Beurteilung der Holzerntesysteme und der Walderschliessung in der Schweiz: neue Produkte
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Beurteilung der Holzerntesysteme und der Walderschliessung in der Schweiz: neue Produkte Leo Bont1,*, Marielle Fraefel2 , Christoph Fischer3, Christian Temperli3, Fritz Frutig1 1 Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL, Gruppe Nachhaltige Forstwirtschaft (CH) 2 Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL, Gruppe GIS (CH) 3 Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL, Wissenschaftlicher Dienst LFI (CH) Abstract Damit der Wald Ökosystemleistungen erbringen kann, sind waldbauliche Lenkungsmassnahmen erforderlich. Für die effiziente Durchführung dieser Lenkungsmassnahmen ist eine gute Erschliessung mit Waldstrassen nö- tig. In diesem Artikel werden drei neue Produkte des Schweizerischen Landesforstinventars (LFI) vorgestellt, die dazu beitragen, die Holzernte effizienter auszugestalten und die Walderschliessung zu optimieren. Beim ersten Produkt handelt es sich um ein Modell zur Herleitung des wirtschaftlich günstigsten Holzernteverfahrens auf je- der LFI-Probefläche. Dazu wurden räumliche Daten zur Topografie und zum Waldstrassennetz, Bestandesdaten und Informationen zu den auf den LFI-Probeflächen eingesetzten Holzernteverfahren sowie expertenbasierte Entscheidungsbäume verwendet. Die Resultate zeigen, dass unter Anwendung des wirtschaftlich besten Ver- fahrens allgemein höher mechanisierte Verfahren eingesetzt würden und somit Kosten eingespart werden könn- ten. Das zweite Produkt beinhaltet eine einheitliche und flächendeckende Beurteilung der Erschliessungsgüte. Dabei wurden unter anderem die Topografie, die Bodeneigenschaften, das Waldstrassennetz und die Hinder- nisse für die Holzernte berücksichtigt. Die Beurteilung ergab, dass sich die Erschliessung auf rund der Hälfte der Schweizer Waldfläche gut für eine effiziente Waldbewirtschaftung eignet, auf je einem Viertel aber nur bedingt oder gar nicht. Für das dritte Produkt wurde unter Berücksichtigung von Strassen- und Rückekosten die opti- male Strassendichte ermittelt. Im Vergleich mit der aktuellen Strassendichte kann nun für grössere Gebiete ein Überblick über die ökonomische Effizienz von Walderschliessungen gewonnen werden. Die drei Produkte schaf- fen Grundlagen für eine detaillierte und flächendeckende Beurteilung der Erschliessungssituation und der Holz erntesysteme im Schweizer Wald und kamen auch schon in der kantonalen Waldplanung von Bern und Grau- bünden zur Anwendung. Keywords: ecosystem services, timber harvesting, forest opening up, best-practice timber harvesting methods, economical assessment, National Forest Inventory, Switzerland doi: 10.3188/szf.2021.0268 * Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, E-Mail leo.bont@wsl.ch W älder erbringen bedeutende Ökosystem- schaffen (Hahn et al 2005). Auch um einen konstant leistungen: Dazu gehören die Bereitstel- hohen Zuwachs und damit eine hohe Assimilation lung von Holz, der Schutz vor Naturge- von CO2 aus der Luft zu erreichen, sind regelmässige fahren, die Erhaltung der Biodiversität, die Funktion Hiebe notwendig. Eine maximale Kohlenstoffsenk- als Erholungsraum, die Kohlenstoffspeicherung so- wirkung wird erreicht, wenn das geschlagene Holz wie die Trinkwasserfilterung und -speicherung. Da- für langlebige Holzprodukte verwendet wird, die den mit die Wälder diese Dienstleistungen nachhaltig assimilierten Kohlenstoff speichern und energiein- erbringen können, sind waldbauliche Lenkungsmass- tensive Baumaterialien wie Stahl und Beton ersetzen nahmen erforderlich. Im Schutzwald, der gemäss (Verkerk et al 2020). Die Förderung von Baumarten, Landesforstinventar (LFI) 42% des Schweizer Waldes die an künftige Klimaverhältnisse angepasst sind, so- umfasst (Brändli et al 2020), muss zur Sicherstellung wie die Schaffung von störungsresistenteren und -re- einer kontinuierlichen Waldverjüngung regelmässig silienteren Bestandesstrukturen erfordern ebenfalls eingegriffen werden (Brang et al 2006). Ausserdem Lenkungsmassnahmen (Brang et al 2016). sind viele Pflanzen-, Insekten- und Vogelarten auf Voraussetzung für die effiziente Durchfüh- gezielte Eingriffe angewiesen. Dadurch wird eine rung der Lenkungsmassnahmen und insbesondere vielfältige Waldstruktur mit einem Nebeneinander den Abtransport des dabei anfallenden Holzes ist von Altholz-, aber auch von Pionierwaldphasen ge- eine gute Erschliessung des Waldes. Der finanzielle 268 WISSEN Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 5: 268–277
Aufwand für die Holzernte und die Erschliessung ist chen Tälern oder Gemeinden die Erschliessung für beträchtlich. Bei den Betrieben des schweizerischen die Waldbewirtschaftung ungenügend ist. Um diese Testbetriebsnetzes macht dieser Aufwand 71% des Wissenslücke zu schliessen, wurde die Produktpa- Kerngeschäfts der Waldbewirtschaftung aus (Bürgi lette des LFI im Bereich «Holzernte und Erschlies et al 2018). Deshalb sind verlässliche Informationen sung» erweitert. Dies mit dem Ziel, (1) auch Grund- zur Holzernte- und Erschliessungssituation für eine lagen für forstpolitische Strategien zu liefern und (2) nachhaltige und kosteneffiziente Waldbewirtschaf- neue, massgeschneiderte Analysemethoden für wei- tung von grosser Bedeutung. terführende Untersuchungen zu entwickeln (z.B. für Im Rahmen des LFI wurden in der Vergan den künftigen Erschliessungsbedarf, das Holznut- genheit bereits zahlreiche Parameter erhoben und zungspotenzial und Gesamtkonzepte für die Walder- ausgewertet, die für Holzernte und Erschliessung schliessung). Der Artikel gibt einen Überblick über relevant sind. Für jede Probefläche zeichneten bei- die neuen LFI-Produkte und zeigt auf, wie sie genutzt spielsweise die