durchgeführt und Koordination angeboten. b) Ehrenamtliche Mitarbeiter: Beratungstreffen mit ehrenamtlichen Mitarbeitern der Jugendhäuser werden regelmäßig durchgeführt. c) Seminare: Im Frühjahr und Herbst wurden Klausurtage für hauptamtliches Personal im Jugend- bergheim Dr. Max Irlinger in Unterammergau durchgeführt. Themen waren Produktbeschreibun- gen, Konzepte in offenen Einrichtungen, Outdooraktivitäten, Projektmanagement. Kommunale Jugendarbeit gemäß § 14 KJHG erzieherischer Kinder-und Jugendschutz Aktionen Der Landkreis Starnberg hat unter dem Motto „Sei IN - trink mit Verstand“ und „Wir HALTen uns da- ran - dir zuliebe“ für ein kritisches Bewusstsein gegenüber dem eigenen Alkoholkonsum präventive Aktionen durchgeführt. Gemeinsam mit Fachleuten erarbeitete der Fachbereich Jugend und Sport ein Konzept, um die illegale Abgabe von Alkohol zu verhindern. Dazu wendete er sich an Supermärkte, Tankstellen, Getränkemärk- te, Gaststätten und MitarbeiterInnen der Jugendarbeit. Das Verkaufs- und Kassenpersonal wurde zu den gesetzlichen Grundlagen des Jugendschutzgesetzes geschult. In Rollenspielen wurden typische Grenzsituationen nachgespielt. Damit konnte eine höhere Sensibilität und somit Stärkung des Personals bei den Auseinandersetzungen mit den jugendlichen
11 Kunden erreicht werden. 2006 wurde das Konzept „Gütesiegel 5 aus 7“ für ehrenamtliche Betreiber von Festen entwickelt und kommt seither bei vielen Landkreisveranstaltungen zur Anwendung. Es wurden 22 Anträge gestellt und erteilt Für die Schulungen der MitarbeiterInnen der Jugendarbeit kann ein Methodenkoffer (Rauschbrillen, Promillerechner) entliehen werden. Diese Angebote konnten wir nur in Zusammenarbeit mit unseren Partnern (Arbeitskreis Offene Jugendarbeit, Arbeitskreis Sucht, Kreisjugendring, Polizei, Hotel- und Gaststättenverband, Gewerbeverband und Ordnungsämter) durchführen und weiterentwickeln. Des Weiteren beteiligt sich der Landkreis am Projekt „HaLT“. HaLT ist ein Suchtpräventionsprojekt, das aus zwei unterschiedlichen Bausteinen besteht, die sich gegenseitig ergänzen und verstärken. Im reaktiven Projektbaustein werden Jugendliche nach statio- när behandelter Alkoholvergiftung im Rahmen des sogenannten „Brückengespräch“ meist noch im Krankenhaus angesprochen. Zusätzlich zu diesen Einzelberatungen für betroffene Jugendliche (und ihre Eltern) erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem riskanten Konsumverhalten im Rahmen eines 8 bis 12-stündigen Gruppenangebotes. Neben der Zusammenarbeit mit den Kliniken gibt es, regional unterschiedlich, weitere Schnittstellen, um Jugendliche mit riskantem Alkoholkonsum frühzeitig zu erreichen, z.B. zur Jugendberufshilfe, Ärz- te, Schul- bzw. Jugendsozialarbeit oder zur Justiz. Ergänzend zu diesem Ansatz im Bereich der indizierten Prävention steht eine kommunal verankerte Präventionsstrategie mit dem Ziel, Alkoholexzesse und schädlichen Alkoholkonsum im Vorfeld zu ver- hindern. Schlüsselbegriffe für diesen proaktiven Projektbaustein sind Verantwortung und Vorbildverhalten von Erwachsenen im Umgang mit Alkohol, die konsequente Einhaltung des Jugendschutzgesetzes an Fes- ten, in der Gastronomie und im Einzelhandel, sowie eine breite Sensibilisierung der Bevölkerung. Wäh- rend der reaktive Baustein die Zielgruppe der riskant Alkohol konsumierenden Jugendlichen anspricht, wendet sich also der proaktive Baustein vorwiegend an Erwachsene. Leitfaden für die Genehmigung von