Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt - Spektrum Umwelt 6
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Spektrum Umwelt 6 | 2009 Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 50 Jahre Umweltschutz am Flughafen
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 2 Inhalt Die Wurzeln unserer Nachhaltigkeit Prof. Dr. Wilhelm Bender, Vorsitzender des Vorstands der Fraport AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 50 Jahre Umweltschutz am Flughafen Frankfurt Dr. Peter Marx, Leiter Umweltmanagement (VAU) der Fraport AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1958 – 1968: Fluglärmreduzierung durch flugbetriebliche und technische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . 6 „Wir waren im Umweltschutz schon immer ein gutes Stück voraus ...“ Interview mit Dr. Hans-Joachim Borst, ehem. Vorstand der Flughafen Frankfurt/Main AG . . . . . . . . . . . . 7 1970 – 1976: Verstärkte Einbeziehung anderer Unternehmen sowie des Flughafen-Umfeldes . . . . . . . . . . . 10 Ein Mann der ersten Stunde Interview mit Herbert Becker, ehem. Vorstandsbeauftragter der Fraport AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1983 – 2000: Umweltschutz in allen operativen Geschäftsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 „Wir haben in Hessen Pionierarbeit für den Umweltschutz geleistet“ Interview mit Walter Fricke, ehem. Leitender Ministerialrat im Hessischen Umweltministerium . . . . . . . 16 1999 – 2008: Systemarer Ansatz zur kontinuierlichen Verbesserung im Umweltbereich . . . . . . . . . . . . . . . 18 „Umweltschutz mit System bedeutet Transparenz, Nachprüfbarkeit und eine ständige Verbesserung unserer Umweltleistungen.“ Interview mit Dr. Patrick Neumann-Opitz, Umweltmanagementsystembeauftragter der Fraport AG . . . 20 2004 – 2008: Umweltmanagement als Kernelement der Fraport-Nachhaltigkeitsstrategie . . . . . . . . . . . . 23 „Those with responsibilities must look ahead and solve the problems of tomorrow today.“ Interview mit Dr. Peter Marx, Leiter Vorstandsstab Umweltmanagement (VAU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 3 Die Wurzeln unserer Nachhaltigkeit Der Flughafen Frankfurt tritt gegenwärtig in eine neue chem hohen Maß ökologisches Denken und Handeln Phase seiner Entwicklung ein. Die Fraport AG verfolgt die Entwicklung des Frankfurter Flughafens in den hierbei das Ziel, die zentrale Rolle unseres Heimatflug- zurückliegenden Jahrzehnten beeinflusst und geprägt hafens im internationalen Luftverkehr für die kommen- haben. Hier liegen die Wurzeln unserer heutigen Nach- den Jahrzehnte zu festigen und weiter zu stärken. Die haltigkeitsstrategie. Voraussetzungen dafür sind günstig: Durch den Bau der Landebahn Nordwest und des neuen Terminal 3 Im Mittelpunkt der vorliegenden Dokumentation ste- werden wir unsere Kapazitäten über lange Zeit hinweg hen Interviews mit Zeitzeugen, die diese Entwicklung auf die zukünftige Nachfrage einstellen können. Damit aus ihrer Sicht beschreiben. Durch sie wird ein Stück ist gewährleistet, dass der Flughafen Frankfurt seinen Nachhaltigkeitsgeschichte von Fraport lebendig. Für Rang als eines der bedeutendsten Luftverkehrsdreh- mich sind die unterschiedlichen Blickrichtungen in die kreuze der Welt behaupten kann. Parallel zur Kapazi- Vergangenheit unseres Unternehmens ein weiterer tätserweiterung entwickeln wir unsere Immobilien vor Grund dafür, trotz aller aktuellen Widrigkeiten – wie Ort. Der Name „Airport City Frankfurt“ steht für eine überlanger Genehmigungsverfahren oder den Auswir- Reihe von zukunftsweisenden Projekten wie dem kungen der Finanzkrise auf die Luftverkehrsindustrie – Airrail Center, den Gateway Gardens und dem Mönch- mit Zuversicht nach vorne zu schauen. Probleme und hof-Gelände, die insgesamt dem Flughafen ein neues Widerstände gab es schließlich schon immer. Und die Gesicht geben werden. Beides: die Kapazitätserweite- Geschichte des Umweltschutzes am Flughafen Frank- rung und die Airport City Frankfurt sind die Säulen, auf furt zeigt, dass mit der richtigen Mischung aus Initia- der unsere Strategie für die Zukunft des Frankfurter tive, Pragmatismus, Grundsatztreue und Dialogbereit- Flughafens aufbaut. Für beide Projekte sind hohe Inves- schaft auch schwierige Situationen zu meistern sind. titionen erforderlich: Bis Mitte des nächsten Jahrzehnts hat Fraport für Ausbau und Modernisierung des Flug- Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind keine Aufgaben, hafen-Geländes zirka sieben Milliarden Euro vorgese- die sich in ein paar Schritten lösen ließen und anschlie- hen. ßend als erledigt abgehakt werden könnten. Sie erfor- dern eine große Beharrlichkeit – und die Bereitschaft, Allein schon die Höhe dieser Investition ist ein Beleg sich neuen Herausforderungen zu stellen. Nirgendwo dafür, in welchem Umfang das wirtschaftliche Wohler- zeigt sich das deutlicher als beim Klimaschutz. Es steht gehen der Region Frankfurt/Rhein-Main vom Flughafen für mich außer Frage, dass ein wirksamer Beitrag zur abhängt. Der Airport ist mit derzeit über 70.000 Be- Verlangsamung der Erderwärmung nicht nur der Fra- schäftigten die größte Arbeitsstätte weit und breit, und port AG, sondern der gesamten Luftverkehrsindustrie für die zukünftige Entwicklung von Arbeitsmarkt und technisch, operativ und damit auch finanziell über viele Wirtschaft des Umlands von entscheidender Bedeu- Jahre hinweg eine Menge abverlangen wird. Gleich- tung. Selbstredend hat ein Standort dieser Größenord- wohl gibt es keine vernünftige Alternative. Deshalb nung auch Auswirkungen auf die Umwelt. Betrachtet haben wir uns entschlossen, den CO2 -Ausstoß am Flug- man die Gesamtheit aller wirtschaftlichen, sozialen hafen Frankfurt pro Verkehrseinheit (also die Emissions- und ökologischen Aspekte, wird offensichtlich, dass der menge umgerechnet auf einen Passagier beziehungs- Flughafen Frankfurt und die Fraport AG als seine Betrei- weise 100 Kilogramm Fracht) auf Grundlage des bergesellschaft ein hohes Maß an Verantwortung tra- Basisjahres 2005 bis 2020 um 30 Prozent zu senken. gen. Um dem gerecht zu werden, haben wir im Jahr Zudem soll der anstehende Flughafen-Ausbau CO2 -neu- 2004 eine Vision verabschiedet, in der wir uns zu den tral erfolgen. Praktisch hat das zur Konsequenz, dass Konzernzielen Wertschaffung, Leistungsstärke und die Fraport AG am Flughafen Frankfurt im Jahr 2020 Nachhaltigkeit bekennen. Diese drei Konzernziele sind absolut nicht mehr CO2 als in 2005 emittieren wird. Die- gleichberechtigt – wobei Nachhaltigkeit für die Be- ses Ziel ist ambitioniert und kann nur erreicht werden, schäftigten wie das Umland von besonderem Interesse wenn wir heute mit den dazu nötigen Maßnahmen ist. Denn hierunter fallen so wichtige Themen wie Mit- beginnen. arbeiterzufriedenheit, Umweltschutz, gesellschaftliche Verantwortung und Sicherheit. Am Klimaschutz zeigt es sich, dass Unternehmen auf längere Sicht nur dann erfolgreich wirtschaften wer- Wie gesagt: Unsere Vision wurde 2004 formuliert. Sie den, wenn sie realistisch, umsichtig und zudem mit hat aber eine sehr viel längere Vorgeschichte. Denn all einem langen Atem planen. Eben dafür steht der Begriff das, was Nachhaltigkeit im Kern ausmacht, wird bei der Nachhaltigkeit. Fraport schon seit vielen Jahren praktiziert. So ist der Umweltschutz bereits seit 1972 Unternehmensgrund- satz und spielt seit jeher sowohl im täglichen operati- ven Betrieb als auch bei der Planung und Umsetzung von Ausbauprojekten eine wichtige Rolle. Aus der hier Prof. Dr. Wilhelm Bender vorgelegten Dokumentation wird ersichtlich, in wel- Vorsitzender des Vorstands der Fraport AG
