BESUCHER-INFOHEFT DEPARTEMENT FÜR WAFFEN - ZIVILE WAFFEN - Les Musées de Liège
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ZUSAMMENFASSUNG Zu einer Definition 3 Kleines Wörterbuch 5 Geschichte der Waffenindustrie in Lüttich 6 Die Sammlung des Waffenmuseums 9 Außergewöhnliche Waffen 10 • Pistole mit Radschloss und • Doppellauf von Ludwig XIII 10 • Pistole von Nicolas Noël Boutet 11 • Pistolenkoffer bei der Weltausstellung in Paris 1889 12 • Das Schnelle 13 • Anson & Deeley-Gewehr 13 • B25 Browning, graviert von Félix Funken 14 • Karabiner mit Kammerverschluss vom Typ Mauser 15 • Borchardt C-93 16 • Glock-Pistolen 17 Legendäre Waffen 18 • Pistole mit nebeneinander liegenden Läufen 18 • Deringer 19 • Express-Karabiner: der Safari-Karabiner 20 • Winchester-Karabiner 21 • Walther PPK 22 • Pistole Colt M1911 23
ZU EINER DEFINITION Eine Schusswaffe ist ein Instrument, wel- des 16. Jahrhunderts auf und hat Ähnlich- ches dazu dient, ein oder mehrere Projek- keit mit dem Mechanismus aus der Uhr- tile in eine festgelegte Richtung und auf macherkunst. Sein Vorteil besteht darin, eine festgelegte Entfernung abzufeuern. dass er den Transport einer geladenen und Dazu wird die Kraft der Expansion von schussbereiten Waffe ermöglicht. Gasen genutzt, welche durch die Explosion einer chemischen Substanz erzeugt wer- Auf dem Schloss wird ein rundes, ge- den. zahntes Stahlteil (das Rad) von einer Feder und ihrem Kettchen in einer Drehbewe- Im Laufe der Zeit wurden verschiedene gung angetrieben. Das Rad fungiert als Zündvorrichtungen entwickelt, um größt- Reibfläche gegen einen Eisenpyrit, der im mögliche Effizienz, einfache Verwendbar- Hahn des Waffe gehalten wird. Die Reibung keit und Sicherheit bei möglichst wenigen des Pyrits und des Rades erzeugt einen Nachteilen zu erreichen. So können Hand- Funkenwurf und führt damit zur Zündung feuerwaffen vor allem danach eingeteilt des Zündpulvers. werden, ob die Ladung über die Mündung der Waffe (zwischen 1400-1850) oder über den Verschluss (nach 1850) erfolgt. *Steinschlösser Im 16. Jahrhundert treten einfachste *Luntenschloss Mechanismen auf Grundlage des Prinzips Die Zündung der ersten Schusswaffen mit des Feuerzeugs auf. Ein Stück abgeschräg- Schwarzpulver wurde durchgeführt, in- ter Feuerstein, das durch den Hahn ge- dem man mit der Hand eine angezündete halten wird, stößt bei Druck auf den Abzug Lunte vor den Pulverschlot legte. Erste auf ein Metallstück (Batterie). Die Erschüt- Mechanismen, die für mehr Sicherheit in terung erzeugt einen Funkenwurf, der in Schusswaffen zum Einsatz kommen – die die Zündpfanne fällt, welche das Zündpul- Luntenschlösser – werden zu Beginn des ver beinhaltet. Die Abdeckung der Zündp- 15. Jahrhunderts entwickelt und bleiben fanne wird dabei angehoben. Zuverlässiger gemeinsam mit anderen Zündsystemen bis als das Luntenschloss und wirtschaftlicher etwa 1720 in Gebrauch. als das Radschloss setzt sich dieses Sys- tem über mehr als zwei Jahrhunderte in Am Schloss wird ein S-förmiges Stück, die ganz Europa durch. Serpentine, befestigt. Auf dieser wird die gezündete Lunte angebracht. Der Mecha- nismus ermöglicht es dem Schützen, die *Perkussionsschloss Serpentine so zu drehen, dass das Pulver Dank der Fortschritte in der Chemie im in der Zündpfanne gezündet wird. Das Zün- 18. Jahrhundert entdeckt man die explo- dloch (Kanal zwischen der Zündpfanne und siven Eigenschaften von Knallquecksilber dem Boden des Laufs) ermöglicht dann die und Knallsilber. So ersetzt man gleich Übertragung der Flamme auf die Ladung zu Beginn des 19. Jahrhunderts das für mit Treibladungspulver. Schusswaffen eingesetzte Schwarzpulver durch Fulminate. Auf mechanischer Ebene wird der Hahn durch einen Hammer er- *Radschloss setzt, der auf einen Kolben und das Zünd- Dieser komplexe Mechanismus, dessen hütchen der Munition schlägt. Erfindung manchmal Leonardo da Vin- ci zugeschrieben wird, tauchte zu Beginn -3-
*Hinterlader Schon seit langer Zeit bekannt, kann sich das Hinterlader-System nicht durchsetzen, solange das Problem des Verschlusses der Kammer auf Seiten des Schützen nicht gelöst ist. Doch wichtige Innovationen wie die Patrone mit Gehäuse aus ausziehbarem Metall ermöglichen es diesem System, sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu entwickeln. Die allgemeine Verbreitung von Patronen führt zu einer Vervielfachung der Waffen ohne sichtbaren Hahn sowie zur Entwicklung des Verschlusssystems (Abfolge von Schließen, Perkussion, Öf- fnen und Auswerfen der leeren Hülse) und des Repetiersystems (die manuelle Betä- tigung des Verschlusses ermöglicht das Auswerfen der benutzten Hülse und die Beförderung der Munition vom Magazin in Richtung des Laufs). *Automatische Waffen Ende des 19. Jahrhunderts treten Waffen auf, die in der Lage sind, Schüsse in Salven abzugeben, indem sie einen einfachen, auf den Abzug ausgeübten Druck beibehalten. Dieses System, welches im militärischen Bereich zum Einsatz kommt, nutzt die Kraft des Rückstoßes oder die Verbrennungs- gase des Pulvers. Die halbautomatischen Waffen, welche ebenfalls im militärischen Bereich, aber manchmal auch bei der Jagd eingesetzt werden, funktionieren nach demselben Prinzip, erfordern jedoch, dass der Schütze zwischen den Schüssen den Abzug loslässt und ihn dann erneut drückt. -4-