Festen Die Kommunale Jugendarbeit erarbeite einen Entwurf für einen „Leitfaden für die Genehmigung von Festen“, der mit der Polizei, den Ordnungsämtern und den zuständigen Fachstellen im Landratsamt diskutiert wurde. Die Verabschiedung soll 2012 erfolgen. Jugendbergheim Dr. Max Irlinger Das Jugendbergheim des Landkreises Starnberg in Unterammergau ist nach der grundlegenden Re- novierung 1988/89 zu einer beliebten und zentralen Einrichtung für Jugenderholungs- und Jugendbil- dungsmaßnahmen sowie Schullandheimaufenthalten geworden. Es ist ausschließlich als Selbstversorgerhaus ausgelegt und trotz kleinerer Beanstandungen funktioniert der Betrieb überra- schend gut. Jährlich finden ca. 5.000 Übernachtungen statt. Ab 2012 werden die Übernachtungsgebüh- ren geringfügig erhöht und ähnlichen Häusern angepasst. Jugendsegelboot "Shanty" Das Jugendsegelboot "Shanty" des Landkreises liegt wieder am Starnberger See an einer Boje bei der DLRG Rettungsstation. 87 Jugendliche konnten durch erlebnispädagogische Maßnahmen an den Se- gelsport herangeführt werden und somit ein niederschwelliges Präventivangebot nutzen. Das Segel- boot steht auch dem Verein Brücke Starnberg e.V. für ihre Maßnahmen zur Verfügung und wird von diesem auch genutzt.
12 Förderung der Jugendarbeit § 12 KJHG Zusammenarbeit mit freien Trägern Das Team Jugendarbeit arbeitet und kooperiert sehr eng mit dem Kreisjugendring Starnberg. Diese Zusammenarbeit ist historisch und räumlich bedingt. Eine Jugendpflegerstelle ist zu 80 % seiner Arbeitszeit mit der Geschäftsführung des Kreisjugendrings beauftragt. Zum Beispiel werden die Gerätschaften gemeinsam verwaltet und an Jugendgruppen und Jugendhäuser verliehen. Ebenso werden auch gemeinsame Veranstaltungen/Freizeiten vorbereitet und durchgeführt. Fortbildungsprogramm Das Fortbildungsprogramm für ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Jugendarbeit wird in Zusammenarbeit mit dem Kreisjugendring als "Baukasten" herausgegeben. Diese Angebote werden als Mittel zur Sicherung des fachlichen Standards und zur Förderung der per- sönlichen und beruflichen Identität zur Verfügung gestellt und leisten damit einen Beitrag zur Qualifi- zierung und Profilierung der Jugendarbeit im Landkreis. Folgende Seminare und Infoveranstaltungen wurden angeboten: Digitalfotografie, 1. Hilfekurs, Vorbereitungsseminar für Betreuer und Betreuerinnen; Jugendleiter- grundkurs in 2 Teilen; Bereitstellung von Geräten und Serviceleistungen Die Öffnungszeiten an den Ausleihtagen (Montag und Donnerstag) wurde erweitert und das Service- angebot wurde ausgebaut (Beamer, Filmequipment) Jugendleiter-Card Zur Unterstützung der Arbeit der Jugendverbände hat der Landkreis die Ausgabe der Jugendleiter- Card durchgeführt. Es wurden 15 Jugendleiterkarten bearbeitet und 11 Jugendleiterkarten ausgege- ben. Bericht zur Medienpädagogik Kinder und Jugendliche werden zunehmend durch die Medien beeinflusst, welche verschiedenste Chancen und Risiken mit sich bringen. Bereits in der Schule und später in der Berufswelt wird der sinnvolle Umgang mit den Medien voraus- gesetzt. Umso wichtiger ist es deshalb für die junge Generation, Medienkompetenz zu entwickeln. Das soll im Landkreis durch verschiedene medienpädagogische Angebote unterstützt werden:
13 Das Kinderkino Die Konzeption des Kinderkinos wurde in den vergangenen Jahren bereits genauer dargestellt. In der Spielsaison 2010/2011 konnten die Besucherzahlen wieder gesteigert werden (2006/2007: 437 registrierte Besucher): Monat Berg Pöck- Felda- Gauting Gauting Krailling Machtl- Andechs Wörth Wess- Inning Tut- Gil- Ges. ing fing Hort Juze fing -see ling zing ching Okt. 13 3 32 38 13 17 6 21 41 14 18 22 0 Nov. 5 20 48 - 14 26 14 5 33 - 29 18 0 Dez. 3 1 33 28 11 18 6 7 25 - 9 11 0 Jan. 18 8 37 - 6 23 6 50 13 15 20 10 24 Feb. 12 2 25 29 0 6 6 15 14 12 24 11 0 März 6 0 34 - 20 33 11 5 25 18 10 12 2 April 0 2 22 25 9 10 11 32 14 16 - - 0 Mai 0 1 8 - 3 9 14 17 4 - 14 2 Ges. 57 37 239 120 76 142 60 149 182 79 110 98 28 1377 (Die Besucherzahlen der Breitwand-Spielstellen Starnberg, Seefeld und Herrsching konnten nicht erfasst werden.) Die kleinen Zuschauer konnten beispielsweise „Kiriku“, „Das fliegende Klassenzimmer“, „Winky will ein Pferd“, „Emil und die Detektive“, „Karlsson vom Dach“ oder „Die Hexe Lilli“ genießen. In der Ge- meinde Andechs findet darüber hinaus seit Herbst 2011 alle 2 Monate Jugendkino statt, was regen Zuspruch findet. Medienpädagogische Schulung Um die Filmemacher im Landkreis Starnberg fit zu machen, wurde ein medienpädagogisches Schu- lungswochenende angeboten, an dem interessiertes Fachpersonal eines Kinderhortes und die Betreu- er des Mediencamps teilgenommen haben. Themen waren Dramaturgie, Kameraführung, Arbeit mit Gruppen, Umgang mit der Technik, Vorstellung des Schnittprogramms, sowie Tipps zum Filmschnitt. 4. KOORDIENIERENDE KINDERSCHUTZSTELLE (KOKI) Fachkräfte / Personelle Besetzung: Susanne Schneider, Dipl. Sozialpädagogin, Teilzeit (0,5) seit 1.5.2010, Teilzeit (0,65) ab 1.1.2012 Charis Gulder-Schuckardt, Dipl. Sozialpädagogin, Teilzeit (0,5) seit 1.4.2010 Susanne Gemander, Dipl. Sozialpädagogin (FH), Vollzeit seit 1.10.2010, Teilzeit (0,85) ab 1.1.2012 Qualifizierungsmaßnahmen: Alle drei Fachkräfte haben im 2. und 3. Quartal 2011 noch an den letzten KoKi-Fortbildungsblöcken (á 3 Tage) des Bayerischen Landesjugendamts teilgenommen. Eine Fachkraft besuchte darüber hinaus den KoKi-Fachtag im 2. Halbjahr 2011.
14 Außerdem nahmen die drei Fachkräfte zwei abteilungsinterne Supervisionen in Anspruch. Der Schwer-punkt lag auf der Reflexion der Arbeitsschwerpunkte der einzelnen Fachkräfte und der inter- nen Struktur. Netzwerkarbeit: Pflege der Adressliste aller Netzwerkpartner (nach Berufsgruppen/Institutionen sortiert) - Pflege der persönlichen Kontakte mit relevanten Netzwerkpartnern im Landkreis (Ärzte, Psychothe- rapeuten, Hebammen, Gesundheitsamt, Soziale Beratungsstellen) - Kontaktaufnahme mit neuen Netzwerkpartnern: z.B. Familiennetz Tutzing - Teilnahme am Arbeitskreis „Fraueninteressen“ - Organisation und Durchführung weiterer Treffen der Steuerungsgruppe „Netzwerk Frühe Kindheit im Landkreis Starnberg“ am 29.6. und 28.9.2011 incl. Vor- und Nachbereitung - Anonyme Fallberatung für Netzwerkpartner - Rundbriefe an Hebammen, Gynäkologen und Kinderärzte mit aktuellen Informationen - Erstellen eines „Verlaufsdiagramms“ als Hilfestellung für Ärzte, Hebammen und Krankenschwes- tern - Erstellen eines „Risikobogens“ als Instrument / Handreichung zur Einschätzung des Gefährdungs- potentials als Hilfestellung für Netzwerkpartner - Arbeit an einem sog. „Familienwegweiser“ für den Landkreis (Sammeln der Adressen, Einholen der weiteren Angaben mit Einverständniserklärung zum Abdruck) - Vorstellen der KoKi-Arbeit bei den Kollegen der Bezirkssozialarbeit - Vorstellen der KoKi-Arbeit bei den Kollegen der Erziehungsberatungsstelle - Teilnahme an