Revierförsterinnen und Revierförster werden können, um Fragen zur Erschliessungsgüte die hypothetisch oder im Falle eines Eingriffs tatsäch- und zum Reengineering, wie sie beispielsweise bei lich eingesetzten Rückemittel und Ernteverfahren so- der Revision des Bundesgesetzes über den Wald im wie die Rückedistanzen auf. Die erhobenen Daten Jahr 2016 (Beiträge an die Walderschliessung ausser- wurden mit Produktivitätsmodellen verknüpft. Dar- halb des Schutzwalds) aufgeworfen wurden, beant- aus wurde der potenzielle Aufwand für die Bereitstel- worten zu können. lung des Holzes an der Waldstrasse berechnet. Dieser klassische Ansatz erlaubt Aussagen über den aktuellen Zustand der Erschliessung und der Modellierung des Bestverfahrens für Holzernte für die Schweiz und die einzelnen Forst- die LFI-Probeflächen regionen. Jedoch können aufgrund dieser Stichpro- benerhebung keine räumlich höher aufgelösten Ana- Mittels Befragung der Revierförster wird im LFI lysen oder Potenzialabschätzungen gemacht werden. für jede Probefläche das effektiv eingesetzte Holz Beispielsweise kann nicht aufgezeigt werden, in wel- ernteverfahren (inkl. Rückemittel) erfasst. Falls seit Seilkran und Helikopter Hindernisse (HIND) 1 = 75% HIND = 1, 2 HLW ≥60 Ja Brusthöhendurchmesser (BHD) [cm] TR = 1 HL ≤600 Ja Laubholz (LBH) [%] LBH ≤50 BHD ≤70 Hangneigung (HN) [%] Nein TR = 2 Transportrichtung (TR) HL ≤400 Ja 1 = bergauf Mobilseilkran LBH ≤50 2 = bergab (Vollbaum) BHD ≤70 HN ≤50 Rückedistanz (RD) [m] Nein Hanglänge (HL) [m] Ja Mobilseilkran HL ≤600 (Sortiment) Hanglänge mit Wald (HLW) [%] Nein Langstreckenseilkran (Sortiment) Abb 1 Entscheidungsbaum zur Herleitung des Bestverfahrens im nicht befahrbaren Gelände. Die Eingangsparameter stammen aus den LFI-Feldaufnahmen (HIND, BHD, LBH) sowie aus den Eigenschaften des Hanges und der modellierten möglichen Seillinie (HN, TR, HL, HLW). Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 5: 268–277 CONNAISSANCES 269
der letzten Erhebung auf der Probefläche kein Ein- ernteverfahren und Walderschliessung (Waldstras griff stattgefunden hat, wird das Ernteverfahren er- sennetz der Schweiz) fasst, das nach Angabe der Revierförsterinnen im 4. Expertenwissen für die Definition der Ent- Falle eines Eingriffs eingesetzt würde. Eine Übersicht scheidungsbäume: Herleitung des technischen Rah- über die erhobenen Holzernteverfahren ist in Fischer mens, in dem ein bestimmtes Holzerntesystem an- & Stadelmann (2019) und in Fischer et al (2020) zu gewendet werden kann. Insgesamt wurden drei finden. Entscheidungsbäume festgelegt. Der erste diente der Um die im LFI erfassten Holzernteverfahren Abgrenzung des befahrbaren Geländes vom nicht zu evaluieren, haben wir eine Methode entwickelt, befahrbaren. Genutzt wurden für diesen Entschei- mit der das auf einer LFI-Probefläche technisch dungsbaum das vom Revierförster oder der Revier- machbare, den Umwelt- und Sicherheitsstandards försterin angegebene Rückemittel, die Hangneigung genügende und gleichzeitig wirtschaftlichste Holz und der Waldstandort. Mit den zwei anderen Ent- ernteverfahren identifiziert werden kann. Dieses be- scheidungsbäumen wurden die Bestverfahren im zeichnen wir als «Bestverfahren». Durch die Bestim- befahrbaren bzw. nicht befahrbaren Gelände (Ab mung der Holzerntekosten für jede LFI-Probefläche bildung 1) abgegrenzt. Damit ist für jedes der Best- können die Kosten des aktuell angewendeten Ver- verfahren in Tabelle 1 die technische Grenze (z.B. fahrens mit den Kosten des Bestverfahrens vergli- maximale Rückedistanz) definiert. chen werden. Um das Bestverfahren für eine Probefläche zu bestimmen, wurden unter Zuhilfenahme der Daten- Daten und Methode quellen und der Entscheidungsbäume alle technisch Für die Herleitung des Bestverfahrens wurden möglichen Holzernteverfahren ermittelt. Anschlies vier Gruppen von Datenquellen verwendet, die für send wurden für jedes der technisch möglichen Holz die ganze Waldfläche der Schweiz verfügbar waren: ernteverfahren der Holzernteaufwand und die Trans- 1. GIS-Daten: ein digitales Geländemodell mit portkosten bis zum übergeordneten Strassennetz einer Auflösung von 2 m, das durch das im LFI er- ausserhalb des Waldes berechnet. Für die Berechnung hobene Waldstrassennetz, die LFI-Waldmaske (Wa- der Aufarbeitungs- und Rückekosten wurde das Pro- ser et al 2015) sowie die Koordinaten der LFI-Probe- duktivitätsmodell HeProMo (Frutig et al 2016, Holm flächen ergänzt wurde et al 2020) verwendet; die Transportdistanzen bis zum 2. Auf den LFI-Probeflächen erfasste Daten: übergeordneten Strassennetz (d.h. Strassen, die je- zum Beispiel Standortmerkmale, Brusthöhendurch- derzeit von einem Lastwagen mit 40 t Gesamtge- messer (BHD), Baumarten sowie Hindernisse für die wicht befahren werden können) wurden mittels Netz- Holzernte werkanalyse berechnet, worauf die Transportkosten 3. Daten aus der Befragung der Revierförste- bestimmt werden konnten. Für jede LFI-Probefläche rinnen und Revierförster: Informationen zu Holz und somit für die ganze Waldfläche der Schweiz wurde Verfahren Anteile Beschreibung Abkürzung Aktuell Bestverfahren angewendetes (%) Verfahren (%) Motormanuelles Fällen und Aufarbeiten, Rücken mit Schlepper (Sortiment) MM_SK_A 34.3 16.1 Motormanuelles Fällen und Aufarbeiten, Vorrücken mit Schlepper, Rücken mit Forwarder MM_SK_ 8.3 – (Sortiment) FW_A Motormanuelles Fällen und Aufarbeiten, Rücken mit Forwarder (Sortiment) MM_FW_A – 9.7 Motormanuelles Fällen, Rücken mit Schlepper, Aufarbeiten mit P rozessor (Vollbaum) PM_SK_F 3.8 – Vollmechanisiertes Fällen und Aufarbeiten mit Harvester, Rücken mit Forwarder (Sortiment) FM_FW_A 8.5 26.3 Motormanuelles Fällen und Aufarbeiten, Rücken mit Mobilseilkran (Sortiment) MM_TY_A 4.3 9.6 Motormanuelles Fällen und Aufarbeiten, Rücken mit