KLEINES WÖRTERBUCH Abzug Teil des Zündungsmechanismus, der Mündung Teil der Waffe, durch welchen das vom Schützen betätigt wird und den Schuss Projektil ausgestoßen und durch welchen bei abgibt. alten Waffen die Munition eingeführt wird. Abzugsbügel Metallring, der den Abzug vor Patrone Teil, der die Kugel(n), die Ladung mit einem versehentlichen Betätigen schützt. Treibladungspulver und das Zündhütchen en- thält. Abzugsstollen inneres Teil der Waffe zwischen dem Abzugssystem und dem Hahn. Wenn Pistole Faustfeuerwaffe, deren Kam- er betätigt wird, dreht das Abzugssystem mer in den Lauf integriert oder an diesen den Abzugsstollen, welcher dann den Hahn angeschlossen ist. freigibt. Dieser stößt das Zündhütchen an. Revolver Faustfeuerwaffe, die mit einem Sys- Füllung Vorrichtung ursprünglich pflanz- tem mit Kammern ausgestattet ist, welche lichen Ursprungs, welche es ermöglicht, das durch Rotation vor dem Lauf betätigt werden. Projektil gegen die explosive Beladung zu stützen. Schaft Teil aus Holz oder Kunststoff, ange- bracht unter dem Lauf, erleichtert es, die Gewehr Schusswaffe, die mit einem langen Waffe in die Hand zu nehmen und dabei Lauf und einem Schulterkolben ausgestattet gleichzeitig die Hand des Schützen gegen die ist. Hitze des Laufs zu schützen. Hahn mechanisches Teil, welches in alten Schloss gesamter Mechanismus einer Schusswaffen das Zündpulver entzündet oder Schusswaffe, der für die Perkussion sorgt. bei moderneren Waffen das Zündhütchen der Patrone trifft (Luntenhahn, Radhahn, Seele innere Oberfläche des Laufs. Steinschlosshahn etc.). Trommel zylindrische Form, drehbar, beher- Kaliber bezeichnet den Durchmesser der bergt in einem Revolver die Kammern, wel- Projektile, aber auch des Inneren des Laufs che die Kugeln der Waffe enthalten und wel- der Waffe. che abwechselnd hinten am Lauf erscheinen. Kammer Brennkammer, hinten am Lauf, in Verschluss bei Vorderladerwaffen ist der welcher die Munition eingeführt wird, bevor Verschluss der verstärkte Teil hinten am der Anstoß zum Hinausbefördern erfolgt. Lauf, welcher die Ladung beinhaltet. Bei den moderneren Waffen ist der Verschluss hinter Karabiner Schusswaffe, deren Laufseele spi- dem Lauf platziert, um die Dichtigkeit des ralförmige Streifen aufweist. Mechanismus gegen das Gas zu gewähr- leisten, welches beim Schießen erzeugt wird. Kolben Teil der Schusswaffe, traditionell aus Er ermöglicht es, dass das Projektil in Rich- Holz, dient dazu, diese zu greifen. tung der Mündung der Waffe befördert wird. Kugel Projektil, das aus der Schusswaffe Zündhütchen bezeichnet das explosive Mate- abgefeuert wird. rial, das die Flamme auf die Treibladung der Waffe überträgt. Ladestock Vorrichtung, die es ermöglicht, das Projektil durch die Mündung der Waffe Zündpfanne hohles Teil, welches das Zün- gegen das Pulver zu pressen. dhütchen bei Waffen mit Lunte, Rad oder Steinschloss aufnimmt. Lauf Teil der Waffe, der aus einem Rohr besteht, welches dazu dient, Projektile abzu- feuern. -5-
GESCHICHTE DER WAFFENINDUSTRIE IN LÜTTICH Seit dem 16. Jahrhundert und auch heute Bereichs wurden je nach ihrer Speziali- noch ist das Know-how der Lütticher Waf- sierung in eine der Sektionen der 32 „Bons fenhersteller in der ganzen Welt bekannt. Métiers de Liège“ eingeteilt. Diese spezia- Obwohl sie häufig negativ wahrgenommen lisierten Arbeitskräfte arbeiteten zuhause. werden, stellen Waffen und ihre Herstel- Diese sogenannten „Waffenhersteller“ wa- lung eines der Flaggschiffe unserer re- ren in Wahrheit Händler, die auf der Suche gionalen Wirtschaft dar. Das Fürstbistum nach Aufträgen waren und diese dann Lüttich war ein strategisch wichtiges geo- lokalen Handwerken übertrugen, welche grafisches Gebiet für die Niederlassung auf die Vororte verteilt waren. der Industrie zur Waffenherstellung. Hier Nach und nach wird mit Vorschriften fand man alle Elemente vor, die für ihre versucht, die Produktion zu kontrollie- Entwicklung förderlich waren: Holz und ren, welche bis dahin nach dem „Lais- Kohle als Brennstoff, Eisen als Rohstoff sez-faire“-Prinzip funktioniert hatte. So und die Maas und ihre Zuflüsse zur Pro- versuchen die Behörden 1672, eine Prü- duktion hydraulischer Energie. fung einzuführen, um die Qualität der Pro- dukte zu garantieren. Diese wird jedoch Im 16. Jahrhundert entwickelt sich die erst 1810 unter der Herrschaft Napoleon Waffenindustrie in Lüttich. Allerdings lie- Bonapartes offiziell und verpflichtend. gen nur wenige Informationen darüber vor, an welchem Ort und auf welche Weise die Die Waffenkammer von Lüttich leidet Waffen und die dazugehörige Munition da- während der unruhigen Zeit der Franzö- mals hergestellt wurden. In jedem Fall tut sischen Revolution und danach während sich die Stadt zunächst im Bereich der Ar- der Napoleonischen Ära enorm. Die Lüt- tillerie hervor: Kanonen, Kanonenkugeln, ticher Waffenhersteller verlieren ihren Pulver. Im Jahr 1492 erhält die Stadt den Status der Neutralität, welcher es ihnen Status der politischen Neutralität, der es erlaubte, mit allen Nationen Handel zu ihr ermöglichen wird, einfach Handelskon- treiben. Die Kammer kommt unter die takte aufzubauen. Dank des Transports auf militärische Kontrolle der Republik und Flüssen und Straßen kann die Lütticher danach des Kaiserreichs. Dieses erlegt ihr Produktion nach Frankreich, Holland und immer drastischere Einschränkungen auf Deutschland exportiert werden. – sowohl hinsichtlich der Produktion als auch bezüglich des Handels. Im 17. Jahrhundert erlebt die Lütticher Waffenherstellung dank der Erzeugung von Jean Gosuin, ein Lütticher Waffenherstel- Handfeuerwaffen einen Aufschwung (zum ler, der zum Sturz des Ancien Régime bei- Nachteil von Artilleriegeschütz, deren Pro- getragen hatte, erhielt 1801 das exklusive duktion in unseren Breiten endete). Die Privileg der Waffenherstellung