zwei Netzwerktreffen des Amtes für Ernährung. Landwirtschaft und Forsten im Rah- men des Programms „Junge Eltern/Familien – Ernährung und Bewegung“ - Teilnahme an weiteren Netzwerktreffen (Caritas-Kinderhaus Krailling, Sozialforum Gilching, Kinder- schutzbund) - Teilnahme an der Jahreshauptversammlung des Ausländerbeirats - Besuch der „Schreibaby-Ambulanz“ des Kinderzentrums München im Rahmen des KoKi- Regionaltreffens am 16.1.2012 - Psychotherapeuten-Runde am 16.2.2012: gegenseitige Vorstellung und interprofessioneller Aus- tausch - Aufsuchen von 5 weiteren Psychotherapeuten in ihrer Praxis (Januar/Februar 2012) Öffentlichkeitsarbeit - Interview mit einer Familie nach dem Willkommensbesuch des Baby-Besuchsdienstes incl. Foto im Sinne eines Testimonials für eine Pressemitteilung - Abbau von Hemmschwellen gegenüber der Jugendhilfe durch Kontaktaufnahme des Baby- Besuchsdienstes mit den Familien. Die Motivation der Familie, Unterstützung in Form von Jugend- hilfe anzunehmen, wird dadurch erleichtert. - Organisation eines Fachvortrags zum Thema „Frühe Bindung“ in Zusammenarbeit mit der Gesund- heitsakademie des Klinikums Starnberg (Referentin: Prof. Dr. Behringer ) incl. Vor- und Nachberei- tung - Organisation eines Informationsabends zum Thema „SAFE-Kurs“ im Familienzentrum Starnberg (Referentin: Frau Wolff, Hebamme und SAFE-Mentorin) im Rahmen der Woche für Seelische Ge- sundheit in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt Starnberg Einzelfallarbeit - Anfragen zu Kinderbetreuung und Spielgruppen - Anfragen zu finanziellen Hilfen (Elterngeld, Erstausstattung, Stiftungsgelder Mutter und Kind) - Telefonische und persönliche Einzelberatung und Weitervermittlung von Hilfen (Themenbereiche u.a. Trennung, Wohnungssuche, psychische Probleme)
15 - Abklärung eines Jugendhilfebedarfs (Clearing) und Motivationsarbeit zur Inanspruchnahme von Jugendhilfe - Übergabegespräche an die Bezirkssozialarbeit je nach Fall zusammen mit oder ohne die Familie Baby-Besuchsdienst Im Berichtszeitraum wurden 351 Familien nach der Geburt ihres ersten Kindes mit einem Willkom- mensbrief angeschrieben, bei 264 Familien erfolgte ein Hausbesuch. In 22 Fällen war eine weitere Be- gleitung bis zur Weitervermittlung in geeignete Hilfen notwendig (vor allem Beratung für Alleinerzie- hende, bei Trennung und Scheidung sowie bei KlientInnen mit Migrationshintergrund). Sonstiges / Projekte - Entwicklung des Angebots eines „Sprachintegrationskurses“ mit Kinderbetreuung für ausländische Frauen als Kooperationsprojekt mit verschiedenen Institutionen des Landkreises (VHS, Ausländer- amt, Familienzentrum...) in Absprache mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF (incl. Gestaltung von Flyern) - Vorgespräche für die Durchführung eines SAFE-Kurses in Starnberg (Akquise von 2 Mentorinnen, Erstellen eines Exposés. Kontaktaufnahme mit dem Chefarzt der Frauenklinik und dem Förderverein der Klinik, Einholen eines Angebotes bei den Mentorinnen) 5. Zehn Jahre Erziehungshilfen Der langjährige Leiter des FaJS, Bernhard Frühauf, geht 2012 in Rente und der Jugendhilfeausschuss hat meinem Vorschlag die bisherige Vertreterin, Frau Merkl-Griesbach, zur Nachfolgerin zu ernennen zugestimmt. Sie schildert aus ihrer Erfahrung exemplarisch fünf Vorgänge, die laufend von den Be- zirkssozialpädagogen bearbeitet werden. 