Langstreckenseilkran (Sortiment) MM_LY_A 5.9 11.1 Motormanuelles Fällen, Rücken mit Mobilseilkran (Vollbaum/Kombiseilgerät oder MSK PM_TY_F 10.7 11.0 mit Prozessor) Motormanuelles Fällen, Rücken mit Langstreckenseilkran, A ufarbeiten mit Prozessor (Vollbaum) PM_LY_F 4.8 – Motormanuelles Fällen und Aufarbeiten, Rücken mit Helikopter (Sortiment) MM_H_A 2.2 – Motormanuelles Fällen, Rücken mit Helikopter, Aufarbeiten mit Prozessor (Vollbaum) PM_H_F 15.7 16.3 Andere Verfahren, Schreitharvester und Mobilseilkran, mobiler H acker, Reisten Andere 1.6 – Tab 1 Häufigkeit (Anteil der LFI-Probeflächen) der effektiv angewendeten Holzernteverfahren gemäss LFI4 (2009–2017) und der modellierten Bestverfahren. Die Codierung ist aus dem Englischen abgeleitet und bedeutet folgendes: FM: vollmechanisiert, PM: teilmechanisiert, MM: motormanuell, FW: Forwarder, H: Helikopter, SK: Schlepper/Traktor, LY: konventioneller Seilkran, TY: Mobilseilkran, A: Sortiment, F: Vollbaum 270 WISSEN Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 5: 268–277
das Verfahren mit den niedrigsten Gesamtkosten als Diese Informationen können mit den bisher verwen- das Bestverfahren aus wirtschaftlicher Sicht bestimmt. deten Beurteilungsmethoden nur ungenügend be- reitgestellt werden: Aussagen über die Strassendichte Ergebnisse und Einsatzgebiet des Produkts einer Geländekammer geben einen Durchschnitts- Es zeigte sich, dass es bei Anwendung der Best- wert an und können nicht verwendet werden, um verfahren allgemein zu einer Verschiebung zuguns- zu beurteilen, ob eine Waldparzelle effizient bewirt- ten höher mechanisierter und damit kostengünsti- schaftet werden kann. Einfache räumlich aufgelöste gerer Holzernteverfahren käme (Tabelle 1). So könnte Indikatoren wie die Distanz zur nächsten Strasse be- zum Beispiel das im LFI4 (Erhebungen 2009–2017) rücksichtigen weder unterschiedliche Rückemetho- am häufigsten angewendete Verfahren «Motorma- den noch den Transport auf der Strasse zu einem nuelles Fällen und Aufarbeiten, Rücken mit Schlep- Sammelpunkt. Die Beurteilung von einzelnen kleinen per» (MM_SK_A) oftmals durch das Holzerntever- Gebieten durch Fachleute erlaubt wiederum keine fahren «Vollmechanisiertes Fällen und Aufarbeiten einheitliche Klassifikation über die ganze Schweiz. mit Harvester, Rücken mit Forwarder» (FM_FW_A) Im LFI wurde eine einheitliche und f lächendeckende ersetzt werden. Das würde zu einer Effizienzsteige- Methode zur Beurteilung der Erschliessung entwi- rung führen, die in geringere Holzerntekosten mün- ckelt, um mithilfe des Waldstrassennetzes, der To- den würde. Neben den Kostenvorteilen ist aber auch pografie und weiterer Einflussgrössen die oben ge- die Reduktion der gesundheitlichen Risiken zu be- nannten Schwächen in bisherigen Methoden der achten, die mit der manuellen Holzernte einherge- Erschliessungsbeurteilung zu beheben. hen. Warum kommt trotz dieser Vorteile aktuell nicht flächendeckend das Bestverfahren zum Ein- Daten und Methode satz? Ein Grund dafür ist, dass viele Schweizer Forst- Um flächendeckend und nicht nur für die LFI- betriebe klein sind und einen zu hohen Eigenleis- Probeflächen Aussagen darüber machen zu können, tungsgrad aufweisen (Bürgi et al 2018). Um das wie gut die Waldparzellen erreichbar sind, haben wir eigene Personal und die eigenen Maschinen auslas- ein Modell erstellt: Es bestimmt, für welche Wald- ten zu können, müssen suboptimale Verfahren ein- parzelle sich welche Rückemethode eignet und auf gesetzt werden. Mit der vorliegenden Studie wird so- welcher Route das geerntete Holz danach bis zum mit eine Grundlage geschaffen, um die Differenz Sammelpunkt abtransportiert wird. Dabei werden zwischen dem Ist-Zustand und dem potenziell mög- Rücke- und Transportweg gemeinsam betrachtet, um lichen Zustand aufzuzeigen und dadurch Hand- stets die kostengünstigste Kombination zu finden. lungsperspektiven für Entscheidungstragende be- Da neben dem Waldstrassennetz auch boden-, seil- reitzustellen. und luftgestützte Rückemethoden berücksichtigt werden, kann auf die unterschiedlichen Gelände typen in der Schweiz eingegangen werden. Flächendeckende Analyse Als Waldstrassennetz wird der Datensatz der Erschliessungsgüte «Waldstrassen» des LFI4 verwendet, der auch Anga- ben zu verschiedenen Strasseneigenschaften enthält, Um einen Wald effizient bewirtschaften zu zum Beispiel zum grössten Fahrzeugtyp, für den die können, braucht es eine zeitgemässe Erschliessung Strasse dimensioniert ist (Müller et al 2016). Die In- mit Waldstrassen, insbesondere für die Holzernte formationen zum Strassennetz wurden durch Be und den Holzabtransport. Dies bedeutet, dass die fragung der Revierförsterinnen und Revierförster er- Waldstrassen idealerweise ganzjährig mit 5-Achs- hoben. Lastwagen (40 t Gesamtgewicht) befahren werden Unser Ansatz folgte der in Bont et al (2018) be- können. Im Weiteren spielt das eingesetzte Ernte- schriebenen Methode. Sie wurde erweitert, damit sie verfahren eine entscheidende Rolle. Kann aufgrund nicht nur auf steiles, sondern auch auf flaches Ge- der Erschliessung kein effizientes Ernteverfahren lände anwendbar wurde. Unabhängig voneinander eingesetzt werden, weil beispielsweise die Distanz wurden die Gebiete für boden- und seilgestütztes zur Waldstrasse zu gross ist (z.B. Verwendung eines Rücken ausgeschieden. Für Letzteres wurden entlang konventionellen Seilkrans anstatt eines Kombiseil- des bestehenden Waldstrassennetzes in regelmässi- gerätes), erhöhen sich die Produktionskosten. gen Abständen (alle 30 m) Punkte definiert, die als Kantone und Forstbetriebe benötigen für ihre Installationsplätze für Seilkräne infrage kommen. Planung eine flächendeckende Beurteilung der Güte Ausgehend von diesen Punkten wurde die Realisier- der Erschliessung, um Prioritäten beim Bau und Un- barkeit von Seillinien in verschiedene Richtungen terhalt von Waldstrassen setzen zu können. Für den geprüft. Berücksichtigt wurden dabei das Gelände Bund wiederum sind Angaben zur Erschliessungs- sowie mögliche Hindernisse (z.B. Hochspannungs- güte über den gesamten Schweizer Wald und nach leitungen). Damit wurde die Fläche auf der Karte aus- einheitlichen Kriterien wichtig in Bezug auf die Um- geschieden, die sich für das Rücken mit Seilkran po- setzung der Ziele der Waldpolitik 2020 (BAFU 2013). tenziell eignet. Waldgebiete, die für bodengestützte Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 5: 268–277 CONNAISSANCES 271
