Übersetzung in der Spracherwerbsphase - Erprobung ausgewählter Verfahren zur Funktionalitätssteigerung von Auswertungsphasen Lateinunterricht in ...
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Übersetzung in der Spracherwerbsphase Erprobung ausgewählter Verfahren zur Funktionalitätssteigerung von Auswertungsphasen Lateinunterricht in einer 8. Klasse eines Berliner Gymnasiums Schriftliche Prüfungsarbeit zur zweiten Staatsprüfung für das Amt des Studienrats Vorgelegt von: StRef Lars Fengler 1.SPS Spandau Hinweis: Alle Namen wurden von mir für die veröffentlichte Version geändert.
Inhalt Einleitung ................................................................................................................................................. 3 1. Vorbereitung der Reihe ........................................................................................................................... 5 1.1 Begründung des diagnostischen Bedarfs ........................................................................................... 5 1.1.1 Lerngruppe.................................................................................................................................. 5 1.1.2 Rahmenplanbezug ...................................................................................................................... 6 1.2 Funktionalität von Auswertungsphasen ............................................................................................ 7 1.3 Beobachtungsschüler ......................................................................................................................... 8 1.4 Erkenntnisleitendes Interesse .......................................................................................................... 10 1.5 Thesen .............................................................................................................................................. 11 1.5.1 Transfer der Übersetzungsergebnisse ...................................................................................... 11 1.5.2 Hypothesen ............................................................................................................................... 12 1.6 Indikatoren zur Überprüfung ........................................................................................................... 12 1.7 Auswahl der diagnostischen Verfahren ........................................................................................... 13 1.7.1 Eingangstest .............................................................................................................................. 13 1.7.2 Diagnose ................................................................................................................................... 14 2. Erläuterungen zur Durchführung der Reihe .......................................................................................... 15 2.1 Auswahl der Auswertungsverfahren ................................................................................................ 15 2.1.1 Lückentext ................................................................................................................................ 16 2.1.2 Präparierte Übersetzung .......................................................................................................... 17 2.1.3 Wettübersetzen ........................................................................................................................ 18 2.1.4 Kontrollgruppenkorrektur ........................................................................................................ 20 2.1.5 Schülermoderation ................................................................................................................... 22 2.2 Synopse der Unterrichtseinheit ....................................................................................................... 24 3. Auswertung der Unterrichtsreihe ......................................................................................................... 25 3.1 Erkenntnisse während der Durchführung der Reihe ....................................................................... 25 3.1.1 Korrektur durch die Schüler ...................................................................................................... 25 3.1.2 Verändertes Evaluationsverfahren ........................................................................................... 25 3.2 Auswertung der Beobachtungsdaten .............................................................................................. 26 3.2.1 Eingangstest .............................................................................................................................. 26 3.2.2 Lückentext ................................................................................................................................ 28 3.2.3 Präparierte Übersetzung .......................................................................................................... 30 3.2.4 Wettübersetzen ........................................................................................................................ 32 3.2.5 Kontrollgruppenkorrektur ........................................................................................................ 36 3.2.6 Schülermoderation ................................................................................................................... 38 3.3 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................................................... 42 3.3.1 Zu den Indikatoren .................................................................................................................... 42 3.3.2 Zu den Leitfragen ...................................................................................................................... 43 3.3.3 Übersicht über Vor- und Nachteile der untersuchten Verfahren ............................................. 44 3.3.4 Zu den Thesen ........................................................................................................................... 45 3.4 Konsequenzen .................................................................................................................................. 45 4. Literaturverzeichnis ............................................................................................................................... 47 5. Anhang ................................................................................................................................................... 48 2