in Lüttich. Entwicklung dieser Industrie wird durch Gosuin betreibt ein „Geschäft“, das Waf- die Konflikte in Europa, wie etwa den Acht- fen aufnimmt, die von Waffenherstellern zigjährigen Krieg (1568-1648) oder den konzipiert wurden, welche noch auf tradi- Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) begüns- tionelle Weise, unabhängig und zuhause tigt. Die meisten dieser Waffen sind nicht arbeiten, obwohl sie strengen Normen un- signiert und zum Thema dieser Produk- terliegen. Das französische Regime erlässt tionen vor Mitte des 17. Jahrhunderts sind zahlreiche Regeln zur Herstellung, welche nur sehr wenige Erklärungen erhalten. Es bis dahin unbekannt waren. Diese verän- gab nie einen Lütticher Berufsverband der dern die Welt der Lütticher Waffenindus- Waffenhersteller. Die Handwerker dieses trie grundlegend und bereiten sie auf neue -6-
JAN DE CORTE GENANNT JEAN CURTIUS Jan de Corte, welcher seinen Namen zu „Jean Cur- tius“ latinisierte, wurde 1551 in Basse-Sauvenière geboren. Mit 23 Jahren heiratet er Pétronille de Braaz, die Tochter eines reichen Kaufmannes, mit welcher er zwei Söhne haben sollte. Das Sprichwort „Reich wie ein Curtius aus Lüttich“, eine Wendung, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verwen- det wurde, geht auf Jean Curtius zurück. Er macht sein Vermögen mit der Waffenindustrie und mit Schießpulver, welches er für die spanische Krone – deren beauftragter Munitionslieferant er ist – expor- tiert und vertreibt. Zudem ist er Bankier, lässt Mine- ralerze abbauen, ist Sammler und Mäzen. Im Jahr 1609 stoppt der Waffenstillstand beim „Nie- derländischen Aufstand“ die Versendung von Kriegs- material – trotz der von Spanien eingegangenen fi- nanziellen Verpflichtungen. Um sein Geschäft wieder in Gang zu bringen, beschließt Curtius 1616, nach Spanien zu gehen, um dort die Metallurgie – seit dem Jean Wiricx, Portrait de Jean de Corte, gravure au burin, Anvers, 1607 – collection Grand Curtius © Ville de Liège Beginn des 17. Jahrhunderts eine Lütticher Spezia- lität – zu entwickeln. Zuvor, zwischen 1595 und 1597, hatte er noch zum Teil den Ausbau der Kais von La Batte und Les Tanneurs finanziert und das Domherrenhaus gekauft, welches sich am Kai befand, um es durch sein Wohnhaus und sein Geschäft zu ersetzen. Diese Gebäude umfassten ein großes Haus im Vordergrund, welches umgangssprachlich als „Palais“ bezeichnet wurde und in welchem er seine Kunden empfing, sowie ein privates Wohnhaus im Hintergrund. Die Wohnanlagen wurden durch Gärten, Stallungen, Nebengebäude für die Bedienste- ten etc. ergänzt. Im Jahr vor seinem Tod verkaufte sein Sohn das „Palais“ an den Monte di Pietà, während das Wohnhaus bis ins 19. Jahrhundert im Besitz der Familie Curtius blieb. Nach einer langen Laufbahn als Industrieller stirbt Jean Curtius am 13. Juli 1628 in Liégarnes in Spanien. DIE PRÜFBANK Nachdem er Beschwerden bezüglich der Qualität der im Fürstbistum Lüttich hergestellten Waffen erhalten hatte, verfügt der Fürstbischof Maximilian Hein- rich von Bayern am 10. Mai 1672, dass die Prüfung aller Läufe von Schusswaffen obligatorisch sei. Diese Prüfung sollte an einem öffentlichen Ort durch einen vereidigten Prüfer vorgenommen werden und das Zeichen des Perron, des Sym- bols der Stadt, tragen. Diese Prüfung steht im Einklang mit dem Dekret von Napoleon vom 14. Dezember 1810. Letztere legt das Verfahren und die Funk- tionsweise der Prüfbank fest. Heute ist die Lütticher Prüfbank nach wie vor aktiv und mehr denn je für alle Arten von Schusswaffen verpflichtend. -7-
Technologien der nahen Zukunft vor. Nach und nach verändert die Mechanisierung FABRIQUE NATIONALE der Waffenteile im Laufe des 19. Jahrhun- D’ARMES DE GUERRE derts auch die Struktur des Berufs. Im Be- reich der zivilen Waffen gründet Henri Pie- Am 15. Oktober 1888 gründet eine per 1886 das erste Lütticher Unternehmen, Gruppe aus Lütticher Herstellern die das Waffenteile in Serie maschinell hers- Aktiengesellschaft „Les fabricants tellt. Dabei kommt erstmals in Europa d’armes réunis“, um den Auftrag für diese aus den Vereinigten Staaten impor- die Ausrüstung der belgischen Armee tierte Methode zum Einsatz. Zwischen 1860 mit Repetiergewehren vom Typ Mau- und 1890 verbreitet sich der Einsatz von ser zu erhalten. Das Unternehmen Maschinen und ermöglicht eine Steigerung nimmt seine Tätigkeiten 1889 un- der Produktion sowie den Wettbewerb mit ter dem Namen Fabrique Nationale neuen Zentren der Waffenherstellung wie d’Armes de Guerre auf. Eine in Herstal jenen in den Vereinigten Staaten. Nach der erbaute Fabrik beherbergt zahlreiche Unabhängigkeit Belgiens stellt das wieder Anlagen, die erforderlich sind, um neutral gewordene Land die Verbindungen diese große Bestellung zu liefern. Im mit allen potenziellen Märkten wieder her. Jahr 1898 schließt sich die FN mit Dies wird ein großer Erfolg. 