Überprüfung der ökonomischen Gewichte in der Zuchtwertschätzung für Fleckvieh anhand eines Discrete Choice Experiments.
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Masterarbeit Im Studiengang Agrarwissenschaften Überprüfung der ökonomischen Gewichte in der Zuchtwertschätzung für Fleckvieh anhand eines Discrete Choice Experiments. Vorgelegt von: Maike Maria Schmüderich (918914) Kiel, Juni 2013 Erstgutachter: Prof. Dr. Uwe Latacz-Lohmann Zweitgutachter: Dr. Volker Saggau Institut für Agrarökonomie Abteilung Landwirtschaftliche Betriebslehre und Produktionsökonomie Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis........................................................................................... II Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... III Tabellenverzeichnis ............................................................................................... III Tabellenverzeichnis Anhang ................................................................................. III 1. Einleitung ......................................................................................................... 1 2. Die Zuchtwertschätzung ................................................................................... 3 2.1. Allgemeine Grundlagen ................................................................................ 3 2.2. Zuchtwertschätzung beim Fleckvieh ............................................................ 9 3. Material und Methoden .................................................................................. 16 3.1. Discrete Choice Methode ........................................................................... 16 3.2. Gestaltung und Ziele der Fragebogenausarbeitung .................................... 21 3.3. Auswertungsmechanismen ......................................................................... 31 3.3.1.1. Aufbereitung der Daten ....................................................................... 31 3.3.1.2. Grundlegende Auswertungs- und Entscheidungsmechanismen.......... 33 3.3.1.3. Die Annahme der Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen ...... 35 3.3.1.4. Das multinominale Probit-Modell ....................................................... 38 4. Ergebnisse ...................................................................................................... 43 4.1. Deskriptive Analyse.................................................................................... 43 4.2. Empirische Analyse .................................................................................... 49 5. Diskussion und Empfehlungen ....................................................................... 62 6. Zusammenfassung .......................................................................................... 69 Anhang................................................................................................................... 72 Literaturverzeichnis ............................................................................................... 88 Eidesstattliche Erklärung ....................................................................................... 93 I
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis AGÖF Arbeitsgemeinschaft österreichischer Fleckviehzüchter AK Arbeitskraft ASR Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Rinderzucht- und Besamungsorganisationen e. V. BLUP Best linear unbiased prediction BVN Besamungsvereins Neustadt an der Aisch e.V. DCE Discrete Choice Experiment DCM Discrete Choice Methode DLQ Deutschen Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfungen e.V. DN Doppelnutzung DNK Durchschnittsleistungen der Nachkommen FRM Fixed-Regression-Modell GHK Geweke-Hajivassiliou-Keane-Algorithmus GZW Gesamtzuchtwert HF Holstein-Friesian IIA independence of irrelevant alternatives LfL Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft LR Likelihood-Ratio MNL Multinominales Logit-Modell MNP Multinominales Probit-Modell MSL Maximum simulated Likelihood PD Populationsdurchschnitt RRM Random-Regression-Modell RUT Random Utility Theory RZW Relativzuchtwert SPSS Statistical Package for Social Sciences VIT Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung w.V. ZW Zuchtwert ZWS Zuchtwertschätzung II
Abbildungsverzeichnis und Tabellenverzeichnisse Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Ökonomische Gewichte der ZWS für Fleckvieh ........................... 10 Abbildung 2: Exterieurbeschreibung beim Fleckvieh ........................................... 12 Abbildung 3: Verteilung der Betriebe nach Postleitzahlen ................................... 43 Abbildung 4: Ausbildung der Entscheider der Bullenwahl ................................... 44 Abbildung 5: Umsatz im Betriebszweig Milchproduktion .................................... 45 Abbildung 6: Verteilung der Melksysteme............................................................ 47 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Attribute des Bullenspermas und deren Ausprägung ........................... 27 Tabelle 2: Beispiel eines Choice Sets des Fragebogens ........................................ 28 Tabelle 3: Betriebsstruktur .................................................................................... 44 Tabelle 4: Betriebliche Parameter ......................................................................... 46 Tabelle 5: Tierhaltung und -verwendung .............................................................. 47 Tabelle 6: Verwendung neuer Zuchtmethoden...................................................... 48 Tabelle 7: Vollständiges Modell für Betriebe mit Melkrobotoren ........................ 49 Tabelle 8: Koeffizienten des reduzierten Modells und der LR-Test ..................... 50 Tabelle 9: Vollständiges Modell unter Einbeziehung aller Kreuzterme ............... 51 Tabelle 10: Vollständiges Modell für die jungen Entscheider .............................. 53 Tabelle 11: Reduziertes Modell, der signifikanten Variablen junger Entscheider 54 Tabelle 12: Vollständiges Modell für Betriebe, die gesextes Sperma einsetzen ... 55 Tabelle 13: Reduziertes Modell für Betriebe, die gesextes Sperma einsetzen ...... 55 Tabelle 14: Vollständiges Grundmodell ................................................................ 56 Tabelle 15: Reduziertes Grundmodell ................................................................... 57 Tabelle 16: Marginale Effekte des Grundmodells ................................................. 57 Tabelle 17: Marginale Effekte der Betriebe, die Melkrobotoren einsetzen ........... 58 Tabelle 18: Marginale Effekte für das Modell der jungen Entscheider................. 59 Tabelle 19: Marginale Effekte für Betriebe, in gesextes Sperma nutzen .............. 60 Tabelle 20: Vergleich der Gewichte der ZWS und der neuaufgestellten ZWS ..... 61 Tabellenverzeichnis Anhang Tabelle A 1: Reduziertes Modell aller Kreuzterme und LR-Test.......................... 72 Tabelle A 2: Marginale Effekte aller signifikanten Kreuzterme ........................... 72 Tabelle A 3: Junge Entscheider mit Kreuztermen und LR-Test............................ 73 Tabelle A 4: Marginale Effekte des Grundmodells für Bulle 2............................. 73 Tabelle A 5: Marginale Effekte des Grundmodells für Bulle 3............................. 74 Tabelle A 6: Hausman-Test ................................................................................... 84 III