Einleitung Die Unterrichtstheorie stellt eine Menge Forderungen in Hinblick darauf, was eine Auswer- tungsphase im Allgemeinen zu leisten hat: Sie soll bündeln, fokussieren, verdichten, üben und einprägen, sie dient der Evaluation und Bewertung, soll Lernergebnisse dokumentieren und ergänzen, korrigieren und ersetzen, vertiefen oder gar zur Veröffentlichung bringen, weiter- führende Problemfelder erkennbar machen und darüber hinaus möglichst auch metakognitiv bzw. methodenreflektiert genutzt werden.1 Natürlich kann und muss nicht jede Auswertung alle diese Elemente enthalten, vielmehr hängt es von jeder einzelnen Unterrichtsstunde ab, wo der jeweilige Schwerpunkt gesetzt wird. Den- noch macht bereits dieser kurze Abriss eines deutlich: Auswertungsphasen sind einem äußerst komplexen Anforderungsfeld ausgesetzt. Sie sind darüber hinaus von einer spezifischen Situation geprägt: Sie hängen mehr als jede andere Phase des Unterrichts vom Erfolg oder Misserfolg der vorangegangenen Phasen ab: Sind die Schüler z.B. mit einem zu übersetzenden Text wegen unvorhergesehener Schwierig- keiten nicht zurecht gekommen oder – um es positiver auszudrücken – haben sie sich auf un- geplante Lernwege begeben, wirkt sich das zwingend auf die daran anschließende Phase aus, weil die Auswertung mehr leisten muss, um das zu erhellen, was unklar geblieben ist. Egal was in den vorangehenden Phasen des Unterrichts geschieht, die Auswertungsphase muss in je- dem Fall die Konsequenzen tragen. Umso mehr macht sich das Fehlen konkreter methodischer Konzepte für die Umsetzung dieser Anforderungen im Lateinunterricht bemerkbar: Die fachdidaktische Literatur zum Thema Aus- wertungsphasen ist rar gesät. Dies gilt auch für den speziellen Bereich der Auswertung von Übersetzungsstunden: Hier findet sich lediglich ab und an eine konkrete Auseinandersetzung und auch diese beschreibt häufig nur das Ziel, nicht den Weg zur funktionalen Auswertung. Eine umfassende Aufarbeitung dieses komplexen Themas kann und soll mit dieser Arbeit und der ihr zugrunde liegenden Unterrichtsreihe nicht geleistet werden. Sie hat vor allem ein Ziel: den Unterricht in der vorgestellten Lerngruppe zu verbessern. Gegenstand der Untersuchung ist die Frage, inwieweit fünf von mir konzipierte Verfahren zu einer Funktionalitätssteigerung der Auswertung von Übersetzungsstunden beitragen. In der Darstellung folgt die Arbeit einem grob dreischrittigen Aufbau: 1 Grundlegend hierzu Meyer 1987 II 161-167 und Bönsch 1968, zu den Stichworten „Kontrolle“ 3
Im ersten Teil beschäftigt sie sich mit der Situation der Lerner und ihrem Bedarf. Daran schließt sich eine Definition des für diese Arbeit grundsätzlichen Begriffs der „Funktionalität“ in Hin- blick auf Auswertungsphasen von Übersetzungsstunden an. Es folgen eine Reihe von Indikato- ren, Leitfragen und Thesen, die der Überprüfung der gewünschten Steigerung dienen, sowie eine kurze zusammenfassende Darstellung der diagnostischen Verfahren. Im Mittelteil der Arbeit werden die fünf von mir konzipierten Verfahren zusammen mit meinen jeweiligen didaktischen Planungsentscheidungen vorgestellt. Anschließend erfolgt ein Über- blick über den zeitlich-organisatorischen Ablauf der Reihe in Form einer Synopse. Der letzte Teil ist schließlich der Beurteilung der gewonnenen Daten und Ergebnisse gewidmet: Hier werden zunächst die einzelnen Verfahren ausgewertet und dann vergleichend gegen- übergestellt. Daraus ziehe ich Konsequenzen für den weiteren Unterricht. Am Schluss der Ar- beit formuliere ich schließlich einige Erkenntnisse, die ich, unabhängig von den jeweils einge- setzten Verfahren, für die zukünftige Planung von Auswertungsphasen gewonnen habe. Der Anhang enthält eine Auswahl der bei der Durchführung der Reihe eingesetzten Materialien für die Ergebnissicherung und Evaluation der Verfahren. Da eine systematische Untersuchung bis jetzt fehlt, kann die Übertragbarkeit der Ergebnisse und die Gültigkeit der Erkenntnisse dieser Arbeit erst in der weiteren Unterrichtspraxis erprobt werden. Überhaupt bleibt eine grundlegende fachdidaktische Erforschung des Problemfelds „Auswertungsphase“ ein Desiderat: Sie wäre mit Sicherheit äußerst fruchtbar für den Latein- unterricht.2 Hinweis: Wenn im Folgenden aus Gründen der Platzersparnis und Stilistik ausschließlich die männliche Form angesprochener Personengruppen verwandt wird, so ist die entsprechende weibliche Form vom Verfasser stets ebenfalls gemeint. 2 An dieser Stelle sei hervorgehoben, wie gewinnbringend intra- und interschulische Netzwerke auch für dieses Gebiet sein könnten. 4
1. Vorbereitung der Reihe 1.1 Begründung des diagnostischen Bedarfs 1.1.1 Lerngruppe Die Klasse 8d, die ich seit den Winterferien 2007 unterrichte, besteht aus 30 Schülern (15 Mäd- chen und 15 Jungen). Sie zeigen allgemein großes Interesse am Fach Latein und arbeiten in der Regel gut mit. Im sozialen Verhalten gibt es üblicherweise keine Störungen, die Schüler gehen freundlich miteinander um. Was die fachliche Leistungsfähigkeit betrifft, schätze ich die Klasse eher im unteren Mittelmaß ein. Die letzte Klassenarbeit vom 12.12.2007 hatte einen Schnitt von 3,7, ein Ergebnis, das durchaus im Rahmen des Erwarteten liegt. Insbesondere zeigten sich hier erneut Mängel beim Übersetzen komplexerer Texte ins Deutsche, die Abfrage einzelner Formen oder Vokabeltests fallen in der Regel besser aus. Dies ist sicherlich nicht weiter verwunderlich, da das Übersetzen eine weit höhere Anforderung an die Schüler stellt als ein bloßes Rekodieren von Einzelfor- men. Dennoch hat die Klasse hier m. E. erhöhten Schulungsbedarf. Besonders auffällig bei dieser Lerngruppe ist für mich, dass die Schüler in Übersetzungsstun- den gut mit- bzw. zusammenarbeiten, und zwar weitgehend unabhängig davon, welche So- zialform (Gruppen-, Partner- oder Einzelarbeit) ich für die Übersetzungsphase einsetze. Die Atmosphäre in diesem Teil der Stunden ist – abgesehen von den üblichen Ausnahmen – stets von hoher Konzentration, Sachbezogenheit und freundlichem Umgang miteinander geprägt. Demgegenüber gestaltet sich die gemeinsame Auswertung der Übersetzung(en) ungleich problematischer: Die Schüler haben hier große Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, zeigen zum Teil wenig Interesse am gemeinsamen Vergleich des zuvor Erarbeiteten oder reagieren sogar beleidigt, wenn sie ihre Übersetzung nicht vortragen dürfen. Dies liegt m. E. in mehreren Faktoren begründet: Die Aufmerksamkeit ist zum Ende der 45-Minuten-Stunde weitgehend erschöpft. Die Schüler haben sich ja bereits jeweils ca. 35 Minuten konzentriert und können z. T. die Konzentration nicht mehr aufrecht erhalten. Inhaltlich geschieht in der Auswertungsphase wenig Neues. Den Sinn des (Lehrbuch-) Textes haben die Schüler im Groben zumeist bereits erfasst, so dass das eigentliche Interesse der Schüler („Was passiert in der Geschichte?“) bereits befriedigt ist. Hier beginnt aber erst eine wichtige Phase des Übersetzungsprozesses, nämlich das Korri- gieren der Übersetzungsfehler, das Vergleichen von Formulierungen und (durchaus 5