1860 ist Lüttich John Moses Browning, dem genialen als die weltweit größte Produktionsstadt Erfinder zahlreicher Errungenschaf- für Waffen anerkannt. ten, zusammen. Man wird Weltmarkt- führer für automatische Waffen, Während des Ersten Weltkriegs verfügten insbesondere für Pistolen. Während die deutschen Besatzer die Schließung der des Zweiten Weltkriegs wurde die FN Waffenfabriken. von den deutschen Truppen übernom- men. Sie nimmt ihre Tätigkeiten erst In der Zwischenkriegszeit erholt sich die nach dem Krieg wieder auf. Heutzu- Lütticher Waffenindustrie etwas – trotz tage ist die FN Herstal-Gruppe in der der Anhebung der Löhne, der schwieri- ganzen Welt für die Qualität ihrer Pro- gen Einstellung von Arbeitskräften und dukte bekannt. der zunehmenden Konkurrenz. Doch die Wirtschaftskrise von 1929 stürzt das Waf- fensegment in eine dramatische Situation. Obwohl es 1935 durch die erneute Bewaff- nung der europäischen Armeen angesichts des Herannahens des Zweiten Weltkrieges eine Erleichterung erlebt, gibt es durch diesen doch tiefgreifende Auswirkungen in diesem Bereich und der Wiederaufbau dauert mehrere Jahre. So wird einer mehr und mehr standardisierten Produktion Platz gemacht. Seither führten Kriege, gesellschaftliche Umwälzungen, legitime Arbeitnehmer- rechte und soziale Errungenschaften, aber auch antimilitaristische Ideologien zu zahlreichen Veränderungen in diesem Feld. Dennoch ist die Waffenherstellung in Fabrique Nationale d’Armes de Guerre (Herstal), um 1900 Lüttich nach wie vor eines der Flaggschiffe © Universität Lüttich der wallonischen Wirtschaft. -8-
DIE SAMMLUNG DES WAFFENMUSEUMS Das Waffenmuseum, eröffnet 1885 auf Initiative von Pierre-Joseph Lemille – einem loka- lem Waffenhersteller – und der kommunalen Behörden, ist eines der ältesten Museen der Stadt. Sein ursprüngliches Ziel war es, möglichst viele Handfeuerwaffen aus allen Teilen der Welt zusammenzutragen, um den Fachleuten der Branche zu zeigen, was die besten Waffenhersteller der Welt erzeugen. Im Laufe der Zeit und durch unzählige Ankäufe wurde die Sammlung dieses Museums zu einer der wichtigsten der Welt in diesem Bereich. Ne- ben zivilen und militärischen Handfeuerwaffen wurde sie nach und nach um Stichwaffen, Verteidigungswaffen, sogenannte „Handelswaffen“, Munition, Medaillen und andere Insi- gnien etc. erweitert. Das seit September 2018 im Jean Curtius-Palais ansässige Museum präsentiert in der den Zivilwaffen gewidmeten Abteilung etwa 600 bemerkenswerte Stücke, die die Geschichte der Waffenherstellung vom 16. bis zum 21. Jahrhundert nachzeichnen. Diese Stücke sind Belege für das handwerkliche Können der Lütticher Waffenherstellung, welche auch heute noch großes internationales Ansehen genießt. -9-
AUSSERGEWÖHNLICHE WAFFEN PISTOLE MIT RADSCHLOSS UND Der offizielle Mechaniker von Ludwig XIII. DOPPELLAUF VON LUDWIG XIII ist der aus Lisieux in der Normandie stam- mende Jean le Bourgeois. Gemeinsam Der französische König Ludwig XIII. en- mit seinen Brüdern Pierre und Marin ist twickelt sehr früh ein Interesse an den Na- er damit beauftragt, sich um die Uhren, turwissenschaften und am Kunstgewerbe, Feuerwaffen und sonstigen Präzisionsins- aber auch an Waffen und militärischen trumente der königlichen Sammlungen zu Übungen. Als richtiger Tausendsassa ist kümmern. Er stellt diese Pistole um 1610 er unter anderem in der Mechanik und in her. Die Waffe, die aus zwei Läufen besteht, der Waffenherstellung aktiv. Zudem besitzt welche von einem Metallring und nicht von der König eine bemerkenswerte Waffen- einer Schweißnaht gehalten werden, hat sammlung, die besonders gepflegt wird. ein für die damalige Zeit kleines Kaliber. Er lässt für diese Sammlung die besten An ihrer Verarbeitung sieht man, dass sie französischen Büchsenmacher seiner nicht für den Kampf auf dem Schlachtfeld Zeit arbeiten. Sie stellt den größten Teil bestimmt ist. Mit ihrer feinen Gestaltung der Sammlungen der Krone dar und die und ihren Verzierungen ist sie eher ein enthaltenen Stücke sind heute ein Beleg Kunstwerk und ein Sammlerstück. Die im für die kriegerische Erziehung des Mo- 19. Jahrhundert entwendete Waffe wurde narchen. durch private Sammler in die Sammlungen des Waffenmuseums aufgenommen. - 10 -
PISTOLE VON NICOLAS NOËL BOUTET WAFFENMANUFAKTUR VON VERSAILLES Der 1761 geborene Nicolas-Noel Boutet ist als der größte Büchsenhersteller seiner Diese 1793 eröffnete Werkstatt für Zeit bekannt. die Herstellung von Kriegswaffen be- Berühmt für die Perfektion seiner Pro- findet sich im Südflügel von Schloss dukte, sowohl in dekorativer als auch Versailles. Seit ihrer Gründung hat mechanischer Hinsicht, schlägt er eine Nicolas-Noël Boutet die Leitung der Laufbahn als gewöhnlicher Büchsenma- Manufaktur inne. Diese Fabrik wird cher ein, bevor er 1792 künstlerischer den Karabiner des Modells 1793 en- Direktor der Karabiner-Manufaktur von twickeln, welcher von den Armeen Versailles wird. 1798 wird er schließlich unter dem Namen „carabine An III“ Generaldirektor der Waffenmanufakturen eingeführt wird. In der Fabrik wer- und Reparaturwerkstätten Frankreichs. den jedoch auch noch andere Typen Bis zu seinem Tod im Jahr 1833 stellt Bou- von Waffen hergestellt, darunter tet Waffen her, die gleichzeitig solide und Gewehre, Karabiner, Sabres Briquets elegant sind. Ihr Repertoire an Verzierun- und Musketen. Mit sehr hoher Prä- gen nimmt auf die Vorliebe für die Antike zu zision bei der Dekoration, den Zise- seiner Zeit Bezug. Er achtet besonders auf lierungen und bei den Goldfassungen, Qualität und Verarbeitung und umgibt sich welche aus den Stücken echte Schätze daher mit außergewöhnlichen Kunsthand- machen, werden hier auch Ehren- und werkern – darunter talentierte Goldsch- Prunkwaffen erzeugt. miedemeister, um echte Meisterwerke der Waffenherstellung zu schaffen. - 11 -