Einleitung 1. Einleitung Die Ermittlung des Wertes eines Tieres für die Zucht ist Ziel jeder Zuchtwertschätzung (WEIß ET AL., 2000). Dieser Zuchtwert unterliegt einem ständigen Wandel, da immer neue Erkenntnisse gewonnen werden. Deshalb erfolgt eine Zuchtwertschätzung bei der Rinderrasse Fleckvieh dreimal im Jahr. „Die Aufgabe der Zuchtwertschätzung ist es, die Ergebnisse der Leistungsprüfungen aufzubereiten und den Zuchtprogrammen als Grundlage für Selektionsentscheidungen zur Verfügung zu stellen“ (DODENHOFF, 2005). Allerdings genügt es nicht, nur die neuen Erkenntnisse aus den Leistungsprüfungen miteinzubeziehen. Im Laufe der Zeit verändern sich die Ansprüche der Landwirte an ihre Fleckvieh-Rinder und somit an deren Zuchtwertschätzung. Die Ansprüche der Landwirte können sich sowohl betrieblich bedingt, als auch durch äußere Umstände, wie veränderte Marktsituationen, ändern. Die aktuellen ökonomischen Gewichte der Zuchtwert- schätzung für Fleckvieh stammen aus dem August 2007 und sind demnach über fünf Jahre alt (LFL, 2013). Aus diesem Grund stellt sich die Frage, inwiefern die aktuellen ökonomischen Gewichte der einzelnen Parameter der Zuchtwertschätzung überhaupt noch den Ansprüchen der Landwirte entsprechen. Dieses soll im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit untersucht werden. Die Zuchtverbände überprüfen ebenfalls von Zeit zu Zeit die ökonomischen Gewichte und passen diese gegebenenfalls an. Dieses entspricht einem Vergleich der jetzigen Gewichte mit den Ansprüchen der Landwirte und erfolgt mit Hilfe eines Discrete Choice Experimentes. Die Discrete Choice Methode ist eine im Marketing häufig verwendete Methode, Zahlungsbereitschaften für einzelne Charakteristika der Produkte zu ermitteln (SAMMER, 2007). Zudem können die Wege der Entscheidungsfindung analysiert werden. Die Methode erlaubt eine Auswahlentscheidung aus verschiedenen Produkten und ist demnach der Realität nachempfunden (BACKAHAUS ET AL ., 2003). Im Falle der vorliegenden Masterarbeit erfolgt die Analyse der Ansprüche der Landwirte, die durch die Zuchtwertschätzung ausgedrückt werden soll, mit Hilfe der Auswahl des Produktes „Bullensperma“. Dabei werden keine Zahlungsbereitschaften für einzelne Charakteristika des Bullenspermas ermittelt, sondern es erfolgt eine Ableitung der ökonomischen Gewichte, wie sie den Ansprüchen der Landwirte in der Zuchtwertschätzung für Fleckvieh entsprechen. Um die Ansprüche der 1
Einleitung Landwirte herauszufinden und die Auswahl des Bullenspermas durchführen zu können, bot sich eine Umfrage auf der Messe „Eurotier“ an. Der Fragebogen wurde so konzipiert, dass mithilfe der Discrete Choice Methode die Beziehungen zwischen den individuellen Charakteristika der Landwirte, den Produkteigenschaften sowie der getroffenen Auswahlentscheidung untersucht werden können (HAHN, 1997). Die vorliegende Arbeit untergliedert sich in sechs Abschnitte. Der erste Abschnitt ist mit der Einleitung bereits abgehandelt. In Kapitel 2 erfolgt die Beschreibung der Zuchtwertschätzung. Zu Beginn erfolgt ein kurzer Überblick über die Entwicklung der Tierzucht, insbesondere der Rinderzucht. Im Verlauf werden die verschiedenen Methoden der Zuchtwertschätzung sowie deren Entwicklung im Zeitablauf erläutert. Das folgende Unterkapitel beschäftigt sich mit der Zuchtwertschätzung, wie sie beim Fleckvieh vorgenommen wird. Das Kapitel 3 befasst sich mit den verwendeten Materialien und Methoden. Zu Beginn erfolgt die Beschreibung der Discrete Choice Methode. Im Anschluss werden die Ziele und Gestaltung der Fragebogenausarbeitung erläutert. Das nächste Unterkapitel beleuchtet die Auswertungsmechanismen näher. In Kapitel 4 erfolgt zuerst die deskriptive und im Verlauf die empirische Auswertung der durchgeführten Umfrage. Das Kapitel 5 gibt Empfehlungen für die zukünftige Zuchtwertschätzung und diskutiert die gewonnen Ergebnisse. Weiterhin erfolgt eine kritische Betrachtung der durchgeführten Umfrage. Kapitel 6 schließt diese Ausarbeitung mit einer Zusammenfassung ab. 2
Zuchtwertschätzung 2. Die Zuchtwertschätzung Das Kapitel unterteilt sich in zwei Unterkapitel. In den allgemeinen Grundlagen wird zuerst die Entwicklung der Zuchtwertschätzung erörtert, um anschließend einige grundlegende Begriffe zu erklären. Weiterhin erfolgt dann die Beschreibung der verschiedenen Modelle, die bei der Zuchtwertschätzung zum Einsatz kommen. Das zweite Unterkapitel beschäftigt sich mit der Zuchtwertschätzung des Fleckviehs. 2.1. Allgemeine Grundlagen Zwischen dem 10. und 7. Jahrhundert vor Chr. begannen die Menschen wilde Tiere für ihre Zwecke zu halten. Dieses entspricht der Zeit, in dem der Mensch zur Sesshaftigkeit überging. Zuerst erfolgte die Zähmung von Ziegen und Schafen, in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts die Zähmung des Rindes. Von diesem Zeitpunkt an wurden die gezähmten Tiere zu unseren heute bekannten Tieren umgezüchtet. Die Haustiere unterscheiden sich stark von ihren wildlebenden Vorfahren. Demnach kann vom Beginn der Rinderzucht gesprochen werden (VON LENGERKEN, 2006). Zu Beginn der Tierzucht erfolgte die Anpaarung nach rein subjektiven gewählten Kriterien, die nicht unbedingt mit einer Leistungssteigerung einhergingen. Die gezielte Verpaarung von Tieren einer Art führte zu einer Unterscheidung verschiedener Rassen. Meist geschah diese Zucht in unterschiedlichen geographischen Regionen auf verschiedene Weise. Es entstanden Landschläge, oder Landrassen. Oft sind geographische Besonderheiten Ursache für die Entwicklung von Landschlägen. So entwickelten sich das Jersey- Rind auf der Insel Jersey oder das Simmentaler-Rind in einer abgelegenen schweizerischen Gebirgsregion (W ILLAM & SIMIANER, 2011). Mit der Einführung von Herdbüchern begannen eine organisierte Tierzucht sowie der Übergang von den Landrassen zu den Kulturrassen (VON LENGERKEN, 2006). Meist führten wirtschaftliche Bedürfnisse, wie z.B. ein erhöhter Nahrungsmittelbedarf, zur Entwicklung der Kulturrassen (KRÄUSSLICH, 1994). In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann in England die gezielte Paarung und somit eine Zucht zur Steigerung der Leistungsmerkmale. Die Leistungsmerkmale wurden mit ersten Leistungsprüfungen verglichen. Robert Bakewell (1725-1795) gilt als erster Züchter, der noch heute bekannte Nutztierrassen züchtete, darunter das Longhorn-Rind oder das Shirehorse. Das 3