Rückemethode Limitierender LKW-Typ beim Abtransport Die flächendeckenden Informationen zu den 3-Achs-LKW 4-/5-Achs-LKW Rückemethoden und den Transportwegen wurden Kategorie 2 Kategorie 1 dann verwendet, um das gesamte Waldgebiet der Bodengestützt Schweiz hinsichtlich der Erschliessungsgüte einzu- (bedingt geeignet*) (geeignet*) Kategorie 2 Kategorie 1 teilen: In Kategorie 1 eignet sich die Erschliessung Mobilseilkran für eine effiziente Holzernte gemäss heutigem Stand (bedingt geeignet*) (geeignet*) der Technik, in Kategorie 2 eignet sie sich bedingt Kategorie 2 Kategorie 2 Langstreckenseilkran und in Kategorie 3 eignet sie sich nicht dafür (Ta- (bedingt geeignet*) (bedingt geeignet*) belle 2). Helikopter Kategorie 3 (nicht geeignet*; für alle LKW-Typen) Tab 2 Definition der Erschliessungsgütekategorien aufgrund der einsetzbaren Rücke Ergebnisse und Einsatzgebiet methode und des limitierenden Lastwagentyps beim Abtransport des Holzes. LKW: Last- des Produkts wagen *für eine effiziente Holzernte gemäss heutigem Stand der Technik In der Schweiz kann rund die Hälfte des Wal- des nach dem heutigen Stand der Technik effizient Verfahren infrage kommen, wurden anhand des Ge- bewirtschaftet werden (Tabelle 3). Auf einem Vier- ländes und der Bodeneigenschaften ausgeschieden. tel der Waldfläche ist eine effiziente Bewirtschaf- Dazu wurde geprüft, ob alle befahrbaren Flächen tung dagegen nur bedingt und auf einem Viertel auch an eine Waldstrasse angeschlossen sind. Das nicht möglich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in übrige Waldgebiet, das weder mit bodengestützten die Analyse die gesamte Waldfläche einschliesslich noch mit seilgestützten Verfahren erreicht werden aller Schutzgebiete einbezogen wurde, dass nur kann, wurde der Kategorie «Helikopter» zugeteilt. Strassen, die mit Lastwagen befahrbar sind (mind. Als Resultat ergab sich eine Karte, welche die jeweils 3-Achser, 26 t Gesamtgewicht), als relevant für die am besten geeignete dieser drei Rückemethoden für Erschliessung betrachtet wurden und dass die Ein- jede Waldparzelle darstellt; und zwar mit den Prio- griffsstärke nicht berücksichtigt wurde. Das Modell ritäten 1. boden-, 2. seil- und 3. luftgestützt. Auf der eignet sich, um Gebiete mit ungenügender Erschlies Grundlage dieser Karte kann auch eine Karte der Rü- sung auf einheitliche Art und Weise zu identifizie- ckekosten erstellt werden. Die Auflösung der Karten ren (Abbildung 2). Das ist für den effizienten Ein- liegt bei 10 m × 10 m. satz der Mittel im Waldstrassenbau und -unterhalt Zur Abschätzung der Transportkosten wurde hilfreich. Die Methode kann auch verwendet wer- in einem ersten Schritt der Abtransport des Holzes den, um verschiedene Ausbauszenarien zu verglei- aus dem Wald auf der Strasse mittels Netzwerkana- chen. Neben der Güte können weitere Grössen ana- lyse optimiert. Dabei wird nicht nur die Distanz be- lysiert werden, die für die Erschliessung relevant rücksichtigt, sondern auch der grösste auf der je- sind. Zum Beispiel können Schwachstellen in der weiligen Strasse zugelassene Fahrzeugtyp. Bei der Holztransportkette identifiziert werden, also Stras Erschliessungserhebung wurden im LFI4 vier Ge- senstücke, die eine kleinere Tragfähigkeit oder eine wichtsklassen unterschieden: bis 20 t (2-Achser), ab geringere Breite besitzen als das in Transportrich- 26 t (3-Achser), 28–32 t (4-Achser) und 40–44 t tung vorangehende. Durch Verknüpfung der Me- (5-Achser). Auch wenn rund 72% der Waldstrassen- thode mit zu den Holzernteverfahren passenden Pro- länge auf Strassen für 5-Achser fallen, sind doch duktivitätsmodellen kann abgeschätzt werden, wie rund 22% nur für 3- bis 4-Achser nutzbar (Cioldi et viel Holz wo und zu welchen Kosten verfügbar ist. al 2020). Deshalb wurden in dieser Analyse alle Stras sen berücksichtigt, die für ein Gesamtgewicht von mindestens 26 t dimensioniert sind. Bei der Berech- Ökonomische Bewertung von nung der Transportkosten konnte somit berücksich- Erschliessungsnetzen tigt werden, dass grössere Lastwagen pro Fahrt ein grösseres Holzvolumen transportieren können und Durch die Analyse der Erschliessungsgüte damit kostengünstiger sind. Als Ziel des Transports konnte festgestellt werden, ob ein Waldstück nach wurde auch hier das übergeordnete Strassennetz dem Stand der Technik erschlossen ist. Diese Klas- verwendet. Anhand der Transportkosten konnte für jeden Umschlagpunkt die kostengünstigste Route Erschliessungsgüte Anteil an der Waldfläche (%) ermittelt werden. Diese Route bzw. diese Transport- Kategorie 1 52 kosten wurden dann dem gesamten Waldgebiet zu- Kategorie 2 23 geordnet, aus dem gemäss Modell zu diesem Um- Kategorie 3 25 schlagpunkt gerückt wird. Die Transportkosten Total 100 können somit ebenfalls als Karte mit einer Auflösung Tab 3 Güte der Walderschliessung in der Schweiz. Kategorie 1: von 10 m × 10 m dargestellt werden. Aus der Kom- effiziente Bewirtschaftung möglich, Kategorie 2: effiziente Be- bination aus Rücke- und Transportkosten konnte wirtschaftung bedingt möglich, Kategorie 3: effiziente Bewirt- eine Karte der Gesamtkosten erstellt werden. schaftung nicht möglich 272 WISSEN Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 5: 268–277
