Besondere Apfel- und Birnensorten in Nordschwaben - Eine Bestandsaufnahme der Jahre 2016-2019
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Besondere Apfel- und Birnensorten in Nordschwaben Eine Bestandsaufnahme der Jahre 2016 – 2019 Hans-Thomas Bosch 1
INHALT Impressum Autor: Hans-Thomas Bosch Layout/Grafik: Brigitte Theisen, gestaltung.zone Druck: Druckhaus Gössler Resümees 4 Erscheinungsjahr: 2020 Projektziele 5 Bildquellen: Autor, sofern nicht anders vermerkt DIE ERFASSUNG Internetadressen zu den Ergebnissen: Anzahl Sorten – früher und heute 6 Projektträger LAG Monheimer Alb-Altmühljura: https://lag-monheimeralb-altmuehljura.de Die Verschollene 10 (sowie alle Websites der beteiligten Landkreise) Sortenbestimmung 12 Kartenlink: https://schlaraffenburger.de/cms/index.php/ DIE ERGEBNISSE sortenkartierung-nordschwaben-2019-map Die besonderen Apfel- und Birnensorten Nordschwabens 16 Infos zur Sortenerhaltung bundesweit: Häufigkeit 18 www.pomologen-verein.de Verbreitung 33 Gefährdung 47 Projektpartner Unbekannte Sorten 68 LAG Monheimer Alb-Altmühljura Landkreis Donau-Ries AUSBLICK Sortenerhaltung 78 LAG Regionalentwicklung Landkreis Neu-Ulm LAG ReAL West e.V. Landkreis Augsburg LAG Wittelsbacher Land Landkreis Aichach-Friedberg Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Europäischen Landwirt- schaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) 3
RESÜMEES PROJEKTZIELE Projektziele und ihre Umsetzung „Die interessierte Aufgeschlossenheit und ambitio- „Die zahlreichen Gespräche mit den stolzen Der Nutzen alter Obstsorten für den praktischen Bearbeitung (Büro Fraxinus mit den Aufgaben nierte Teilnahmebereitschaft, die unserem Projekt Baumbesitzern und ihren Geschichten rund um Anbau, als Genpool für Forschung und züchteri- Kartografie, Dokumentation und Auswertung und von breiten Teilen der Bürgerschaft unseres Land- ihre Obstbäume waren sehr spannend. Auch sche Entwicklungen sowie als landschaftsprägen- Büro BelleFleur mit Erfassung, Sortenbestim- kreises entgegengebracht wurde, hat mich sehr die Begeisterung und enge Zusammenarbeit aller der Bestandteil von Kulturlandschaften ist mung, Dokumentation und Auswertung). beindruckt. Den größten Nutzen erkenne ich in der Beteiligten an diesem Projekt war einfach schön unbestritten. Es war der dringende Wunsch der gerade noch rechtzeitigen Bewahrung alter regio- mitzuerleben. Die zahlreichen Baumpflanzaktionen Projektpartner, sich auf regionaler Ebene für den Projektgebiet nalspezifischer Sorten vor dem Aussterben. Die und die Vermehrungen der alten Sorten im Nach- Erhalt der Obstsortenvielfalt einzusetzen, der zu Das Projektgebiet umfasste die Kreise Augsburg, durch unser Projekt in der Öffentlichkeit erzeugte gang zeigt, wie schnell das Projekt Früchte trägt.“ diesem Erfassungsprojekt führte. Die bedeutends- Aichach-Friedberg, Donauries und Neu-Ulm. Bewusstseinsbildung und die daraus resultierende Sebastian Storch (Kreisfachberater Donau-Ries) ten Obstarten der Region Nordschwaben sind künftige Anpflanzung dieser Sorten auf unseren Apfel und Birne. Entsprechend war es das Ziel Fluren und in unseren Gärten stellt für mich einen „Mit großartigem Engagement haben unsere dieses Vorhabens, die in Nordschwaben noch weiteren bedeutsamen Nutzen unseres Projekts dar.“ 36 Obst- und Gartenbauvereine die Suche nach vorhandenen Apfel- und Birnensorten als Teil Bernhard Frey (Kreisfachberater Augsburg) vergessenen Obstraritäten unterstützt und die einer vielfältigen, regionalen Obstkultur zu er- Sortensuche in die entlegensten Orte geleitet. Die fassen, zu dokumentieren und zu erhalten. Vor- „Die tollste Erfahrung für mich persönlich war die Pionierarbeit war Tag für Tag spannend, mit vielen aussetzung einer wirksamen, regional basierten Offenheit der zahlreichen Teilnehmer hier bei uns erlebnisreichen und fruchtbaren Gesprächen mit Erhaltungsarbeit ist eine umfassende Sichtung im Wittelsbacher Land, die uns ohne Zögern und den stolzen BaumbesitzerInnen. Eine wahre Schatz- und Bestimmung der Bestände. manchmal auch ganz spontan ihre Aufmerksamkeit suche nach dem kulturellen Erbe der Region, mit und Zeit gewidmet haben. Besonders hat mich das bedeutenden Funden von wiederentdeckten ver- Projektpartner ehrliche Herzblut begeistert, das die Obstbaumbe- schollenen Obstsorten. Es wird mir eine Freude sein, Die Aufgabe als Projektträger übernahm die sitzer für ihre Bäume haben. Ich freue mich auf die angepflanzten Sortenraritäten im neuen Obstsor- LAG Monheimer Alb-AltmühlJura. Ihr oblag die nächstes Jahr, wenn wir mit der Ausbildung unserer tenerhaltungsgarten beim Wachsen und Gedeihen Fördergelderverwaltung, die Partnerkoordination zukünftigen Obstbaumpfleger beginnen können zu fördern und zur Erntezeit deren meist sortentypi- und die Erfolgskontrolle. Die anderen Projektpart- und bin absolut positiv überrascht, wie viele junge schen einzigartigen Geschmack zu genießen. ner waren die Leader-Aktionsgruppen des Erfas- Leute wir mit dem Thema erreichen.“ Rudolf Siehler, (Kreisfachberater Neu-Ulm) sungsraums: LAG Neu-Ulm mit dem Landkreis Manuela Riepold (Kreisfachberaterin Aichach-Friedberg) Neu-Ulm, LAG Wittelsbacher Land mit dem Land- „Vieles war bemerkenswert an diesem Projekt: kreis Aichach-Friedberg, LAG Begegnungsland „Wir waren erstaunt, wie viele Sorten im Allgemei- die zahlreichen, teils erstmaligen Nachweise Lech-Wertach mit dem Landkreis Augsburg und nen und wie viele seltene Sorten im Besonderen, regionaltypischer Apfel- und Birnensorten; die LAG REAL West (neu hinzugekommene Kommu- noch im Landkreis zu finden waren. Viele der selte- verschiedenen seltensten historischen Sorten; das nen sowie Landkreis Augsburg außerhalb LAG-Ge- Das Projektgebiet mit den symbolisch dargestellten erfassten nen, regionalen Sorten haben durchaus Potential Engagement aller Beteiligten, angefangen bei den bieten) Beständen/Bäumen das etablierte Standardsortiment zu ergänzen. Neben einzelnen Baumbesitzern, über die Vereine, die der reinen Sortenerhaltung und der Sicherung der Fachberater bis hin zu den Leader-Aktionsgruppen; Projektumsetzung genetischen Vielfalt ist auch das ein großer Nutzen die freundliche Atmosphäre bei der täglichen Arbeit; Die fachliche Umsetzung des Projektes erfolgte Die Ergebnisse dieses Projektes zeigen Zusam- des Projekts.“ die reibungslose Organisation; die konsequente über die Zusammenarbeit mit den jeweiligen mensetzung und Gefährdung der Sortenvielfalt für Paul Buß (Kreisfachberater Donau-Ries) Fortführung des Projektes in Form einer umfassen- Kreisfachberatern, den Obst- und Gartenbauver- die Region Nordschwaben. Sie geben Antworten den Erhaltung dieser bedeutenden Sortenvielfalt. einen der Kreise, Privatpersonen, Verbänden oder auf die Fragen, welche und wie viele Sorten dort Land, Leute und Sorten hinterlassen bei mir einen weiteren Vereinen, die sich mit Obst beschäftigen überdauert haben, wie gefährdet und wie regio- bleibenden Eindruck. (Bewirtschafter, Besitzer, Vereinsaktive, weitere naltypisch sie sind. Hans-Thomas Bosch, Sortenkundler und Autor der Broschüre Engagierte) und zwei Büros zur fachlichen 4 5