auch schon bei Lehrbuchtexten, auch wenn hier das inhaltliche Verstehen und genaue Konstruieren im Vordergrund steht) das Interpretieren des Textes. Die Schüler wollen erfahrungsgemäß – neben dem Inhalt der Texte – vor allem wissen, ob sie in ihrer eigenen Übersetzung Fehler gemacht haben und zeigen wenig Geduld bzw. Interesse, wenn es um die Fehler von Mitschülern geht. Außerdem möchten sie ihre persönliche Übersetzung gewürdigt sehen. Es gibt also in der Lerngruppe in dieser Phase ein Problem der Aufmerksamkeit, das sowohl physiologisch als auch psychologisch begründet scheint. Außerdem stellt sich die Frage, wie die Schüler auf ihre individuellen Übersetzungsfehler hin- gewiesen werden können und wie ihnen bei Schwierigkeiten geholfen werden kann, ohne dass sie alle zu Wort kommen müssen. Denn möglichst viele Übersetzungen möglichst vieler Schüler im Plenum zu besprechen, ist im Rahmen des schulischen Lateinunterrichts nicht nur schwer möglich, sondern kann auch nicht sein Ziel sein. Doch gerade die Auswertungsphase von Übersetzungsstunden ist von immenser Wichtigkeit für das Gelingen solcher Stunden. Nur hier haben die Schüler Gelegenheit, Sicherheit über ihre Ergebnisse zu erlangen, Fehler in ihrer und anderen Übersetzungen zu korrigieren, sprachlich weiterführende Fragen zu stellen und ihre Sprachkompetenz im gemeinsamen Gespräch direkt einzubringen. Eine ineffiziente und dysfunktionale Auswertungsphase wiegt deshalb besonders schwer, weil die Schüler nicht nur keine Klarheit über ihre Arbeitsergebnisse erlangen, sondern der Unter- richt auch auf einer Stufe verharrt, die eine kontinuierliche Verbesserung der Übersetzungsfer- tigkeit3 der Schüler nur schwer möglich macht. Im Grunde genommen ist eine Übersetzungs- stunde mit dysfunktionaler Auswertungsphase eine verschenkte Stunde. Deshalb scheint es mir als erster Schritt zur weiterführenden Schulung der Übersetzungsfertig- keit meiner Schüler adäquat, verschiedene Verfahren zu erproben, um die Funktionalität4 eben dieser Phasen zu steigern. 1.1.2 Rahmenplanbezug Das Übersetzen ist seit jeher eine Kernkompetenz des Lateinunterrichts. Auch heute nimmt das Übersetzen und Interpretieren von Texten im Lateinunterricht weiterhin den Großteil der vorhandenen Unterrichtszeit ein. So nimmt es nicht Wunder, dass der Rahmenlehrplan dieser Tätigkeit einen hohen Stellenwert einräumt: 3 Gemeint ist die Fertigkeit der Schüler, lateinische Texte zu de- und rekodieren. 4 Zur Definition des Begriffs siehe Punkt 1.2 6
Die Sprachkompetenz umfasst *…+ • die Fähigkeit, einen lateinischen Text sprachlich zu erschließen, inhaltlich zu erfassen und zu interpretieren, • die Fähigkeit, einen lateinischen Text angemessen im Deutschen wiederzugeben. Die Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten ist eng mit dem Erwerb sprachlicher Mittel verbunden. Dazu gehören Aussprache, Wortschatz und Grammatik. Die im Unterricht behandelten sprachlichen Erscheinungen sind nicht nur Mittel zur Über- setzung, sondern werden selbst Gegenstand intensiver Sprachbetrachtung. (RLP Sek I 11) *…+ Die Methodenkompetenz umfasst *…+ 5 • die Fähigkeit zu kritischem Denken und Reflektieren. (RLP Sek I 12) Für eine effiziente Förderung der hier formulierten Standards und Kompetenzen bei den Schülern sind nicht nur gelungene Phasen der Übersetzung, sondern auch Auswertungs- phasen nötig, die die Gelegenheit zum Vergleich, zur Korrektur und zur Reflexion der Übersetzung geben. 1.2 Funktionalität von Auswertungsphasen Auswertungsphasen von Übersetzungsstunden verfolgen mehrere Ziele: Einerseits sollen sie den Schülern die Möglichkeit geben, ihre Arbeitsergebnisse vorzustellen, sie zu vergleichen sowie ggf. die aufgetretenen Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Andererseits soll der Übersetzungstext im Detail, auf grammatischer und syntaktischer Ebene, und insgesamt, auf der Inhalts- und Bedeutungsebene, in den Mittelpunkt rücken. Da das Stundenende in dieser Phase näher rückt und die Konzentration der Klasse erfahrungsgemäß nachlässt, muss hier eine Fokussierung, eine Bündelung sowohl in Hinblick auf die Aufmerk- samkeit als auch die Ergebnisse der Schüler stattfinden. Damit die Auswertung im rechten Ver- hältnis bleibt, ist auch der Zeitbedarf für das jeweilige Verfahren der Auswertung wichtig. Ein Verfahren, für das sehr viel Zeit aufgewendet wird, muss spezielle Vorteile mit sich bringen, damit sein Einsatz gerechtfertigt ist. Somit komme ich für das weitere Vorgehen zu folgender Arbeitsdefinition6: Funktional ist eine Auswertungsphase in Übersetzungsstunden, wenn sie… 1. …die Aufmerksamkeit der Schüler noch einmal bündelt, also durch eine konzentrierte Atmosphäre gekennzeichnet ist. 2. …den Schülern ausreichend Gelegenheit gibt, ihre Übersetzungsfehler zu korrigieren. 5 Rahmenlehrplan des Fachs Latein für die Sekundarstufe I, herausgegeben von der Senatsverwaltung 1 für Bildung, Jugend und Sport Berlin ( 2006) 6 Bewusst fasse ich die aufgeführten Punkte unter diesem Begriff zusammen. Die Definition erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt die verschiedenen Aspekte der „Funktionalität“ dar, die ich in der Reihe beobachtet habe und steigern möchte. 7
3. …die Schüler dazu anregt, verschiedene Formulierungen im Deutschen zu verglei- chen und sich begründet für eine bestimmte zu entscheiden. 4. …die Ergebnisse der Erarbeitungsphase in verdichteter Form allen Schülern zugänglich macht (indem z.B. der Text als Ganzes am Ende der Auswertung noch einmal vorgetragen wird). 5. …in einem angemessenen7 zeitlichen Rahmen im Unterricht durchführbar ist. Um eine Vergleichbarkeit der Verfahren in der Unterrichtsreihe herzustellen, habe ich mir vor- behalten, alternativ in den Übersetzungsprozess einzugreifen und diese Phase beizeiten zu beenden, auch wenn das vorgesehene Pensum nicht bewältigt wurde. Auf diese Weise soll in jeder Stunde genug Zeit für die Auswertung bleiben. Außerdem achte ich bei der Planung der Unterrichtsreihe darauf, dass die zu testenden Ver- fahren möglichst am Donnerstag durchgeführt werden können, an dem ich in der Klasse eine Doppelstunde unterrichte. 