199 000 198 000 197 000 196 000 195 000 Strassennetzwerk Sammelpunkt (übergeordnetes Strassennetz) Strassen befahrbar mit Gesamtgewicht ab 28 t 194 000 Strassen befahrbar mit Gesamtgewicht unter 28 t Erschliessungsgüte Kategorie 1 Kategorie 2 0 0.5 1 Kilometer 193 000 Kategorie 3 774 000 775 000 776 000 777 000 778 000 779 000 780 000 781 000 782 000 Abb 2 Güte der Walderschliessung in der Region Küblis (GR). Kategorien: 1) effiziente Bewirtschaftung möglich; 2) effiziente B ewirtschaftung bedingt möglich; 3) effiziente Bewirtschaftung nicht möglich. Definition der Gütekategorien siehe Tabelle 2 Quelle DTM: Bundesamt für Landestopografie sierung erlaubt jedoch keine Aussagen darüber, ob auch komplexe theoretische Analysen im steilen Ge- ein Waldstrassennetz auch ökonomisch effizient ge- lände (Heinimann 1998). Bruno Abegg leitete bereits staltet ist. Beispielsweise kann eine Waldparzelle gut Ende der 1970er-Jahre mit analogen Modellüberle- erschlossen, die Erschliessung aber aus ökonomi- gungen optimale Strassendichten sowohl für befahr- schen Gesichtspunkten trotzdem ineffizient sein, bares Gelände (Abegg 1978) als auch für Hanglagen etwa wenn das Strassennetz zu dicht ist. Dieses Bei- (Abegg 1988) für die Schweiz her. Den Überlegun- spiel ist kein Einzelfall: Viele Strassennetzwerke, die gen liegt zugrunde, dass eine zunehmende Strassen- in der Mitte des letzten Jahrhunderts gebaut wur- dichte folgende Konsequenzen hat: den, folgten der Idee, dass das Holz vom Bestand di- 1. abnehmende Kosten für Rücken und Lagern rekt (ohne Feinerschliessung wie Rückegassen oder des Holzes, für Arbeitswege von der Strasse in den Maschinenwege) auf die Strasse gerückt werden soll. Bestand und für den Unterhalt der Rückegassen Deshalb wurden im Mittelland und im Jura in vie- (Mulchen, Entfernen von Reisigmatten); len Wäldern sehr hohe Strassendichten von 60 bis 2. höhere Kosten für den Strassenbau (inkl. Amor 100 Laufmeter pro Hektare (m/ha) angestrebt. Für tisation und Verzinsung) und -unterhalt; zeitgemässe Holzernteverfahren kann befahrbares 3. keinen oder nur einen vernachlässigbaren Ein- Gelände mit Rückegassen feinerschlossen werden, fluss auf die Kosten für die Erstellung der Rückegas- sodass eine geringere Strassendichte erforderlich ist. sen, für das Rücken des in Strassennähe anfallenden Das führt in der forstbetrieblichen Planung unwei- Holzes, für Personen-, Material- und Holztransporte gerlich zur Frage, welche Strassen eines bestehenden auf dem Strassennetz sowie auf Ertragsausfälle durch Erschliessungsnetzes weiterhin als Basiserschlies Schneisen und Rückegassen. sung verwendet und somit auch unterhalten werden Abegg errechnete optimale Strassendichten sollen und welche Strassen aus wirtschaftlicher Sicht zwischen 30 und 50 m/ha für befahrbare Lagen (bis überflüssig geworden sind. 30% Hangneigung; B) und 10 bis 50 m/ha für stei- In der Literatur finden sich zahlreiche Grund- lere, nicht befahrbare Lagen (S). Die Werte sind im lagen zur Bewertung der ökonomischen Effizienz Einzelnen abhängig vom Baugrund (S), von der Bo- von Erschliessungen. Matthews (1942) beschrieb als dentragfähigkeit (B), der Holznutzung (m3/[ha × J]) erster den funktionalen Zusammenhang zwischen (S, B), dem Holztyp (Nadel-/Laubholz) (S), der Hang- Strassengeometrie und Rückedistanz. Der Ansatz neigung (S) und dem Strassenbaukostenniveau (S, wurde sukzessive ausgebaut und erlaubt mittlerweile B). Dem ist anzufügen, dass die optimale Erschlies Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 5: 268–277 CONNAISSANCES 273
50 40 Kosten [CHF/m3] 30 Optimalbereich 20 10 0 0 20 40 60 80 Strassendichte [m/ha] Abb 3 Beispiel zur Herleitung einer bezüglich Gesamtkosten Gesamtkosten(Summe von Strassen- und Rückekosten) Strassenkosten optimalen Strassendichte mit Rückekosten den Matthews-Formeln (Heinimann 2017) für die Region Bannwil/Niederbipp (BE). Auf der Kurve, die den Zusammenhang zwischen den Gesamtkosten und der Strassendichte darstellt, kann die optimale Strassendichte dort von der x-Achse abgelesen werden, wo die Kosten minimal sind. Zugrunde gelegte Werte: Rückekosten = 0.021 CHF/(m3 × m), Strassenunterhaltskosten = 4 CHF/(m × J), Holzanfall = 10 m3/(h × ), Netzwerk-Korrekturfaktor = 1.2, Offroad-Korrekturfaktor = 1.25, Lebensdauer der Strassen = 50 Jahre, Zinsfuss = 2% sungsdichte keine exakte Grösse ist, sondern eher ei- halb hier vorgestellt. Wir haben eingangs postuliert, nen Richtwert (bezogen auf ein grösseres Gebiet) dass sich die Strassendichte nicht als Indikator eig- darstellt. net, haben dies jedoch auf die Geländekammer be- Die Anwendung der oben beschriebenen Me- zogen. Nachfolgend berechnen wir die Strassen- thoden bzw. Richtwerte ist am einfachsten in homo- dichte nicht für eine Geländekammer, sondern genem Gelände, insbesondere bei Neukonzipierun- «hoch aufgelöst» für Feinerschliessungseinheiten. gen von Erschliessungen. Jedoch befinden sich Mittels Modellüberlegungen können optimale Stras Wälder häufig in inhomogenem Gelände, weil die sendichten (bzw. Bereiche nahe dem Optimum) für Topografie innerhalb von kurzer Distanz stark vari- verschiedene Flächen hergeleitet werden. Entspre- ieren kann. Bei der Überarbeitung von bereits beste- chende Modellüberlegungen wurden von Abegg henden Erschliessungen tritt zusätzlich das Problem (1978, 1988) oder Heinimann (1998) formuliert. Die auf, dass viele Strassennetzwerke nicht systematisch wichtigsten Modellparameter sind die Rückekosten, geplant wurden, sondern im Verlauf der Zeit gewach- die Personentransportkosten, die Strassenkosten und sen und dadurch «unstrukturiert» sind. Die Angabe der Holzanfall. Da die Datengrundlagen wie die Kos- eines Kennwertes