ANZAHL SORTEN – FRÜHER UND HEUTE Wie viele Sorten gibt es noch … Bekannte und Unbekannte Sorten Insgesamt standen wir auf unserer pomologischen sie vor Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden Reise durch das Nordschwaben vor 6354 Apfel- sind, einzelne sind schon für das 18. Jahrhundert und Birnbäumen. Wir fanden heraus, dass alle dokumentiert, z. B. auch die regionaltypische diese Bäume zusammen die stattliche Zahl von Sorte Pfahlinger. Apfel und Birne Apfel und Birne insgesamt 281 Sorten trugen, die wir sicher (bekannt) (unbekannt) bestimmen konnten. 76 weitere Sorten blieben Weiterhin fanden wir in beträchtlichen 275 Fällen 281 351 unbestimmt und gehen als unbekannte Sorten in Früchte, die jeweils nur an einem einzigen Baum 44% 56% die Statistik ein. wuchsen. Keiner dieser Bäume ließ eine Verede- lungsstelle erkennen. Bei solchen Einzelvorkom- Fassen wir die bekannten mit den unbekannten men wissen wir nicht, ob es sich überhaupt um Sorten zusammen, finden wir in der Region eine Sorte handelt oder um einen nur einmalig Nordschwaben 261 Apfel- und 96 Birnensorten, entstandenen Sämling, der nicht weitervermehrt also erstaunliche 357 Sorten. und auch nicht benannt wurde. Wir müssen da- Erfahrungsgemäß können von diesen Sorten von ausgehen, dass ein Teil dieser unbekannten über die Jahre hinweg zwar immer nur einzelne Bekannte Sorten mit Bäumen in den Landkreisen Einzelvorkommen Sämlinge sind. Wir haben in nachbestimmt werden, aus Sicht der geneti- den letzten Kartierjahren aber auch festgestellt, schen Vielfalt sind jedoch auch unbekannte dass immer wieder Früchte, die zunächst nur an Sorten bedeutend. Die etwa 300 alten Apfel- Anzahl Sorten Anzahl Bäume einem Baum erfasst wurden, in den Folgejahren und Birnensorten, die nach 1900 empfohlen und an weiteren Bäumen zu finden sind und damit verbreitet wurden, sind den Sortenbestimmern 2565 sicher eine Sorte bilden. Wir wissen noch nicht, bis auf wenige Ausnahmen bekannt. Wir können 3000 1650 1618 auf wie viele das zutrifft. Aber wir können sicher also davon ausgehen, dass viele der unbekann- 2000 1000 521 sein, dass es einige sind, so dass wir für Nord- ten Sorten zu den Sortimenten des 19. Jahrhun- 193 162 155 118 0 schwaben von deutlich über 400 noch vorhande- derts gehören. Wir können weiter annehmen, Auch die Früchte dieses mächtigen alten Neu- Ulm Aich-Friedberg Donau-Ries Augsburg nen Apfel- und Birnensorten ausgehen können. dass einige davon bereits im 18. Jahrhundert Birnbaums blieben unbekannt. Sie tragen entstanden sind – so wie es auch bei verschiede- den Arbeitsnamen „Ronheim 11404“. Sie fanden sich an zwei Bäumen in Ronheim im Wir wissen, dass nur der kleinere Teil der einst- nen namentlich bekannten Sorten der Fall ist. Kreis Donau-Ries. Einer davon war der 11404. maligen Sortenvielfalt überdauert hat und dass Setzt man die Anzahl sicher bestimmter Sorten von über 12000 im bayerischen Schwaben kartierten Bäumen insgesamt. Damit Birn- mit den verlorenen Sorten auch einige besondere mit der Anzahl aller unbekannter Vorkommen, also Einige unbekannte Sorten fanden wir an sehr bäume einen solchen Stammumfang von drei Eigenschaften verlorengegangen sind. Daher ist auch aller Einzelvorkommen, ins Verhältnis, beträgt alten Bäumen. Hier wissen wir sicher, dass auch Metern oder mehr aufweisen, müssen sie die Sicherung der noch vorhandenen Sorten für der Anteil unbekannter Vorkommen 56% (281 ihre Ursprünge in das historische Sortiment des sehr lange stehen – mindesten 150 Jahre, vermutlich mehr. den Erhalt der genetischen Vielfalt grundlegend. bekannte Apfel- und Birnensorten gegenüber 76 beginnenden 19. Jahrhunderts und davor zurück- Von einigen wissen wir durch die Literatur, dass unbekannten Sorten und 275 Einzelvorkommen). reichen. 6 7
Oberregierungsrat Löhe: Bekanntmachung über Obstsortimente für das Ries. Nördlingen 1926. … und wieviele gab es? Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wieviel Schon ab Ende des 19. Jahrhunderts aber setzen Der spätere Landesobstbauinspektor für Bayern, Sortenzusammensetzung. Diese Freude an den Obstsorten es früher gab, kann man sich auf Bestrebungen ein, die Zahl an Sorten im Sinne eines Rudolf Trenkle, gibt 1950 sein Obstsortenwerk unterschiedlichsten Formen, Farben, Geschmacks- historische Quellen stützen. Das können sorten- rationelleren Anbaus erheblich einzuschränken. Sie heraus. Darin empfiehlt er 47 Apfel- und 30 richtungen und Verwendungsmöglichkeiten kundliche Werke sein oder Sortimentslisten von waren die Konsequenz einer zunehmend auf die Birnensorten, darunter z.B. Schöner aus Wiltshire brachte viele Obstbauern und einen großen Kreis Baumschulen. Dabei können uns Werke, die um Vermarktung ihrer Produkte in den aufkommenden oder Feuchtwanger Butterbirne. an weiteren Obstbauinteressierten dazu, dem die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sind, Städten orientierten Landwirtschaft. Beleg dafür ist eingeschränkten Sortiment immer wieder Sorten besonders hilfreich sein. Zum einen war um diese z.B. das Werk von R. Mertens, des um 1900 für Diese Entwicklung ging einher mit der Zurückdrän- aus den unterschiedlichsten Regionen – auch von Zeit die Sortenvielfalt und ihre systematische Bayern zuständigen Landesobstbauinspektors. 