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 4 50 Jahre Umweltschutz am Flughafen Frankfurt Die Entwicklung der zivilen Luftfahrt ist eine der großen Meiner Ansicht nach ist es in einer solchen Situation Erfolgsgeschichten des technischen Zeitalters. Das erste durchaus hilfreich, einmal zurückzublicken und sich die funktionsfähige Motorflugzeug – die Flyer der Gebrüder Lösungen vor Augen zu halten, die von der Luftver- Wright – hob 1903 in Kitty Hawk zu seinem Jungfern- kehrsindustrie angesichts ähnlich dramatischer Pro- flug von 37 Metern ab. Es dauerte noch rund 20 Jahre, blemlagen entwickelt und erfolgreich umgesetzt wur- bis die ersten Airlines reguläre Flugverbindungen an- den. Denn schließlich ist es nicht das erste Mal, dass bieten konnten. Die eigentliche Geburtsstunde der zivi- sich unsere Branche mit erheblichen Widerständen kon- len Luftfahrt schlug in den 30er-Jahren des letzten Jahr- frontiert sieht. Die vielleicht größte Herausforderung in hunderts in den USA. Flugzeuge wie die DC-3 und die der Vergangenheit war die Einführung von Flugzeugen Boeing 307 waren bereits sichere und komfortable Mas- mit Strahltriebwerken, deren Lärmpegel auf Dauer senverkehrsmittel, die jedes Jahr Hunderttausende von nicht tolerierbar waren. Dieses Problem konnte Schritt Passagieren transportierten. Nach Ende des Zweiten für Schritt durch ein Bündel von technischen und opera- Weltkriegs und der Einführung von Strahltriebwerken tiven Maßnahmen zumindest soweit entschärft wer- erfolgte dann der endgültige Durchbruch: Die Luftfahrt den, dass moderne Flugzeuge heutzutage nur noch ist seither auf Strecken ab zirka 600 Kilometern das Ver- einen Bruchteil des Lärms emittieren, den die Jets der kehrssystem, das im Passagierverkehr konkurrenzlos ist. ersten und zweiten Generation verursacht haben. Im Im Jahr 2007 waren nach Auskunft der IATA etwa Rückblick kann man sagen: Vor rund 50 Jahren wurden 23.000 Flugzeuge im Einsatz, die 3.754 Flughäfen mit- aufgrund des wachsenden Problemdrucks beim Flug- einander verbanden. Insgesamt wurden dabei gut zwei lärm die Grundlagen für ein professionelles Umweltma- Milliarden Menschen transportiert. nagement im Luftverkehr gelegt. Seit seinen Anfängen ist der zivile Luftverkehr – sieht Der Flughafen Frankfurt hat in diesem Zusammenhang man einmal von Kriegen und kurzzeitigen Krisen ab – eine besondere Rolle gespielt. In den 60er-Jahren war der Umweltschutz jenseits von Fach- diskussionen eigentlich noch kein Thema. Ungeachtet dessen verlang- ten Öffentlichkeit und Politik von der Betreibergesellschaft des Flugha- fens, der Fraport-Vorläuferin FAG, wirksame Maßnahmen gegen die zunehmende Fluglärmbelastung des Umlands zu entwickeln. Die Antwort des Flughafens war eine Strategie, die sich nicht auf einzelne Aktivitäten beschränkte, sondern umfassende Lösungsansätze für Umweltaspekte wie Fluglärm, Luft- belastung und Ressourcenschonung vorgab. Zwei wichtige Konsequen- Terminal 1954 zen wurden in diesem Zusammen- hang bereits in den 70er-Jahren weltweit regelmäßig gewachsen. Allein von 2006 auf gezogen – und zählen bis heute zu den Grundprinzi- 2007 lag die Zuwachsrate bei rund neun Prozent. Die pien des Fraport-Umweltmanagements: meisten Experten gehen nach wie vor davon aus, dass die Leistungen des Lufttransports auch in den kommen- – Eine möglichst enge Kooperation mit anderen Unter- den Jahren und Jahrzehnten weiter zunehmen werden. nehmen (zum Beispiel den Airlines) und Institutionen Gleichzeitig macht sich aber auch eine generelle Skepsis (zum Beispiel Flugsicherung, Umweltbehörden und breit. Grundsätzlich stehen wir vor der Frage, ob wir Anrainergemeinden) sowohl bei der Reduzierung des den heute erreichten Standard individueller Mobilität Fluglärms als auch bei allen anderen Umweltschutz- auch in Zukunft aufrechterhalten können. Was den aktivitäten. Luftverkehr anbelangt, werden aktuell vor allem zwei – Ein intensiver Dialog mit allen von den Umweltaus- Entwicklungen als Wachstumsbremsen angesehen: wirkungen des Flughafens betroffenen Gruppierun- Der Preisanstieg beim Kerosin sowie die verschärften gen und Einzelpersonen, durch den ein möglichst Auflagen zum Klimaschutz in Form eines Emissions- hohes Maß an Transparenz gewährleistet werden soll. handelssystems, das demnächst in Europa auf die Branche zukommt. Was also können wir für die kom- In den darauf folgenden Jahrzehnten hat sich der Um- menden Jahre erwarten? weltschutz weltweit in vieler Hinsicht verändert. Er ist
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 5 professioneller, komplexer und lösungsorientierter ge- klar zu seiner Verantwortung und setzt sich für ein worden und hat sich gegenüber seinen Anfängen stark Höchstmaß an Leistungsstärke, Transparenz und Zu- entideologisiert. Für uns Fraport-Umweltmanager ist verlässigkeit ein: Gegenüber der Umwelt, seinen Mitar- das eine erfreuliche Entwicklung: Während der Flug- beitern und seinem gesellschaftlichen Umfeld. hafen früher unter öko-fundamentalistischem General- verdacht stand, erkennen heute die meisten Fachleute Was heißt das für die kommenden Jahre? Nach meiner an, dass am Airport Frankfurt gute Arbeit in Sachen Einschätzung hängt die Zukunft unseres Unternehmens Umweltschutz geleistet wird. Der Umweltschutz am und der Luftverkehrsindustrie im Ganzen nicht nur von Faktoren wie dem Kerosinpreis und dem Emissionshandel ab, sondern vor allem auch davon, wie wir sel- ber als Branche die Rahmenbedin- gungen des zukünftigen Luftver- kehrs gestalten. Die Fraport AG plädiert in diesem Zusammenhang für ein integriertes Nachhaltigkeits- management – weil wir überzeugt sind, dass hier die Lösungen ange- legt sind, die wir angesichts der He- rausforderungen der nächsten Jahre dringend benötigen. Wir sind uns Besucherterrasse bewusst, dass vor allem beim Kli- mit Vorfeld maschutz noch viele Fragen offen in den 50er-Jahren sind und wir Lösungen benötigen, die wir heute noch nicht kennen. Flughafen Frankfurt hat zudem wegweisende Innova- Die Geschichte des Fraport-Umweltmanagements zeigt tionen angestoßen, die heute an vielen Airports der aber auch: Durch geduldige und professionelle Arbeit Welt Standard sind. Inzwischen hat sich auch das Öko- aller Beteiligten ist es möglich, nachhaltige Verbesse- Image des Flughafens in der Öffentlichkeit infolge rungen zu erzielen. So gesehen, bin und bleibe ich opti- nachprüfbarer Leistungen