der Strassendichte für eine Gelän- ten des Strassenunterhaltes oder die variablen Rü- dekammer oder ein Einzugsgebiet ist daher nicht ckekosten mit grossen Unsicherheiten behaftet sind, zielführend, da nicht davon ausgegangen werden werden diese Eingangsparameter variiert, um mög- kann, dass die Waldstrassen gleichmässig über die lichst robuste Indikatorwerte herzuleiten. Abbil- gesamte Fläche verteilt sind und das Gelände gleich- dung 3 zeigt ein Beispiel der Herleitung der opti förmig ist. malen Strassendichte, die in diesem Fall auf den Matthews-Formeln (Heinimann 2017) basiert und Daten und Methode für flache Lagen gültig ist. In diesem Beispiel liegt In einem ersten Schritt wurden Kennwerte für die optimale Strassendichte im Bereich von 5–20 m/ eine ökonomisch effiziente Erschliessung hergelei- ha. Für die räumliche Darstellung des Indikatorwerts tet. Gleichzeitig wurden diese Kennwerte räumlich wird das Strassennetzwerk in kleine Stücke unter- hoch aufgelöst dargestellt. Im zweiten Schritt konnte teilt. Basierend auf einer Modellierung der Feiner- durch das Zusammenfügen der Indikatorwerte in ei- schliessungseinheiten kann jedem Strassenstück die ner räumlichen Darstellung eine Hinweiskarte er- Waldfläche zugewiesen werden, die durch das ent- stellt werden. sprechende Strassenstück erschlossen wird. Als Indikator für eine ökonomisch effiziente Erschliessung eignen sich entweder die Strassen- Ergebnisse und Einsatzgebiet dichte (m/ha) oder die normalisierten Holzerntekos- des Produkts ten (CHF/[ha × J]) (Heinimann 1998). Grundsätzlich Als Teil der Ergebnisse liefert die ökonomi- kann mit beiden Werten gearbeitet werden. Der erste sche Bewertung eine Karte, in welcher der Indikator Wert ist jedoch einfacher zu verstehen und wird des- «Strassendichte» hoch aufgelöst für jede Feinerschlies 274 WISSEN Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 5: 268–277
sungseinheit dargestellt ist (Abbildung 4). Vergleicht Gründen wurde der Grenzwert für eine optimale man nun die «Kartenwerte» mit dem «Grenzwert» Strassendichte bewusst höher angesetzt als der mit für eine ökonomisch effiziente Erschliessung (in die- den Matthews-Formeln berechnete wirtschaftliche sem Fall liegt er bei rund 30–50 m/ha), können Ge- Optimalbereich. biete mit Handlungsbedarf schnell identifiziert wer- Um zu beurteilen, welche Strassen ausgebaut den. bzw. herabgestuft werden sollen, empfehlen wir, in Der hier verwendete Grenzwert für eine zu Gebieten mit Handlungsbedarf den Zustand der dichte Erschliessung ist höher als der in Abbildung Strassen vor Ort zu beurteilen (z.B. Koffertiefe und 3 dargestellte ökonomische Optimalbereich. Dafür -breite per Locheisen ermitteln) und darauf aufbau- gibt es mehrere Gründe. Für die Eingangsparameter end über die Weiterverwendung der einzelnen Stras in die Matthews-Formeln sind keine präzisen Werte sensegmente zu entscheiden. Die Entscheidung verfügbar, insbesondere für Rückekosten und Unter- sollte sich dabei an den folgenden Richtlinien/Zie- haltskosten der Forststrassen. Weiter liefern die len orientieren: Matthews-Formeln eine rein wirtschaftliche Kenn- • Sackgassen vermeiden (ungünstig für Holzab- grösse. Schwer quantifizierbare Aspekte wie der transporte); Bodenschutz in der Holzernte werden nicht berück- • mit anderen Nutzungen abstimmen; sichtigt. Bei dichterer Erschliessung kann bei un- • Unterhalt möglichst gering halten (optimale günstigen Witterungsbedingungen vermehrt von Strassensteigung 3 bis 6%, Querneigungen bevorzu- der Waldstrasse aus gearbeitet werden, die Rückegas- gen, weite Kurvenradien, trockenes Gelände wäh- sen müssen weniger befahren werden. Bei dichterer len). Erschliessung braucht es weniger Rückegassen, auf In den meisten Fällen ist es wohl nicht sinn- denen potenziell Befahrungsschäden auftreten voll, bestehende Strassen zu Maschinenwege oder könnten. Für die Bodenschutzaspekte fehlen heute Rückegassen zurückzubauen. Angezeigt ist eher, sie verlässliche quantitative Grundlagen. Aus diesen im Unterhalt herabzustufen und als Maschinenwege oder Rückegassen zu verwenden. Dies trägt bei ent- sprechender Planung zur Bodenschonung bei, da die Holzerntearbeiten bei u ngünstigen Witterungsver- 234 000 hältnissen von diesen zurückgestuften Strassenab- schnitten aus erfolgen können. Die Indikatorkarten eignen sich für die Analyse von grösseren zusam- menhängenden Wäldern; entlang von Waldrändern und in kleinen, zerstückelten Wäldern müssen sie mit Vorsicht interpretiert werden. 232 000 Diskussion und Verwendung in der Praxis Die vorgestellten Methoden und Produkte 230 000 schaffen die Grundlagen für die detaillierte Beurtei- lung und die Anpassung der Erschliessungssituation und der Holzernteverfahren im Schweizer Wald, in- dem sie das Erkennen von Handlungsbedarf und die Wahl von Massnahmen unterstützen. Sie ergänzen die bisherigen LFI-Produkte und entwickeln diese 228 000 weiter; dabei sind sie nicht nur für das LFI selbst von Relevanz, sondern auch für Bund und Kantone. Bei- spielsweise erlauben sie es, Fragen zu beantworten, die anlässlich der Revision des Waldgesetzes im Jahr 2016 zur Walderschliessung aufgeworfen worden wa- 618 000 620 000 622 000 ren. Waldstrassen Strassendichte [m/ha] 0 1000 2000 m Aktuell erarbeiten einige Kantone Gesamtkon- 0 40 80 zepte für die Weiterentwicklung oder die Überarbei- 10 50 90 tung der Erschliessung. Im Kanton Bern wurden 20 60 100 dazu in einem Pilotprojekt sowohl die Erschlies 30 70 sungsgüte als auch die ökonomische Bewertung ver- Abb 4 Karte der Strassendichten (m/ha) für die Region Bannwil/Niederbipp (BE). wendet und als Produkte mit grossem Nutzen und Relief: swisstopo hoher Qualität gelobt. Das hier vorgestellte Gütekon- Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 5: 268–277 CONNAISSANCES 275