1902 gung lokal oder regional verbreiteter Sorten. Sie weit außerhalb das damaligen deutschsprachigen Darstellung bereits auf einem hohen Niveau empfiehlt er insgesamt 60 Apfel- und 52 Birnensor- galten oft als minderwertig. Allerdings wurde das Raumes – hinzuzufügen oder an regionalen Sorten angelangt. Zum anderen kann man davon ausge- ten für ganz Bayern, darunter allerdings auch noch damals auch kontrovers diskutiert und vereinzelt festzuhalten, die in den Empfehlungen der hen, dass die in dieser Zeit beschriebenen Sorten die heute seltenen Sorten Gestreifter Bachapfel und behielten Obstbaufachleute solche „Landsorten“ Fachkreise nicht mehr berücksichtigt wurden. auch vermehrt und gepflanzt wurden und dass sie Schwäbische Wasserbirne. neben dem überregional empfohlenen Standard- – aufgrund der Langlebigkeit hochstämmiger sortiment im Anbau, ebenso tat das ein Teil der Außerdem ist ein alter Baum häufig noch Obstbäume – mit etwas Glück in Einzelfällen auch erzeugenden Landwirte und Obstgärtner selbst. ertragreich. Schlechte Zeiten aber gab es bis heute noch auffindbar sind. Unsere Apfelhoch- Buchtitel des Werkes von Mertens, Auch Trenkle hielt noch längere Zeit an regional- nach 1950 und alte Obstbäume waren dann R. (Landesobstbauinspektor Bayern): stämme können unter günstigen Bedingungen Die Obstsorten für Bayern, erschienen typischen Sorten für Bayern fest, beschränkte sich entsprechend wertvoll. Und trotz steigenden 100 bis 120 Jahre alt werden, einzelne Apfelbäu- 1902. Bildquelle: Wikipedia in seinen letzten Empfehlungen aber weitgehend Wohlstands fiel es doch dem ein oder anderen me sind nachweislich 150 Jahre alt. Birnbäume auf ein überregional ausgerichtetes Hauptsorti- schwer, einen schon seit Generationen stehenden erreichen nicht selten ein Alter von zweihundert ment. Obstbaum zu fällen. So hat die Verbundenheit Jahren, teils auch deutlich mehr. einiger weniger Menschen dafür gesorgt, dass alte Dr. Rudolf Trenkle, Bäume mit ihren Sorten nicht nur nicht gefällt Für Bayern bietet sich als Nachweis historischer * 9. September 1881 – † 11. Dezember 1968. wurden, sondern entgegen den fachbehördlichen Sortenvielfalt die Baumschule von Johannes Bildquelle: Wikipedia Anstrengungen immer wieder nachgezogen Evangelist Fürst an, die er um 1820 in Frauendorf wurden. Engagierte Sortenliebhaber gab es in in Niederbayern gründete und in der er 1841 Form von Baumschulbetreibern oder Baumwarten beträchtliche 1429 Apfel- und 841 Birnensorten erfreulicherweise genug, die die eng gefassten vermehrte. Sortimente deutlich weiter gestalteten als es der Zeitgeist nahelegte. So haben doch noch erfreu- Johann Evangelist Fürst Oberregierungsrat Löhe beispielsweise empfiehlt Betrachtet man diese Entwicklung so ist es lich viele historische und regionaltypische Sorten (1784–1846), gründet 1823 die Praktische Gartenbau- 1926 in einer Bekanntmachung des Bezirksamtes zunächst erstaunlich, dass dennoch eine so hohe die einschneidenden Veränderungen der Obstkul- Gesellschaft in Frauendorf, Nördlingen für den Obstbau des Rieses ca. Anzahl an Sorten überdauert hat. tur und ihrer Sortimente überdauert. gibt die Allgemeine deutsche 20 Apfel- und Birnensorten.“ … um später dem Garten-Zeitung heraus und betreibt die Baumschule zu Handel größere Mengen einheitlichen geeigneten Denn trotz aller Bemühungen um eine produk- Frauendorf. 1841 wurden Obstes anbieten zu können und so den Absatz tive Ausrichtung des Obstanbaus auf den darin 1.429 Apfelsorten und 841 Birnensorten vermehrt. zu fördern.“ (Löhe: Bekanntmachung über Bauernhöfen, hatte die sogenannte „gärtnerische (Bildquelle: Wikipedia) Obstsortimente für das Ries. Nördlingen 1926.) Freude“ einen bedeutenden Einfluss auf die 8 9
DIE VERSCHOLLENE Wie wichtig Erfassungen vor Ort für die Erhaltung Sorten kennen sie noch den Namen, bei vielen Als der Name Henzens Parmäne fiel, war uns zwar Skizze der Frucht im Längsschnitt Der Züchter: Oberpfarrer Conrad Henzen aus nicht mehr. Der Fachberater ist über die Struktur bewusst, dass die Sorte selten, nicht aber, dass sie Abb. aus Lucas et al: Illustrirte Wasserberg bei Aachen. Abb. aus Lucas et al: stark gefährdeter oder gar verschollen geglaubter Monatshefte für Wein- und Obstbau. Pomologische Monatshefte. Jahrgang 22, Sorten sind, konnten wir bereits beim ersten des Obstbaus in seinem Kreis informiert, er verschollen ist. Ihre Verbreitung ist historisch vor 1872, S. 194. Bd. 5, S. 161–167. Stuttgart 1876. Erfassungstag erleben. Kaum hatten wir mit pflegt und entwickelt sie mit. Er weiß, wo die alten allem für das Rheinland belegt, wo sie bisher nicht unserer Arbeit begonnen, führte uns ein Baum- Bestände stehen und er kennt deren Besitzer. mehr nachgewiesen werden konnte. Dank der Hilfe besitzer im Kreis Neu-Ulm über seine Streuobst- Ihm sind durch seine Arbeit die aufgefallen, die des Baumbesitzers gibt es nun wieder einen wiese. An einem kleinkronigen Baum blieb er kurz eventuell noch mehr über ihre Sorten wissen. Zu sicheren Nachweis. Anhand der Literatur konnte stehen und meinte, dies sei eine Henzens Parmä- ihnen führt er den Sortenkenner. Der weiß, bei die Echtheit der Sorte bestätigt werden. Dazu schreibt Hans-Joachim Bannier, der Autor ne. Dem unscheinbaren Baum hätten wir vermut- welchen Sortennamen er aufmerksam werden des genannten Buches: „Im Rheinland selbst lich keine große Bedeutung beigemessen und ohne muss, weil sie nicht mehr gängig oder bekannt Zur Sicherung der Sorte wurden unmittelbar im scheinen die Züchtungen Henzens keine große den Hinweis des Landwirts auch kaum eine sind. Er trennt die Spreu vom Weizen. Selbst dem darauffolgenden Winter Reiser geschnitten, die Bekanntheit erlangt zu haben und sind später ver- Verbindung zu der verschollen geglaubten Sorte erfahrensten Baumbesitzer kann es passieren, zunächst im Erhaltungsgarten am Kompetenzzent- loren gegangen. Heute müssen sie nach derzeiti- herstellen können. Sie wäre wohl eine der vielen dass er Sorten verwechselt. Hier sind die Sorten- rum für Obstbau Bodensee (KOB) aufveredelt gem Wissensstand als verschollen gelten. Auch Unbekannten geblieben. kundler mit ihrem speziellen Wissen gefordert. wurden. Ein Bündel Reiser ging ins Rheinland, von der hier vorgestellten Henzens Parmäne ist im dem Entstehungsgebiet der Sorte, wo sie nun in Rheinland derzeit kein Baum mehr bekannt. Durch zwei Erhaltungsgärten gesichert ist. einen glücklichen Zufall konnte die Sorte dennoch wiederentdeckt werden. Im Rahmen einer Obst- Über den spektakulären Fund wurde in der sortenkartierung im Raum Neu-Ulm fand sich Südwestpresse vom 26.5.2016 berichtet. 2016 ein Baumbesitzer, der seine Apfelsorte aus Titel: „Allein unter 24 000 Bäumen: Henzens familiärer Überlieferung noch als Henzens Parmä- Parmäne“. ne benennen konnte.“ Zudem wurde die Apfelsorte sofort mit einer ausführlichen Beschreibung in dem zu der Zeit Der Baum der Henzens Parmäne kurz vor der Neuauflage stehenden Buch von durch die Jahreszeiten hindurch. Hans-Joachim Bannier “Lokale und regionale Obst- sorten im Rheinland – neu entdeckt!