Zuchtwertschätzung erste Zuchtbuch wurde 1793 für die Pferderasse „Englisches Vollblut“ gegründet. Das englische Shorthorn-Rind ist das erste Rind, das ein Herdbuch bekam (1822). Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es in vielen europäischen Ländern Züchtervereinigungen, die Herd- und Zuchtbücher führen. Weiterhin stellten die Züchtervereinigungen Rassestandards auf, die ab dem 20. Jahrhundert verstärkt geprüft wurden. Aus diesen Überprüfungen der Rassestandards entwickelten sich zunehmend Leistungsprüfungen (W ILLAM & S IMIANER, 2011). Ab 1866 führten Zuchtgenossenschaften und Zuchtverbände ein Herdbuch für Fleckvieh (ASR, 2013). 1893 folgte als erste Leistungsprüfung ein öffentliches Probemelken in Bayern. Problematisch waren die oft auf phänotypische Merkmale, also auf äußerliche ersichtliche Merkmale wie Farbe, angelegten Rassestandards, die eine gezielte Leistungssteigerung verhinderten. Erst ab 1950 konnte starke Zuchtfortschritte erzielt werden, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse vermehrt Beachtung fanden (W ILLAM & S IMIANER, 2011). Im Folgenden müssen verschiedene Begriffe definiert werden, um Verwechslungen oder Irritationen zu vermeiden. Unter Zucht versteht sich die gezielte Anpaarung von Tieren, in diesem Fall erfolgt die Annahme, dass es sich bei den Tieren um Rinder handelt. Die Verpaarung zweier Rinder einer Population erfolgt unter dem Gesichtspunkt, dass die Nachkommen dieser Rinder dem festgelegten Zuchtziel näher kommen als die Eltern selbst. Somit ist die Voraussetzung, von Zucht sprechen zu können, die Definition des Zuchtziels (FÜRST, 2013). Das Zuchtziel, ist eine im Rahmen des Tierschutzgesetzes zulässige, willkürlich festgelegte Ausprägung von Merkmalen, die die Nachkommen erfüllen sollen. Dabei steht in der Rinderzucht die Erzeugung von gesunden Tieren im Vordergrund, die dem Landwirt einen möglichst hohen Gewinn einbringen (FEWSON, 1993). Je nach Nutzung der Tiere weichen die Zuchtziele verschiedener Rassen voneinander ab. Nach der Definition des Zuchtziels muss der Erfolg der Züchtung anhand von Leistungsprüfungen gemessen werden, z.B. in Form von Probemelkungen oder der Überprüfung des Schlachtkörpers. Die Leistungsprüfungen dienen als Grundlage zur Schätzung des Zuchtwertes (VON LENGERKEN, 2006). Die Zuchtwertschätzung (ZWS) hat das Ziel, die Tiere innerhalb ihrer Population nach dem züchterischen Wert zu rangieren. Der Zuchtwert ist ein Schätzwert für den erblichen Einfluss eines Tieres auf seine Nachkommen (WEIß ET AL., 2000). Der wahre Zuchtwert bleibt 4
Zuchtwertschätzung verborgen, es kann nur ein Zuchtwert geschätzt werden, da nicht alle additiven Geneffekte und Umwelteinflüsse gemessen und aus dem Modell zur Ermittlung des Zuchtwertes herausgerechnet werden können. Die mathematische Beschreibung des Zuchtwertes lässt sich wie folgt darstellen: (2.1) ZW: durch den Zuchtwert bedingte Abweichung des Tieres vom Populationsmittel (PD) PD: Populationsmittel (Durchschnitt der Referenzpopulation) DNK: Durchschnitt der erbrachten Leistungen der Nachkommen des Tieres, für den der Zuchtwert ermittelt wird Da die Nachkommen nur die Hälfte der Erbanlagen von dem Tier erhalten, für den die Zuchtwertschätzung aufgestellt wird, erfolgt die Multiplikation der Differenz mit 2. Die Ermittlung des Zuchtwertes ist gekoppelt an die Annahme, dass das Tier unendlich viele Nachkommen hat. Diese Annahme ist in der Praxis nicht gegeben. Weiterhin müssen die Paarungspartner der Referenzpopulation entsprechen. Da beide Partner an der Entstehung des Nachkommen zu gleichen Teilen beteiligt sind, ist sonst der Zuchtwert von dem Durchschnittszuchtwert des Partners abhängig. Zudem erfolgt die Annahme, dass die Umwelt der Referenzpopulation gleich der Umwelt der Nachkommen ist, da so eine Umwelteinwirkung eliminiert werden kann (FÜRST, 2013). Nach der Schätzung des Zuchtwertes erfolgt die Auswahl der Tiere, die dem Zuchtziel am ehesten entsprechen. Dieser Vorgang nennt sich (künstliche) Selektion. Mit den selektierten Tieren erfolgt die weitere Zucht, um einen Zuchtfortschritt zu generieren. Die Einwirkungen der Umwelt sind nicht, wie in der Annahme unterstellt, bei den Nachkommen immer identisch zu der Referenzpopulation. Sie beeinflussen die Leistungen der Nachkommen. Demnach können einige Merkmale, die das Erscheinungsbild des Tieres ausmachen, besonders durch die Umwelt, andere besonders vom Genotyp, also der vererbten Genausprägung, abhängen. Somit unterscheiden sich die Merkmale in ihrer Erblichkeit. Diese Erblichkeit nennt sich Heritabilität. Die Werte der 5
Zuchtwertschätzung Heritabilität liegen im Bereich von null und eins. Je kleiner die Werte sind, desto geringer ist die Wirkung der veranlagten Gene und desto höher ist der Einfluss der Umwelt auf die Ausprägung des Merkmals (ERNST & KALM, 1994). Ein Wert von eins gibt an, dass das Merkmal nicht durch die Umwelt beeinflusst wird, sondern nur von den Genen abhängt (z.B. die Farbe). Die Hauptaufgabe der ZWS ist die Trennung des Genotyps von den Umweltwirkungen. Da die Annahmen in der Praxis oft nicht erfüllt werden können, ist der geschätzte Zuchtwert i.d.R. immer fehlerhaft. Das Ziel der ZWS ist es, eine möglichst genaue Schätzung des wahren Zuchtwertes zu liefern (DEMPFLE, 1984). Aus diesem Grund ist es wichtig, so viele Informationen wie möglich über die Leistungen aller Nachkommen und aller Verwandten zu sammeln. Die Leistungen der Verwandten hängen vom Genotyp ab, der mit dem Genotyp des Tieres, dessen Zuchtwert ermittelt werden soll, in Teilen identisch ist. Um die Leistungen der Verwandten einordnen zu können, müssen die Heritabilität der Merkmale und die Verwandtschaftsverhältnisse definiert sein. Weiterhin muss eine Berücksichtigung des Genotyps des Partners erfolgen, da dieser Genotyp von dem des Populationsmittels abweichen kann. Die Modelle der Zuchtwertschätzung unterscheiden sich zum einen in der Anzahl der geschätzten Merkmale und zum anderen sind die Bezugspunkte verschieden. Zur Schätzung des Zuchtwertes für ein Merkmal wird die einfachste Form: das Ein-Merkmals-Modell, herangezogen, während die Schätzung von mehr als einem Merkmal anhand des Mehrmerkmalsmodells erfolgt. Dieses letztgenannte Modell führt zu Zuchtwerten, die eine höhere Sicherheit aufweisen, da auch die genetischen Beziehungen, also Korrelationen zwischen den Genen, und nicht nur die Heritabilitäten in das Modell einfließen. Wird das Ein-Merkmals-Modell mehrfach wiederholt, spricht man vom Wiederholbarkeitsmodell, somit stellt dieses die Erweiterung des Ein-Merkmals-Modell dar. Die Wiederholung des Mehrmerkmalsmodells führt zum Testtagsmodell, bei dem bspw. der Verlauf der Laktation mit einbezogen werden kann (FÜRST, 2013). Die Unterscheidung der Modelle durch verschiedene Bezugspunkte spiegelt die Entwicklung der Zuchtwertschätzung wider. Zu Beginn der Zuchtwertschätzung in den 60er und 70er Jahren des 20.Jahrhunderts erfolgte die Zuchtwertschätzung anhand des Populationsmittels. Unter der Annahme einer genetisch homogenen Population wurde für alle Zuchtwerte der Population die Verteilung einer 6