zept wurde spezifisch für den Kanton Bern deutlich BONT L (2013) Entwurf eines optimalen Seillinienlayouts für die erweitert und auf individuelle Bedürfnisse ange- Holzernte in steilem Gelände. Schweiz Z Forstwes 164: 321– 327. doi: 10.3188/szf.2013.0321. passt. Die Erkenntnisse daraus wurden wiederum für BONT L (2016) Optimales Layout einer Walderschliessung. die Weiterentwicklung der LFI-Methode zur Beur- Schweiz Z Forstwes 167: 294–301. doi: 10.3188/szf.2016.0294. teilung der Erschliessungsgüte verwendet. Im Kan- BONT L, HEINIMANN H, CHURCH R (2012) Concurrent optimiza- ton Graubünden flossen die Ergebnisse der Analyse tion of harvesting and road network layouts under steep ter- der Erschliessungsgüte in den Waldentwicklungs- rain. Ann Oper Res 1–24. plan1 ein und dienen als objektives Instrument, um BONT LG, FRAEFEL M, FISCHER C (2018) A spatially explicit method Prioritäten bei der Weiterentwicklung der Erschlies to assess the economic suitability of a forest road network for timber harvest in steep terrain. Forests 9: 169. sung zu setzen. BRÄNDLI UB, ABEGG M, ALLGAIER LEUCH B, EDITORS (2020) Die grössten Unsicherheiten bestehen bei der Schweizerisches Landesforstinventar. Ergebnisse der vierten ökonomischen Bewertung bei der Festlegung der op- Erhebung 2009–2017. Birmensdorf: Eidgenöss Forsch.anstalt timalen Strassendichte. Um zuverlässige Aussagen WSL. 341 p. zu machen, müssen Grundlagen zu den Kosten des BRANG P, KÜCHLI C, SCHWITTER R, BUGMANN H, AMMANN P Strassenunterhalts und zu den distanzabhängigen (2016) Waldbauliche Strategien im Klimawandel. In: Pluess Rückekosten erhoben werden. Ebenso müssen be- AR, Augustin AR, Brang P, editors. Wald im Klimawandel. Grundlagen für Adaptationsstrategien. Bern: Haupt. pp. 341– triebliche Risikoüberlegungen in die Entscheidung 365. einfliessen – ein dichtes Strassennetz hat den Vor- BRANG P, SCHÖNENBERGER W, FREHNER M, SCHWITTER R, THOR- teil, dass selbst bei langen Regenperioden ein grosser MANN J ET AL (2006) Management of protection forests in Teil des Waldes von der Waldstrasse aus bewirtschaf- the European Alps: an overview. For Snow Landsc Res 80 (1): tet werden kann und der Waldboden dadurch ge- 23–44. schont wird. BÜRGI P, THOMAS M, PAULI B, AUER N (2018) Forstwirtschaftli- Geht es um das Reengineering, also um die ches Testbetriebsnetz der Schweiz: Ergebnisse der Jahre 2014– Wahl der Strassen, die weiterhin für die Basiser- 2016. Neuenburg: Bundesamt Statistik. 48 p. CIOLDI F, BRÄNDLI UB, DIDION M, FISCHER C, GINZLER C ET AL schliessung benötigt werden, können Optimierungs- (2020) Waldressourcen. In: Brändli UB, Abegg M, Allgaier modelle eingesetzt werden, wie sie von Epstein et al Leuch B, editors, Schweizerisches Landesforstinventar. Ergeb- (2006), Stückelberger et al (2007), Bont et al (2012) nisse der vierten Erhebung 2009–2017. Birmensdorf: Eidge- und Bont (2013, 2016) beschrieben und angewendet nöss Forsch.anstalt WSL. pp. 35–119. worden sind. Solche Optimierungsmodelle eignen EPSTEIN R, WEINTRAUB A, SAPUNAR P, NIETO E, SESSIONS JB ET sich aber nur für die Analyse kleiner Gebiete, da die AL (2006) A combinatorial heuristic approach for solving re- benötigte Rechenleistung mit der Waldfläche expo- al-size machinery location and road design problems in for- estry planning. Operations Res 54: 1017–1027. nenziell zunimmt. Um damit sinnvolle Resultate zu FISCHER C, ROHNER B, HEROLD A, ALLGAIER LEUCH B, TEM- erzielen, ist es zudem zwingend erforderlich, detail- PERLI C ET AL (2020) Holzproduktion. In: Brändli UB, Ab lierte Eingabewerte bezüglich Strassenzustand und egg M, Allgaier Leuch B, editors. Schweizerisches Landes- erwartetem Unterhalt der einzelnen Strassenstücke forstinventar. Ergebnisse der vierten Erhebung 2009–2017. zu verwenden. Dies kann daher nicht im R ahmen Birmensdorf Eidgenöss Forsch.anstalt WSL. pp. 147–187. eines landesweiten Produktes geschehen. Deshalb FISCHER C, STADELMANN G (2019) Calculation of potential tim- war es zielführender, im Rahmen dieses Projektes ei- ber harvesting costs (HeProMo). In: Fischer C, Traub B, edi- tors. Swiss National Forest Inventory – methods and models nen räumlichen Indikator bzw. eine Hinweiskarte of the fourth assessment. Cham: Springer. pp. 257–263. zu erstellen, auf deren Basis eine Detailplanung er- FRUTIG F, HOLM S, PEDOLIN D, THEES O (2016) Holzernte Pro- folgen kann. n duktivitätsmodelle HeProMo, Version 2.3. Birmensdorf: Eid- Eingereicht: 4. November 2020, akzeptiert (mit Review): 19. April 2021 genöss Forsch.anstalt WSL. HAHN P, HEYNEN D, INDERMÜHLE M, MOLLET P, BIRRER S (2005) Holznutzung und Naturschutz. Praxishilfe mit waldbaulichen 1 www.wep.gr.ch (15.3.2021) Merkblättern. Bern: Bundesamt Umwelt Wald Landschaft. 113 p. HEINIMANN HR (1998) A computer model to differentiate skid- der and cable-yarder based road network concepts on steep Literatur slopes. J For Res (Japan) 3: 1–9. HEINIMANN HR (2017) Forest road network and transportation ABEGG B (1978) Schätzung der optimalen Dichte von Waldstras engineering – state and perspectives. Croat J For 38: 188–173. sen in traktorbefahrbarem Gelände. Birmensdorf: Eidgenöss HOLM S, FRUTIG F, LEMM R, THEES O, SCHWEIER J (2020) He- Anstalt forstl Vers.wes, Mitt 52: 99–213. ProMo: A decision support tool to estimate wood harvesting ABEGG B (1988) Wirtschaftliche Erschliessung von Wäldern in productivities. PLOS ONE 15: e0244289. Hanglagen. Entscheidungsgrundlagen zur Beurteilung von Er- MATTHEWS DM (1942) Cost control in the logging industry. New schliessungsvarianten. Birmensdorf: Eidgenöss Anstalt forstl York: McGraw-Hill. 374 p. Vers.wes, Ber 302. 176 p. MÜLLER K, FRAEFEL M, CIOLDI F, CAMIN P, FISCHER C (2016) Der BAFU, EDITOR (2013) Waldpolitik 2020. Visionen, Ziele und Mass- Datensatz «Walderschliessungsstrassen 2013» des Schweize- nahmen für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Schweizer rischen Landesforstinventars. Schweiz Z Forstwes 167: 136– Waldes. Bern: Bundesamt Umwelt. 66 p. 142. doi: 10.3188/szf.2016.0136 276 WISSEN Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 5: 268–277