“ (2.erwei- terte Auflage. Köln 2017. S.82/83) veröffentlicht. Während der Erfassung fand sich Dort wird neben der Sorte auch deren Züchter er- ein weiterer Baum der Sorte. wähnt: Oberpfarrer Conrad Henzen (1801–1888), der eine eigene Baumschule unterhielt und aus Ein Nachweis verschollen geglaubter oder sehr „Die eher kleinen Früchte der Henzens Parmäne sind Sämlingsaussaaten insgesamt 16 neue Sorten wohlschmeckend (…).“ Laut Baumeigentümer – sowie seltener Sorten ist nicht nur Zufall. Der Besitzer selektierte. Bei einem bedeutenden Pomologen der nach Angaben der „Illustrirten Monatshefte für Wein- der Henzens Parmäne steht für viele, die Obst und Obstbau“ 1872 (S. 194–196) – trägt die Sorte Zeit – Eduard Lucas – stießen die Neuzüchtungen Typische Fruchtmerkmale: kleinfrüchtig; breit kegelförmig; Stielgrube mit feiner, olivfarbener Berostung; Kelchgrube weit, höckrig; Kelch groß, nutzen, die Bestände pflegen und so dafür sorgen, reich und regelmäßig. auf großes Interesse und wurden so auch über die teils weit offen; Kelchblätter breit, länglich, aufrecht zurückgeschlagen; dass auch alte Bäume erhalten bleiben. Sie Grenzen des Rheinlandes hinaus bekannt gemacht. Kelchhöhle klein; Kerne eiförmig, klein. kennen sich aus mit ihren Sorten, wissen wann sie zu ernten und wie zu verwerten sind. Bei einigen 10 11
SORTENBESTIMMUNG Mit dem Sortennamen verbinden wir bestimmte wählt hat. Es passiert häufiger bei seltenen, bestimmte, dominierende Eigentümlichkeiten im Frucht- und Verwertungseigenschaften. Jede kommt aber auch bei verbreiteten Sorten vor. Umriss, in der Gestaltung von Stiel- und Kelchein- Obstsorte ist durch das Zusammenspiel von Form, Sorten können verwechselt werden – in Samm- senkung, in der Beschaffenheit und Färbung der Farbe, Geschmack, Reifezeit, Lagerfähigkeit, lungen, in Baumschulen, in Reisergärten, in Schale, in Geruch und Geschmack erkennen. Es ist Wuchsstärke, Blühzeitpunkt und anderer Eigen- Lehrgärten. Und das hat seine Gründe. Die sind zunächst der Gesamtkomplex der Merkmale, der schaften gekennzeichnet und unterscheidet sich nicht so sehr in einem nachlässigen Umgang mit bei ihm die Erinnerung an eine früher untersuchte dadurch von anderen. den Sortennamen zu suchen oder gar darin, dass Sorte wachruft.“ (Krümmel, H. et al: Deutsche bewusst getäuscht wird – auch wenn das für die Obstsorten, Band 1 Äpfel, S. 9. Berlin 1956.) Der Nutzer der Sorte, egal ob Anbauer oder Praxis nicht vollständig ausgeschlossen werden Konsument, möchte nicht nur irgendeinen Apfel, kann – viel mehr liegen die Gründe in der Natur Hat der Sortenbestimmer nun tatsächlich eine sondern “den Boskoop” oder “den Berlepsch”. der Sache selbst. Es gibt einfach sehr viele Sorten, Die Vielzahl der Sorten und die Veränderlichkeit Vermutung, um welche Sorte es sich handeln Er sucht sich die Sorte aus, weil er bestimmte die auch der einzelne Spezialist unmöglich alle der Fruchtmerkmale lässt eine Bestimmung zu könnte, beginnt die Detailarbeit. Welche Merkmale Eigenschaften von ihr nutzen will. Er möchte überblicken kann, und viele Sorten wiederum sind einer komplexen Angelegenheit werden. Sorten sind charakteristisch für die vermutete Sorte: die keinen Apfel, der zwar mehr oder weniger gleich einander sehr ähnlich, können also tatsächlich sind durch menschliches Zutun entstandene tiefe Kelchgrube, die stark berostete Stielgrube, aussieht, aber ganz anders schmeckt, viel später leicht verwechselt werden. vielfältige Ausprägungen einer Art. Ein natürliches eine auffällige Kelchhöhle, der Kern? reift oder nicht das feine Apfelmus ergibt, das System, auf dessen Grundlage ein Bestimmungs- er erwartet. Er sollte sich also darauf verlassen Eine Sorte ist in sich schon vielgestaltig. Größe, schlüssel entwickelt werden kann, gibt es nicht. Der Kern ist tatsächlich ein wichtiges Unter- können, dass der Sortenname stimmt und er das Farbe, auch die Form oder der Geschmack der Daher gibt es auch keine Bestimmungsbücher scheidungsmerkmal – bei Birnensorten noch bekommt, wofür der Name steht. Allerdings Früchte können sich unterschiedlich ausbilden vergleichbar denen der Botanik. Eine Abgrenzung mehr als bei Apfelsorten. Dazu ein Beispiel aus weiß jeder, der sich eingehender mit Obstsorten – abhängig von Einflüssen wie Wärme, Behang von Sorten gelingt nur selten über die Literatur unserer Erfassung. Hier wird deutlich, wie leicht beschäftigt, dass das nicht so ohne weiteres oder Sonneneinstrahlung, die in einem Jahr mal allein, es müssen verschiedene Bestimmungshilfen es zu Verwechslungen zwischen ähnlichen Sorten möglich ist. Immer wieder kommt es vor, dass stärker und mal schwächer einwirken und das angewendet werden. kommen kann. Es geht um zwei „Calebassen“: ein Baum nicht die Sorte trägt, die man ausge- Aussehen der Sorten entsprechend verändern. die Calebasse de Bosc – besser als Boscs Fla- Dazu gehören das detaillierte Merkmalsstudium, schenbirne bekannt – und die Calebasse à la der Vergleich mit eigenen Sortenbeschreibungen Reine (Französische Weinbirne). und Bildern, die Vorlage der Proben bei weiteren Pomologen (Sortenkundlern) und der Vergleich von Beim Sichten eines interessanten Altbestandes Referenzfrüchten von Ausstellungen oder aus stoßen wir auf einen jungen Birnbaum, den der Erhaltungsgärten. Besitzer als Boscs Flaschenbirne bezogen hat. Die „Boscs“ ist eine gängige Sorte, sie ist beliebt „Wenn ein erfahrener Sortenkenner eine Probe bei den Anbauern und wird noch häufig in Baum- zum Bestimmen vor sich hat, beginnt er nicht mit schulen vermehrt. Allerdings werde ich seit dem Veränderlichkeit innerhalb der Sorte: Schöner aus Wiltshire der Untersuchung von Einzelfrüchten und nicht vorangegangenen Herbst aufmerksam, wenn ich kann potentiell diese unterschiedlichen Früchte hervorbringen. Die sehr großen und sehr kleinen, sowie die nicht ausgefärb- mit dem Suchen nach Einzelmerkmalen, sondern auf einen Jungbaum der Sorte treffe. Ich habe ten Früchte sind allerdings untypische Ausprägungen unter er lässt zunächst einmal den Gesamteindruck der erfahren, dass es eine Verwechslersorte zu Boscs ungünstigen Bedingungen. Nur bei ausgeglichenem Wachstum Probe auf sich wirken. Trotz der stets vorhandenen Flaschenbirne gibt, die Calebasse à la Reine. Eine entwickeln sich sortentypische Früchte. Sie prägen sich einheitlicher aus (s. Bild auf der folgenden Seite). Eine Schwankungen bei den Einzelfrüchten wird er bisher bei uns wenig bekannte Sorte, die aber Veränderlichkeit in Form und Farbe ist dann immer noch gegeben. Das ist generell bei allen Sorten festzustellen und bei der Sortenbestimmung zu berücksichtigen. 12 13