PISTOLENKOFFER BEI DER WELTAUSSTELLUNG MAISON GEERINCKX IN PARIS 1889 In den 1860er-Jahren lässt sich der Die Weltausstellung in Paris 1889 erstreckt Lütticher Waffenhersteller Geerinckx sich über 50 Hektar, verteilt zwischen dem in Paris an der Adresse 93 Boule- Champ de Mars, dem Palais du Trocadé- vard de Montparnasse nieder. Seine ro und der Esplanade des Invalides. Der Produkte waren für die Qualität ihrer Eiffelturm, mit dem der hundertste Jahres- Mechanismen und die solide Verar- tag der Französischen Revolution gefeiert beitung ihrer Teile bekannt. Die Al- wird, ist zweifellos der Star der Ausstel- manachs de l’étranger à Paris erwäh- lung. Das Palais de la Guerre („Kriegs-Pa- nen diesen Büchsenmacher als einen lais“) befindet sich an der Esplanade des der wenigen in diesem Beruf, der Invalides. Zugang zu diesem Pavillon mit Gewehre und Pistolen noch vollstän- seiner 150 Meter langen Fassade erhält dig in Paris herstellt. Parallel zu sei- man über ein Portal in der Form des ner Produktion besaß Geerinckx auch Triumphbogens. Er beherbergt eine ein- einen Pistolen-Schießstand, also eine drucksvolle Waffensammlung. Parallel ist Anlage, in welcher der Schütze auf ein im Palais der verschiedenen Industrien Trainingsziel schießen konnte. eine der Galerien Handfeuerwaffen gewid- met. Etwas von der benachbarten Galerie überstrahlt, präsentiert die majestätische Galerie der Stoffwaren Jagdgewehre, Industrie wollte hier vertreten sein, darun- Schwerter, Florette und Taschenrevolver. ter die Spitzenklöpplerinnen von Mechelen, Hier werden auch die neuen Modelle der die Glashersteller, der Karosseriebau, die großen französischen Hersteller vorges- Kunsttischler und die Pelzhändler. Gegenü- tellt, darunter ein erstes System zur auto- ber dem englischen Pavillon gibt einen Be- matischen Beladung sowie Taschenrevol- reich, der zivilen und militärischen Waffen ver, die so flach wie Brieftaschen sind. vorbehalten ist. Jagdgewehre, Revolver, Dol- Bei dieser Weltausstellung 1889 in Pa- che und Jagdmesser sorgen für den Erfolg ris präsentiert Belgien an der Avenue du dieser Galerie. Bourdonnais einen Bereich, der den ver- Dieser Pistolenkoffer gewinnt die Goldme- schiedenen Industrien gewidmet ist. Jede daille bei dieser Ausstellung im Jahr 1889. - 12 -
DAS SCHNELLE Das von einem belgischen Priester, dem Abbé Roland – damals ein Waffenherstel- ler – konzipierte Jagdgewehr wird als „so- nivore-concentrateur“ bezeichnet. Am Ende der Läufe ist es mit einem verstellbaren Ring ausgestattet, welcher die Detonation abmil- dert und es ermöglicht, die Schrotgarbe so zu konzentrieren, dass die Streuung ver- ringert und die Reichweite erhöht wird. Als Vorläufer des modernen Schalldäm- pfers und des Chokes ist diese Vorrichtung grundsätzlich bei Kriegswaffen und großka- librigen Artilleriegeschützen verbaut. ANSON & DEELEY-GEWEHR Im Jahr 1875 revolutionieren die Briten William Anson und John Deeley – beides Mitarbeiter des Unternehmens Westley-Ri- chards in Birmingham – die Welt des Waf- fenherstellung, indem sie einen alternativen Weg zum traditionellen Schlossmecha- nismus anbieten. Ein vereinfachter Perkus- sionsmechanismus ohne äußere Hähne, der allgemein unter der Bezeichnung „Anson & Deeley-System“ bekannt werden sollte. Jede dieser beiden durchdachten ham- merlosen Batterien (d. h. ohne externe Hähne), deren Beladung durch das Kippen der Läufe gewährleistet wird, besteht aus nur fünf Teilen. Sie alle sind simpel und robust: der Hahn (der den Schlagbolzen trägt), die Hauptfeder in V-Form, der Lade- hebel, der Abzugsstollen und die Abzugs- feder. Wenn die Waffe geöffnet wird, löst der Vorderschaftsporn den Ladehebel aus. Dieser wiederum dreht den Hahn – dieser kippt und drückt seine Feder zusammen. Wenn er gekippt ist, wird der Hahn vom Ab- zugsstollen gehalten und die Waffe ist zum Abfeuern bereit. Druck auf den Abzug er- möglicht es, dass der Abzugsstollen selbst auf seiner Achse kippt und damit den Hahn freigibt. Dieser wird von seiner eigenen Feder geschoben und stößt an das Zünd- hütchen der Patrone. - 13 -
B25 BROWNING, GRAVIERT VON FÉLIX FUNKEN FÉLIX FUNKEN Im Jahr 1897 schickt die Fabrique Natio- Kurz nach dem Ersten Weltkrieg nale d’Armes de Guerre aus Herstal ihren schafft die Fabrique Nationale kaufmännischen Direktor in die Vereinigten aufgrund zahlreicher Bestellungen Staaten, um sich über neue Techniken zu von ästhetisch attraktiven Jagdwaffen informieren, die dort bei der Herstellung eine neue Abteilung, welche sie Fé- von Fahrrädern zum Einsatz kommen. Er lix Funken überträgt. Dessen Talente trifft dort auf den großen Erfinder und Waf- als Graveurmeister werden bereits fenhersteller John Moses Browning. Dieser sehr geschätzt. Es handelt sich um ist für seine etwa zwanzig technischen Pa- eine Gravurwerkstatt für Waffen, die tente, die er an das Unternehmen Winches- eine außergewöhnliche Entwicklung ter verkaufte, sowie für sein Prinzip der verspricht – Ende der 1960er-Jahre Gasrückgewinnung, welches er bei den arbeiten hier bereits knapp 180 Gra- ersten Prototypen für Maschinengewehre – veure. entwickelt für das Unternehmen Colt – ein- Félix Funken trug erheblich zum guten setzte, bekannt. Im Verlauf dieses Treffens Ruf der von der FN hergestellten Jagd- bietet Browning dem Direktor der FN die waffen bei. Zudem sorgte er für starke Lizenz zur Herstellung für die neue Auto- Innovationen im Repertoire der Motive matikpistole mit 7,65 mm x 17 mm vor, wel- für die Waffengravur. Die von ihm si- che er gerade entwickelt hat. Diese Verein- gnierten Stücke sind von der Vorher- barung wird zum Ausgangspunkt für eine rschaft des klassischen englischen fruchtbare industrielle Zusammenarbeit. Geschmacks geprägt (Akanthusblät- Kurz vor seinem Tod im Jahr 1926 schließt ter und Jagdszenen). Er bedient sich Browning die Entwicklung seines letzten vor allem aus dem grafischen Reper- Meisterwerks ab: Das Gewehr B25 ist das toire des Art déco. Für die Verzierung erste Gewehr mit übereinanderliegenden der B25 lässt sich Funken direkt von Läufen in der Geschichte der Jagdwaffen, den architektonischen Linien der dessen Perkussionsmechanismus sich im Epoche inspirieren. Anlässlich der Inneren der Waffe befindet. Das technische „Wasser-Ausstellung“, die 1939 in Konzept dieser Waffe vereint die Jahre der Lüttich stattfand, dekorierte der Meis- Erfahrung und der Praxis des Meisters in ter den Kolben dieses Jagdgewehrs sich. Die Bedürfnisse der Jäger seiner Zeit mit einem Netz aus Linien, die an vorwegnehmend, verstand Browning, dass Schockwellen durch Detonationen auf die Freunde dieser Praxis eine Visierebene dem Wasser erinnern. mit einer Achse und einen selektiven Ein- zelabzug bevorzugten. Seit 1931 in Belgien hergestellt ist diese Waffe auch heute noch kommerziell recht erfolgreich. - 14 -