1.3 Beobachtungsschüler Die im Verlauf der Unterrichtsreihe erprobten Verfahren sollen eine Funktionalitätssteigerung der Auswertungsphasen bewirken. Um ein möglichst genaues Bild über Vorzüge und Nachteile der einzelnen Verfahren zu gewinnen, habe ich mich entschieden, unter anderem sechs aus- gewählte Schüler über den gesamten Zeitraum hinweg zu beobachten. Dieses Vorgehen er- folgt aus mehreren Gründen. Zum einen erscheint es mir nicht praktikabel, ausschließlich die Lerngruppe insgesamt zu be- trachten. Ich selbst müsste dann nicht nur die Auswertungsphase leiten (oder zumindest ini- tiieren, vgl. Verfahren „Schülermoderation“), sondern dabei auch alle Schüler gleichzeitig im Auge behalten und meine Beobachtungsziele verfolgen. Die Erkenntnisse, die aus einer sol- chen Beobachtung entspringen, müssen zwangsläufig eher oberflächlicher Natur sein. Zum anderen befürchte ich, nur jeweils einen Schüler eines Niveaus zu beobachten, könnte die Gewinnung kontinuierlicher Daten ebenfalls gefährden. Die Praxis des Schulalltags hat mir bereits in der kurzen Zeit meines Referendariats gezeigt, dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass gerade die zu beobachtenden Schüler in der vorbereiteten Stunde wirklich anwe- send sind. 7 Angesichts der Arbeitsbelastung bei einer „vollen“ Stelle erscheint mir eine Vorbereitungszeit von mehr als einer Stunde für die Stunde, in der das Verfahren eingesetzt werden soll als nicht angemessen. In der Stunde selbst ist die Frage der Angemessenheit nicht leicht (und wohl nicht im Allgemeinen) zu klären. Ich persönlich halte eine Zeitdauer von durchschnittlich 10-15 Minuten für angemessen. Länger als die vorangehende Übersetzungsphase sollte die Auswertung in keinem Fall dauern. 8
Die sechs Schüler lassen sich grob drei Niveaus zuordnen, so dass jeweils zwei zu einer Leis- tungsstufe gehören. Ich habe sie nach folgender Diagnosematrix ausgewählt, die sich auf Beo- bachtungen aus dem vorangehenden Unterricht stützt. Die Klassifizierung der Schüler bezieht sich hier auf ihre Mitarbeit in Übersetzungsstunden. Fachlicher Entwicklungsstand Mitarbeit Kenntnisse Qualität + + umfangreich und sicher hoch 0 0 vorhanden und abrufbar mittel - - lückenhaft niedrig Fertigkeiten Kontinuität + + sicher und zügig immer bis regelmäßig 0 0 solide mit Schwachstellen meist bis manchmal - - unsicher und fehlerhaft selten bis gar nicht Niveau 1 (N1) Niveau 2 (N2) Niveau 3 (N3) Sarah Anna Peter Laura Nico Daniel + + + + 0 0 0 0 - - - - + 0 + - 0 - - - - + - - Niveau 1 Sarah ist im Lateinunterricht eine der besten Schülerinnen der Klasse. Sie weist fundierte Kenntnisse und Fertigkeiten auf und bringt diese stets in hoher Qualität ein. Ihre Beteili- gung im Auswertungsprozess kann sie aber im Vergleich mit anderen Schülern der Lern- gruppe noch steigern. Dass diese oftmals so gering ausfällt, dürfte m. E. darin begründet sein, dass sie sich wegen ihrer sehr guten Fähigkeiten im Fach gerade in den Auswertungs- phasen langweilt und zeitweise nicht genug gefordert fühlt. Anna besitzt ebenfalls sehr gute Kenntnisse und Fertigkeiten und auch die Qualität ihrer Beiträge ist hoch. Sie beteiligt sich aber noch seltener als Sarah von sich aus an der Auswertung, auch wenn sie dem Unterrichtsgespräch stets aufmerksam folgt. Der Grund für ihre geringe Beteiligung ist aus meiner Sicht, dass sie sehr schüchtern ist und sich oft nicht traut, ihre fundierten Kenntnisse einzubringen. Wenn sie aufgerufen wird, weiß sie aber stets die richtige Antwort. 9
Niveau 2 Peter weist überwiegend solide Kenntnisse und Fertigkeiten auf und weiß diese auch an passender Stelle anzuwenden. Er beteiligt sich aber oft nur nach direkter Ansprache aktiv am Auswertungsgespräch und ist gerade seit den Sommerferien häufig abgelenkt oder lenkt seinerseits mit ihm befreundete Mitschüler ab. Ein Grund für dieses Verhalten dürfte in der Pubertät liegen, die sich in diesem Schuljahr bei allen Schülern der Klasse stärker bemerkbar macht. Außerdem neigt Peter zu einer etwas bequemen Arbeitshaltung. Er kann sich in allen Bereichen, besonders in der Mitarbeit noch steigern. Laura hat ebenfalls überwiegend solide Kenntnisse, ist aber unsicher in deren Anwendung, was wohl auch dadurch beeinflusst wird, dass sie Schwierigkeiten im Deutschen hat. Dadurch macht sie in schriftlichen Arbeiten oft Fehler. Sie ist fleißig, mündlich und gerade auch in der Auswertung von übersetzten Texten hält sie sich aber zurück und beteiligt sich selten, dann zeigen ihre Beiträge allerdings eine durchaus gute Qualität. Sie meldet sich nur, wenn sie sich ihrer Antwort sehr sicher ist. Niveau 3 Nico hat nur lückenhafte Kenntnisse und Fertigkeiten, so dass auch die Qualität seiner Bei- träge in der Regel niedrig ist. Er arbeitet allerdings fleißig mit, meldet sich sehr oft und ist bemüht, seine Lücken zu schließen. Das Problem liegt bei ihm nicht in der Arbeitshaltung begründet, sondern in seiner Sprachkompetenz: Nicht nur im Lateinischen, sondern vor allem auch mit der deutschen Sprache hat er größere Schwierigkeiten. Daniel hat ebenfalls deutliche Lücken in seinen Kenntnissen und Fertigkeiten, worunter auch die Qualität seiner Beiträge leidet. Darüber hinaus ist er sehr abgelenkt und nimmt häufig erst nach deutlicher Ansprache (und auch dann oft nur widerwillig) am Unterrichts- geschehen teil. Diese unkonzentrierte Arbeitshaltung führt dazu, dass seine Arbeitsergeb- nisse oft unvollständig sind und er bisweilen den Anschluss an das Unterrichtsgeschehen verliert. 1.4 Erkenntnisleitendes Interesse In der vorliegenden Unterrichtsreihe geht es mir darum, die Funktionalität der Auswertungs- phasen in Hinblick auf den festgestellten Bedarf und die oben aufgestellte Definition zu stei- gern. Dabei dienen (unter anderem) die Hypothesen für die Schüler der unterschiedlichen Niveaus (siehe 1.6) zur späteren Überprüfung, inwieweit dieses Ziel jeweils erreicht wurde. Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass eins der unten vorgestellten Verfahren alle der oben genannten Aufgaben erfüllt und gleichzeitig die Hypothesen zu allen Beobachtungsschü- 10