Zuchtwertschätzung Zufallsvariablen angenommen. Das Schätzverfahren heißt „Töchterpopulationsvergleich“ oder „Zeitgefährtinnenvergleich“ (ROBERTSON & RENDEL, 1954). Dieses Verfahren, dass das Populationsmittel als beste Schätzung des ZWs angibt, wurde in den 70er Jahren von dem best linear unbiased prediction (BLUP)-Modell abgelöst. Dieses BLUP-Schätzmodell entwickelte HEDERSON (1963), um die Zufallsvariable „Zuchtwert“ einzelner Tier bestimmen zu können. Er ging davon aus, dass sich Populationen in genetisch unterschiedliche Subpopulationen aufteilen. Die Tiere der Subpopulation haben einen Zuchtwert, der der Verteilung einer Zufallsvariablen entspricht. Der Mittelwert dieser Zuchtwerte entspricht dem besten Schätzwert für das einzelne Tier. Das erste BLUP-Modell war das Vatermodell, das nur die Verwandtschaftsbeziehung von Vater und Tochter berücksichtigt (VOGEL- LACKENBERG, 1992). Der Zuchtwert des Bullen wurde von den Leistungen seiner Töchter abgeleitet. Heutzutage erfolgt die Zuchtwertschätzung mit Hilfe des BLUP-Tiermodells, das sowohl die väterlichen Leistungen als auch die Leistungen der weiblichen Verwandten und deren Nachkommen zur Schätzung des Zuchtwertes nutzt (SCHAEFFER, 1984). Demnach ist der beste ZW und Bezugspunkt des Modells der, der dem Mittel der Elternzuchtwerte entspricht (EßL, 1996). Voraussetzung für das Tiermodell ist, dass die Verwandtschaftsverhältnisse geklärt sind und keine falschen Abstammungen verwendet werden, da sonst die Schätzung eines falschen ZWs erfolgt. Weiterhin ist zu beachten, dass besonders in kleinen Populationen die Gefahr vermehrter Inzucht besteht. Diese geschieht, weil verwandte Tiere oft einen ähnlich guten Zuchtwert haben und dann zur weiteren Zucht genutzt werden (FÜRST, 2013). Das BLUP-Modell lässt sich allgemein folgendermaßen darstellen (HENDERSON, 1973): (2.2) Y: Vektor der phänotypischen Leistungen b: Vektor der fixen Effekte u: Vektor der zufälligen Effekte e: Vektor der Resteffekte X: Designmatrix von b Z: Designmatrix von u 7
Zuchtwertschätzung Durch die Unterscheidung des Tiermodells und des Vatermodells entstehen zwei Abweichungen dieser Formel, die entweder nur die Leistungen der Töchter oder die Leistungen aller Verwandten in der Verwandtschftsmatrix berücksichtigt. Die Schätzungen der Zuchtwerte werden gleichzeitig für männliche und weibliche Tiere durchgeführt, dabei erfolgt die Korrektur der Umwelteffekte. Um die beste lineare unverzerrte Vorhersage treffen zu können, müssen die Merkmale, die in die ZWS einfließen, annährend normalverteilt sein, damit die Erwartungstreue und Minimumvarianz auch zutreffend ist (W ILLAM & S IMIANER , 2011). Der Gesamtzuchtwert (GZW) eines Tieres lässt sich aus der Summe der einzelnen gewichteten Relativzuchtwerte ermitteln. Ein Gesamt- oder ein Relativzuchtwert von 100 stellt das Populationsmittel dar. Somit sind Tiere mit Zuchtwerten über 100 besser als der Durchschnitt der Population. Die Gewichtung erfolgt durch den wirtschaftlichen Wert, der ein Merkmal für die Zucht darstellt. Diese Wirtschaftlichkeitskoeffizienten sind in verschiedenen Populationen unterschiedlich. Zudem sind sie abhängig vom Marktgeschehen und von der Zeit (WEIß ET AL., 2000). Demnach müssen sie regelmäßig überprüft und ggf. angepasst werden. Aus diesem Grund sind Zuchtwerte unter 100 nicht unbedingt schlechter als das Populationsmittel. Dieses ist der Fall, wenn bspw. ein veralteter Zuchtwert mit einem aktuellen verglichen wird. Als der Zuchtwert damals aufgestellt wurde, konnte das Tier zu den Besten gehören. Der Zuchtwert wird in den folgenden Jahren durch die regelmäßigen Anpassungen abdiskontiert, was dazu führt, dass der Zuchtwert im Vergleich schlechter ist als das Populationsmittel. Das Populationsmittel verschiebt sich im Laufe der Jahre durch die Generierung des Zuchtfortschrittes nach oben, wodurch diese Unterschiede zustande kommen (WILLAM & S IMIANER, 2011). 8
Zuchtwertschätzung 2.2. Zuchtwertschätzung beim Fleckvieh Das heute bekannte Fleckvieh geht auf das Simmentaler-Rind zurück, das in der Bergregion des Simmentals in der Schweiz seinen Ursprung hat. Mittlerweile erfolgt die Zucht des Fleckviehs seit über 150 Jahren (R INDERZUCHT TIROL, 2013). Eingeführt wurden die ersten Simmentaler-Rinder, um im Süden Deutschlands die lokalen Landschläge zu verbessern. Das damalige Drei- Nutzungsrind überzeugte durch sehr gute Zug- und Milchleistung. Eine gute Bemuskelung konnte das Simmentaler-Rind ebenfalls aufweisen. Mit diesen vielfältigen Leistungen war es den Landrassen Süddeutschlands deutlich überlegen, was dazu führte, das sich das Fleckvieh durch eine Verdrängungszucht schnell ausbreitete. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Fleckvieh in Reinzucht weiterentwickelt, dadurch wurde das Herdbuch geschlossen und die Zucht als eigenständige Rasse fortgesetzt. Die in der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründeten Zuchtverbände und -genossenschaften bauten die Leistungsprüfungen und die Bullenhaltung auf. Weiterhin stellten sie Elitebücher für Kühe auf (ASR, 2013). Durch den maschinellen Fortschritt verlor das Fleckvieh ab 1930 zunehmend seine Stellung als Zugtier (ERNST & KALM, 1994). Daraufhin erfolgte die weitere Zucht als Zwei-Nutzungsrind. Bis heute ist das Fleckvieh eines der bedeutendsten Zwei-Nutzungsrinder in Mitteleuropa. Auch weltweit kommt das Fleckvieh zum Einsatz, besonders die guten Mutterkuheigenschaften und die Milchleistung machen es besonders in der Mutterkuhhaltung begehrt (R INDERZUCHT TIROL, 2013). Zudem überzeugt das Fleckvieh im Bereich der Fitness und durch sekundäre Merkmale, wie Zellzahl oder Fruchtbarkeit. Dieses macht das Fleckvieh besonders interessant für Kreuzungszuchten, da so die gewünschten Heterosiseffekte auftreten. Die Zuchtwertschätzung des Fleckviehs erfolgt in Österreich seit 1963 für die Milch mithilfe des Töchterpopulationsmodells. 1982 führte Bayern (AVERDUNK , 1984) und 1983 Baden-Württemberg das BLUP-Vatermodell für Milchleistungs- merkmale ein (KARRAS, 1984). Österreich folgte diesem Beispiel 1985 (FUCHS , 1984). 1992 löste in Österreich das BLUP-Tiermodell für die Milchleistungsmerkmale und das Fitnessmerkmal Persistenz den Töchter- populationsvergleich ab. In den folgenden Jahren wurden weitere Fitnessmerkmale, sowie der ökonomische Gesamtzuchtwert eingeführt (1998). Seit 2000 wurde eine gemeinschaftliche Zuchtwertschätzung des Fleckviehs von 9