KARABINER MIT KAMMERVERSCHLUSS MAUSER WAFFENFABRIK VOM TYP MAUSER 1867 entwerfen Wilhelm und Paul Der bewegliche Verschluss am Lauf einer Mauser für die Königliche Waffenfa- Waffe ist durch den Verschlussmecha- brik von Oberndorf in Niedersachsen nismus geprägt. Die Öffnung und der das erste Gewehr, welches mit einem Verschluss werden manuell über einen drehbaren Verschluss beladen wird. Stahlgriff betätigt. Dieser ist durch die Nach dem deutsch-französischen Verwendung moderner Patronen resistent Krieg von 1870 wird dieses Modell, gegen hohen Druck. Damit wird es er- das Gewehr 71, in der deutschen Ar- möglicht, den Lauf auf der Patrone herme- mee eingeführt. Paul Mauser arbeitet tisch zu verschließen, damit die Kugel, die an Repetiergewehren und entwickelt Flamme und das Verbrennungsgas weit vor eine unglaubliche Vielfalt an Waf- dem Lauf austreten. Nach dem Abfeuern fen, darunter das Modell Gewehr 93, ermöglicht es die Rotation des Griffs um das international erfolgreich werden 60 bis 90 Grad, den Verschluss erst hinten sollte – etwa fünf Jahre vor seinem zu öffnen, um die leere Hülse auszuwer- Meisterwerk, dem Gewehr 98. Sein fen, den Schlagbolzen zu spannen und eine Verschlusssystem erhöht den Um- neue Patrone unter dem Verschluss frei- satz des deutschen Unternehmens zugeben. Der Mechanismus mit Kammer- deutlich. Nach diesem kommerziellen verschluss, entwickelt von Paul Mauser, Erfolg wird die Fabrik der Gebrüder setzte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts Mauser vom Industriekonzern Loewe, als echter Standard durch. einem der größten Waffenherstel- ler-Konsortien der Welt, übernom- men. Dieser übernimmt sogar die FN Herstal vorübergehend. - 15 -
BORCHARDT C-93 Die erste tatsächlich effektive halbauto- matische Pistole in der Geschichte der Faustfeuerwaffen, die Borchardt C-93, wird im Jahr 1893 von dem Ingenieur Hugo Borchardt entwickelt, während er für die Gesellschaft Ludwig Loewe in Deutschland tätig ist. Diese für diese Epoche ungewöhn- lich geformte Waffe kombiniert techno- logische Neuheiten wie etwa den kurzen Rückstoß des Laufs und den Griff, der als Behälter für ein abnehmbares Magazin dient. Diese Waffe ist zwar aufgrund ihrer Dimensionen und der schlechten Ergono- mie nicht sehr stark verbreitet, ist jedoch ein Vorläufer weiterer Modelle wie der Luger P08 oder der Luger Parabellum, die von der deutschen Armee sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurden. Entworfen von Georg Luger, der das allgemeine Gleichgewicht der Waffe von Hugo Borchardt verbesserte, ist diese fünf Jahre später vorgestellte hal- bautomatische Pistole sowohl auf dem zi- vilen als auch auf dem militärischen Markt sehr erfolgreich. Damit geht sie direkt in die Geschichte ein. - 16 -
GLOCK-PISTOLEN 1963 von Gaston Glock gegründet, nimmt das österreichische Unternehmen Glock in den 1980er-Jahren dank der Produk- tion einer Serie von neuartigen halbauto- matischen Pistolen eine führende Position ein. Die Glock-Pistolen zählen heute nach allgemeiner Ansicht zu den effizientesten und zuverlässigsten Handfeuerwaffen der Welt. Die Firma Glock ist besonders inno- vativ und setzt erstmals in der Herstellung einer ihrer Pistolen, der Glock 17, Polymere ein. Zusätzlich zu einer klugen Ergonomie ermöglicht es der Einsatz dieser synthe- tischen Thermoplaste, eine leichtere Waffe herzustellen, die dank der Flexibilität des Materials weniger empfindlich bezüglich Korrosion ist und einen weniger brutalen Rückstoß hat. Die Pistolen von Glock verfü- gen über ein Magazin mit großer Kapazität sowie über ein originelles Sicherheits- system: ein kleiner Hebel am Abzug muss gedrückt werden, um schießen zu können. Wenn also eine schnelle Anwen- dung der Waffe erfolgt, kann der Schuss nicht „versehentlich“ abgefeuert werden, solange dieser Hebel nicht betätigt wird. Als echte kleine technologische Revolution waren und sind Glock-Pistolen kommer- ziell extrem erfolgreich. - 17 -