lern untermauert. Vielmehr möchte ich prüfen, unter welchem Aspekt und für Schüler welchen Niveaus ein Verfahren gut funktioniert. Schlussendlich hat die Reihe dann Erfolg, wenn am Ende ein oder mehrere Verfahren validiert wurden, die für diese Klasse (zu diesem Zeitpunkt) besonders funktional sind oder durch deren Einsatz bestimmte Niveaus von Schülern gezielt gefördert werden können. Ich stelle also zusammenfassend folgende Leitfragen auf, die in dieser Unterrichtsreihe über- prüft, und im Ergebnisteil dieser Arbeit beantwortet werden: Welche der unten vorgestellten Verfahren steigern die Funktionalität der Auswer- tungsphase? Unter welchem Aspekt (s. 1.2) kommt diese Steigerung besonders zum Tragen? Welches oder welche der Verfahren funktionieren in der Klasse besonders gut, welche nicht? Was für Schwierigkeiten treten bei der Durchführung der einzelnen Verfahren auf? Was für Erkenntnisse lassen sich daraus für künftige Übersetzungsstunden und de- ren Auswertung ziehen? 1.5 Thesen 1.5.1 Transfer der Übersetzungsergebnisse „ Es ist meist ungünstig, wenn die Schüler aufgefordert werden, die Ergebnisse in der Klasse „zusammenzutragen“. Diese Arbeit langweilt viele Schüler, weil sie nur ein Nachplappern ist, und die Schüler sind oft mehr an ihren eigenen Lernergeb- nissen interessiert als an denen der anderen.“8 Wie in diesem Zitat deutlich wird, erscheint es in Hinblick auf die Auswertungsphase dysfunk- tional, möglichst viele Ergebnisse möglichst vieler Schüler zusammenzutragen bzw. einzeln vortragen zu lassen. Stattdessen sollen sie diese, wenn es geht, auf eine neue Situation oder in einem anderen Kontext anwenden. Eine durch den Text angeregte Arbeit (in Form einer szenischen Darstellung oder einer Text- transformation anderer Art) scheint hier also empfohlen. Zunächst aber muss bei der Auswer- tung von Übersetzungen im Lateinunterricht m. E. eine Phase vorangehen, die sich konkret mit dem Text und seiner Übersetzung befasst. Denn insbesondere in der Spracherwerbsphase steht es ja oft gerade an, genau am Text zu arbeiten und sich eben nicht von ihm zu entfernen. 8 Grell 1983 111 11
Außerdem müssen die Schüler sich spätestens in der nächsten Lernerfolgskontrolle oder Klas- senarbeit allein mit einem Text auseinandersetzten und ihn genau übersetzen, eine Transfor- mation ist allenfalls als Zusatzaufgabe durchführbar: An einer kontinuierlichen und genauen Textarbeit führt kein Weg vorbei.9 1.5.2 Hypothesen Trotz dieser Schwierigkeiten, das Konzept des Transfers auch für die Auswertung von Überset- zungsstunden zu übernehmen, halte ich es dennoch für überzeugend und angebracht, dass die Schüler ihre Ergebnisse, in diesem Fall ihre selbst angefertigten Übersetzungen, in der Phase der Ergebnissicherung im neuen Kontext anwenden. Hierzu habe ich mir fünf verschiedene Vorgehensweisen überlegt. (Siehe Punkt 2.1.) Deshalb formuliere ich die folgenden beiden Thesen, die im Rahmen dieser Arbeit eine Über- prüfung erfahren sollen. These 1: Tragen die Schüler in der Auswertungsphase ihre Ergebnisse nicht nur zusammen, sondern wenden sie sie auch in einem neuen Kontext an, steigt ihre Aufmerksamkeit. Wenn die Schüler aufmerksamer sind, konzentrierter mitarbeiten und dem Unterrichtsge- schehen mit höherer innerer Anteilnahme folgen, ergibt sich m. E. konsequent These 2: These 2: Je höher die Aufmerksamkeit der Schüler in der Auswertungsphase, desto höher ist die Zahl der Fehler, die sie in ihrer Übersetzung korrigieren. Diese Thesen sollen im Verlauf der unten vorgestellten Unterrichtsreihe kritisch überprüft werden. 1.6 Indikatoren zur Überprüfung Als Indikatoren zur Überprüfung der zu erprobenden Verfahren dienen verschiedene Hypothe- sen, die nach der Durchführung der Reihe mit den Ergebnissen verglichen werden. Für die Beobachtungsschüler sind dies folgende hypothetische Verhaltensänderungen: Niveau 1: Ein oder mehrere der zu erprobenden Auswertungsverfahren werden diese beiden Schüler- innen dazu anregen bzw. ermutigen, sich stärker in den Unterricht einzubringen, d. h. ihre Be- teiligung zu erhöhen. 9 Nebenbei sei bemerkt, dass es sich bei der genauen Textarbeit nicht so sehr um ein „Problem“ des Lateinunterrichts, sondern vor allem um eine seiner größten Stärken handelt. Denn dadurch tritt die Sprachreflexion stärker in den Vordergrund als es z.B. beim Unterricht in modernen Fremdsprachen der Fall ist, die auch auf eine aktive Beherrschung der Sprache hinarbeiten. 12
Sarah wird sich einbringen, wenn sie sich genügend gefordert fühlt. Sie benötigt eine klare Aufgabe im Auswertungsprozess. Da sie leistungsstark ist, wird sie besonders aus dem Verfah- ren der „Schülermoderation“ Vorteile ziehen können. Anna wird sich bei den Verfahren mehr beteiligen, bei denen ihre eigene Übersetzung nicht im Vordergrund steht und vor der ganzen Lerngruppe „seziert“ wird (vgl. die Verfahren „Lü- ckentext“ und „präparierte Übersetzung“). Niveau 2: Peter wird durch wenigstens eins der Verfahren mehr in das Unterrichtsgeschehen einge- bunden. Außerdem ist er konzentriert, wenn es darum geht, die Übersetzungsfehler zu korri- gieren. Eine klare Struktur mit genauen Arbeitsanweisungen (siehe Verfahren „Lückentext“) kann ihm dabei sicher helfen. Laura wird ermutigt, sich mehr zu beteiligen und Fragen zu stellen, wenn ihr etwas unklar ist. Insbesondere bekommt sie die Gelegenheit, ihre Übersetzungsfehler zu korrigieren und Formulierungsschwierigkeiten im Deutschen auszuräumen. Niveau 3: Nico wird in seiner Mitarbeit weiter bestärkt und erhält die Gelegenheit seine Übersetzungs- fehler zu korrigieren sowie Fragen zu Formulierungen im Deutschen zu stellen. Daniel wird durch klare Arbeitsanweisungen und eine nachvollziehbare Struktur in der Auswer- tungsphase mehr in das Unterrichtsgeschehen eingebunden. Er beteiligt sich häufiger von sich aus, ist insgesamt konzentrierter und erledigt seine Aufgaben vollständig. 1.7 Auswahl der diagnostischen Verfahren 1.7.1 Eingangstest Zu Beginn der Reihe wird ein Abschnitt des Lehrbuchtextes nach dem Verfahren übersetzt und ausgewertet, dass ich in der Klasse üblicherweise durchführe. Dadurch soll der „Ist-Zustand“ festgestellt werden. Zunächst übersetzen die Schüler dabei den Text in Partnerarbeit oder „Murmelgruppen“. Zu Beginn des Auswertungsprozesses präsentiere ich dann den lateinischen Text als optische Stütze auf Folie und fordere die Schüler auf, ihn in kurzen Abschnitten zu übersetzen. Wenn dabei ein Fehler auftritt oder eine Formulierung besprochen werden soll, darf der Schüler je- weils jemanden aufrufen, der ihn korrigiert, bzw. seine Variante vorliest.10 Dieser darf dann 10 Wichtig ist mir eine möglichst hohe Interaktivität des Unterrichtsgesprächs. Das Verfahren beschreibt Lechle als „Unterricht in der Großgruppe“ (vgl. Lechle 1997), noch schülerzentrierter sind 13