1. Beispiel Die Eltern waren verheiratet, haben einen Sohn und eine Tochter. Sie wohnten im eigenen Haus. Der Vater war selbstständiger Handwerker. Die Mutter verdiente als Reinigungskraft Geld dazu. Als Max 9 und Anna 7 Jahre waren, hatte der Fachbereich Jugend und Sport erstmals Kontakt zu der Familie. Der Vater verlor wegen Überschuldung seine Firma. Er trank und es kam immer häufiger zu häuslicher Gewalt zwischen den Eltern. Der Vater musste nach gerichtlicher Anordnung das Haus verlassen und wurde obdachlos. Es folgte die Scheidung. Die Mutter konnte den Kontakt zum Vater nie zulassen. Zur Mutter zog ein neuer Lebensgefährte. Dieser war arbeitslos und gewalttätig ihr gegen- über. Die Mutter trank immer häufiger. Max und er verstanden sich nicht. Anna passte sich stark an, zog sich zurück, hielt sich tagsüber viel bei Freundinnen auf. Dann lief Max von zu Hause weg und bekam bei der Familie des Freundes Unterschlupf. Er wollte nicht mehr zurück. Die Mutter war sehr enttäuscht, machte ihm Vorwürfe, war aber nicht bereit einer Unter- bringung in dieser Familie als Pflegefamilie zuzustimmen. Eine Sozialpädagogische Familienhilfe schlug sie ebenfalls aus. Letztendlich konnte sie eine Erziehungsbeistandschaft zulassen. Nach zweimonatiger, intensiver Arbeit der Sozialpädagogen konnte Max in einer heilpädagogischen Jugendwohngruppe mit Zustimmung beider Eltern untergebracht werden. Er hatte sehr viel aufzuholen: schulisch gab es trotz guter Begabung große Lücken. Er musste lernen sich an Regeln und Grenzen zu halten und mit seiner Wut und Trauer angemessen umzugehen. Thera- pie und Medikation halfen dabei. Nach 4 Jahren, in denen er hart an sich und seiner Vergangenheit gearbeitet hatte ist er mit knapp 18 Jahren so weit, dass er ins einzelbetreute Wohnen innerhalb der Einrichtung ziehen durfte. Nach gerade noch geschafftem Quali bewarb er sich vergeblich auf einige Stellen. Nach einem Ein- gangsqualifizierungskurs der Arbeitsagentur und einem Wechsel vom Bürokaufmann zum Informati- onselektroniker wurde er vom Betrieb ins 2. Lehrjahr übernommen. Er ist ein interessierter Lehrling und ein guter Berufsschüler und machte zwischenzeitlich auch den Führerschein.
16 Seit letztem Sommer lebt er in einer eigenen Wohnung und wird durch die Einrichtung noch stunden- weise betreut. Im Sommer soll die Jugendhilfe eingestellt werden. Er hat eine gute Prognose. Nachdem Max aus der Familie war, beruhigte sich die Situation zu Hause etwas. Wegen gesundheitli- cher Einbrüche der Mutter und stationärem Aufenthalt in der Psychiatrie kam die 14 jährige Anna in eine Pflegefamilie. Diese engagiert sich sehr. Als die Mutter wieder aus dem Krankenhaus zurück kam, provozierte das Mädchen durch Diebstähle und Regelverstöße so, dass sie dort nicht mehr bleiben konnte. Eine Erziehungsbeistandschaft wurde für sie eingerichtet. Nachdem sich der Zustand der Mutter im- mer weiter verschlechterte und sich nicht mehr um die Tochter kümmern konnte wurde sie in dersel- ben Einrichtung wie ihr Bruder stationär untergebracht. Sie hatte große Probleme mit Stimmungsschwankungen, Wahrheit, Durchhaltevermögen und Ord- nung, aber es gelang ihr sich gut einzugewöhnen. Nach einem guten Quali verspielte sie sich selbst die Chance auf eine Lehrstelle. Sie besuchte dann das Berufsvorbereitungsjahr und bekam eine Lehrstelle in der Gastronomie. Trotz guter schulischer und praktischer Leistungen eckt sie immer wieder bei Kollegen, Vorgesetzten und Kunden an. Mittlerweile ist sie im Innenbetreuten Wohnen. Seit ein paar Monaten hat sie einen