verbessert – wozu vor allem mistisch – sowohl im Hinblick auf die weitere ökologi- auch die Validierung nach der strengen EU-Umwelt- sche Entwicklung am Flughafen Frankfurt und den norm EMAS und die Zertifizierung nach ISO 14001 bei- anderen Flughäfen des Fraport-Konzerns als auch hin- getragen haben. sichtlich eines weiterhin wachsenden weltweiten Luft- verkehrs. Natürlich sind alle diese Erfolge kein Grund, uns auf den grünen Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen. Die aktuellen Herausforderungen der Gegenwart – Klimaschutz, CO2 -Reduzierung, kurzfristige Einsparung und längerfristige Substitution herkömmlicher Treib- Dr. Peter Marx stoffe in der Luft und am Boden – zeigen, dass sowohl Leiter Umweltmanagement (VAU) der Fraport AG unsere Branche als Ganze als auch die Fraport AG neue Antworten finden muss. Was Fraport angeht, haben wir erste Schritte bereits eingeleitet: Für den Flughafen Frankfurt wurde ein Programm zur CO2 -Reduktion ver- abschiedet. Zudem haben wir eine konzernweite Um- weltpolitik auf den Weg gebracht, die für alle derzeit zehn Airports von Fraport im In- und Ausland entspre- chende Ziele vorgibt. Über die Vielzahl dieser Einzel- maßnahmen sollte man jedoch nicht die große Pers- pektive aus dem Blick verlieren: So, wie wir uns in den 70er-Jahren beim Umweltschutz für eine „große Strate- gie“ entschieden haben, setzt Fraport auch heute auf einen umfassenden Lösungsansatz, der Antworten auf die Herausforderungen von heute gibt: Die Rede ist von der Fraport-Nachhaltigkeitsstrategie, die neben ökolo- gischen auch soziale und gesellschaftliche Komponen- ten umfasst. Der Fraport-Konzern bekennt sich damit
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 6 1958 – 1968: Fluglärmreduzierung durch flugbetriebliche und technische Maßnahmen Besucherterrasse 1960 Im Zentrum des Fraport-Umweltschutzes stand von Walter Hasenbein – erster Fluglärmschutzbeauftragter Anfang an die Eindämmung und Vermeidung von (LSB) am Flughafen Frankfurt. Von August 1965 an Fluglärm. 1958 landete das erste Düsenflugzeug auf übernahm er den Posten des „LSB“. Walter Hasenbein dem Frankfurter Flughafen. Die Jets der ersten leistete zusammen mit Werner Huxhorn echte Pionier- Generation waren extrem laut – und die Flughafen- arbeit in puncto Fluglärm. Gesellschaft wurde von Anwohnern wie der Politik aufgefordert, Maßnahmen zur Reduzierung des Fluglärms zu ergreifen. Die Fraport-Vorläuferin FAG und anderen Airlines sowie den zuständigen Behör- setzte schon damals auf eine integrierende Strate- den analysiert, erprobt und umgesetzt. Auf der gie: Auf der einen Seite wurden alle erdenklichen anderen Seite arbeitete man engagiert in den Gre- technischen Möglichkeiten zur Fluglärmreduzie- mien mit, um gemeinsame Ansätze für ein wir- rung in enger Zusammenarbeit mit der Lufthansa kungsvolles Fluglärmmanagement zu entwickeln. 1958: Erstes Düsenflugzeug (Boeing B 707) landet auf dem Flughafen Frankfurt (FRA). 1959: Bereits sieben Airlines setzen Jets in FRA ein. 1961: Einrichtung der ersten Arbeitsgruppe zum Fluglärm. 1962: FAG initiiert „runden Tisch“ mit Bürgerinitiativen gegen Fluglärm. 1964: FAG gründet eine erste Arbeitsgruppe Umweltschutz. 1964: Erste Fluglärmüberwachungsanlage und Routenüberwachung auf FRA. 1965: Einführung der ersten „Minimum Noise Routes“. 1966: Gründung der ersten deutschen Fluglärmkommission (Mitglieder: FAG, Bundesanstalt für Flugsicherung, Airlines, Kommunen, Behörden). 1967: Neue lärmoptimierte Aufteilung der Abflugstrecken. 1968: Einrichtung eines Fluglärm-Beschwerdetelefons. 1968: Erprobung und Einführung eines lärmoptimierten Abflugverfahrens für die Vickers VC-10 („rolling take- off“). Anlage zur Fluglärmüberwachung (80er-Jahre) Mobile Fluglärmüberwachung
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 7 Interview mit Dr. Hans-Joachim Borst, ehem. Vorstand der Flughafen Frankfurt/Main AG „Wir waren im Umweltschutz schon immer ein gutes Stück voraus...“ Herr Dr. Borst, Sie haben in den zurückliegenden Wie war es denn wirklich? 50 Jahren die Entwicklung des Frankfurter Flugha- Natürlich ist auch meine Sicht der Dinge subjektiv. Der fens aus nächster Nähe miterlebt. Sie haben für das eigentliche Kern der Sache ist aber, dass die Startbahn Vorläufer-Unternehmen der heutigen Fraport AG, West das wohl erste Großprojekt in Deutschland war, die FAG gearbeitet und waren dort bis zu Ihrer Pen- das bewusst unter Umweltgesichtspunkten geplant sionierung Mitglied im Vorstand. Wenn man heute worden ist. mit Zeitzeugen spricht, hört man immer wieder her- aus, dass Sie sich in Ihrer aktiven beruflichen Lauf- Das ist Ihre persönliche Interpretation... bahn bei Freund und Feind einer gewissen Beliebtheit Keineswegs, ich kann das auch belegen. Wie Sie viel- erfreuten. leicht wissen, ging die Startbahn 18 West im Jahr 1984 Ich weiß nicht, mit wem Sie genau geredet haben. in Betrieb. Das dazugehörige Planfeststellungsverfah- Sehen wir es mal so: Ich bin von Haus aus Jurist, und ren wurde 1973 eröffnet, aber die Vorarbeiten reichten als solcher gewissen Standards und auch ethischen bis in die zweite Hälfte der 50er-Jahre zurück. Ewig Normen verpflichtet. In bestimmten Situationen kann lange Genehmigungsverfahren sind also nicht Neues das hilfreich sein. hierzulande – aber das ist jetzt nicht unser Thema. In jedem Fall war schon sehr früh klar, dass der Luftver- Sie haben die Planung zur Starbahn 18 West von kehr und damit der Flughafen Frankfurt Jahr für Jahr Anfang an mit begleitet, Sie waren Mitglied in der kräftig wachsen würde. Wir hatten damals lediglich die Frankfurter Fluglärmkommission und Sie zählen zu beiden Parallelbahnen, die von den Amerikanern nach den Initiatoren des ersten Passiven Schallschutzpro- dem Krieg angelegt wurden. Die konnten von den Flug- gramms am Flughafen Frankfurt in den 80er-Jahren. zeugen sowohl zum Landen wie auch zum Starten Rückblickend wurde damals von der FAG Pionierar- genutzt werden. Sie lagen aber relativ dicht beisam- beit in Sachen Umweltschutz geleistet, obwohl das men, sodass ein unabhängiger Betrieb mit den neuen heute kaum bekannt ist. Düsenflugzeugen nicht möglich war. Wir brauchten Vermutlich hängt das mit der scharfen Polarisierung also eine weitere Bahn. Und die erste Idee war natürlich der Befürworter und Gegner der Startbahn 18 West eine dritte Parallelbahn. zusammen. Damals gab es in den Medien eine klare Rollenverteilung: Auf der einen Seite die Technokraten, Eine weitere Parallelbahn, die aber nie realisiert die den Wald abholzen und alles zubetonieren wollen, wurde. und auf der anderen Seite die Ausbaugegner, denen Richtig. Aus rein betrieblicher Sicht wäre eine derartige das damals noch neue Etikett Umweltschützer aufge- Bahn als Ergänzung zum bestehenden Bahnensystem klebt wurde. In Wahrheit war die Angelegenheit sehr sinnvoll gewesen. Eine Bahn, die Starts und Landungen viel differenzierter. zugelassen hätte, um den steigenden Luftverkehr auf- 1980 ohne Startbahn West 2005 mit Startbahn West Wenn Sie heute im Fernsehen eine Dokumentation zunehmen. Es war aber absehbar, dass mit ihr auch die über die 80er-Jahre sehen, gibt es zwei große Ereig- Fluglärmbelastung des Umlands überproportional nisse in Sachen Umweltschutz in Deutschland: Der zunehmen würde. Damals setzten die Airlines Jets wie Widerstand gegen die Atomkraftwerke und gegen die Boeing B 707, die DC-8 oder die VC-10 ein, die im die Startbahn West. Vergleich zu den heutigen Maschinen extrem laut Ich weiß. Es ist ein Medien-Mythos entstanden, der mit waren. Also suchten wir nach alternativen Lösungen. der Wirklichkeit nicht allzu viel zu tun hat. So wurde Professor Gerlach von der Technischen Uni-