CALEBASSE À LA REINE Französische Weinbirne neuerdings irrtümlich unter dem Namen Boscs mit und vergleiche die Kerne von Boscs aus Flaschenbirne vermehrt wird und ihr auch äußer- meiner Kernsammlung und anhand von Fotos lich ähnlich ist. Also schaue ich mir die Früchte mit den Kernen der mitgebrachten Früchte. Fruchteigenschaften genauer an. Die Calebasse à la Reine kenne ich Die Kernmerkmale von Boscs hatte ich richtig Tafelbirne; schmelzend, noch nicht gut, die Boscs schon besser, da sie in Erinnerung. Allein anhand der Kerne süß, mittel aromatisch; zum Standardsortiment der Birnen gehört. kann ich Boscs Flaschenbirne ausschließen. frühe Herbstbirne; laut Baumeigenschaften Literatur gering anfällig. Pomologisches Detail: Wächst laut Literatur mittelstark; ertragreich; insgesamt robust. Der Kern der Calebasse à la Reine (Bild links) ist wesentlich schmaler und länger als der von Boscs Flaschenbirne. Häufigkeit Der Unterschied bei den Kernen wird An zwei Jungbäumen im Kreis Neu-Ulm aufgefunden. detailgetreu in der historischen Literatur Verbreitung abgebildet (linkes Bild: Calebasse à la Reine). Die Früchte sind der Boscs Flaschenbirne zum Verwechseln ähnlich; in Sammlungen und Baumschulen häufiger fälschlich als Boscs vermehrt und verbreitet; daher vor allem an Jungbäumen zu finden. Zum Vergleich: Frucht der Calebasse à la Reine (Französische Weinbirne, Bild links) und Früchte von Boscs Flaschenbirne. Geschichte Es liegen keine Angaben zur Herkunft vor. Ich betrachte zunächst die äußeren Merkmale Aber ist es nun tatsächlich die Calebasse à la wie Stielansatz, Kelch oder Fruchtform. Insgesamt Reine? Zu der Sorte habe ich noch zu wenig scheinen die Früchte zwar etwas feiner berostet Aufzeichnungen. Ich schicke Fotos an einen und weisen auch nicht die mir von Boscs bekann- Birnenspezialisten, der mir die Calebasse à la ten feinen Unebenheiten unter der Schale auf. Reine bestätigt. Typische Fruchtmerkmale Aber das sind Abweichungen, die auch mal Länglich flaschenförmig; innerhalb einer Sorte auftreten können. Dann Weitere Unterschiede gibt es bei der Haltbarkeit. großfrüchtig; fein berostete, gold- schneide ich die Früchte. Besonders bei Birnen- Die Calebasse à la Reine reift Anfang September braune Schale; langer Stiel, sorten sind die Kerne ein wichtiges Unterschei- und muss schnell verwertet werden, Boscs da- aufsitzend, mit fleischigem Übergang dungsmerkmal. Ich finde lange, schmale Kerne in gegen ist 14 Tage später reif und dann etwa in Frucht; Kelch teils aufsitzend; den Kammern. Ich meine, Boscs hätte auffällig 4 Wochen haltbar. länglich schmale, zugespitzte, kleine und eiförmige Kerne. Ich nehme mir Früchte kastanienbraune Kerne. Literatur Abbildungen aus: Lijsten, R.; Beeftink, A.: Nederlandsche Fruitsoorten. 14 Arnhem, Niederlande 1942, Lauche, W.: Deutsche Pomologie. Birnen, 2. Band. Berlin 1883. 15
DIE BESONDEREN APFEL- UND BIRNENSORTEN NORDSCHWABENS Nach den allgemeinen Erläuterungen der vor- punktmäßig Altbäume kartiert wurden (Apfel- besonders prägt, auch wenn sie noch in hergehenden Abschnitte stellen wir nun eine bäume ca. 60 – 80 Jahre alt, Birnbäume ca. 80– anderen Teilen der Bundesrepublik vorkommt, Auswahl Apfel- und Birnensorten vor, die sich 120 Jahre alt, Einzelbäume jeweils auch erheb- wie z. B. die Birnensorte Remele (Schwäbische besonders hervorheben. Darunter sind die für lich älter), lässt sie Rückschlüsse auf die traditio- Wasserbirne) oder die Apfelsorte Kesseltaler jeden Kreis häufigsten, ebenso die vorgefundenen nelle Zusammensetzung der Sortimente der Streifling. Regionalsorten, die hier zum Teil erstmals Region Nordschwaben zu. ausführlicher beschrieben und abgebildet werden. Einordnung nach Verbreitung Gefährdung Abschließend beschreiben wir eine Auswahl Einordnung nach Häufigkeit besonders gefährdeter Äpfel und Birnen. Überregional: überregional verbreitet, ohne Nicht gefährdet: überregional oder regional Sehr häufig: >=50 besonderen Bezug zum Untersuchungsgebiet; häufig bis sehr häufig, auch Jungbäume häufiger, Wir haben bereits erwähnt, dass eine umfang- sehr viele Standorte bekannt findet sich traditionell in verschiedensten Regio- mehrfach in Sammlungen gesichert und/oder reiche Erfassung die Grundlage einer wirksamen nen Deutschlands (z.B. Köstliche aus Charneu) in Baumschulen vermehrt Erhaltungsarbeit ist. Es macht Sinn, bevorzugt Häufig: 20–49 Sorten zu sichern, die in ihrem Fortbestand viele Standorte bekannt Regionaltypisch: überregional verbreitet, jedoch Bedingt/regional gefährdet: überregional gefährdet sind. Um eine mögliche Gefährdung im Untersuchungsgebiet ungewöhnlich häufig; oder regional nur vereinzelt häufiger, überwiegend einschätzen zu können, müssen wir wissen, wie Zerstreut: 6–19 häufiger als in anderen Regionen (z.B. Schöner Altbäume, kaum in Sammlungen gesichert, häufig eine Sorte in der Region vorkommt, wo einige Standorte bekannt aus Wiltshire) kaum oder nicht in Baumschulen vermehrt sie eventuell noch vorkommt und ob sie bereits in Sammlungen steht oder sogar noch in Baum- Selten: 1–5 Regionalsorte: kommt nach derzeitigem Kenntnis- Gefährdet: Überregional und regional selten, schulen vermehrt wird. wenige Standorte bekannt stand und nach historischen Quellen zum größten fast nur Altbäume, kaum oder nicht in Samm- Teil nur im aktuellen Untersuchungsgebiet vor; lungen gesichert und nicht in Baumschulen Eine Sorte kann auch aus anderen Gründen jüngere Einzelvorkommen aus anderen Regionen vermehrt erhalten werden, z.B. weil sie in der Region bleiben unberücksichtigt; hier handelt es sich um entstanden ist (Regionalsorte) oder weil sie Verbreitung die eigentlichen Regionalsorten bzw. entsprechend schon lange und häufig dort angebaut wurde Unter diesem Gesichtspunkt wird die regionale der früheren Bezeichnung um „Lokalsorten“ (z.B. (regionaltypische Sorte). Bedeutung einer Sorte eingeordnet. Wir unter- Schöner aus Gebenhofen oder Weißenhorner scheiden dabei in überregional verbreitete, Birne) Häufigkeit in regionaltypische Sorten und in Regionalsorten. Die Anbauhäufigkeit zeigt, wie oft eine Sorte erfasst wurde. Die Zahlen beziehen sich aus- Wir unterscheiden regionaltypische Sorten Gefährdung schließlich auf das Projektgebiet. Sie sagen von den eigentlichen Regionalsorten, weil Die Einstufung der Gefährdung beruht nichts über die Häufigkeit des Vorkommens in auch überregional verbreitete Sorten das auf Untersuchungen, stützt sich aber auch anderen Regionen aus. Obstsortiment einer Region prägen können. auf Einschätzungen aus der Praxis. Grund- Eine Sorte ist regionaltypisch, wenn sie im sätzlich geben Einschätzungen einen persön- Unterschiede bei der Häufigkeit zeigen, ob Vergleich zu anderen Regionen in der Projekt- lichen Kenntnisstand wieder, sind also nicht bestimmte Sorten vor anderen bevorzugt wurden region so häufig angepflanzt wurde, dass sie objektiv und nicht abgesichert. Sie können und wie sie das Sortiment prägen. Da schwer- das Sortiment des Untersuchungsgebietes aber begleitend herangezogen werden. 16 17