Freund, der sie zum Drogenkonsum brachte und zur Verwahrlosung der Wohnung. Es ist gerade nicht klar wie es mit ihr weitergehen wird. Beide Eltern sind weiter abgestürzt. Die Kinder haben keinen Kontakt zur Mutter, zum Vater nur gelegentlich und untereinander auch kaum noch. 2. Beispiel Die jungen Eltern haben 3 Kinder. Die Mutter ist körperbehindert, der Vater als trockener Alkoholiker hat gelegentlich Arbeit. Durch die Polizei erfuhren wir von der häuslichen Gewalt zwischen den Ehe- leuten. Sehr bald wurde klar, dass die Mutter an der Grenze ihrer körperlichen Belastung war. Sie brauchte morgens sehr lange um die Kinder zu wickeln und zu füttern Aufgrund Ihrer Behinderung konnte sie sich nicht selbstständig mit den Kindern außerhalb der Wohnung begeben. Der Vater, der meist zu Hause war, sah Kinderpflege, sowie Haushalt als Frauensache an. Alle Helfer aus der Familie wurden durch sein aggressives Verhalten vergrault, bzw. eingeschüchtert. Wenn die Kinder ihn störten, laut waren, weinten und Aufmerksamkeit wollten wurden sie bei verschlossener Tür in ihr Zimmer gesperrt, oder mit einem Kindersicherungsgitter auf kleinstem Raum gehalten. Wenn sie weiter störten wurden sie in ihre Bettchen gelegt, die Fenster verdunkelt und sie sollten auch am Tage schlafen. Er schrie sie an, hielt sie fest, parkte sie festgeschnallt im Hochstuhl vor dem Fernse- her. Die Mutter war nicht in der Lage dagegen vorzugehen. Des Weiteren hatte die Familie viele Schulden, der Verlust der Wohnung drohte. Zunächst wurde eine Tagesmutter aus der Nachbarschaft gewonnen, die täglich in die Familie kam um morgens die Kinder fertig zu machen, tagsüber mit Ihnen an die frische Luft zu gehen, spielt und abends hilft sie mit ins Bett zu bringen. Die Sozialpädagogische Familienhilfe leitete Schritt für Schritt die Eltern in der Erziehung, Pflege und Förderung der Kinder an. Allerdings war es kaum möglich Einblick in die desolaten finanziellen Ver- hältnisse zu bekommen. Der Verbleib in der viel zu kleinen Wohnung konnte gesichert werden. Die Mutter wurde bei Besorgungen für die Kinder begleitet und beraten, Spendenmittel beantragt, Le- bensmittel bei der Tafel organisiert, bei Paarproblemen gestützt und im liebevollen Umgang mit ihren Kindern bestärkt. Dies gefiel dem Vater nicht, sodass er die Helferin derart bedrohte, dass zunächst die Hilfe eingestellt wurde. Als die gerichtliche Herausnahme der Kinder aus der Familie im Raum stand, konnte die Familie wieder Sozialpädagogische Unterstützung annehmen. Die Kinder wurden zeitnah und entsprechend ihrem Bedarf gefördert. Sie waren in der Frühförderung, bekamen einem Integrationsplatz im Kinder- garten, heilpädagogischen Kindergarten, in der Förderschule, Heilpädagogischen Hort oder einen Platz in der Ganztagsklasse. Als das jüngste Kind im Ganztagskindergarten untergebracht war konnte sich der Familienhelfer zurückziehen.
17 Die Tagesmutter ist nach wie vor in der Familie und koordiniert die Termine der Kinder und hat einen Blick auf sie. Die Bezirkssozialpädagogin hält weiterhin Kontakt zur Familie durch die diversen Hilfen und dem weiterhin großen Bedarf der Kinder. 