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 8 versität Stuttgart damit beauftragt, eine Planvariante Wir hatten uns unter Umweltgesichtspunkten für die zu entwickeln, die auch Umweltaspekte berücksichtigen Nur-Startbahn entschieden. Die Bahn 18 West ist also sollte. Professor Gerlach war der Fachmann schlechthin ein Kompromiss. Aber vielleicht war die Zeit auch ein- auf diesem Gebiet, und als er seinen Vorschlag präsen- fach noch nicht reif dafür. Ich erinnere mich an einen tierte, waren wir mehr als überrascht. Anhörungstermin vor dem Regierungspräsidium, wo wir unsere neue Bahnvariante vorstellten und dem Gre- Wann war das? mium darlegten, wir hätten auch nach ökologischen 1958. Er schlug vor, die dritte Bahn westlich des Paral- Aspekten geplant und einen vernünftigen Kompromiss lelbahnsystems in nordsüdlicher Richtung anzuordnen. zwischen betrieblichen Belangen und dem Umwelt- Das brachte einige Nachteile mit sich, hatte aber auch schutz gefunden. Der Vorsitzende fragte etwas irritiert einen entscheidenden Vorteil. nach: „Ökonomisch?“ „Nein“, sagten wir, „ökolo- gisch“. Das Problem war, dass zu dieser Zeit so gut wie Was waren die Nachteile? niemand dieses Wort kannte. Eine solche Bahn eignet sich aufgrund ihrer Lage ledig- lich für Starts in Richtung Süden. Und da sie dicht am Im Vordergrund des Umweltschutzes der FAG stand westlichen Ende des Parallelbahnsystems gelegen war, damals der Fluglärm. musste der Betrieb auf allen drei Bahnen minutiös auf- Fluglärm war das drängendste Umweltproblem, und einander abgestimmt werden. Zudem war es notwen- wir haben uns deshalb darauf konzentriert. Daneben Nördlicher Flughafen mit Kerosintanks 1978 Vorfeld 1970 dig, relativ große Waldflächen für den Bau zu roden. gab es noch die Bereiche Grundwasser, Luftqualität Das wurde später zu einem Problem gegenüber der und Abfall, die organisatorisch in einer eigenen FAG- Öffentlichkeit, obwohl wir ein äußerst umfangreiches Abteilung zusammengefasst wurden. und großzügiges Kompensationsprogramm zur Wie- deraufforstung in der Region durchgeführt haben. Herr Dr. Borst, in den 60er-Jahren wurden Sie dann Mitglied der Frankfurter Fluglärmkommission. Und was war der Vorteil? Die freiwillige, damals noch nicht gesetzlich vorge- Die Möglichkeit, das Umland generell vom Fluglärm zu schriebene Gründung war 1966, obwohl es schon vor- entlasten und in bestimmten, besonders stark betroffe- her Arbeitsgruppen zum Thema Fluglärm gab. Auf nen Gebieten die Belastung spürbar zu reduzieren. diese Arbeit bin ich bis heute stolz. Die Fluglärmkom- mission in Frankfurt war die weltweit erste Einrichtung Wie sollte das funktionieren? dieser Art, in der Vertreter der FAG, der Lufthansa und Dadurch, dass die Flugrouten nicht mehr so stark wie anderer Airlines, der Flugsicherung, der umliegenden bisher über besonders dicht besiedelte Gebiete geführt Kommunen und der zuständigen Behörden über Maß- werden mussten. Damals kam das Wort vom „Lärm- nahmen zur Fluglärmreduzierung diskutierten und lastenausgleich“ auf. praktische Vorschläge zu ihrer Umsetzung machten. Vieles, was heute im Fluglärmmanagement Standard Als dann die Bahn 25 Jahre später so gebaut wurde, ist, wurde damals von uns entwickelt und angestoßen: ging dieser Punkt in der Auseinandersetzung Lärmoptimierte Flugrouten, Nachtflugbeschränkun- anscheinend ziemlich unter. gen, das „low drag, low power“-Anflugverfahren, die
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 9 Verfahren zur Messung von Fluglärm und die Ermitt- Anscheinend war das ja auch beim passiven Lärm- lung von Lärmsündern. Und nicht zuletzt die Idee eines schutz der Fall. lärmabhängigen Entgeltsystems, das lärmarme Flug- Wir haben in den 70er-Jahren das erste Schallschutz- zeugtypen finanziell begünstigt. Als Fazit kann man fenster-Programm konzipiert, und uns damit nicht nur wirklich sagen: Wir waren im Umweltschutz schon Freunde gemacht. immer ein gutes Stück voraus. Wie das? Wie erklären Sie sich eigentlich diese exponierte Rolle Andere Flughäfen haben uns vorgeworfen, damit einen des Frankfurter Flughafens? juristischen Präzedenzfall geschaffen zu haben, der sie Ganz einfach: Bei uns war der Druck am größten, ge- viel Geld kosten würde. Was ja nicht ganz falsch ist: eignete Lösungen zu finden. Wir waren und sind der Unsere Aktivitäten zur Schallisolierung von Gebäuden größte Flughafen Deutschlands, und bestimmte Proble- hat die FAG rund 30 Millionen Mark gekostet, was für me zeigen sich hier immer zuerst. damalige Verhältnisse nicht wenig war. In der ADV, der Grundwassermessstelle Schallschutzmauer Sie hatten aber offensichtlich auch die richtigen Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Verkehrsflughäfen, Leute. gingen daraufhin die Wogen der Empörung hoch. Man Das stimmt. Denken Sie nur an Werner Huxhorn. Er war warf uns vor, wir würden Appeasement-Politik betrei- der Lärmexperte der FAG, und der Fluglärm-Papst welt- ben, wie das Chamberlain 1938 in München gemacht weit. Er war übrigens Autodidakt – aber es gab auch hat. Das war zwar albern, zeigt aber auch, wie wir niemanden, von dem er in seinem Fachgebiet noch damals zwischen allen Stühlen saßen: Unversöhnliche etwas hätte lernen können. Er entwickelte neue Mess- Ausbaugegner, schwerfällige Genehmigungsverfahren verfahren, und er war auch der Erfinder des „Noise und missgestimmte Kollegen. Report“. Diese Dokumentation war die entscheidende Voraussetzung dafür, gemeinsam mit den Chefpiloten Haben Sie Ihr Engagement jemals bereut? der Airlines lärmmindernde Flugverfahren zu entwi- Im Gegenteil. Wer etwas bewegen möchte, setzt sich ckeln. Sowohl die Stelle des Lärmschutzbeauftragten, immer mal wieder in die Nesseln. Wenn Sie etwas die Anfang der 70er-Jahre am Flughafen eingerichtet Neues machen, ist das Risiko besonders groß. Damit wurde, als auch das erste Fluglärmgesetz von 1971 muss man leben, und ich selbst bin heute froh, dass es bauen auf seinen Forschungen und Erkenntnissen auf. so und nicht anders gelaufen ist. Werner Huxhorn war ein Pionier, dem die gesamte Zivil- luftfahrt viel verdankt. Herr Dr. Borst, haben Sie vielen Dank für das Inter- Auch die Frankfurter Fluglärmkommission war ein view. Novum... Eine freiwillige Einrichtung, die später per Gesetz an allen deutschen Flughäfen eingeführt wurde. Wobei wir die wesentlichen Vorarbeiten geleistet haben.