HÄUFIGKEIT 1 Jakob Fischer 2 Schöner aus Boskoop 3Brettacher 1 Rheinischer Bohnapfel 2Kesseltaler Streifling 3Schöner aus Boskoop Es wurde bereits erwähnt, dass schon im aus- regionaltypischer Sorten ebenso unstrittig und Kreis Augsburg Kreis Donau-Ries gehenden 19. Jahrhundert die Fachstellen be- sie können als wichtiger Bestandteil angepasster Die Beliebtheit von Jakob Fischer und Schöner Der Kreis Donau-Ries hat mit Kesseltaler müht waren, nur eine eng begrenzte Anzahl von Sortimente berücksichtigt werden. aus Boskoop teilt sich der Kreis Augsburg mit Streifling eine regionaltypische Besonderheit „allgemein anbauwürdigen Sorten“ zu etablieren. seinem Nachbarkreis Aichach-Friedberg. zu bieten. Er ist zwar keine Regionalsorte, dazu Es bildete sich das klassische Standardsortiment Hier werden zunächst die drei in den jeweiligen Boskoop ist eine „Universalsorte“ und findet findet man ihn in zu vielen anderen Gebieten. heraus. Dennoch pflanzten die Leute auf dem Kreisen häufigsten Apfel- und Birnensorten kurz sich nahezu immer unter den häufigsten, auch Für eine nicht zum früheren Standardsortiment Land und in den Gärten weiterhin auch ihre vorgestellt. Dem folgt ein ergänzender Überblick überregional. Für Jakob Fischer gilt das zumin- zählende Sorte ist er allerdings ungewöhnlich regional angestammten, von der Fachwelt häufig mit einer kurzen Beschreibung der weiteren am dest für den süddeutschen Raum, ebenso für häufig. Auch im Kreis Dillingen ist die Sorte sehr als nicht anbauwürdig angesehenen oder von häufigsten im Erfassungsgebiet anzutreffenden Brettacher. beliebt, stand dort aber in einer zurückliegenden ihnen erst gar nicht beachteten Sorten. Oder es Apfel- und Birnensorten. Dann wird eine jeweils Erfassung „nur“ an 6. Stelle der häufigsten gab Fachleute in einzelnen Regionen, die das in einem Kreis häufig vorkommende, aber bisher Sorten. Hauptsortiment um regional angepasste Sorten noch kaum dokumentierte Sorte ausführlicher erweiterten. Diese Einflüsse prägen auch das beschrieben. Sortiment Nordschwabens. Die häufigsten Sorten sind meist die, über die Die häufigsten Apfelsorten viele Erfahrungen und Untersuchungen vorliegen und über die schon reichlich zu Papier gebracht Die beliebtesten drei für jeden Landkreis wurde. Wir stellen jedoch immer wieder fest, dass nicht alle häufig vorkommenden Sorten allgemein Die häufigsten drei Apfelsorten repräsentieren sozusagen das Kernsortiment der einzelnen Kreise. 1 Jakob Fischer 2 Schöner aus Boskoop 3Rheinischer Winterrambur 1 Brettacher 2Schöner aus Boskoop 3Rheinischer Bohnapfel bekannt sind. Es lohnt sich, diese regionalen Bezieht man ihren Anteil auf die etwa 6500 ins- Besonderheiten näher zu beschreiben. Lohnend gesamt kartierten Apfelbäume, so trägt etwa jeder insofern, als eine Beschreibung dazu beiträgt, 6. Baum, der in den Streuobstwiesen und Obst- Kreis Aichach-Friedberg Kreis Neu-Ulm solche Sorten in das Blickfeld des Obstfreundes gärten der Region steht, eine dieser Sorten. Sie Im Kreis Aichach-Friedberg ist Rheinischer Im Kreis Neu-Ulm ist Brettacher die häufigste zu rücken, der sie dann bei der Sortenwahl be- wurden auch überregional sehr häufig gepflanzt Winterrambur die dritthäufigste Sorte. Auch Sorte. Er verbreitete sich wohl von Baden-Würt- rücksichtigen kann. Vor allem dann, wenn eine und zählen auch heute noch – berücksichtigt man er gehörte zwischen 1900 und 1950 zum temberg aus (Neu-Ulm grenzt an das württem- Sorte traditionell zwar häufig angebaut wurde, das allgemeine Sortenangebot der Baumschulen – überregionalen Standardsortiment. Bemerkens- bergische Schwaben). Auch Rheinischer Bohn- ihre Vorzüge aber später nicht mehr erkannt zu den am häufigsten angebotenen. wert ist, dass Brettacher nicht unter den apfel gehörte zum alten Standardsortiment – wurden. Wobei nichts dagegen spricht, auch häufigsten zehn Sorten zu finden ist – im er zählt eigentlich allerorten zu den häufigsten. heute noch die verbreitetsten Sorten wie z.B. Allerdings gibt es auch hier schon Unterschiede Gegensatz zu allen anderen Landkreisen. Bemerkenswert ist, dass Rheinischer Winter- Schöner aus Boskoop oder Köstliche aus Charneu zwischen den Landkreisen, wie in der Zusammen- rambur im Kreis Neu-Ulm so wenig empfohlen zu pflanzen. Ihr Anbauwert ist nach wie vor stellung der drei am häufigsten vorkommenden wurde. Dort rangiert er erst an 20. Stelle der unbestritten. Inzwischen aber ist der Wert Apfelsorten zu sehen ist. Häufigkeit. 18 19
RIESENBOIKEN Kreis Augsburg Je mehr Sorten man in den Vergleich einbezieht, Neu-Ulm der Pfaffenhofer Schmelzling, ebenfalls desto deutlicher werden auch Unterschiede eine dortige Regionalsorte. Sie alle sind mit zwischen den einzelnen Landkreisen erkennbar. So Ausnahme von Schöner aus Herrnhut und Riesen- finden sich neben den allgemein häufigen Haupt- boiken nur in den erwähnten Kreisen sehr häufig. sorten auch Sorten, die innerhalb des Erfassungs- Außerhalb des Projektgebiets sind sie mit deutlich Fruchteigenschaften gebiets nur in einem Kreis sehr häufig sind. geringeren Baumzahlen oder nur vereinzelt Wirtschaftsapfel; mittlere anzutreffen. Saftigkeit, mäßig süß-säuerlich, Für den Kreis Augsburg sind das Schöner aus mäßig aromatisch; früher Herrnhut und Riesenboiken. Im Kreis Aichach- Vier davon – Riesenboiken, Hügelsharter Graven- Baumeigenschaften Winterapfel (verwertbar bis Friedberg dagegen finden wir sogar zwei Regional- steiner, Kesseltaler Streifling und Pfaffenhofer Starkwüchsig; ertragreich; allgemein robust, auch gegen Obst- Januar/Februar); gering anfällig. sorten unter den häufigsten: Hügelsharter Graven- Schmelzling – werden hier exemplarisch beschrie- baumkrebs und Fröste. steiner und Schöner aus Gebenhofen. Im Kreis ben. Die Beschreibung der Regionalsorte Schöner Donau-Ries ist es der zuvor erwähnte regional- aus Gebenhofen findet sich im Kapitel Verbreitung. typische Kesseltaler Streifling und im Kreis Häufigkeit Sehr häufig; elf der 44 erfassten Bäume stehen im Kreis Die 10 häufigsten Apfelsorten in den verschie- Augsburg; die Sorte ist dort somit unter den Häufigsten; denen Kreisen mit der Anzahl erfasster Bäume ähnliche