Zuchtwertschätzung Deutschland und Österreich mit den Merkmalen Exterieur, Melkbarkeit, Gebrauchskreuzungszuchtwert begonnen. Die Durchführung der gemeinschaft- lichen Zuchtwertschätzung für alle Merkmale findet seit 2002 statt. Für die Milchzuchtwertschätzung wurde ein Testtagsmodell eingeführt. 2010 und 2011 folgte die Erweiterung der ZWS um die Einführung der genomischen ZWS (FÜRST, 2013). Seit 2002 wird der Gesamtzuchtwert (GZW) als primäres Selektionskriterium verwendet. Der GZW definiert auch das gemeinschaftliche Zuchtziel der Fleckviehzucht in beiden Ländern (ASR, 2013). Das Zuchtziel strebt eine Verbesserung der Eiweißmenge, der Fitness, die Konstanthaltung der Fleischleistung und eine Steigerung der Lebensleistung an. Zudem soll eine lange Nutzungsdauer mit einer mittleren Lebensleistung von 30.000 kg Milch erreicht werden (R INDERZUCHT TIROL, 2013). Das Fleckvieh als Zweinutzungsrasse zeichnet sich im Vergleich zu reinen Milchrassen auch schon heute durch günstige Fitnesseigenschaften aus (KROGMEIER, 2005). Umgesetzt werden diese Zuchtziele mithilfe der ökonomischen Gewichte der Zuchtwertschätzung. Der Relativzuchtwert der Milchmerkmale hat einen Anteil am Gesamtzuchtwert von 37,8%, der Relativzuchtwert Fleisch hat einen Anteil von 16,5% am GZW. Die Fitnessmerkmale fließen mit einem Anteil von 43,7% und die Melkbarkeit mit 2% in den Gesamtzuchtwert ein. In Abbildung 1 sind die einzelnen Relativzuchtwerte in ihre Unterkategorien aufgeteilt: Fitness 43,7% Fleisch 16,5% Nettozunahme 8,1% 2% 7,3% Ausschlachtung 3,7% 4,6% 4,6% Handelsklasse 9,7% 4,4% Fettmenge 6,8% Eiweißmenge Melkbarkeit Nutzungsdauer 13,4% 33,4% Fruchtbarkeit Zellzahl Kalbeverlauf 2% Milch 37,8% Totgeburten Melkbarkeit 2% Persistenz Abbildung 1: Ökonomische Gewichte der ZWS für Fleckvieh Quelle: eigene Darstellung nach ASR, 2013 und LfL, 2013 10
Zuchtwertschätzung Aus Abbildung 1 ist ersichtlich, dass sich die Milchmerkmale, die in den GZW einfließen, aus der Fettmenge (4,4%) und der Eiweißmenge (33,4%) zusammensetzt. Der Anteil von 43,7% der Fitnessmerkmale am GZW teilt sich in 2% Persistenz, 8,1% Totgeburten, 3,7% Kalbeverlauf, 9,7% Zellzahl, 6,8% Fruchtbarkeit und 13,4% Nutzungsdauer auf. Die Fleischleistungsmerkmale spalten sich in 7,3% Nettozunahme und jeweils 4,6% Ausschlachtung und Handelsklasse auf. Die Melkbarkeit ist ein selbstständiger Anteil und macht 2% des GZW aus. Die Beschreibung des Zuchtziels erfolgt mithilfe dieser ökonomischen Gewichtung des Gesamtzuchtwertes. Formal würde die folgende Formel den Gesamtzuchtwert des Fleckviehs beschreiben: In den Gesamtzuchtwert beim Fleckvieh fließen im Gegensatz zu bspw. den Schwarzbunten keine direkten Werte des Exterieurs, wie z.B. der Rahmen oder das Fundament ein. Ebenso sind das Euter oder die Bemuskelung nicht Teil des Gesamtzuchtwertes. Diese Faktoren bilden als Hauptmerkmale jedoch den Grundstock jeder Zuchtwertschätzung. Die Prüfung dieser Hauptmerkmale und 19 weiterer Einzelmerkmale erfolgt mithilfe der linearen Beschreibung (AGÖF, 2006). Die Ergebnisse werden regelmäßigen veröffentlicht. In den Bullenkatalogen finden sich diese Ergebnisse als Exterieurprofil ebenfalls wieder. Eine beispielhafte Exterieurbechreibung ist in Abbildung 2 zu sehen: 11
Zuchtwertschätzung Abbildung 2: Exterieurbeschreibung beim Fleckvieh Quelle: BVN & Eurogenetik Bullenkatalog, 2013 Demnach sind die Merkmale, obwohl sie den Gesamtzuchtwert nicht beeinflussen, für jeden Züchter zugänglich. In der Abbildung wird deutlich, dass 100 wieder den Durchschnitt darstellt. Das wünschenswerte Optimum muss allerdings nicht erforderlicher Weise oberhalb der 100 liegen. So wünschen sich die Prüfer einen steileren Sprunggelenkswinkel, was dazu führt, dass die Werte unter 100, die zu präferierenden sind. Die Vererbung der Beckenneigung dieses Bullen liegt nahezu im Populationsdurchschnitt und auch im gewünschten Optimalbereich. Das Vordereuter vererbt sich schlechter als im Durchschnitt der Population (ZW 96). Das Fundament ist besonders stark ausgeprägt und erhält für dieses Tier einen ZW von 118. Um den Relativzuchtwert (RZW) der Milchleistungsmerkmale zu ermitteln, nutzen Deutschland und Österreich seit 2002 ein Testtagsmodell. Dieses Modell wurde gemeinschaftlich mit dem Agrifood Research Centre in Jokioinen (Finnland) entwickelt. Das Testtagsmodell ist eine Sonderform des Mehrmerkmalsmodells, bei dem die Leistung an einem Kontrolltag direkt in das Zuchtwertschätzmodell einfließt. Das Modell simuliert anhand der gesammelten Daten eine typische mittlere Verlaufskurve, in diesem Fall der Milchleistung, die 12
Zuchtwertschätzung am Testtag als 24-Stunden-Gemelk ermittelt wurde (W ILLAM & S IMIANER, 2011). Demnach muss keine vollständige Laktations- oder Abschnittsleistung vorliegen, um die Informationen in der Zuchtwertschätzung verwerten zu können. Die Kontrolltagsleistungen werden zwischen den Laktationstagen 8 und 350 erhoben. Auch hier gilt: Je mehr Informationen vorhanden sind, desto besser. Deshalb gibt es auch keine Grenze bezüglich des Laktationsstadiums, auch von Kühen mit mehreren Laktationen werden Daten gesammelt. Jedoch nehmen die Beobachtungen mit zunehmender Anzahl an Laktationen deutlich ab. Die Daten der Verwandten vervollständigen das Testtagsmodell. Auf mütterlicher Seite fließen drei Generationen, auf väterlicher Seite die letzten acht Generationen ein. Kann die Verwandtschaft nicht genau ermittelt werden, werden die Daten anhand von Alter, Geschlecht und Herkunftsland geschätzt. Es gibt zwei Arten von Testtagsmodellen, das Fixed-Regression-Modell und das Random-Regression- Modell. Zur Ermittlung der Zuchtwerte für Milchleistungen beim Fleckvieh wird das Random-Regression-Modell (RRM) genutzt. Dieses hat im Vergleich zum Fixed-Regression-Modell (FRM) den Vorteil, dass die Daten des Testtags nicht innerhalb einer Laktation als wiederholte Beobachtungen betrachtet werden, welches zu einem festen Zuchtwert für alle Laktationstage führen würde, sondern dass mithilfe von zufälligen Regressionskoeffizienten und Kovariablen für alle 305 Laktationstage jeweils ein eigener ZW errechnet wird. Diese werden dann zu einem Zuchtwert für die gesamte Laktation zusammengerechnet (FÜRST, 2013). Demnach sind die Kontrolltage der Laktation genetisch verschiedene Merkmale, die eine tägliche Leistungsabweichung aufweisen (VIT, 2013). Die berechneten ZW korrelieren sowohl mit den Laktationstagen der Laktation, in dem der Kontrolltag liegt, als auch mit denen der anderen Laktationen. Die Umwelteinflüsse, die die Kontrolltagsleistungen beeinflussen, können direkt in der Testtagszuchtwertschätzung berücksichtigt werden. Hierzu zählen die Punkte Herdenkontrolltag, Kalbealter, Trächtigkeit, Laktation und Laktationsstadium sowie die Streuung innerhalb der Herden. Mit dem Herdenkontrolltag erfolgt der Vergleich der Leistungen innerhalb der eigenen Herde, da auf diese Herde die gleichen Umwelteinflüsse, wie bspw. Fütterung oder Temperatur, wirken. Das Kalbealter sowie der Tag der Trächtigkeit beeinflussen die Milchleistung der Kühe. Deshalb erfolgt mit der Einbeziehung dieser Daten die Korrektur der erbrachten Leistung. Die Leistungen des Teststaggemelks hängen von der 13