LEGENDÄRE WAFFEN PISTOLE MIT NEBENEINANDER LIE- IM KINO … GENDEN LÄUFEN FLUCH DER KARIBIK Pistolen treten ab dem 16. Jahrhundert Die fünfteilige Filmreihe „Fluch der Ka- auf. Sie sind zunächst mit einem Abschuss- ribik“ setzt die Glanzzeit der Piraterie in system mit Lunte ausgestattet, später mit dieser Gegend in Szene. Zwei Jahrhun- einem Radschloss und danach mit einem derte lang (etwa zwischen 1520 und 1720) Steinschloss. Um 1610 erfindet der franzö- entwickelt sich die Piraterie tatsächlich sische Waffenhersteller Marin le Bour- in der Karibik. Sie richtet sich gegen das geois, der in den Werkstätten des Louvre spanische Kolonialreich, welches dieses unter der Schirmherrschaft Ludwigs XIII Gebiet, das damals „Neuspanien“ genannt tätig ist, das klassische Steinschloss, auch wurde, kontrolliert. Die Flotten, welche mit „französisches Schloss“ genannt. Es besitzt der Silberproduktion eines ganzen Jahres eine vollendete Form und ist die ultima- beladen sind, stellen ein bevorzugtes Ziel tive Weiterentwicklung der verschiedenen für diese furchterregenden Abenteurer dar. Feuerstein-Mechanismen. Das Befüllen Piraten, Seeräuber und andere Freibeuter mit Treibladungspulver ist eine gefährliche bewaffneten sich mit den relativ handlichen Übung: Es erfolgt durch die Mündung der Steinschlosspistolen, um Schiffe zu entern, Waffe mithilfe einer Pulverflasche, bevor die hinter den anderen zurückbleiben. der Pfropfen verwendet wird. Sie sind von imposanter Größe und ihr Griff ist häufig mit einem schweren Knauf aus Metall ausges- tattet, welcher als „Kappe“ bezeichnet wird. Diese kann, nachdem der einzelne Schuss aus der Pistole abgefeuert wurde, als Streitkolben dienen. Einige wenige dieser Pistolen sind mit mehreren, nebeneinander liegenden Läufen ausgestattet. Jeder Lauf weist daher ein eigenes Steinschloss auf. So ist es möglich, mehrere Schüsse nachei- nander abzugeben. - 18 -
DERINGER IM KINO … GANGS OF NEW-YORK Die Deringer ist eine Art kleine Taschenpis- tole. Sie wurde von Henri Deringer, einem Amsterdam Vallon, Sohn von „Priest“ amerikanischen Waffenhersteller mit Sitz Vallon, wird im Jahr 1846 Zeuge, wie in Philadelphia, gestaltet und entwickelt. Er sein Vater bei einer Auseinanderset- gibt der Pistole ihren Namen und stellt sie zung zwischen einer Gruppe Amerikaner von 1835 bis 1868 her. Diese Original-De- englischer Herkunft und einer Gruppe ringer-Pistolen mit Perkussionssystem irischer Einwanderer stirbt. Als Erwachse- tragen eine Inschrift mit ihrem Namen und ner will er den Tod seines Vaters rächen. dem Ort ihrer Herstellung (Philadelphia). Er versammelt alle Iren des Viertels hinter Im Folgenden werden unter demselben sich und konfrontiert den Mörder Bill the Namen zahlreiche Kopien anderer Herstel- Butcher. Der Film spielt im berüchtigten ler vermarktet und diese Bezeichnung wird Viertel von Five Points in Manhattan, wo zu einer Antonomasie, das heißt, sie be- das Leben schwierig und voller Gewalt ist. zieht sich nun auf jede Pistole dieses Typs. Hier wird das Gesetz von Banden gemacht. Allerdings schreiben diese Hersteller den Sie bringen Krieg in das Viertel und sind Namen häufig falsch mit zwei r statt nur vor allem mit sehr diskreten Deringer-Pis- einem. Daher ist dieser Fehler auch heute tolen bewaffnet. noch weit verbreitet (*Derringer). Während das Modell von Henri Deringer nur einen Schuss vor dem Nachladen erlaubt, wer- den bei den meisten der nachfolgenden SYSTEM AUF Modelle eine zweite Kammer und ein zwei- ter Lauf hinzugefügt, um die Abgabe von SCHOTTISCHE ART zwei Schüssen zu ermöglichen (doppelte Um 1700 tauchten kleine Taschenpis- Deringer). Mit diesem Waffentyp, einem tolen auf, die wir aufgrund ihrer bri- von Henri Deringer hergestellten Original- tischen Herkunft hier als „schot- modell, wird 1865 der amerikanische Prä- tisch“ bezeichnen. Die meisten davon sident Abraham Lincoln ermordet. verfügen über einen oder mehrere abschraubbare Läufe, die eine Hin- terladung über den Verschluss er- möglichen. Andere sehen zwar so aus, haben aber einen festen Lauf klassischer Art und sind daher über die Mündung zu laden. Ursprünglich mit Steinschlössern ausgestattet, en- twickelt sich der Mechanismus dieser Pistolen entsprechend den sukzes- siven technischen Verbesserungen. Die „schottischen“ Pistolen werden vor allem in Lüttich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts hergestellt. - 19 -
EXPRESS-KARABINER: IM KINO … DER SAFARI-KARABINER JUMANJI Ursprünglich besteht die Safari (Begriff Jumanji ist ein Abenteuerspiel im Dschun- aus dem Swahili) aus Expeditionen zur gel, das einem einfachen Gänsespiel Erforschung von Gebieten in Afrika. Doch ähnelt – mit dem Unterschied, dass die ab Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jah- Botschaft auf jedem Feld Wirklichkeit wird. rhunderts kommen Siedler aus ganz Eu- Dem Spiel entsteigen unter anderem ein ropa in Massen und widmen sich einem Löwe, Nashörner und Affen. Der Wilderer neuen „Hobby“: große Expeditionen zur Van Pelt – welcher den Spitznamen „ver- Großwildjagd. Der Begriff „Safari“ erfährt rückter Jäger“ trägt und zum Universum damit einen Bedeutungswandel. Die Sie- des Spiels gehört – trägt einen Tropenhelm dler legen bald erste „Reservate“ an, um und ein Buschhemd und ist mit einem die Jagd nach Nahrung durch die lokale großkalibrigen Safarigewehr bewaffnet. Bevölkerung einzuschränken und Jagd- liebhaber aus dem Westen anzuziehen. In der afrikanischen Fauna sind der Löwe, der Leopard und der Büffel, aber vor allem der Elefant und das Nashorn die bevorzug- ten Ziele. Sie werden auch als „Big Five“ bezeichnet. Für die Jagd auf diese eindruc- ksvollen Tiere stellt man leistungsstarke Schusswaffen mit hoher Pulverladung und großkalibrigen Geschossen her, von de- nen einige einen Einschlag erzeugen, der Raubtiere und Dickhäuter erlegen kann. Damals werden zahlreiche Doppel-Jag- dkarabiner, Kipplaufbüchsen und Karabi- ner mit zentraler Perkussion – sogenannte Express-Karabiner – nach demselben Prinzip wie die klassischen Doppel- laufgewehre hergestellt. Sie sind jedoch auf Baskülen und robusten, verstärkten Kolben montiert. Dieses Gewehr wurde konzipiert, um den extremen Bedingungen der Savanne zu widerstehen (sehr starke Hitze etc.). Die Lauffarbe wird durch Bun- thärtung erreicht, das Ergebnis eines che- mischen und thermischen Vorgangs, der Stahl hervorbringt, welcher im Inneren des Laufs weich und außen sehr hart ist. - 20 -