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 10 1970 – 1976: Verstärkte Einbeziehung anderer Unternehmen sowie des Flughafen-Umfeldes Terminal 1 1972 wurde der Umweltschutz von der Flughafen Anflugverfahren internationaler Standard. Auch in Frankfurt/Main AG als Unternehmensgrundsatz anderen Bereichen waren die Aktivitäten am Frank- festgeschrieben. Im operativen Betrieb verstärkte furter Flughafen wegweisend: So baut das 1971 ver- man die Zusammenarbeit mit den Luftverkehrsge- abschiedete erste deutsche Fluglärmgesetz in sellschaften, um weitere Optimierungspotenziale wesentlichen Teilen auf den fachlichen Vorarbeiten bei der Fluglärmreduzierung nutzen zu können. Ein am Frankfurter Flughafen auf. Mit der Eröffnung des Meilenstein dieser Kooperation war die Einführung neuen Terminals bekam der Flughafen Frankfurt des Frankfurter Anflugverfahrens „low drag – low 1972 einen direkten Anschluss an das Schienennetz power“: Die Jets flogen den Frankfurter Flughafen der Bahn – den heutigen Regionalbahnhof. Ziel die- mit reduziertem Triebwerkschub an und fuhren das ser Maßnahme war neben einer besseren Verkehrs- Fahrwerk und die Klappen erst zu einem relativ spä- anbindung des Umlandes auch eine Reduzierung ten Zeitpunkt aus. Heute ist dieses lärmmindernde des Pkw-Verkehrs am Flughafen. 1970: Erster „Jumbo-Jet“ B 747 landet in FRA. 1970: Einrichtung einer haustechnischen Leitwarte (größte in Europa) zur energieeffizienten Klimatisierung des Terminals 1. 1971: Erweiterte Fluglärmüberwachungsanlage geht in Betrieb. 1971: Vorlage des ersten FAG „Noise Report“, der unter anderem den Lärmwert „Leq“ definiert. 1971: Verabschiedung des Fluglärmgesetzes durch den Deutschen Bundestag, das in vielen Teilen auf fach- lichen Vorarbeiten in FRA aufbaut. 1971: Erste Nachtflugbeschränkungen treten am Flughafen Frankfurt in Kraft. 1971: Erste lufthygienische Untersuchung der Region Untermain mit Einbeziehung des Flughafens. 1972: FAG erklärt den Umweltschutz zum Unternehmensgrundsatz. 1972: Einführung des Frankfurter Anflugverfahrens „low drag – low power“, das heute weltweiter Standard ist. 1972: Das neu erbaute Passagierterminal (Terminal 1) wird über den unterirdischen Flughafen-Bahnhof (heute Regionalbahnhof) an das Schienennetz der Deutschen Bahn angeschlossen. 1973: Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen“ (ADF) in Frankfurt. 1976: Initiative von FAG und Flugsicherung (BFS) zur weiteren Lärmoptimierung der Landeanflüge auf Frankfurt (Lärmminderung durch Einführung einer 3.000-Feet-Grenze).
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 11 Baustelle Terminal 1, vor 1972 Terminal 1 im Jahr 1972 Einweihung Terminal 1 im Jahr 1972 Gepäckförderanlage im Jahr 1972 Einweihung Regionalbahnhof im Jahr 1980
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 12 Pressemeldung im Juni 1975
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 13 Interview mit Herbert Becker, ehem. Vorstandsbeauftragter der Fraport AG Ein Mann der ersten Stunde Herr Becker, Sie waren in Sachen Fluglärmschutz von wie heute. Zum einen gab es die Vertreter der umliegen- Anfang an dabei. Die Frankfurter Fluglärmkommis- den Kommunen – wozu ich damals als Bürgermeister sion nahm im Oktober 1966 die Arbeit auf und war von Zeppelinheim gehörte. Dann die Bundesvereini- die erste Einrichtung ihrer Art in Deutschland. Und gung gegen Fluglärm mit ihrem Vorsitzenden Pfarrer Sie waren Gründungsmitglied. Oeser. Ferner die Vorstandsmitglieder der FAG, der Luft- Pardon, wir waren sogar noch früher am Thema. Bevor hansa und ein Verbindungsoffizier der US-Air Force. Ein die „Kommission zur Abwehr des Fluglärms Flughafen weiterer Block waren die Behörden wie zum Beispiel das Frankfurt Main“ – so heißt das Gremium ja eigentlich – Hessische Umweltministerium, und auch die Flugsiche- offiziell gegründet wurde, gab es monatelange Vor- rung war ja zu dieser Zeit noch eine Bundesbehörde. gespräche. So können bereits 1965 veranstaltete Ge- sprächsrunden, an denen Vertreter des Flughafens, der Man kann sich vorstellen, dass hier recht unter- Interessengemeinschaft zur Bekämpfung des Fluglärms schiedliche Interessen aufeinander trafen. und des damaligen Ministeriums für Verkehr beteiligt Aufeinander trafen? Ich würde eher sagen: prallten. Es waren, als eine Art Forum der Fluglärmkommission ging richtig hart zur Sache. Aber wir hatten Erfolg. angesehen werden. Minister Karry nahm diese Vorge- spräche so wichtig, dass er daran von Zeit zu Zeit selbst In welcher Hinsicht? teilnahm. An diesen Gesprächen habe ich als Bürger- Ich nenne nur mal ein paar Stichworte. Es wurden neue meister von Zeppelinheim teilgenommen. Sie kennen lärmmindernde Abflugrouten mit Lufthansa- und den Ort? PanAm-Piloten sowie Vertretern der Deutschen Flug- sicherung besprochen, im Simulator erprobt und da- Zumindest weiß ich, dass er ziemlich dicht am Flug- nach festgelegt und geflogen. Sinn dieser Neuregelung hafen Frankfurt liegt. war es, Wohnsiedlungen im Flughafen-Bereich nach So ist es. Zeppelinheim liegt am Ostrand des Flugha- dem Start nicht mehr direkt zu überfliegen. Auch das fens, und die Entfernung bis dorthin beträgt etwas Abflugverfahren wurde geändert, und die Lärmwerte mehr als 1.000 Meter. Die US-Air Base lag vor unserer am Boden gingen daraufhin zurück. 1971 wurden die Haustür. Muss ich noch mehr dazu sagen? ersten Nachtflugbeschränkungen durchgesetzt, die seither immer wieder verschärft wurden. Wir haben Eine exponierte Lage. Und es wurde wahrscheinlich übrigens auch empfohlen, der „Concorde“ in Frankfurt auch unangenehm laut. keine Landerechte zu gewähren, weil sie einfach viel zu Stimmt. In den 60er-Jahren, über die wir gerade spre- laut war. Des Weiteren wurde ein Schallschutzfenster- chen, war der Fluglärm ein weitaus größeres Problem programm aufgelegt, das von der damaligen FAG frei- als heute. Das hing ganz einfach damit zusammen, willig finanziert wurde. Auch beim Raumordnungsplan dass die Jets der ersten Generation wie die Boeing 707 für Südhessen haben wir mitgewirkt: Es wurde eine oder die DC-8 zwar wunderschöne Flugzeuge waren, 62 dB(A)-Planungszone festgelegt, innerhalb derer dabei aber auch sehr laut. Zusätzlich waren im Südteil zum Schutz gegen Fluglärm keine Bebauung mehr des Flughafens Militärflugzeuge der Amerikaner statio- stattfinden soll. Der entscheidende Durchbruch in den niert, und die waren echte Krachmacher. Da absehbar Anfangsjahren war aber die Entwicklung des „Frank- war, dass der Luftverkehr weiter wachsen