3. Beispiel Alex ist das Kind einer jungen Afrikanischen Mutter, die bereits drei Kinder mit ihrem Ehemann hatte. Sie wurde in Ihrer Heimat vergewaltigt. Monatelang verdrängte sie die Schwangerschaft. Kurz vor der Geburt kam sie zu dem Entschluss, dass sie das Kind zur Adoption frei geben wolle. Im Vorfeld der Geburt, gab es einige interessierte Elternpaare, die daran dachten, das Kind zu adoptie- ren. Obwohl körperliche Behinderung und Aids-Infektion ausgeschlossen werden konnten, sprangen die Bewerber ab, sodass der kleine Junge nach der Geburt zunächst in einem Kinderheim unterge- bracht werden musste. Dann fanden sich Adoptiveltern, die weltoffen waren. Nach 6 Wochen kam Alex in seine neue Familie. Er wuchs und gedieh! Es wurde die Absprache getroffen, dass die Familie jährlich einen Brief mit Bild über das Jugendamt an die leibliche Mutter schickt und über die Entwicklung des Kindes informiert. Die Mutter ist mehr- mals verzogen. Derzeit ist sie unbekannten Aufenthalts, sodass wir die letzte Post auch nicht mehr nachsenden konnten. Etwa zwei Jahre später nahm die Familie ein weiteres Kind, den kleinen Tom, wenige Wochen nach seiner Geburt, zunächst als Pflege- und später als Adoptivkind bei sich auf. Der Aufenthaltsort des aus Afrika stammenden Vaters war unbekannt. Seine leibliche Mutter war psychisch krank, sie hatte bereits mehrere Suizidversuche unternommen. Während der Schwangerschaft hat die Mutter illegale Drogen konsumiert und Psychopharmaka ein- genommen. Sie konnte sich trotz mehrerer Klinikaufenthalte gesundheitlich nicht dauerhaft stabilisie- ren, so dass es zu einem Sorgerechtsentzug kam. Zu dem Kind konnte sie, trotz jahrelanger Beratung und begleiteter Umgänge, keine Bindung entwickeln und sie zeigte keinerlei Einfühlungsvermögen. Schließlich entschied sie sich zur Adoptionsfreigabe. Aufgrund des ungünstigen Schwangerschafts- verlaufs litt Tom nach der Geburt unter massiven Schädigungen. Das Baby musste eine Entgiftung durchleiden. Außerdem zeigten sich eine ausgeprägte Hypertonie und eine Skoliose. Der Wach- Schlaf- Rhythmus des Säuglings war stark gestört. In seiner sprachlichen Entwicklung war er verzö- gert und er konnte seine Emotionen kaum steuern. Auf die Pflegeeltern, die sehr einfühlsam, engagiert und liebevoll auf den kleinen Jungen einzugehen verstanden, kam damit ein sehr hoher Betreuungs- und Förderaufwand zu, der sich auf alle Lebensbe- reiche erstreckte. Er erhielt Logo- Physio- und Ergotherapie. Viele Arzt- und Therapiebesuche mussten koordiniert wer- den. Auch das bereits angenommene Kind musste darin unterstütz werden, den „kleinen Bruder“ mit sei- nen Besonderheiten anzunehmen, die Eltern mit ihm zu teilen und gleichzeitig die eigene besondere Lebenssituation gut zu bewältigen. Tom besuchte später einen heilpädagogischen Kindergarten, um seine Integration weiter zu unterstüt- zen und in einem geschützten Rahmen den Umgang mit Gleichaltrigen in kleinen Gruppen zu erlernen. Durch die intensive Begleitung und Förderung war es schließlich möglich, dass Tom in einer Rege- schule eingeschult werden konnte. 4. Beispiel Maria ist das jüngste von drei Kindern ihrer Eltern. Diese trennten sich, als das Mädchen etwa 7 Jahre alt war. Maria und ihre Brüder wuchsen bei der alleinerziehenden Mutter auf, welche nun die gesamte elterliche Verantwortung allein schultern musste, da sich der Vater ganz von seiner Familie zurückge- zogen hatte. Frau C. musste nebenbei in einem Haushalt dazuverdienen, um finanziell über die Runden zu kommen. Maria war zunächst ein unauffälliges, angepasstes Mädchen mit guten Schulleistungen. Dies änderte sich, als der Vater sich nach Jahren unvermittelt wieder meldete, Maria war da fast 15 Jahre alt, und Kontakt zu seinen Kindern suchte.