WINCHESTER-KARABINER IM KINO … BUFFALO BILL Im Jahr 1860 entwickelt der Ingenieur Benjamin Tyler Henry, damals tech- Aus einer Familie stammend, die gegen nischer Direktor der Firma Winchester, die Sklaverei eingestellt war, führt William das Henry-Gewehr. Dies ist die erste zu- Frederick Cody ein Leben voller Abenteuer. verlässige und funktionelle Repetierwaffe Er nimmt an den Indianerkriegen teil und und der Vorläufer aller Winchester-Ka- ist Reiter für den Pony Express, den sch- rabiner. Diese manuelle Wiederholung nellen Postverteilungsdienst. Da er die Ar- erfolgt mithilfe eines Unterhebels. Die beiter, die die Kansas Pacific-Eisenbahn- Ersatz-Metallpatronen sind in einem rohr- linie bauen, mit Bisons versorgt, wird er förmigen Magazin enthalten, welches un- „Buffalo Bill“ genannt. Dank der Erzählung ter dem Lauf platziert ist. Einige Jahre seiner Abenteuer durch Ned Buntline in später, im Jahr 1864, bricht ein schwerer den Dime Novels (Heftromane) und dank Konflikt zwischen Benjamin Tyler Henry seiner fahrenden Theatershow, die die At- und Oliver Winchester aus. Henry verlässt mosphäre des amerikanischen Westens daraufhin das Unternehmen für immer. nachstellt, wird er zur Legende. Wie die Nach dem Sezessionskrieg übernimmt Winchester-Karabiner ist Buffalo Bill nach Oliver Winchester die Leitung und beauf- wie vor eine mythische Figur des Wilden tragt Nelson King, einen seiner Mitarbei- Westens und liefert Stoff für Westernfilme. ter, das Gewehr Henry zu perfektionieren, um daraus den ersten Winchester-Karabi- ner zu machen. Dies sollte das berühmte Modell 1866 werden – aufgrund des Ein- satzes von vergoldeter Bronze für das Ver- schlussgehäuse wird es auch „Yellow Boy“ genannt. Der darauffolgende Karabiner, der Winchester 1873, welcher auch ver- schiedene Verbesserungen aufweist, wird „The Gun That Won The West“, „die Waffe, die den Westen eroberte“ genannt. Diese Waffen sind sehr erfolgreich und werden wirklich zum Synonym für die Eroberung des Westens. - 21 -
WALTHER PPK IM KINO … JAMES BOND Ab 1929 vom deutschen Unternehmen Carl Walther hergestellt, war die halbautoma- Die von Ian Fleming im Jahr 1953 erschaf- tische Pistole Walther PPK (Polizeipistole) fene fiktive Figur James Bond – auch un- rasch enorm erfolgreich. Der Schlüssel zu ter seiner Agentennummer 007 bekannt diesem Erfolg liegt in ihren geringen Ab- – ist ein Agent beim Secret Intelligence messungen, ihrem simplen Mechanismus, Service, dem Auslandsnachrichtendienst der direkt durch den Rückstoß betätigt des Vereinigten Königreichs. Im 1962 wird, und der Zuverlässigkeit ihres in- veröffentlichten Werk „James Bond jagt novativen Sicherheitssystems, welches Dr. No“, gelingt es Major Boothroyd, der einen völlig sicheren Transport der La- für die technische Ausrüstung und insbe- dung ermöglicht. Diese Pistole verbreitet sondere für die Bewaffnung zuständig ist, sich stark bei der Polizei verschiedener auf dringende Bitte von „M“, Bond davon europäischer Länder und die deutsche Ar- zu überzeugen, seine Beretta, welche als mee wird im Zweiten Weltkrieg weitgehend Damenpistole gilt, gegen eine Walther mit ihr ausgestattet. Darüber hinaus wird PPK einzutauschen. Diese kompakte Pis- ab 1931 das Modell Walther PPK (Polizei- tole kann diskret in einem Holster unter pistole kurz) hergestellt, eine kompaktere der Smokingjacke getragen werden – ein Version, die mit einem Gehäuse aus leich- unbestreitbarer Vorteil für James Bond! Die terer Legierung ausgestattet ist. Walther PPK wird eine Ikone der James- Bond-Reihe. Sie ist zwar einige Filme lang verschwunden, kehrt aber in „Ein Quantum Trost“ und „Spectre“ zurück und begleitet den berühmten Geheimagenten bei seinen Abenteuern. - 22 -
PISTOLE COLT M1911 IM KINO … PULP FICTION Die von John Moses Browning konzipierte halbautomatische Pistole M1911 wird auch Der Gangster-Film von Quentin Tarantino als „Automatic Colt Pistol (ACP)“ oder „Colt aus dem Jahr 1994 zeigt drei ineinander 45“ bezeichnet – aufgrund des einzigarti- verflochtene Geschichten. Die Helden sind gen Kalibers der Munition, mit welcher das Vincent Vega und Jules Winnfield – Killer, Originalmodell beladen werden konnte (.45 die im Auftrag von Marsellus Wallace tä- ACP). Eine großkalibrige Waffe mit acht tig sind. Beide sind mit einer verchromten Schuss (sieben Patronen im Magazin und Colt 45 bewaffnet und verbinden die Exeku- eine in der Laufkammer) – ihr Abfeuern tionen mit unerwarteten Konversationen. entwickelt einen erheblichen Rückstoß. In jedem Fall wird dieses Modell rasch von den Streitkräften der Vereinigten Staaten eingeführt, welche auf der Suche nach einer robusten und dabei handlichen und zuverlässigen Pistole waren. Sie verwen- deten sie 74 Jahre lang von 1911 bis 1985, insbesondere in den beiden Weltkriegen. Auch heute noch wird diese Waffe von vie- len amerikanischen Schützen als beste auf dem Markt verfügbare halbautomatische Pistole betrachtet, was nur noch das Ge- nie von Meister Browning unterstreicht. Außerdem war die 1926 modernisierte Version, die M1911A1, im Korea- und im Vietnamkrieg sehr präsent und ist noch immer die Waffe bestimmter Einheiten der amerikanischen Armee sowie von Organi- sationen wie dem FBI oder dem SWAT. - 23 -
INFO +32 (0)4 221 68 17 www.grandcurtius.be infograndcurtius@liege.be Ed.Resp. Jean Pierre Hupkens, Féronstrée 92, 4000 Liège - Impression CIM Ville de Liège - juin 2020
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