Zuchtwertschätzung Laktationsnummer und dem –stadium ab, in dem sich die Kuh befindet. Sie spiegeln den unterschiedlichen Verlauf der Laktationskurve wider und müssen mit einbezogen werden. Die Streuung der Testergebnisse innerhalb der Herde kann in einigen Betrieben sehr hoch, in anderen dagegen nur sehr gering sein. Da das Modell der ZWS auf Abweichungen vom Populationsmittel beruht, kann dieses den ZW ungewollt verändern (vgl. Kapitel 2.1). Deshalb erfolgt die Korrektur dieser Streuung durch die Streuung der nicht durch das Zuchtwertschätzmodell erklärbaren zufälligen Restfehler, also der Residuen. Der Milchwert errechnet sich aus den Ergebnissen des Testtagsmodells (ZW für Fett- und Eiweißgehalt (in Kg)) und deren ökonomischen Gewichtung (1:10) (FÜRST, 2013). Aus dem Testtagsmodell für Milch kann der ZW der Persistenz abgeleitet werden. Die Persistenz gibt das Durchhaltevermögen der Milchleistung an, die aus der Laktationskurve des RRM zwischen dem 60. und 300. Laktationstag resultiert. Es muss allerdings eine Korrektur erfolgen, um die fett- und eiweißkorrigierte Milchmenge zu erhalten (FÜRST, 2013). Das BLUP-Tiermodell liefert die Ergebnisse der Zuchtwertschätzung für Fleisch. In das Tiermodell fließen 10 Merkmale ein, somit handelt es sich um ein multivariates Verfahren, bei dem die Merkmale unter Einbeziehung der genetischen Korrelation gleichzeitig geschätzt werden. Die Ergebnisse der 10 Merkmale stammen aus der Eigenleistungsprüfung im Feld (bei Versteigerungen) oder auf einer Prüfstation, aus Schlachthofdaten (ungelenkte Feldprüfung) sowie aus Nachkommenprüfungen in Prüfstationen. Der Fleischwert ermittelt sich aus den Merkmalen Nettozunahme, Ausschlachtung und Handelsklasse (im Verhältnis 48: 26: 26). Der Relativzuchtwert für die Fleischleistung hat einen Mittelwert von 100 mit einer Streuung von 12 Punkten (Standardabweichung) (FÜRST, 2013). Die Relativzuchtwerte für den Kalbeverlauf, die Totgeburtenrate sowie für die Fruchtbarkeit werden ebenfalls mithilfe des BLUP-Tiermodells berechnet. Für die Zuchtwerte des Exterieurs, die beim Fleckvieh nicht in den Gesamtzuchtwert einfließen, erfolgt die ZWS ebenfalls mit dem BLUP-Tiermodell. Die Darstellung der Zuchtwerte erfolgt wie bereits beschrieben. Der Zuchtwert für die Nutzungsdauer wird anhand eines Weibull- Regressionsmodell geschätzt. Diese entspricht einem Vater-Muttersvater-Modell, bei dem nur eine Betrachtung der Verwandtschaften zwischen Stieren stattfindet. Zuchtwerte der weiblichen Verwandten werden näherungsweise errechnet. Es 14
Zuchtwertschätzung besteht kein großer Unterschied zum Tiermodell, da sehr viele Daten in das komplexe Modell einfließen, bei dem das zu schätzende Merkmal das Abgangsrisiko darstellt. Das Abgangsrisiko wird durch das Erstkalbealter, die relative Leistung innerhalb der Herde, die Größe der Herde und deren Veränderung sowie durch die Alpung, Heterosiseffekte und Rekombinationsverluste beeinflusst. Zudem müssen regionale, saisonale und managementbedingte Unterschiede einbezogen werden (FÜRST, 2013). Die Zuchtwerte für Zellzahl und Melkbarkeit werden mit einem Testtagsmodell ermittelt. Im Unterschied zu der Zuchtwertschätzung der Milchleistungsmerkmale erfolgt die Schätzung mit dem Fixed-Regression-Modell. Da für die Zellzahl keine Normalverteilung vorliegt, werden die Werte der Zellzahl logarithmiert. Die Zellzahlergebnisse werden in den ersten drei Laktationen zwischen dem 8. und 312. Laktationstag gesammelt. Die Ergebnisse der Melkbarkeitsprüfung stammen entweder aus einer Stoppuhrmessung (in Österreich, Baden-Württemberg und Hessen) oder es erfolgt, wie in Bayern, die Ermittlung der Melkbarkeit im Rahmen der Michleistungsprüfung mithilfe der Parameter Milchmenge aus Haupt- und Nachgemelk sowie der Dauer des Haupt- und Nachgemelks. Aus beiden Methoden wird das durchschnittliche Minutengemelk errechnet. Da Untersuchungen ergeben haben, dass beide Werte auf unterschiedlichen genetischen Merkmalen beruhen, müssen auch beide Merkmale unterschiedlich in die ZWS einfließen. Da bei den Merkmalen der Melkbarkeit ebenfalls keine Normalverteilung vorliegt, erfolgt eine Transformation durch Ziehen der Quadratwurzel. Die Ergebnisse stammen ausschließlich aus der ersten Laktation (zwischen dem 8. und dem 275. Tag). Für die Zellzahl wird für jede der drei Laktationen ein ZW ermittelt. Um den RZW zu ermitteln, erfolgt die Berechnung des durchschnittlichen ZW dieser drei Laktationen. Bei der Melkbarkeit wird als Relativzuchtwert nur der Wert des durchschnittlichen Minutengemelks aus Österreich und Baden-Württemberg veröffentlicht. Auch bei diesen RZW liegt das Mittel bei 100 mit einer Standardabweichung von 12 Punkten. Aus dieser Ermittlung der einzelnen Relativzuchtwerte entsteht mithilfe der ökonomischen Gewichte der Gesamtzuchtwert der Doppelnutzungsrasse Fleckvieh, wie oben beschrieben. 15
Material und Methoden 3. Material und Methoden Zu Beginn erfolgt die Beschreibung der verwendeten Discrete Choice Methode. Im Anschluss werden die zu testenden Hypothesen sowie die Gestaltung des Fragebogens erläutert. Das Kapitel 3.3. befasst sich mit den verschiedenen Methoden, die während der Auswertung genutzt wurden. 3.1. Discrete Choice Methode FECHNER legte bereits im Jahre 1860 den Grundstein für die Discrete Choice Methode (DCM) mit seiner „Study of psychophysics“ (aus ANDERSON ET AL., 2001). Als Begründer der DCM gelten LUCE & TUKEY (1964), THEIL (1970) und QUANDT (1992), MC FADDEN (1974) und LOUVIERE (1983) als Entwickler der ökonomischen Auswertungsmethoden. Theorie Die DCM ist eine Art, die Präferenzen von ökonomischen Entscheidern mithilfe von labormäßig simulierten, hypothetischen Entscheidungsalternativen zu messen. Dabei lassen sich Beziehungen zwischen Produkteigenschaften und individuellen Präferenzen der Entscheider sowie deren Auswahlentscheidungen feststellen (HAHN, 1997). Die Entscheidungsalternativen werden dem Probanden in Form sogenannter Choice Sets vorgelegt. Die Grundidee der Discrete Choice Methode basiert auf der Characteristic Theory of Value von LANCASTER (1966) und der Random Utility Theory (MCFADDEN, 1974). Die Characteristic Theory of Value besagt, dass nicht das Gut an sich Nutzen stiftet, sondern die Vielzahl seiner Charakteristika. Diese werden als Attribute bezeichnet und sind die eigentlichen Nutzenstifter (LANCASTER , 1966). Die Random Utility Theory (RUT) geht davon aus, dass der Nutzen eines Gutes nicht direkt messbar ist, sondern der Nutzen nur indirekt beobachtbar ist. Es handelt sich demnach um einen latenten Nutzen. Deshalb lässt sich die Nutzenfunktion der RUT in eine deterministische (beobachtbare) und eine stochastische (nicht beobachtbare) Komponente zerlegen (AUSPRUG & LIEBE, 2011). Dieser latente Zufallsnutzen wird durch folgende Formel beschrieben, weshalb auch vom Zufallsnutzenmodell gesprochen wird: (3.1) 16