würde, war furter Anflugverfahrens“, das heute weltweit Standard allen Verantwortlichen am Flughafen und im Umland ist. Dieses Landeverfahren wurde von jungen Piloten klar, dass wir schnell etwas gegen den Fluglärm tun der Lufthansa für den Flughafen Frankfurt entwickelt, mussten. Es war sozusagen Fünf vor Zwölf. und für mich ist das ein Paradebeispiel dafür, was eine Fluglärmkommission erreichen kann. Es gibt ja den schönen Spruch: „Und wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis“. Können Sie das etwas näher erläutern? Die Gründung einer Kommission ist ja noch keine Eine Fluglärmkommission, die es heute an allen deut- Garantie dafür, dass die Probleme auch wirklich an- schen Flughäfen gibt, ist ja nur ein beratendes Gre- gegangen und gelöst werden. mium. Damit sie sich mit ihren Empfehlungen durch- Offensichtlich waren wir die Ausnahme von der Regel. setzen kann, muss sie einen gewissen Druck ausüben. Die Fluglärmkommission hat in den Jahren nach ihrer Das gelingt nur, wenn ihre fachliche Kompetenz über Gründung eine Menge bewegt, und die Fluglärmbelas- jeden Zweifel erhaben ist. Ich denke, genau das haben tung in Frankfurt und Umgebung ist infolgedessen wir in Frankfurt von Anfang an geschafft. Natürlich spürbar zurückgegangen. Übrigens nicht nur spürbar, muss man auch wissen, wie man an den richtigen sondern auch messbar. Fäden zieht. Auch darin waren wir nicht schlecht. Das Beispiel „Frankfurter Landeverfahren“ zeigt, wie das in Wer war denn alles in der Fluglärmkommission ver- der Praxis Früchte trägt. Wir haben damals dem Fra- treten? port-Vorläufer FAG und der wichtigsten Airline vor Ort, Der Kreis der Teilnehmer war ähnlich zusammengesetzt der Lufthansa, sehr deutlich gesagt, dass der Fluglärm-
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 14 pegel gesenkt werden muss. Die alte Generation der festgehalten. In Zeppelinheim wohnen ja viele Mitar- Piloten hat uns daraufhin durch die Blume signalisiert: beiter von Fraport, Lufthansa und anderen Airlines, Technisch ist da im Moment nichts zu machen. Es gab und die meisten davon sehen das so wie ich: Der Flug- aber ein paar junge Piloten, die den Ehrgeiz hatten, hafen muss aus wirtschaftlichen Gründen wachsen; etwas Neues auszuprobieren. Sie haben im Simulator andererseits müssen aber auch die schutzbedürftigen ein Verfahren entwickelt, dass später die Bezeichnung Belange der Bevölkerung berücksichtigt werden. Es „low drag, low power“ bekam und den Landeanflug geht also immer darum, die richtige Abwägung zu tref- deutlich leiser machte. Und da die Lufthansa in der fen. Wir haben das auch in der Fluglärmkommission Fluglärmkommission hochkarätig vertreten war, wurde nicht anders gesehen. Wenn Sie also von einem „Front- das auch in der Praxis erprobt. Und siehe da: Es funk- wechsel“ reden, kann ich nur sagen, dass das so nicht tionierte. Ich denke, wenn es bei den richtigen Leuten stimmt. Abgesehen davon: Wenn man es rein unter kein Problembewusstsein in dieser Sache gegeben Lärmschutzaspekten sieht, hat die Startbahn West hätte, würden die Maschinen wahrscheinlich noch auch dazu beigetragen, bestimmte Kommunen vom heute die alten Routen fliegen. Fluglärm zu entlasten. Auch Zeppelinheim gehörte dazu. Entscheidend war doch aber auch, dass die Jets der neueren Generation deutlich leisere Triebwerke als Sie sind bei Fraport dann bis in die Position eines Vor- die alten Donnerbüchsen haben. standsbeauftragten aufgestiegen und haben sich Richtig. Aber warum ist das so? Warum wurden die auch für den laufenden Ausbau stark engagiert. neuen, geräuschärmeren Turbofans entwickelt? Neben Der Flughafen-Ausbau ist notwendig und richtig. Was rein technischen und wirtschaftlichen Gründen ist das meinen Sie, wie unsere Region und ihr Arbeitsmarkt auch ein Resultat des Drucks von außen. Die Fluglärm- aussehen würde, wenn der Flughafen wirtschaftlich kommission verlangte vom Flughafen, dass er die nicht so erfolgreich gewesen wäre, wie er es heute ist. Lärmbelästigung des Umlands mithilfe der am Flugbe- Gleichzeitig hat es Fraport ja auch geschafft, das Flug- trieb beteiligten Airlines in erträglichen Grenzen hält. lärmmanagement weiterzuentwickeln und ein vali- Über die Airlines ist dann wiederum Druck auf die Trieb- diertes Umweltmanagement aufzubauen. Fraport wird werkslieferanten entstanden, die die Technik verbessert wie bisher gemeinsam mit der Fluglärmkommission und damit leisere Triebwerke produziert hatten. daran arbeiten, den Fluglärm einzudämmen, und man wird sich in Zukunft auch vermehrt auf die Luftqualität Herr Becker, Sie waren von 1969 bis 1978 der Vorsit- und besonders auf die Reduktion des Treibhausgases zende der Fluglärmkommission. Was haben Sie als CO2 konzentrieren. Wir waren damals im Lärm- und Erfahrung aus dieser Zeit mitgenommen? Umweltschutz äußerst erfolgreich, so wie es Fraport Dass man trotz sehr unterschiedlichen Interessen und auch heute ist, und niemand kann den Flughafen Mentalitäten sehr erfolgreich und zielorientiert zusam- Frankfurt daran hindern, das auch in Zukunft zu sein. menarbeiten kann, wenn man sich an gewisse Regeln hält. Wir haben uns oft hart gestritten, aber persönlich Wenn man Sie so hört, fragt man sich, wie Sie eigent- immer respektiert. Wenn wir uns intern zu Empfehlun- lich in den Ruf eines Hardliners geraten konnten. gen durchgerungen hatten, haben wir sie nach außen Warum nicht gleich Betonkopf? Aber im Ernst: Ich auch einhellig vertreten. Wir waren nicht beratungs- sprach vorhin von der vernünftigen Abwägung zwi- resistent und haben auf die Experten gehört – wenn sie schen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen, denn ausgewiesene Experten waren und ihre Auffas- und ich habe Zeit meines Lebens als Politiker und Flug- sungen auch begründen konnten. Und wir haben uns hafen-Manager versucht, beides in Einklang zu brin- auf unsere Aufgabe beschränkt – die weiß Gott schwie- gen. Ich bin vielleicht nicht gerade konsenssüchtig, rig und komplex genug ist – und nicht versucht, noch aber in jedem Fall kompromissfähig. Mit einer Ausnah- alle anderen Probleme dieser Welt zu lösen. me: Eintracht Frankfurt. Aber das ist ein anderes Feld. 1978 haben Sie dann den Vorsitz der Fluglärmkom- mission abgegeben und einen Job bei Fraport ange- Herr Becker, vielen Dank für das Gespräch. nommen. Dieser Frontwechsel hat Ihnen nicht nur Beifall eingebracht. Nett gesagt. Natürlich gab es persönliche Anfeindun- gen. Schon deshalb, weil zu dieser Zeit die Stimmung durch die Auseinandersetzung um den Bau der Start- bahn West sehr aufgeheizt war. Ich hatte mich schon als Bürgermeister von Zeppelinheim für den Flughafen- Ausbau ausgesprochen, und als wir dann 1977 ein Teil von Neu-Isenburg wurden, habe ich an dieser Position