weiter übersetzen. Zum Schluss trägt ein Schüler den gesamten Text noch einmal vor, eine kurze Besprechung des Inhalts findet im Anschluss daran statt. 1.7.2 Diagnose Die Auswahl der diagnostischen Verfahren ist auf die oben bestimmten Untersuchungskrite- rien ausgerichtet. Die Diagnose erfolgt in mehreren Schritten: 1. Die Aufmerksamkeit der ausgewählten Schüler wird auf einem Beobachtungsbogen nach vier (bzw. fünf) Kategorien (s. u.) festgehalten. 2. Die Anzahl der Fehler in den Übersetzungen aller Schüler wird durch Einsammeln und Korrigieren durch mich überprüft. 3. Alle Schüler erhalten jeweils am Ende der Stunde11 einen Evaluationsbogen (siehe An- hang), auf dem sie sich äußern, inwieweit ihnen das Verfahren Spaß gemacht bzw. ge- holfen hat den Text zu verstehen und ihre Fehler zu korrigieren. Diese Evaluation er- folgt nicht anonym, die Schüler werden aber darauf hingewiesen, dass der Bogen in keiner Weise in die Bewertung ihrer Leistung eingeht. 4. Der Zeitaufwand für die Durchführung wird bei jedem Verfahren notiert. Kategorien zur Diagnose der Aufmerksamkeit 4 3 2 1 0 sehr aufmerksam, korri- sehr aufmerksam, ab und zu aufmerk- nicht aufmerksam, nicht an- giert Fehler, hört zu, be- hört zu, passiv am sam, ist leicht ab- hört nicht zu, ist wesend teiligt sich aktiv am Unter- Unterricht beteiligt, gelenkt oder lenkt abgelenkt und lenkt richtsgeschehen. gibt auf Nachfragen z. T. andere Schüler Mitschüler ab. richtige Antworten. ab. Auf diese Weise möchte ich zweierlei Erkenntnisse gewinnen. Auf der einen Seite steht die Selbsteinschätzung der gesamten Lerngruppe bezüglich der Ver- fahren. Hier wird darauf eingegangen, wie motivierend12 das jeweilige Verfahren war und wie gut es den Schülern ihrer Meinung nach geholfen hat, sowohl den Text zu verstehen als auch ihre Fehler zu korrigieren. Meurer/Riebeling/Selbert (47-48) in ihrem unter der Bezeichnung „Rundgespräch“ ausgeführten Verfahren. Die Schüler tun sich in der Praxis meines Unterrichts immer noch schwer damit, sich ohne mein lenkend- organisierendes Eingreifen gegenseitig zu korrigieren. Oft finde ich mich dann, obwohl ich es vermeiden will, doch in typischer „Ping-Pong-Kommunikation“ wieder. Mir fällt es auf der anderen Seite schwer, konsequent zu sein und mich nicht zu schnell ins Gespräch einzuschalten, obwohl dies der einzige Weg ist, um die Schüler an das Verfahren zu gewöhnen. 11 Ursprünglich hatte ich geplant, eine Evaluation aller Verfahren am Ende der Reihe durchzuführen. Bezüglich der Verfahrensänderung vgl. Punkt 3.1 („Erkenntnisse während der Durchführung der Reihe“) 12 Wenn hier und im Weiteren der Begriff Motivation verwendet wird, so ist damit nur die Kategorie „toll und spannend – langweilig“ auf dem Evaluationsbogen der Schüler (siehe Anhang) gemeint. 14
Auf der anderen Seite steht zunächst die Korrektur der Übersetzungen durch mich, so dass gewissermaßen die „Gegenprobe“ gemacht wird. So erhoffe ich mir, die Verfahren aus zwei Blickwinkeln, aus Schüler- und aus Lehrersicht, verlässlicher evaluieren zu können. Außerdem und damit die Erkenntnisse über die Verfahren noch konkreter werden, beziehe ich die Beobachtungen zu den sechs Schülern unterschiedlicher Niveaus in die Beurteilung mit ein. 2. Erläuterungen zur Durchführung der Reihe 2.1 Auswahl der Auswertungsverfahren Wie deutlich gemacht wurde, ist die Literatur zu diesem speziellen Thema dünn gesät. Alle im Folgenden vorgestellten Auswertungsverfahren sind deshalb von mir entwickelt und ausge- wählt. Den Verfahren ist gemeinsam, dass sie jeweils am Ende einer Übersetzungsphase und im Ple- num stattfinden. Es schließt sich ggf. noch ein kurzer Teil an, in dem über den Inhalt des Textes und Interpretationsmöglichkeiten bzw. die Meinung der Schüler dazu gesprochen wird. Darüber hinaus habe ich mich für ein eher lehrerzentriertes Arrangement entschieden, in dem ich eine relativ stark lenkende Funktion innehabe (Eine Ausnahme hierzu bildet das letzte der vorgestellten Verfahren, bei dem die leistungsstarken Schüler die Auswertung übernehmen). Dies erfolgt aus mehreren Gründen: Erstens erscheint mir die Auswertung im Plenum unerlässlich, um die Ergebnisse der Arbeit der gesamten Lerngruppe zugänglich zu machen (siehe 4. unter 1.2). Ich kann mir kein Arrange- ment vorstellen, bei dem dieses Ziel mit einer anderen Organisationsform erreichbar wäre. Zweitens erhöht eine anders organisierte Auswertung m. E. die Gefahr für die Schüler, Fehler in ihrer Übersetzung zu übersehen. Sie wären stärker auf sich allein gestellt und könnten nur sehr eingeschränkt Unterstützung durch mich erfahren.13 Drittens ist es aus meiner Sicht in Hinblick auf eine konsequent aufbauende Stundenstruktur und um Eintönigkeit in der Wahl der Sozialformen zu vermeiden sinnfällig, nach der indivi- duellen Phase der Übersetzung (in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit) eine gemeinsame Schlussphase zu initiieren. Auf diese Weise wird die Stunde abgerundet. Um die Verständlichkeit der Untersuchungsergebnisse zu gewährleisten, werden die Verfahren im Folgenden kurz dargestellt. Diese Darstellung gliedert sich in eine kurze Vorstellung in Form 13 Es ist allerdings klar, dass auch (oder gerade) in einem im Plenum organisierten Auswertungsprozess die Möglichkeiten der individuellen Beratung eng begrenzt sind. 15
eines „Rezeptes“, an die sich ein didaktischer Kommentar anschließt, in dem ich jeweils die Beweggründe für die spezifische Gestaltung erläutere. 2.1.1 Lückentext Vorangehend: PA in der Übersetzungs- Material: (Folie mit) Übersetzung als Lückentext, phase Folienschnipsel (Var. 1) bzw. -stift (Var. 2) Zeit: je nach Länge des übersetzten Ab- Vorbereitung: Lückentext & Folienschnipsel er- schnitts, geplant sind 10 Min. stellen bzw. Stift mitbringen Durchführung: Ich leite zur Auswertungsphase über, indem ich den deutschen Lückentext14 als Folie auflege. Aufgabe der Schüler ist es, mithilfe der von ihnen erstellten Übersetzung die Lücken zu füllen. Einzelne Schüler melden sich und vermuten anhand ihrer eigenen Übersetzung, was in die Lücken gehört. Füllen sie die Lücken richtig, dürfen sie nach vorn kommen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten fortzufahren: Var. 1: Ich gebe die Folienschnipsel mit der vom Schüler vorgeschlagenen Übersetzung heraus, der Schüler, der die Lücke richtig gefüllt hat, darf den fehlenden Baustein heraussuchen und auf die Lücke legen. [Var. 2: Der Schüler bekommt einen Folienstift und darf seine Lösung in die Lücke eintragen.] Am Ende liest ein Schüler (z.B. der letzte Schüler, der vorn steht) oder ggf. der Lehrer den Text im Ganzen vor. Dann fragt er, ob noch etwas unklar ist. Didaktischer Kommentar Die ersten beiden der zu überprüfenden Verfahren sind bewusst so ausgewählt, dass sie zu- rückhaltenden bzw. leistungsschwächeren Schülern die Beteiligung an der Auswertung erleich- tern. Dadurch, dass Formulierungen z.T. vorgegeben werden oder ausgewählt werden müssen, entfallen Schwierigkeiten von vornherein, die beim Reden über den auf Folie dargebotenen lateinischen Text auftreten (siehe „Eingangstest“). Für die Reihe habe ich mich bei diesem Verfahren für die Variante 1 entschieden. Dabei will ich einerseits Zeit sparen, denn die Folienschnipsel zuzuordnen dauert erfahrungsgemäß weniger lang, als die Lücken schriftlich auszufüllen, anderseits befürchte ich auch, dass die Lesbarkeit 14 ESSER bringt verschiedene Beispiele für den Umgang mit Lückentexten für das Üben bestimmter Phänomene im Lateinunterricht. Er hält dieses Verfahren auch für die Nach- bzw. Vorbereitung einer Übersetzung für angemessen. Allerdings bringt er nur Beispiele mit einem lateinischen Lückentext: Dies halte ich als Auswertungsverfahren aber für ungeeignet und verwende deshalb einen deutschen Text. vgl. Esser 1992, 47 16