18 Maria verlor plötzlich ihr schulisches Interesse, gab Freundschaften auf, veränderte ihr Äußeres völlig und schloss sich einer Randgruppe der Jugendszene an. Gleichzeitig rebellierte sie heftig gegen jeden Versuch der Mutter, erzieherisch gegenzulenken. Den Kontakt zum Vater lehnte Maria nach einigen missglückten Besuchsaufenthalten bei ihm schließlich entschieden ab. Sie verweigerte bald den Schulbesuch, ignorierte Grenzen und Vereinbarungen, konsumierte Alkohol und Drogen und blieb oft nächtelang aus, ohne dass die Mutter gewusst hätte, wo sie ihre Tochter suchen sollte. In ihrer Not wandte sich Frau C. an den Fachbereich Jugend und Sport mit dem Ziel, Maria in einer geeigneten Jugendhilfe-Einrichtung unterzubringen. Maria aber hatte an diesem grenzenlosen, selbst- bestimmten Dasein Gefallen gefunden und lehnte jede Maßnahme der Jugendhilfe zunächst vehement ab. Die Jugendsozialarbeiterin ihrer Schule hatte als eine der wenigen im Umfeld der Jugendlichen noch Zugang zu Maria. Sie übernahm es, das Mädchen in kleinen Schritten für eine pädagogisch betreute Jugendwohngruppe zu interessieren und es dazu zu motivieren, eine solche unverbindlich zu besichti- gen. Im Rahmen eines ersten Vorstellungsgesprächs gelang es, Maria für einen Probeaufenthalt in der sorgfältig gewählten Einrichtung zu begeistern. Dieser verlief so erfreulich, dass sich die Jugendliche im Alter von 16 Jahren entschloss, die ihr gebotene Chance zu ergreifen. Maria lebt nun seit zwei Jah- ren in einer heilpädagogischen Mädchen-Wohngruppe. Es war nicht einfach, sie wieder an das Leben in einer Gemeinschaft und einen geregelten Tagesab- lauf mit Anforderungen schulischer und lebenspraktischer Art heranzuführen. Letztlich gelang dies in kleinen Schritten im Rahmen eines behutsamen Beziehungsaufbaus und über unzählige persönliche Gespräche mit vertrauten Bezugspersonen des pädagogisch-psychologischen Teams. Die Mutter- Tochter-Beziehung entspannte sich und die Kontakte zur Szene schliefen ein. Maria hatte nach einigen Monaten ein berufliches Ziel vor Augen, welches ihren ganzen Einsatz erfor- derte und dazu führte, dass ihr schulischer Ehrgeiz wieder angefacht wurde. Mit intensiver Unterstüt- zung durch ihre Bezugsbetreuerin bewältigte sie ein Jahr später die Abschlussprüfung zur Mittleren Reife. Seit Schuljahresanfang durchläuft Maria, bisher sehr erfolgreich, eine Ausbildung, welche ihren guten Anlagen entspricht und ihr große Freude macht. Die Ausbilderin lobt ihre besonderen Fähigkei- ten und die gute Arbeitshaltung. In der Berufsschule kommt es gelegentlich zu kleineren Motivations- Einbrüchen, da sich Maria mit ihrer Klassenleitung nicht versteht, doch gelingt es mit vereinten Kräften immer wieder, die inzwischen volljährig gewordene junge Frau bei der Stange zu halten und ihren Blick auf das selbst gesteckte Ziel zu richten. 5. Beispiel Vera ist das zweite von vier Kindern der Familie B. Der Vater ist als Handwerker berufstätig, die Mutter Angestellte in einer Behörde. Vera litt von klein auf an einer erheblichen Sprachentwicklungsstörung. Das Kind erfuhr deshalb im Rahmen von Jugendhilfe über Jahre hinweg heilpädagogische Betreuung in Kleingruppen, wurde in eine Sprachheilschule eingeschult und erhielt zusätzlich Sprachtherapie. Vera hat ihre Einschränkung stets sehr bewusst wahrgenommen mit der Folge, dass sie sich im Um- gang mit anderen Menschen stets unsicher, unselbständig und kontaktscheu bewegte. Sie war ehr- geizig und anstrengungsbereit, traute sich aber auch wenig zu und litt unter erheblichen Versagens- ängsten. Erst, als sie mit 11 Jahren eine Hauptschule für Sprach- und Hörgeschädigte besuchen konnte, begann Vera, sicherer aufzutreten, sich für freundschaftliche Beziehungen zu öffnen und sich Neuem selbst- bewusster zu stellen. Im angegliederten Heilpädagogischen Hort erfuhr das Mädchen wertvolle Unter- stützung bei der Bewältigung seiner altersgemäßen Entwicklungsaufgaben. Vera hatte durch die täglichen langen Anfahrtszeiten und zusätzliche therapeutische Termine wenig Zeit für Entspannung und Erholung, worauf sie bald mit ausgeprägten Ängsten und depressiven Pha- sen reagierte. Sie lebte deshalb ab dem 13. Lebensjahr im Internat für hör- und sprachgeschädigte Schüler. Sie mochte ihre Erzieherinnen, fasste zu ihnen Vertrauen und entwickelte sich mit deren Hilfe allmählich zu einer jungen Frau, welche zunehmend selbstbewusster auftrat und lernte, eigene Be- dürfnisse wahrzunehmen und angemessen zu vertreten.
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