Material und Methoden : Nutzen U einer Alternative j für die Person i : deterministische Nutzen V als Summe der Einflüsse der Attribute des Produktes z und der Person s : Spezifikations- und Messfehler; zufällige Komponente Weiterhin wird keine individuelle Nutzenfunktion angenommen, sondern eine aggregierte Nutzenfunktion, da auf Grund der „geringen Anzahl von Auswahlentscheidungen je Proband keine Berechnung individueller Nutzenwerte möglich ist“ (BACKHAUS ET AL., 2003). Die einzelnen Präferenzen der Probanden lassen sich mithilfe von Vektoren berücksichtigen. Der deterministische Nutzen V kann als additive Funktion der M persönlichen Eigenschaften und der Einflüsse der N Attribute dargestellt werden (vgl. BREUSTEDT ET AL., 2013): ∑ ∑ (3.2) Der Proband wählt die Alternative j*, die den Nutzen maximiert, da die Annahme des Homo oeconomicus unterstellt wird. Daraus ergibt sich folgende Gleichung: m für alle j J² (3.3) Eine Nutzenmaximierung geht einher mit der Wahl der Alternative, die die höchste Präferenz aufweist. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit diese Alternative aus der vorgegebenen Menge an Alternativen auszusuchen. für alle j J (3.4) : Parameter der Produkteigenschaften : Parameter der Probandeneigenschaften werden ökonometrisch geschätzt : Interaktionsterme : wenn die Alternative j* gewählt wird, sonst 0 F: Funktion, die zwischen 0 und1 liegt, bspw. eine logistische Funktion 17
Material und Methoden Praxis Die Discrete Choice Methode kommt besonders im Verkehrs- und Gesundheitsbereich zum Einsatz (TELSER, 2002). Im Bereich der Agrarwissenschaft nutzt besonders die Umweltökonomie das Verfahren des Discrete Choices. So befassen sich BREUSTEDT ET AL. (2013) mit der Teilnahmebereitschaft an Vertragsnaturschutzprogrammen unter Zuhilfenahme der DCM. Im Zuchtbereich nutzen ROESSLER ET AL. (2008) und OUMA (2007) die DCM, um Anforderungen an die Schweinehaltung in Vietnam und Präferenzen phänotypischer Merkmale von Rindern zu untersuchen. Für die Zuchtwertschätzung bei Rindern liegen noch keine Veröffentlichungen vor. Die Durchführung von Discrete Choice Experimenten (DCE) erfordert eine genaue Planung des Untersuchungsobjektes. Voraussetzung, um ein DCE durchführen zu können, sind diskrete Produkte, die sich untereinander in verschiedenen Ausprägungen, Attribute genannt, offensichtlich unterscheiden. Der Proband wählt aus einer bestimmten Anzahl von Gütern, die er unterschiedlich wahrnimmt und die untereinander konkurrieren (BUNCH & BATSELL, 1989). Für diskrete Produkte kann nur eine Ja-oder-nein-Entscheidung erfolgen, da es eine Wahl für das gesamte Produkt und nicht für ein oder mehrere Attribute des Produktes ist. Zu Beginn muss das Ziel der Untersuchung festgelegt werden. Im Folgenden wird das Produkt in seine Eigenschaften aufgespalten. Für die anschließende Befragung sollten alle Eigenschaften gewählt werden, bei denen die Vermutung nahe liegt, dass sie bei der Wahl von Bedeutung sind (BACKHAUS ET AL., 2003). Erfolgt diese Auswahl nicht ordnungsgemäß, könnte diese zu einer verzerrten Analyse führen, da der Proband in den Attributen seine Prioritäten nicht wieder findet. Um dieses zu vermeiden, empfiehlt sich nach abgeschlossener Vorbereitung ein Pretest. Als Nächstes erfolgt die Festlegung der Ausprägungen der einzelnen Attribute, auch Levels genannt. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen ist es möglich, dass bei einigen Produkten verschiedene Ausprägungen vorgegeben sind, bspw. ein vorhandenes oder fehlendes Bio-Siegel. Zum anderen können Ausprägungen durch statistische Verfahren ermittelt werden, z.B. eine Berechnung verschiedener Quantile einer Reihe vorgegebener Preisdaten. Generell gibt es keine vorgeschriebene Skala für die Attributsausprägungen. Es sind zudem quantitative (z.B. eine Angabe in Wochen) oder qualitative Levels 18
Material und Methoden (z.B. hoch oder gering) möglich. Um den Befragungsaufwand in Grenzen zu halten, da dieser überproportional mit den Attributen und Levels steigt, und den Befragten nicht zu überfordern, empfiehlt sich eine Begrenzung der Attribute und Ausprägungen (BACKHAUS ET AL., 2003). Eine Korrelation der verschiedenen Attribute sollte vermieden werden, damit Verzerrungen vermeiden werden. Eine Kompensation der einzelnen Attributsausprägungen hingegen ist wünschenswert. Hierdurch entsteht ein Trade- off, der notwendig ist, um marginale Effekte berechnen zu können. „Ein Trade-off liegt vor, wenn eine Person bereit ist, etwas von einem Attribut aufzugeben, um mehr von einem anderen zu erhalten“ (AUSPRUG & LIEBE, 2011). Aus den einzelnen Attributen und Levels können nun verschiedene Produkte zusammengesetzt werden. Diese Produkte müssen zu mehreren gruppiert werden, damit eine Entscheidungssituation herbeigeführt werden kann. Es besteht sowohl die Möglichkeit nur zwischen verschiedenen Produkten zu wählen, als auch die Option der nicht-Wahl aller Produktalternativen. Bis zu vier verschiedene Wahlalternativen sind für den Probanden zumutbar (AUSPRUG & LIEBE, 2011). Diese Auswahlentscheidung wird als Choice Set bezeichnet. Durch die Vielzahl der unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten der Produkte ist es kaum möglich, alle Alternativen per Hand zu erfassen. Hierzu gibt es verschiedene Computerprogramme (z.B. SPSS), die diese Arbeit erledigen. Es entsteht bei der Verwendung aller Level und Attribute ein full factorial Design. Dieses erlaubt die Schätzung aller Haupteffekte und Interaktionen. Es ist perfekt orthogonal, das bedeutet, es besteht keine Multikollinearität zwischen den Eigenschaftsausprägungen. Ein Modell ohne Multikollinearität hat einen D- Efficency-Wert von 100 (KUHFELD ET AL., 1994). In den meisten Fällen ist ein perfekt orthogonales Modell zu komplex und es enthält Kombinationen, die keinen Sinn machen. Ein fractional factorial Modell erscheint ausreichend. Dieses ist ein reduziertes orthogonales Modell, das einen möglichst hohen D-Efficency- Wert aufweist. Multikollinearität beschreibt die wechselseitige Abhängigkeit von Variablen in einer multivariablen Analyse (vgl. RUDOLF & KUHLISCH , 2008). Hierzu mehr in Kapitel 3.2. Das Statistikprogramm gibt, je nach Attributs- und Levelzahl, unterschiedlich viele Choice Sets aus. Eine gängige Variante ist es, den Entscheidern mehrere Choice Sets vorzulegen. Allerdings können, trotz des reduzierten orthogonalen 19