Baumzahlen weisen die anderen Kreise auf – bei allerdings jeweils deutlich mehr erfassten Bäumen insgesamt. Augsburg Aichach Friedberg Donau-Ries Neu-Ulm Verbreitung Überregional verbreitet; er ist gebietsweise stark vertreten, Jakob Fischer 46 Jakob Fischer 113 Großer Rheinischer Bohnapfel 151 Brettacher 180 u.a. im Saarland oder in Hessen; innerhalb Schwabens ist er noch sehr häufig im Unterallgäu; dort kommt es immer wieder Schöner aus Boskoop 26 Schöner aus Boskoop 100 Kesseltaler Streifling 115 Schöner aus Boskoop 151 zu Verwechslungen mit der Sorte Horneburger Pfannkuchenapfel, die über einen längeren Zeitraum fälschlich als Riesenboiken Brettacher 21 Rheinischer Winterrambur 56 Schöner aus Boskoop 76 Großer Rheinischer Bohnapfel 132 vermehrt wurde. Typische Fruchtmerkmale Große bis sehr große Früchte; Großer Rheinischer Bohnapfel 19 Kaiser Wilhelm 54 Jakob Fischer 75 Schöner aus Wiltshire 102 Gefährdung Form variabel flachkegelförmig Inzwischen selten, aber nicht gefährdet; sie wird in einigen bis rundlich-kegelförmig; Transparent aus Croncels 19 Großer Rheinischer Bohnapfel 53 Rheinischer Winterrambur 73 Jakob Fischer 81 Sammlungen erhalten, auch einzelne Baumschulen vermehren wenig Deckfarbe; Stielgrube sie noch. teils tief und (sehr) weit, Kaiser Wilhelm 19 Hügelsharter Gravensteiner 49 Kaiser Wilhelm 52 Transparent aus Croncels 79 unregelmäßig, fein berostet; Geschichte Kelchgrube meist mit deut- Rheinischer Winterrambur 14 Brettacher 40 Transparent aus Croncels 47 Pfaffenhofer Schmelzling 60 1911 erstmals beschrieben; traditionell stark verbreitet an lichen Wülsten und Höckern; der Niederelbe; historisch ist die Sorte schwierig einzuordnen, Kelchhöhle klein, trichterförmig, Schöner aus Herrnhut 13 Jakob Lebel 33 Welschisner 37 Maunzenapfel 58 da es mindestens zwei voneinander unterscheidbare Sorten teils mit feiner kurzer Röhre; mit dem Namen Riesenboiken gibt. rundlich zugespitzte Kerne. Schöner aus Wiltshire 12 Schöner aus Gebenhofen 30 Roter Trierer Weinapfel 36 Wettringer Taubenapfel 50 Riesenboiken 11 Transparent aus Croncels 29 Jakob Lebel 33 Odenwälder 50 Literatur 20 Dahlem et al: Äpfel und Birnen aus Luxemburg. Luxemburg 2016. 21
HÜGELSHARTER KESSELTALER GRAVENSTEINER STREIFLING Kreis Aichach-Friedberg Kreis Donau-Ries Fruchteigenschaften Fruchteigenschaften Wirtschaftsapfel (Saft, Most); Wirtschaftsapfel (Saft); mittel saftig, mild süß-säuerlich, mild süß-säuerlich; mäßig aromatisch; etwas blumiges Aroma; Frühherbstapfel; gering anfällig. Spätsommerapfel. Baumeigenschaften Baumeigenschaften Sehr starkwüchsig, bildet mächtige Kronen; reichtragend; robust; Starkwüchsig, ertragreich, frosthart und allgemein robust. sortentypisch ist die starke Leistenbildung am Stamm bei Altbäumen. Häufigkeit Häufigkeit Sehr häufig; 49 Bäume im Kreis Aichach-Friedberg, weitere Sehr häufig; 115 von 127 erfassten Bäumen stehen im Kreis sechs Bäume im angrenzenden Kreis Augsburg; kein Nachweis Donau-Ries. in den Kreisen Donau-Ries und Neu-Ulm. Verbreitung Verbreitung Regionaltypisch; Nachweise der Sorte kommen aus vielen Regionalsorte; weitere Standorte sind aus dem ganzen Allgäu bekannt Regionen, auch aus Luxemburg und Vorarlberg beispielsweise; (besonders Unterallgäu), allerdings nimmt die Häufigkeit nach Süden im Kreis Dillingen ist sie ebenfalls sehr häufig; dort wie hier im beständig ab; die frühere Beliebtheit in der Region Aichach-Friedberg Donau-Ries prägt sie das Sortiment und ist daher eine typische geht auf die Baumschule Ketzer zurück, die sie als „äußerst wertvolle Sorte der Region. Lokalsorte“ anbot. Gefährdung Gefährdung Bedingt gefährdet; wir finden zwar überwiegend Altbäume in der Bedingt gefährdet; überwiegend nur noch als sehr alte Bäume Region, aber auch einige jüngere; in wenigen Baumschulen wird anzutreffen, wird aber noch in einer Baumschule im Kreis vermehrt. sie vermehrt und in Sammlungen findet sie sich zumindest in Süddeutschland recht häufig. Geschichte Typische Fruchtmerkmale Kein literarischer Nachweis oder sonstige Überlieferung zu ihrer Geschichte Typische Fruchtmerkmale Mittelgroß; unregelmäßig Entstehung; als früheste Quelle haben wir den Eintrag auf einem Wir können aufgrund des augenscheinlich hohen Alters einiger Mittelgroß; kegelförmig bis eiförmig; Deckfarbe rötlich Pflanzplan von 1946 mit dem Namen „Grafensteiner-Type Hg“ – also Bäume mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass sie schon vor hochgebaut kegelförmig; Schale geflammt; Kelchhöhle mit eventuell ein Sämling des Gravensteiners – und die Nennung in einer 1900 stärker verbreitet wurde; auch ist anzunehmen, dass Kessel- lebaft gestreift; Kelchgrube weit, schmaler Röhre; Kernhaus Preis- und Sortenliste der Baumschule Ketzer von 1953/1954. taler Streifling nicht ihr ursprünglicher Name war, da sie in einigen mitteltief; Kernhauswände klein; Kerne klein, rundlich, anderen Regionen unter verschiedenen Namen vorkommt (z.B. glatt; teils mit Kelchröhre, zugespitzt, kastanienbraun. Schopflocher Streifling, Erfurter Streifling) länglich zugespitzter Kern. Literatur Literatur Ketzer, Stefan: Baumschulen Friedberg. Preis- und Sortenliste 1953/54. Löhe: Bekanntmachung über Obstsortimente für das Ries. Nördlingen 1926. 22 Ketzer, Stefan: Baumschulen Friedberg. Preis- und Sortenliste 1953/54. 23
PFAFFENHOFER SCHMELZLING Kreis Neu-Ulm Die weiteren häufigsten Apfelsorten aller Kreise kurz portraitiert (alle überregional verbreitet und nicht gefährdet) Fruchteigenschaften Saft- und Mostapfel; süßlich, wenig säuerlich, saftig, Fleisch etwas zäh; Herbstapfel; gering anfällig. Baumeigenschaften Starkwüchsig; ertragreich; robust, sehr frosthart; traditionell als Stammbildner für Raulagen; überhängendes Kronenbild. Transparent aus Croncels Kaiser Wilhelm Schöner aus Wiltshire Wirtschafts- und Tafelapfel Tafel- und Wirtschaftsapfel Tafel- und Wirtschaftsapfel guter Küchenapfel starkwüchsige Bäume sehr vielseitig verwertbar Häufigkeit Sehr häufig; 60 von 73 erfassten Bäumen stehen im Kreis Neu-Ulm, weitere neun noch im Kreis Aichach-Friedberg. Verbreitung Regionalsorte; in der Region Neu-Ulm entstanden, dort finden sich auch mit Abstand die meisten Altbäume; weitgehend auf Bayern, insbesondere den südwestlichen Teil begrenzt (Regierungsbezirk Jakob Lebel Wettringer Taubenapfel Welschisner Schwaben); dort nur vereinzelt; noch um 1950 von der bayerischen Wirtschaftsapfel Tafelapfel Wirtschafts- und Tafelapfel guter Kuchenapfel sortentypisch aromatisch (parfümiert) lange lagerfähig Fachberatung empfohlen, auch als Stammbildner. Gefährdung Bedingt gefährdet; inzwischen in wenigen Sammlungen gesichert und in einer Baumschule im Kreis Neu-Ulm vermehrt. Geschichte Ende 19. Jahrhundert in Pfaffenhofen a. d. Roth, Landkreis Neu-Ulm, von Benedikt Beyer aus Sämlingsaussaaten ausgelesen. Typische Fruchtmerkmale Maunzenapfel Roter Trierer Weinapfel Odenwälder Mittelgroße Früchte; kugelig Wirtschaftsapfel Wirtschaftsapfel Wirtschafts- und Tafelapfel guter Mostapfel; krebsfest guter Mostapfel guter Küchenapfel und sehr regelmäßig geformt; lebhaft geflammt; Kernhaus kelchnah; weißfleischig. Literatur 24 Trenkle, R.: Obstsortenwerk. München 1950. 25