STÜCKELBERGER JA, HEINIMANN HR, CHUNG W (2007) Improved WASER LT, FISCHER C, WANG Z, GINZLER C (2015) Wall-to-wall road network design models with the consideration of vari- forest mapping based on digital surface models from image- ous link patterns and road design elements. Can J For Res 37: based point clouds and a NFI forest definition. Forests 6: 2281–2298. 4510–4528. VERKERK PJ, COSTANZA R, HETEMÄKI L, KUBISZEWSKI I, LESKI- NEN P ET AL (2020) Climate-smart forestry: the missing link. forest policy and economics 115: 102164. Nouveaux produits pour l’évaluation Assessing timber-harvesting systems and des systèmes de récolte de bois et de la forest road networks in Switzerland: new desserte forestière tools Pour que la forêt puisse offrir des services écosystémiques tels If forests are to perform ecosystem services such as supply- que la fourniture de bois, la protection contre les dangers na- ing timber, providing protection against natural hazards, con- turels, la conservation de la biodiversité, les espaces de dé- serving biodiversity, providing recreational areas, and serv- tente et le stockage du carbone, des mesures de gestion syl- ing as a carbon sink, silvicultural control measures are vicole sont nécessaires, et un bon accès avec des routes required. To enable the implementation of such control meas- forestières est indispensable pour une mise en œuvre efficace ures, a well-developed network of forest roads is necessary. de ces mesures. Cet article présente trois nouveaux produits This paper describes three new tools of the Swiss National de l’Inventaire forestier national suisse (IFN) qui contribuent Forest Inventory (NFI) that help to make timber harvesting à rendre la récolte de bois plus efficiente et à optimiser la des- more efficient and to optimise forest access. The first tool is serte forestière. Le premier de ces produits est un modèle qui a model for selecting the best timber-harvesting method eco- permet de déterminer la méthode de récolte la plus favorable nomically for each NFI sample plot. It uses spatial data on the économiquement pour chaque placette de l’IFN. Il utilise pour topography and the forest road network, on the stand char- cela des données spatiales relatives à la topographie, au ré- acteristics and on the timber-harvesting methods used on seau de routes forestières, des données concernant les peu- the NFI sample plots, as well as expert-based decision trees. plements et des informations quant à la méthode de récolte The results indicate that, to ensure the economically best har- employée sur la placette ainsi que des arbres de décision ba- vesting method is applied, more highly mechanised tech- sés sur des avis d’experts. Les résultats montrent qu’avec le niques, which save costs, should generally be used. For ex- procédé le plus économique, on augmenterait la mécanisa- ample, according to the NFI4 survey (field surveys 2009–2017), tion, ce qui pourrait baisser les coûts. Selon l’enquête réali- fully mechanised techniques are used on only 8.5% of the sée durant l’IFN4 (relevés de terrains 2009–2017), le procédé NFI sample plots but it would actually be best to use them entièrement mécanisé a été utilisé sur 8.5% des placettes, on 26.3% of the plots. The second tool involved a standard- alors que selon le meilleur procédé, on aurait pu travailler ised assessment of the quality of the forest road networks in ainsi sur 26.3% des placettes. Le deuxième produit contient Swiss forests, taking into account, among other things, to- une évaluation harmonisée et couvrante de la qualité de la pography, soil properties, the current forest road network desserte, en considérant notamment la topographie, les ca- and obstacles to timber harvesting. The assessment found ractéristiques du sol, le réseau de routes forestières et les obs- that the current forest road network is suitable for efficient tacles à la récolte de bois. Cette évaluation a montré que la forest management on about half of the Swiss forest area, but desserte est adaptée pour une gestion forestière efficiente sur only conditionally or not at all each on a quarter of it. For the environ la moitié de la surface forestière de la Suisse, alors third tool, the optimal road density was determined taking que sur un quart, elle n’est que possible sous conditions et into account road and extraction costs. On the basis of the sur le dernier quart pas du tout. Le troisième produit a déter- current road density, it is now possible to obtain an overview miné la densité optimale de routes forestières, en considérant of the economic efficiency of forest road networks for larger les coûts de débardage et des routes, ce qui offre un aperçu areas. The three tools provide a useful basis for detailed ar- pour de grands territoires de l’efficience économique des des- ea-wide assessments of the forest road networks and the tim- sertes forestières, en comparaison avec la densité actuelle. ber-harvesting systems in Swiss forests. They have already Les trois produits fournissent des bases pour une évaluation been used for cantonal forest planning in the cantons of Bern détaillée et couvrante de la situation de la desserte et des sys- and the Grisons. tèmes de récolte dans la forêt suisse, ce qui est déjà mis en œuvre dans les planifications cantonales de Berne et des Gri- sons. Schweiz Z Forstwes 172 (2021) 5: 268–277 CONNAISSANCES 277
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