der Ergebnisse bei Variante 2 in dieser Klasse leidet. Die Schüler sind es nicht gewohnt, auf Folie zu schreiben und nur die Schüler mit schöner Handschrift aufzurufen ist keine realistische Option. 2.1.2 Präparierte Übersetzung Vorangehend: PA in der Übersetzungsphase Material: Folie mit präparierter Übersetzung und doppeltem Zeilenabstand, Folienstift Zeit: je nach Länge des übersetzten Ab- Vorbereitung: präparierte Übersetzung er- schnitts, geplant sind zehn, max. 15 Min. stellen, Folie kopieren Durchführung: Ich beende die Übersetzungsphase und akzentuiere den Wechsel in die neue Phase der Aus- wertung. Ich lege eine Folie auf und erkläre (z.B.): „Ich habe mich gestern auch schnell mal hingesetzt und den Text übersetzt. Ich fürchte, ich war ziemlich abgelenkt, weil ich nebenbei ferngesehen habe. Deshalb haben sich in den Text sicher viele/10 Fehler eingeschlichen. Lasst uns mal ge- meinsam schauen, wie das richtig heißen müsste.“ Der erste Schüler, der einen Satz berichtigt, erklärt den Fehler, kommt nach vorn und korrigiert mit dem Folienstift15 (der Text ist in doppeltem Zeilenabstand gedruckt) und ruft dann andere Schüler auf, die korrigieren, bis der ganze Text verbessert wurde. Am Ende der Phase wird der gesamte Text noch einmal von einem Schüler vorgelesen. Es schließt sich ein kurzes Gespräch über den Inhalt an. Didaktischer Kommentar Dieses Verfahren ist von mir als auflockernde Form vorgesehen, die ich, sollte sie im Rahmen der Reihe positiv evaluiert werden, ab und zu einsetzten möchte. Erstens würde sich bei häufi- gerem Einsatz der „Witz“ schnell verbrauchen, außerdem besteht ein grundsätzliches Problem darin, dass hier etwas falsch vorgemacht wird. Auch wenn die Schüler „eingeweiht“ und sich über die Spielregeln im Klaren sind, ist doch nicht auszuschließen, dass am Ende gerade die kuriosen Fehler im Gedächtnis haften bleiben und nicht die korrekte Übersetzung. Vor allem für das Behalten des Inhalts stellt die präparierte Übersetzung eine Gefahr dar.16 15 Da bei diesem Vorgehen im Vergleich zum „Lückentext“ sehr wenig Text auf die Folie geschrieben wird, halte ich hier es für sinnvoll, die Schüler selbst mit dem Folienstift korrigieren zu lassen. 16 Die Verwendung präparierter Übersetzungen findet bis jetzt vor allem in Unterrichtsarrangements statt, die auf das Üben grammatischer Phänomene ausgerichtet sind (vgl. hierzu Nickel 396-99., Fink 32 und zum Verfahren allgemein Dönnges/Happ 194-195). 17
Dennoch birgt das Verfahren m. E. auch viele Vorteile gerade für leistungsschwächere oder zurückhaltende Schüler. Ihre eigene Übersetzung dient ihnen nun als Hilfe und wird nicht vor der ganzen Klasse „seziert“.17 Einzelne Fehler in der schon vorliegenden Übersetzung zu finden ist (im Vergleich zum eigenen Übersetzen) relativ leicht, so dass diese Schüler Hemmschwellen eher überwinden und sich beteiligen können. Außerdem rückt bei diesem Vorgehen die Fehlerquelle und ihre Beschreibung mehr in den Fokus der Betrachtung. Die Schüler haben die Chance, anhand der fremden Fehler den Origi- naltext besser zu verstehen und die Abweichungen in ihrer eigenen Übersetzung zu überprü- fen. Deshalb bietet diese Form dem Lehrer auch die Möglichkeit, spezielle Fehlertypen, die häufig aufgetreten sind, besonders geübt oder künftig vermieden werden sollen, in den Text zu integ- rieren und bei dieser Gelegenheit noch einmal genauer zu besprechen. Es bietet sich an, auf der Folie immer etwas weiter übersetzt zu haben, als geplant, damit für alle Eventualitäten vorgesorgt ist. 2.1.3 Wettübersetzen18 Vorangehend: Übersetzung in leis- Sozialform: Teams gg. Teams im Plenum tungsheterogenen Kleingruppen Material: Tafel, Folie Zeit: geplant sind 15-20 Minuten Vorbereitung: Folie mit lat. Text in Abschnitten gleicher Länge und gleicher Anzahl wie Gruppen erstellen, Gruppeneinteilung festlegen Durchführung: Jede Gruppe bildet ein Team für das Wettübersetzen. Alle erhalten denselben Text. Die begin- nende Gruppe wird ausgelost. Sie übersetzt den ersten Satz/Abschnitt. Möchte eine andere Die Übertragung auf Übersetzungsstunden ist in der (zumindest der mir zugänglichen) Literatur noch nicht untersucht worden. Eine grundsätzliche Gefahr sieht Nickel bei Verfahren, die mit deutschen Übersetzungen arbeiten, darin, dass der Originaltext leicht aus dem Blickfeld geraten kann. Für eine „fehlerhafte Übersetzung“ gilt dies seiner Meinung nach aber nicht: „Eine Aufgabe, die eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Originaltext unumgänglich macht, kann z.B. darin bestehen, diesen mit einer fehlerhaften Übersetzung zu vergleichen und die Fehler möglichst vollständig festzustellen.“ vgl. Nickel 396 17 Diese Position vertritt auch Fink 32: „Einmal werden die Schüler für Fragen der Semantik sensibilisiert, internalisieren Satzbaupläne, haben Freude am Suchen und Finden und sind in der Regel bei den nicht selbstverschuldeten Unstimmigkeiten erfolgreicher, als wenn man sie eigene Fehler aufspüren lässt, da innere Hemmungen nicht ins Spiel kommen.“ 18 Grundlegend und sehr anregend diskutiert Steinhilber die Problematik des Wettspiels. Er steht vor allem dem Konkurrenzprinzip des Wettkampfes kritisch gegenüber und ist der Ansicht, „dass heteroagonale Spiele *…+ hinter autoagonale und kooperative Spiele zurücktreten sollen.“ vgl. Steinhilber 39 18