Die sehr häufigen Birnen Die Obstart Birne hat eine untergeordnete Bedeutung beim Apfel mehr als Tendenz zu verstehen. Viele in der Region. Daher wurden im Vergleich zum Apfel Sorten sind innerhalb der Kreise ähnlich häufig und Die 10 häufigsten Birnensorten in den verschiedenen auch deutlich weniger Sorten und Bäume erfasst. der Schwerpunkt im Sortiment tritt noch nicht so Kreisen mit Anzahl erfasster Bäume Die Aussagen zur Häufigkeit sind daher auch nicht so deutlich hervor. Zwischen den Kreisen deuten sich gut abgesichert und im Vergleich zu den Ergebnissen allerdings auch hier Unterschiede an. Augsburg Aichach-Friedberg Donau-Ries Neu-Ulm Remele (Schwäbische Wasserbirne) 6 Köstliche aus Charneu 22 Gräfin von Paris 22 Weißenhorner Birne 40 Williams Christbirne 6 Doppelte Philippsbirne 18 Gellerts Butterbirne 13 Schweizer Wasserbirne 32 1 2 3 1 2 3 Alexander Lucas 4 Neue Poiteau 15 Schweizer Wasserbirne 13 Ulmer Butterbirne 29 Schwäbische Wasserbirne Williams Christ Alexander Lucas Köstliche aus Charneu Doppelte Philippsbirne Neue Poiteau Köstliche aus Charneu 3 Alexander Lucas 14 Köstliche aus Charneu 11 Oberösterreichische Weinbirne 20 Gräfin von Paris 3 Gräfin von Paris 12 Alexander Lucas 10 Luxemburger Mostbirne 17 Kreis Augsburg Kreis Aichach-Friedberg Es ist bemerkenswert, dass die Schwäbische In Aichach-Friedberg wurden Köstliche aus Charneu Doppelte Philippsbirne 3 Gellerts Butterbirne 11 Prinzessin Marianne 10 Köstliche aus Charneu 16 Wasserbirne im Kreis Augsburg noch ebenso häufig und Doppelte Philippsbirne bevorzugt, etwas ist, wie die allerorten sehr beliebten Sorten Williams häufiger als in den anderen Kreisen Nordschwabens. Gellerts Butterbirne 3 Prinzessin Marianne 11 Pastorenbirne 9 Gräfin von Paris 11 Christ und Alexander Lucas. Das liegt vor allem am Nicht so Neue Poiteau: sie ist nur im Kreis Aichach- hohen Alter der Bäume, denn nach 1950 wurde sie Friedberg unter den ersten drei, in den übrigen Prinzessin Marianne 3 Remele (Schwäbische Wasserbirne) 10 Grüne Jagdbirne 8 Doppelte Philippsbirne 10 bei weitem nicht mehr so oft gepflanzt wie die Kreisen zählt sie nicht mal zu den zehn häufigsten. beiden anderen Spitzenreiter. Gute Luise 3 Oberösterreichische Weinbirne 9 Mollebusch 8 St. Remy 8 Konferenzbirne 3 Konferenzbirne 9 Doppelte Philippsbirne 7 Alexander Lucas 7 1 Gräfin von Paris 2 Gellerts Butterbirne 3Schweizer Wasserbirne 1 Weißenhorner Birne 2Schweizer Wasserbirne 3 Ulmer Butterbirne Kreis Donau-Ries Kreis Neu-Ulm Für Gräfin von Paris hatte man im Kreis Donau-Ries Der Kreis Neu-Ulm unterscheidet sich bei den häufigs- offensichtlich eine Vorliebe.Sie ist deutlich häufiger ten Birnensorten deutlich von den anderen Kreisen. Mit anzutreffen als Gellerts Butterbirne und Schweizer Weißenhorner Birne und Ulmer Butterbirne sind gleich Wasserbirne. Alle drei Birnensorten gehörten zum zwei Sorten unter den häufigsten drei, deren Geschichte früher allgemein bevorzugten Standardsortiment. eng mit der Region verbunden ist. Weißenhorner Birne ist als Regionalsorte anzusprechen, Ulmer Butterbirne als regionaltypisch. 26 27
REMELE KÖSTLICHE (Schwäbische Wasserbirne) Kreis Augsburg AUS CHARNEU Kreis Aichach-Friedberg Fruchteigenschaften Fruchteigenschaften Sehr frühe bis frühe Dörr- Tafel- und Kompottbirne; birne; süßlich, würzig, auch saftig schmelzend, mäßig süß frisch genießbar; nur wenige und aromatisch; Herbstbirne; Tage haltbar, wird schnell Baumeigenschaften Baumeigenschaften kaum anfällig. teigig; robust. Starkwüchsig; ertragreich, allgemein robust, auch frosthart. (Mittel-) starkwüchsig; mit typisch ausgeprägter Dominanz des Mitteltriebs; ertragssicher; allgemein robust; mäßig frosthart. Häufigkeit Häufigkeit Zerstreut; sicher lassen die insgesamt geringen Zahlen an erfassten Sehr häufig; 22 von 52 erfassten Bäumen stehen im Kreis Aich- Birnbäumen im Kreis Augsburg nicht so verbindliche Aussagen zu. Da ach-Friedberg. Das sind anteilig etwa doppelt so viele wie in den aber auch im Nachbarkreis Aichach-Friedberg noch häufig Altbäume anderen Kreisen – gemessen an den jeweils erfassten Bäumen. der Schwäbischen Wasserbirne anzutreffen sind, kann man davon ausgehen, dass die erfassten Zahlen für den Kreis Augsburg kein Verbreitung Zufall sind und sie dort sehr bedeutend war. Überregional; zusammen mit Schweizer Wasserbirne ist sie die häufigste Birnensorte im ganzen Projektgebiet; sie zählte zum Verbreitung früheren Standardsortiment und daher wurde sie auch in vielen Regionaltypisch; die Sorte ist sicher prägend für das Sortiment der anderen Regionen häufig gepflanzt. Region, aber sie kommt auch außerhalb Schwabens vor, u.a. in weiten Teilen von Baden-Württemberg. Gefährdung Da sie in einigen Sammlungen steht und auch noch in Baum- Gefährdung schulen vermehrt wird, ist sie nicht gefährdet. Gefährdet; Jungbäume der Sorte wird man heute kaum noch außer- halb der wenigen Sammlungen finden, in denen sie erhalten wird; als Geschichte Teil einer vergangenen ländlichen Dörrbirnenkultur ist sie fast ein Um 1800 als Zufallssämling in Charneux bei Lüttich/Belgien Typische Fruchtmerkmale lebendes Fossil. gefunden und bereits ab 1836 für Bayern empfohlen. Kleinfrüchtig; kreisel- bis kegelförmig; breite Geschichte Typische Fruchtmerkmale Kelchseite; grünliche Überregional als „Remele“ verbreitet; 1854 erstmals unter dem Großfrüchtig, länglich, Fruchtschale, kaum Deck- Namen beschrieben; Entstehungsort und tatsächliches Alter sind etwas schief; grasig grüne farbe; fleischiger Stiel; nicht überliefert; im Raum Aichach-Friedberg kennt man sie auch als Grundfarbe; langstielig; wird sofort teigig oder fällt Gugulere-Birn oder Kukulärerbirn. großer, länglich-schmaler, bereits teigig vom Baum. rehbrauner Kern. Literatur „Für unsere rauhesten Obstlagen sehr schätzbare Birn… .“ Lucas, E.: Die Kernobstsorten Württem- 28 bergs. Stuttgart 1854. 29
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