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 15 1983 – 2000: Umweltschutz in allen operativen Geschäftsbereichen In den 80er- und 90er- 1983: Erstes Passives Schallschutzprogramm im Um- Jahren wurden in Frank- land von FRA. furt zusätzliche wirk- 1984: Inbetriebnahme der neuen Startbahn West same Instrumente zur ermöglicht einen veränderten „Lärmlasten- Fluglärmreduzierung ausgleich“, besonders in Neu-Isenburg. entwickelt: Der Nacht- flugverkehr wurde wei- 1984: Erweiterung und neues Konzept des Mess- ter eingeschränkt und stellennetzes zur Fluglärmüberwachung. das erste Schallschutz- 1985: Erstes Frühwarnsystem zur Erkennung von programm aufgelegt, Vereisungswetterlage für das Runway- und infolgedessen Wohnun- Taxiingsystem. gen in unmittelbarer Nachbarschaft des Flug- 1985: Weitere Einschränkungen des Nachtluftver- hafens auf Kosten von kehrs. Fraport mit Schallschutz- 1985: Erster kommerzieller Großanwender für elektro- fenstern ausgestattet nische Vorschaltgeräte zur Energiereduzierung wurden. Zudem wurden von Leuchtstoffröhren, Lebensdauer bis zu 1993 erstmals lärmab- 30.000 Stunden. hängige Entgelte und 1988: Erster Luftreinhalteplan Untermain einschließ- ein Nachtzuschlag für lich Sondererhebung Flughafen Frankfurt. besonders geräuschin- tensive Flugzeugtypen 1987: Technische Modernisierung der Fluglärmmess- eingeführt – seither zah- anlage. Flughafen 1988 len laute Flugzeuge in Frankfurt deutlich mehr. 1993: Einführung lärmabhängiger Landeentgelte und Parallel dazu ging man daran, den Umweltschutz eines besonderen Nachtzuschlags. am Flughafen auf eine breitere Basis zu stellen: So 1992: Einrichtung eines ökosystemaren Biomonito- wurden Messungen zur Luftbelastung durchgeführt rings auf dem Flughafen zur Ermittlung even- und erste Maßnahmen zur Schonung natürlicher tueller Belastung mit hoch chlorierten persisten- Ressourcen wie zum Beispiel Energie (vor allem ten Kohlenwasserstoffen und Schwermetallen. Heizanlagen) und Trinkwasser eingeleitet. Um die Vielzahl der Umweltschutzaktivitäten am Flughafen 1997: Gründung des Umweltfonds, mit dem Fraport- koordinieren und kontrollieren zu können, musste Projekte in den Bereichen Naturschutz, Um- die Umwelt-Abteilung neu organisiert werden – ein weltschutz und Umweltpädagogik im Umland wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur heutigen fördert (Aufwendungen bislang über 20 Mio.€). Fraport-Stabsstelle VAU. 1998: Inbetriebnahme der größten Denitrifizierungs- anlage für Grundwasser in Europa. 1998: Messungen von Triebwerksemissionen zur Bestimmung der Kohlenwasserstoffanteile. 1998: Beginn des Mediationsverfahrens zum Flug- hafen-Ausbau. 1998: Erste Brauchwasserleitung für Terminal 1. 1999: Messprogramm des Hessischen Landesamtes für Umweltschutz und Geologie zur Ermittlung der Luftqualität am Flughafen. 1999: Fraport als „Wassersparer des Jahres“ ausge- zeichnet. 1999: Gründung der Abteilung Umweltmanagement. 1999: Inbetriebnahme des neuen Fernbahnhofs am Frankfurter Flughafen, der unter anderem eine Reduzierung von Kurzstreckenflügen innerhalb Deutschlands ermöglicht. 2000: Umweltbundesamt: Ermittlungen der durch den Aufzeichnungsgeräte Flughafen-Betrieb verursachten Emissionen, ins- für Fluglärm besondere der Ozon-Immissionen.
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 16 Interview mit Walter Fricke, ehem. Leitender Ministerialrat im Hessischen Umweltministerium „Wir haben in Hessen Pionierarbeit für den Umweltschutz geleistet“ Herr Fricke, bis zu Ihrer Pensionierung im Jahr 1996 vor allem durch Verbrennungsmaschinen wie Automo- waren Sie einer der leitenden Umweltbeamten in toren oder Flugzeugtriebwerke in Bewegung hält. Sie Hessen. alle verursachen Luftschadstoff-Emissionen, und die Wobei die Betonung vielleicht eher auf „Umwelt“ als haben wir ab 1971 gründlich unter die Lupe genom- auf „Beamter“ liegen sollte. Aber es stimmt schon. Ich men. Inklusive dem Frankfurter Flughafen. bin 1971 in das Hessische Ministerium für Landwirt- schaft und Umwelt – so hieß das damals – eingetreten. Und zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen? Das hat unter anderem mit sich gebracht, dass ich spä- Ein Resultat, das uns ehrlicherweise selbst überrascht ter Mitglied der Fluglärmkommission am Flughafen hat, war die Emissionssituation am Flughafen. Wir hat- Frankfurt wurde. ten eigentlich vermutet, dass vom Flughafen eine be- sonders starke Luftverschmutzung ausgeht. Aber so ist Sie sind einer der führenden Fachleute im Bereich der das nun einmal: Vermuten ist nicht Wissen. Die Daten Luftschadstoffanalyse und Luftreinhaltung. Wie er- sagten etwas anderes. Praktisch ist die Luftbelastung wirbt man eigentlich einen solchen Experten-Status? am Flughafen nicht größer als in bestimmten Außen- Danke für die Blumen. Aber verlangen Sie jetzt bitte bezirken des Frankfurter Stadtgebiets. Am Frankfurter nicht von mir, mich lang und breit über meine fach- Kreuz zum Beispiel, das ja direkt neben dem Flughafen lichen Qualifikationen auszulassen – wenn überhaupt, liegt, ist die Luft deutlich schlechter. müssen das schon andere machen. Sehen Sie es mal so: Seit der Gründung des Hessischen Umweltministeriums Diese Untersuchung wurde aber, wie Sie selbst sag- wurde hier unter Ministern aller politischer Couleur her- ten, vor über 30 Jahren durchgeführt. vorragende Facharbeit geleistet. Und das ist sicher eine Es war die erste groß angelegte Untersuchung dieser gute Voraussetzung dafür, selbst sein Wissen zu erwei- Art – und seither waren wir ja nicht untätig. tern. Wie ging es dann weiter? Sie waren seit Gründung des Umweltministeriums in Wir haben unsere Messungen zur Feststellung von Wiesbaden dabei? Schadstoffkomponenten wie zum Beispiel Kohlenmon- Praktisch schon. Ich bin von Haus aus Ingenieur und oxid, Stickoxide, Kohlenwasserstoffe, Schwefeloxid, hatte ursprünglich in der Industrie gearbeitet. Anfang Feinstaub, Ruß und Benzole selbstredend immer wieder der 70er-Jahre wurde dann von der Hessischen Landes- aktualisiert. 