Gruppe intervenieren, d.h. auf einen Fehler hinweisen, meldet sie sich. Für eine fehlerfreie Übersetzung eines Satzes/Abschnitts bekommt die Gruppe jeweils 15 Punkte. Findet und erklärt eine Gruppe einen Fehler, so bekommt sie für die Korrektur pro Fehler 5 Punkte, die der übersetzenden Gruppe abgezogen werden. (D.h.: Bei drei oder mehr Fehlern in einem Satz bekommt die Gruppe keine Punkte mehr, ein weiterer Punktabzug entfällt dann.) Nach dem ersten Abschnitt wird entweder neu gelost (Var. 1), oder die Gruppe, die richtig kor- rigiert hat, übersetzt weiter, sofern sie noch nicht übersetzt hat (Var. 2). Für einen fehlerfreien Vortrag des ganzen Textes am Ende der Auswertung gibt es noch einmal 25 Punkte. Muss der Vortrag wegen eines nicht korrigierten Fehlers unterbrochen werden, bekommt sie für jeden richtigen Satz 1 Punkt und eine andere Gruppe übernimmt ab dieser Stelle. Es gewinnt die Gruppe mit den meisten Punkten. Didaktischer Kommentar Für dieses Verfahren wurde bewusst eine Form mit Wettkampfcharakter gewählt. Eine spiele- rische Unterrichtsgestaltung wird in der fachdidaktischen Literatur allgemein als dieser Klas- senstufe angemessen angesehen.19 Auch aus meiner Unterrichtserfahrung lässt sich dies bestätigen. Bereits in der vergleichsweise kurzen Zeit, die ich in der Klasse unterrichte, konnte ich feststellen, dass die Gruppe sehr posi- tiv auf solche Verfahren anspricht und die gestellten Aufgaben mit besonderem Eifer löst. Ins- besondere der Wettkampfcharakter und die dadurch entstehende Konkurrenz spielerischer Verfahren trägt zu einer erkennbaren – wenn auch zeitlich auf eben das Spiel beschränkten – Motivationssteigerung bei. Dies ist auch der hauptsächliche Vorteil, den ich mir vom Übersetzen „um die Wette“ verspre- che: Die Schüler sollen darin bestärkt werden, auch und gerade in dieser letzten Phase der Stunde konzentriert zu bleiben. Bewusst wird die richtig vorgetragene Übersetzung am Ende mit einer hohen Punktzahl be- lohnt. Auf diese Weise sollen auch Gruppen, die in ihrer Übersetzung Fehler gemacht haben, noch bis zum Ende Chancen auf den Sieg haben. Ich hoffe, Konzentration und Spielfreude so bis zum Stundenschluss auf einem hohen Niveau zu halten. 19 vgl. Steinhilber 39, üblicherweise wird auch sie allerdings für Übungsstunden und nicht in Übersetzungsstunden verwendet. vgl. Fink 7 19
Damit der Wettkampf so fair wie möglich ist, muss die Einteilung der Gruppen leistungshete- rogen durch den Lehrer erfolgen. Außerdem ist es wichtig, dass die Schüler genau in die Spiel- regeln eingewiesen werden. Hier kommt es auf eine präzise Impulsgebung durch den Lehrer an. 2.1.4 Kontrollgruppenkorrektur20 Voraussetzung: doppelt gesteckte Gruppen- Sozialform: Plenum in Gruppen á 4 Schüler arbeit á 4 Schüler in der Übersetzungsphase Material: vorstrukturierte Arbeitsbögen, lat. Text auf Folie Zeit: 15-20 Min. Vorbereitung: Arbeitsbögen vorbereiten und strukturieren, Folie drucken Durchführung: Die gesamte Klasse wird in leistungsheterogene Gruppen eingeteilt. In der Übersetzungsphase bekommt jede Gruppe einen Teil des zu übersetzenden Textes zugewiesen und ihren Arbeits- bogen ausgeteilt. Jeweils zwei Gruppen erhalten denselben Textabschnitt. Der Arbeitsbogen ist so gestaltet, dass der gesamte Text abgedruckt ist. Der zu übersetzende Abschnitt ist etwas abgesetzt und (logischerweise) in lateinischer Sprache. Die übrigen Ab- schnitte werden als deutscher Lückentext dargeboten (siehe „Lückentext“, wobei ich hier deutlich weniger Lücken vorbereitet habe, damit der grobe Sinn des umliegenden Textes allen Gruppen erkenntlich ist und somit das Übersetzen durch eine transphrastische Analyse21 entlastet werden kann). Ich weise die Schüler darauf hin, dass sie erst einmal den Text im Gan- zen betrachten sollen. Aufgabe ist es, den eigenen (lateinischen) Abschnitt zu übersetzen. Die Lücken werden erst während der gemeinsamen Auswertung gefüllt. Jede Gruppe bestimmt einen Schüler, der ihre Übersetzung vorstellen soll (ggf. kann dies auch der Lehrer bestimmen). Der Lehrer legt eine Folie mit dem gesamten lateinischen Text auf, die einzelnen Gruppenabgeordneten kommen nach vorn und stellen ihre Übersetzung vor. Die jeweils doppelt gesteckte Gruppe (und alle anderen) korrigieren. Zum Abschluss übersetzt ein Schüler oder der Lehrer noch einmal den ganzen Text und evtl. auftretende Unklarheiten werden besprochen. 20 Grundlegend mit dem gruppenunterrichtlichen Verfahren im Lateinunterricht setzt sich Florio-Hansen auseinander. Sie geht dabei auch auf die Möglichkeiten der Präsentation von Übersetzungen ein. vgl. Florio 46, allgemein vgl. auch Herbert Gudjons: Handlungsorientiert lehren und lernen: 6 Schüleraktivierung / Selbstständigkeit / Projektlernen, Bad Heilbrunn / Obb. 2001, 33-34 21 vgl. zur Methode: Dieter Lohmann: Latein – ein Ratespiel? AU 31.6 (1988), 29-54 20
Didaktischer Kommentar Da spätestens mit der aktuellen Reform der Lehrpläne und der neuen Ausrichtung auf Stan- dards und Kompetenzen auch die sozialen Fähigkeiten der Schüler ins Augenmerk gerückt sind, ist auch der Lateinunterricht angehalten, Fertigkeiten wie Teamfähigkeit, Respekt vor dem anderen und Wahrnehmung der eigenen und fremder Positionen zu fördern sowie Situationen zu schaffen, in denen die Sozialkompetenz geschult werden kann. Aus diesem Grund geht diesem Verfahren wieder eine Übersetzung in Gruppenarbeit voraus. Dadurch, dass die Gruppen leistungsheterogen gebildet werden, wird soziales Lernen ermög- licht. Die Schwächeren sollen dabei von den Stärkeren unterstützt werden. Auch während des Auswertungsprozesses selbst bleiben diese Gruppen bestehen. Von der Doppelsteckung der Gruppen erwarte ich eine höhere Fehlersensibilität der Schüler. Da sie nicht die einzigen „Experten“ für ihren Textabschnitt sind, erhöht sich die Genauigkeit der Kor- rektur („vier Augen sehen mehr als zwei“). Außerdem können sich die Gruppen so nicht auf ihrem Expertenstatus „ausruhen“. Die Doppelsteckung erfolgt aber auch aus einem mathematisch-pragmatischen Grund heraus. Die Gruppeneinteilung richtet sich nach der Schülerzahl und der Textlänge. Bei 30 Schülern und einer idealen Gruppengröße von vier bis fünf Personen ergeben sich sechs Gruppen. Wenn jede Gruppe einen eigenen Textabschnitt erhalten sollte, müsste dieser entweder sehr kurz, oder der zu übersetzende Text sehr lang sein. Die Doppelsteckung löst dieses Problem. Die Darbietung des umliegenden Textes in lückenhafter deutscher Übersetzung verfolgt zwei Ziele: Zum einen wird – wie oben angesprochen – die Übersetzungsarbeit erleichtert, da die Schüler den Sinn aus dem Gesamtzusammenhang deuten können. Zum anderen sollen die Gruppen in der Auswertung dazu „gezwungen“ werden, aufmerksam zu bleiben, auch wenn „ihr“ Abschnitt bereits oder noch nicht besprochen wurde. Die Schüler müssen also genau zuhören, wenn die anderen Gruppen ihre Ergebnisse vortragen und gleichzeitig den Originaltext im Auge behalten, um entscheiden zu können, ob eine Leer- stelle entsprechend der Übersetzung gefüllt werden kann oder nicht. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Methode die Möglichkeit der Binnendifferenzierung in sich birgt. Ist eine Gruppe schneller fertig, kann sie selbstständig anhand des lateinischen Textes die Leerstellen in den umgebenden Textstellen füllen. Im Auswertungsprozess können die Lücken anhand der Übersetzung der anderen Gruppen kontrolliert werden. 21
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