Material und Methoden Modells, nicht alle Choice Sets von einer Person bearbeitet werden. Eine zu große Anzahl von Choice Sets pro Umfrage führt zu einer hohen Abbruchrate, einer sinkenden Teilnahmebereitschaft und zu Lerneffekten. In der Literatur erscheinen verschiedene Werte für die maximale Anzahl an Choice Sets pro Fragebogen. BACKHAUS (2003) nennt maximal 12 bis 15 Choice Sets pro Proband, J OHNSON & ORME (1996) empfehlen bis zu 20,. und CAUSSADE ET AL . (2005) begrenzen die Anzahl schon auf 10 Choice Sets. Fakt ist, mehrere Choice Sets pro Proband verringern den Befragungsaufwand und die damit entstehenden Kosten. Weiterhin kann schon mit einer vergleichsweise geringen Umfragezahl gutes Datenmaterial gesammelt werden. Die Zusammenstellung der verschiedenen Choice Sets zu Gruppen erfolgt am besten per Zufallsprinzip, je nach Art der Umfrage in Papier- oder Onlineform. Bei der Onlineumfrage bietet es sich an, die Anzahl der Choice Sets festzulegen und bei jedem Probanden zufällig die Choice Sets erscheinen zu lassen. Bei der Papierform sollten verschiedene Fragebogenversionen erstellt werden, in denen zufällig, aber versionsabhängig immer dieselben Choice Sets vorhanden sind. Je nach Umfang des Fragebogens und Erreichbarkeit der Probanden erfolgt die Festlegung der Umfragemethode. Natürlich treten je nach Umfrageart unterschiedliche Kosten auf, die ebenfalls berücksichtigt werden sollten. Die Befragung kann mit einem schriftlichen Fragebogen, per Telefon oder Computer oder in einer persönlichen Befragung erfolgen (TELSER, 2002). Persönliche Befragungen sind in der Regel teurer als computergestützte Umfragen. 20
Material und Methoden 3.2. Gestaltung und Ziele der Fragebogenausarbeitung In diesem Abschnitt folgt die Anwendung der in Kapitel 3.1 beschriebenen Vorgehensweise der Durchführung von Discrete Choice Experimenten anhand der Entscheidungsfindung bei der Auswahl von Fleckviehbullen. Ziele Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Überprüfung der ökonomischen Gewichte in der Zuchtwertschätzung beim Fleckvieh. Mit Hilfe eines Discrete Choice Experimentes soll herausgefunden werden, auf welche der Bulleneigenschaften der Landwirt als Entscheider unter Einbeziehung der Kosten des Spermakaufs am meisten Wert legt. Da sich die Fleckviehbullen verschieden vererben, entstehen unterschiedliche Level der einzelnen Attribute. Analog zum Entscheidungsmodell in Kapitel 3.1 wird erwartet, dass der Landwirt das Bullensperma auswählt, dass seine Präferenzen am besten zum Ausdruck bringt und ihm deshalb den höchsten Nutzen stiftet. Setzt man den rational handelnden Landwirt voraus, entscheidet dieser unter Berücksichtigung seiner betrieblich gegebenen Umstände und den Eigenschaften des Bullen sowie dem Preis pro Portion des Spermas. Demnach fällt die Wahl auf den Bullen, der die höchste Wahrscheinlichkeit hat durch die Anpaarung mit den Kühen, die Kälber hervorzubringen, die dem Idealbild des Züchters am nächsten kommen. Die Überprüfung der ökonomischen Gewichte, mit denen die einzelnen Attribute in die Zuchtwertschätzung eingehen, ist zudem ein weiteres Ziel der Ausarbeitung. Hierbei ist ein Vergleich zwischen den jetzigen Gewichten und denen, die durch das DCE gewonnen wurden, angedacht. Das Ziel der Untersuchung ist damit erläutert. Nun erfolgt die Zerlegung des Produktes in seine Eigenschaften. Das Produkt „Bullensperma“ hat verschiedene Eigenschaften, die sich nicht äußerlich zu erkennen geben. Es unterscheidet sich lediglich in den vererblichen Merkmalen, die entweder genomisch geprüft oder durch Leistungsprüfungen festgestellt worden sind. Um die vererblichen Eigenschaften der einzelnen Bullen herauszufinden, erfolgt eine Zuchtwert- schätzung für jeden Bullen (vgl. z.B. BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT ). Aus dieser Zuchtwertschätzung wurden die Eigenschaften des Bullenspermas abgeleitet. Eine Übernahme aller für die Zuchtwertschätzung relevanten Merkmale ist für ein Discrete Choice Experiments zu umfangreich. Deshalb musste eine Begrenzung der Eigenschaften auf die wichtigsten stattfinden. DESHAZO & FERMO (2002) raten davon ab, ein Produkt mit mehr als 21
Material und Methoden zehn Attributen zu beschreiben (aus MANGHAM ET AL ., 2008). Der Gesamtzuchtwert setzt sich aus Milchwert, Fleischwert und Fitnesswert zusammen. Deshalb müssen Attribute aus allen drei Kategorien ausgesucht werden. Stellvertretend für den Milchwert steht die Milchmenge, diese wurde gewählt, da die Landwirte, die Bullensperma kaufen, i.d.R. Milchviehhalter sind und die weibliche Nachzucht zur Milcherzeugung nutzen. Die Milchmenge an sich fließt nicht direkt in den Zuchtwert ein, allerdings hätten sonst, der Vollständigkeit halber, beide den Milchwert beschreibenden Merkmale aufgenommen werden müssen (vgl. Kapitel 2.2). Zudem erfolgt eine Angabe der Milchleistungssteigerung im Bullenkatalog (LFL & BVN, 2012). Der Fleischwert ist ein eigenes Attribut für das Discrete Choice Experiment, zusätzlich fließt die Bemuskelung als ein Attribut des Bullenspermas ein, da diese Einfluss auf das Fleisch und die Fitness bzw. das Exterieur hat. Zum Exterieur gehört auch das Euter, ein weiteres Attribut für das DCE. Das Euter spielt auch in der Kategorie Fitness eine Rolle, hier ist die Melkbarkeit und Zellzahl wichtig. Um eine Eingrenzung der Attribute vorzunehmen, wurde nur das Euter in das DCE aufgenommen, obwohl dieses eine erhebliche Vereinfachung beinhaltet. Da Eutererkrankungen eine häufige Abgangsursache sind, wurde die Nutzungsdauer der Kuh als Attribut mit aufgenommen. Das Fundament als Grundgerüst jedes Rindes und als ein weiterer häufiger Abgangsgrund musste ebenfalls als Merkmal in das DCE einfließen, obwohl dieser Wert ebenfalls kein direkter Teil der Zuchtwertschätzung ist. Zudem ist der Preis pro Portion Bullensperma ein Attribut, da so die Zahlungsbereitschaften für die einzelnen Merkmale ermittelt werden können. Damit zerlegt sich das Produkt „Bullensperma“ für die Discrete Choice Methode in folgende sieben Attribute: • Vererbung der Milchleistung (abgekürzt: Milchleistung) • Vererbung des Euters (abgekürzt: Euter) • Vererbung der Nutzungsdauer (abgekürzt: Nutzungsdauer) • Vererbung des Fundaments (abgekürzt: Fundament) • Vererbung des Fleischwertes (abgekürzt: Fleischwert) • Vererbung der Bemuskelung (abgekürzt: Bemuskelung) • Preis pro Portion des Bullenspermas (abgekürzt: Preis) 22
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