1988 wurde der erste Luftreinhalteplan regierung das erste deutsche Umweltministerium über- Untermain einschließlich einer Sondererhebung am haupt eingerichtet. So etwas gab es ja vorher nicht. Flughafen Frankfurt realisiert. Dann haben wir 1992 Und ich wurde gefragt, ob ich mitmachen möchte. Das direkt am Flughafen ein Biomonitoring zur Ermittlung war wirklich eine spannende Herausforderung, und der Luftqualität durchgeführt. Dafür werden in einem deshalb habe ich „Ja“ gesagt und diese Entscheidung standardisierten Verfahren Pflanzen wie zum Beispiel auch nie bereut. Welsches Weidelgras, Grünkohl oder Sommerweizen genutzt, durch die sich eine Reihe von Schadstoffen wie Sie haben Pionierarbeit für den Umweltschutz geleis- zum Beispiel Schwermetalle oder Dioxin nachweisen tet. lassen. Die vielleicht interessanteste Untersuchung in Wir alle haben das getan. Der Schwerpunkt meiner Ak- den 90er-Jahren befasste sich mit Flugzeugtriebwerken. tivitäten lag am Anfang auf der Luftreinhaltung. Und Hier wurden ein Jahr lang Daten insbesondere zur da gab es zu jener Zeit noch beträchtliche Wissenslü- Bestimmung von Kohlenwasserstoffanteilen ermittelt, cken. Deshalb haben wir die ersten drei Jahre auch vor wobei vor allem der Triebwerksprüfstand der Lufthansa allem mit Grundlagenforschung verbracht und im genutzt wurde. Dieses Forschungsprogramm war welt- Untermaingebiet – also dem Großraum Frankfurt – weit einmalig, und wir profitieren noch heute davon. zusammen mit anderen Behörden und Wissenschaft- lern eine groß angelegte lufthygienische Modellunter- Man kann sich vorstellen, dass Fraport nicht un- suchung durchgeführt. Für einen effektiven Umwelt- bedingt begeistert war, wenn Sie irgendwelche Mess- schutz benötigt man eine solide Datenbasis. Wir haben programme auf dem Flughafen veranstalteten. damals zum ersten Mal großflächig Emissionskataster Könnte man meinen. In Wahrheit war das Gegenteil der angelegt und damit die Grundlage für die späteren Fall. Wir sind vom Flughafen immer unterstützt wor- Luftreinhaltungspläne gelegt. den. Fraport wollte selbst immer ganz genau wissen, was auf ihrem Gelände in Sachen Luftbelastung vor Wer im Großraum Frankfurt die Luft untersucht, sich geht. Das ist eigentlich auch nur logisch: Wenn Sie kommt ja am Flughafen nicht vorbei. keine genauen und überprüfbaren Daten haben, sind Richtig. Es gibt unterschiedliche Quellen, durch die die irgendwelchen Vermutungen und Spekulationen Tür Luft belastet wird. Wie etwa Industriebetriebe, Hei- und Tor geöffnet. Und das kann ja wohl nicht im Inter- zungsanlagen und natürlich auch der Verkehr, der sich esse eines Unternehmens sein, das von Teilen der Öf-
Die Wurzeln der Nachhaltigkeit am Flughafen Frankfurt 17 fentlichkeit durchaus mit kritischen Augen gesehen kennengelernt: Er kann gut zuhören und ist fachlichen wird. Argumenten gegenüber aufgeschlossen. Bei aller rheto- rischen Schärfe ist er kein Ideologe. Ich denke, wenn es Da wir gerade beim Thema sind: Es gibt ja immer anders wäre, hätte er es auch nicht soweit gebracht. wieder Vorwürfe, dass beim Fluglärm und den Luft- schadstoffen nicht korrekt gemessen würde und Fra- Noch eine persönliche Frage: Sie sind seit 1996 pen- port und das Land Hessen dabei sozusagen Kompli- sioniert, sind aber immer noch ein gefragter Berater. zen wären. Wie hält man sich fachlich und auch mental so lange Diese Vorwürfe sind nicht neu. Seit ich mit dem Flugha- fit? fen zu tun habe, ist das von unterschiedlichen Leuten Durch Neugierde und Interesse an der Sache. Im Au- immer wieder kolportiert worden. Ich war ja auch Mit- genblick wird dem Umweltschutz ja aufgrund des glo- glied der Frankfurter Fluglärmkommission und habe als balen Klimawandels wieder verstärktes Interesse ent- Gutachter für die Mediation zum Flughafen-Ausbau gegengebracht. Auf der anderen Seite spielt der Verkehr und auch für das anschließende Genehmigungsverfah- generell und der Luftverkehr im Besonderen eine immer ren gearbeitet. Und obwohl ich bereits vor zehn Jahren wichtigere Rolle: Nicht nur in Europa und Nordame- pensioniert wurde, bin ich immer noch im Regionalen rika, sondern vor allem auch in Asien. Unsere Aufgabe Dialogforum aktiv, in dem Ausbaufragen diskutiert in den kommenden Jahren wird es sein, das anhaltende werden. Ich erwähne das nur, um klarzustellen, dass Verkehrswachstum und die Notwendigkeiten des Kli- ich mich recht gut auskenne. Vor dem Hintergrund mei- maschutzes unter einen Hut zu bekommen. Die Pionier- ner Erfahrungen kann ich Ihnen nur klipp und klar ver- arbeit, die in Hessen und am Flughafen Frankfurt dazu sichern: Diese Vorwürfe sind unsinnig, falsch, ignorant geleistet wird, sehe ich als einen wichtigen Baustein und manchmal auch nur schlicht bösartig. Es gibt kei- dazu an. In den letzten Jahren gab es ja manchmal so nen einzigen Fall, in dem man dem Flughafen oder eine Stimmung, als ob der Umweltschutz irgendwie aus dem Umweltministerium oder den von uns beauftrag- der Mode und in die Jahre gekommen sei. Wie wir jetzt ten neutralen Experten eine absichtliche Fehlmessung sehen, geht die Entwicklung in die andere Richtung: Wir nachgewiesen hat. Natürlich sind wir nicht unfehlbar. haben gerade erst angefangen. Aber uns eine bewusste Fälschung von Messergebnis- sen vorzuwerfen, ist dumm und infam. Wer so etwas behauptet, hat entweder von der Sache keine Ahnung – Herr Fricke, herzlichen Dank für das Interview. oder er lügt die Leute mit Absicht an. Beides ist schlimm, wobei ich die gezielte Täuschung der Öffent- lichkeit besonders verwerflich finde. Wie kommt es eigentlich, dass Sie als Experte für Luft- reinhaltung Mitglied der Fluglärmkommission geworden sind? Aus zwei Gründen. Erstens gibt es im Fluglärmgesetz einen Passus, nach dem die Fluglärmkommissionen an den Flughäfen auch für die Luftqualität zuständig sind. Und zweitens war ich im Umweltministerium zunächst auch immer Vertreter des Referatsleiters Lärmschutz, und später gehörte zu meiner Referatsgruppe neben der Luft auch der Lärm. Ich denke, dass ich mich auch ganz gut in die Lärmproblematik eingearbeitet habe, obwohl es da einige Leute gibt, die dieses Thema sicher fachlich besser beherrschen als ich. Sie haben als Fachbeamter unter Umweltministern unterschiedlichster Parteien gedient. Hat man jemals versucht, politisch Druck auf Sie auszuüben? In dieser Beziehung hatte ich wirklich Glück. Alle meine Vorgesetzten haben den fachlichen Teil unserer Arbeit respektiert. Das war – falls Sie darauf anspielen sollten – übrigens auch bei Joschka Fischer der Fall. In den Medien wurde er ja immer als ein Politiker dargestellt, der hart austeilt, aber auch gut einstecken kann. Ich habe ihn jedoch noch von einer ganz anderen Seite
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